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Seit Ausrufung der Bildungsrepublik durch die Bundeskanzlerin habe sich diese Staatsform prächtig entwickelt, schreibt Konrad Paul Liessmann in seinem Beitrag zum Kursbuch 193 in süffisantem Ton. Aus einer "geistigen Wüste" seien wahrhaft "blühende Landschaften" geworden, deren spezielle Bewohner der Autor in ihrer jeweiligen Eigenart vorstellt: zum Beispiel die Bildungspolitiker, unter deren Händen jede pädagogische Mode sofort zum Reformvorhaben werde, um bloß nicht als Reformverweigerer – das Todesurteil für einen jeden Bildungspolitiker – zu erscheinen. Er nimmt in seiner mit leichter Ironie vorgetragenen Typologie die unverwechselbaren Eigenschaften von Bildungsforschern, -experten, -propheten, -kritikern usw. aufs Korn, um sich am Ende noch mit dem schon aus der Zeit gefallenen Bildungsbürger kurz vor seinem Verschwinden solidarisch zu erklären.
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Seitenzahl: 22
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Inhalt
Konrad Paul LiessmannDie BundesbildungsrepublikEin Streifzug durch (ver)blühende Landschaften
Der Autor
Impressum
Konrad Paul LiessmannDie BundesbildungsrepublikEin Streifzug durch (ver)blühende Landschaften
Es ist nun auch schon wieder zehn Jahre her, dass die Bundeskanzlerin die deutsche Bildungsrepublik ausgerufen hat. Dass Republiken von ganz oben ausgerufen werden, ist zwar eher selten, aber in Fragen der Bildung auf eine Initiative von unten zu warten, ist wahrscheinlich wirklich müßig. Bildung wird heute gewährt, nicht erkämpft. Seit ihrer Ausrufung hat sich diese Staatsform angeblich prächtig entwickelt, aus einer geistigen Wüste sollen blühende Landschaften geworden sein. Allmählich aber stellt sich die Frage, wer in dieser Republik nun eigentlich lebt. Versuchen wir eine Bestandsaufnahme der Wohnbevölkerung der Bildungsrepublik und beginnen wir, auch wenn dies wenig republikanisch anmuten mag, mit jenen lichten höheren Regionen, denen diese Republik ihre Existenz verdankt.
Die Bildungspolitiker
Setzen wir dort an, wo die Verantwortung für das gedeihliche Leben und Denken in der Bildungsrepublik übernommen wird, in der Politik. So leicht es ist, eine Bildungsrepublik auszurufen, so schwer ist es, diese dann mit Leben zu erfüllen. Minister und hohe Beamte stehen dabei vor keinen geringen Problemen. Von allen Seiten werden sie bedrängt, doch endlich das Richtige zu tun. Einmal ist es die Öffentlichkeit, dann sind es die Medien, einmal die Experten, dann die zahlreichen Stiftungen und Testkonsortien, einmal twitternde Gymnasiastinnen, dann wieder mächtige Verbände, die von der Politik die richtigen Reformen, die richtigen Initiativen, die richtigen Strukturen, die richtige Didaktik, die richtigen Universitäten, die richtigen Schulen, die richtige Ausbildung fordern – wobei sich »richtig« immer auf die eigenen, begrenzten und ideologisch gesättigten Interessen der Fordernden bezieht.
Vor allem kämpft die Bildungspolitik mit jenem Zeitgeist, den sie oft genug selbst beschworen hat und der ihren Handlungsspielraum nun empfindlich einengt. Dieser Zeitgeist artikuliert sich in den Phrasen, mit denen die Bildungspolitiker landauf, landab die Menschen versorgen: Dass Bildung die wichtigste Ressource für ein rohstoffarmes Land sei, dass Bildung niemanden ausschließen dürfe, dass Bildung zuständig für alle Formen der Integration und Inklusion sei, dass Bildung die sozialen Defizite der Gesellschaft ausgleichen könne, dass Bildung der Schlüssel für eine gedeihliche Zukunft sei, dass Bildung Wettbewerbsvorteile für alle verschaffe, dass Bildung gegen politische Vereinfacher und Verführer schütze und dass all dies gelingen könne, wenn sich die Bildung nur endlich modernisierte und auf Digitalisierung und Kompetenzen setzte. Dadurch werden die Bildungspolitiker zum Opfer ihrer eigenen Glaubenssätze. Sie versprechen einfach zu viel, was andere – die Lehrer und Schüler, die Professoren und Studenten – dann halten sollen. Das geht in der Regel nicht gut und verschärft den Druck.