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Im menschenleeren Dead Man's Canyon begegnet den drei ??? plötzlich ein Goldgräber. Und zwar nicht irgendeiner John Dewey kam vor über 100 Jahren zu Tode und verfluchte jeden, der seinem Gold zu nahe kommt. Für Justus steht fest: Alles Legende! Doch als in der darauffolgenden Nacht gespenstischer Besuch vor der Tür steht, erwacht die Legende zum Leben ...
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Seitenzahl: 163
Der Geist des Goldgräbers
erzählt von André Marx
Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
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© 2014, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-14434-3
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
»Halt! Ich glaube, da ist es!« Bob Andrews sah aus dem Beifahrerfenster hinaus in die Nacht und zeigte auf ein altes, verwittertes Holzschild, das im Lichtkegel der Scheinwerfer aufgetaucht war.
Peter Shaw bremste.
»DEAD MAN’S CANYON«, las Justus Jonas von der Rückbank aus vor. »Gut aufgepasst, Bob, mir wäre das Schild entgangen, so halb versteckt hinter dem Gestrüpp. Hier müssen wir also rechts ab.«
»Na endlich«, seufzte Peter. »Dann kann es ja nicht mehr weit sein. Ich bin schon hundemüde. Zu dumm, dass wir bis zum Sonnenuntergang auf dem Schrottplatz schuften mussten. Deine Tante kann wirklich unbarmherzig sein.«
Von der gut ausgebauten Straße, auf der sie während der vergangenen Stunde durch die Ausläufer der Wüste im Hinterland von Los Angeles gefahren waren, bog ein deutlich schmalerer Weg ab. Die Asphaltdecke war brüchig und unzählige Male geflickt worden. Peter lenkte den MG in den Canyon. In der Dunkelheit sahen sie von der Landschaft nicht mehr als trockene Sträucher und kugelförmige Kakteen am Wegesrand.
»Wieso heißt das hier eigentlich Dead Man’s Canyon?«, fragte Peter nach einer Weile.
»Dass du dich das erst jetzt fragst«, wunderte sich Justus.
»Ich frage es mich schon die ganze Zeit. Ich war mir nur nicht sicher, ob ich es wirklich wissen will. Aber da wir nun mal hier sind – spuck’s aus!«
»Bob hat die Geschichte recherchiert«, sagte Justus.
Bob nickte. »Im Jahr 1852 ereignete sich hier ein grausiger Vorfall. Ein Abenteurer namens John Dewey stieß in den Bergen zufällig auf Gold. Sofort packte ihn das Goldfieber, dem damals so viele erlegen sind. Er heuerte Arbeiter an und ließ sie auf der Suche nach einer Goldader wie ein Besessener die Erde aufbuddeln. Aber er fand nichts. Das wollte er jedoch nicht wahrhaben. Stattdessen glaubte er, dass seine Arbeiter ihn bestahlen. Arbeiter, die er schon bald nicht mehr bezahlen konnte. Die wurden ziemlich sauer. Und schließlich kam es zur Revolte.«
»Was haben sie gemacht?«, fragte Peter. »Ihn aufgehängt?«
»Exakt.«
Der Zweite Detektiv schluckte. »Echt?«
Bob nickte. »Im dritten Monat ohne Bezahlung, bei viel zu wenig Essen und gelegentlichen Prügeln, wenn Dewey meinte, einen von ihnen beim Stehlen erwischt zu haben, flippten die Arbeiter aus. Sie stürmten seine Hütte, schleiften Dewey zu einem großen Baum beim Eselspfad und hängten ihn.«
»Du meine Güte!«
»Aber bevor dem Esel, auf dem Dewey mit einer Schlinge um den Hals saß, ein Tritt gegeben wurde, sprach John Dewey einen Fluch aus. Seine letzten Worte waren: ›Ihr könnt mich umbringen, aber das Gold gehört mir. Jeder, der ihm zu nahe kommt, wird mit seinem Leben bezahlen.‹« Bob zeigte seinen Freunden auf dem Display seines Telefons ein altes Schwarz-Weiß-Foto, auf dem ein kleiner, schmaler Mann in einem schmutzigen Hemd und mit Hosenträgern zu sehen war. Sein Gesicht war kaum zu erkennen, da es vom Schatten eines großen, breitkrempigen Cowboyhutes verdeckt wurde. »Das ist Dewey«, erklärte Bob. »Er blieb am Baum hängen, jahrelang, denn niemand traute sich, die Leiche abzunehmen. Nach und nach wurde sie von den Vögeln gefressen, bis sie schließlich abfiel. Seit damals heißt dieser Ort Dead Man’s Canyon.«
»Na, das ist ja eine reizende Geschichte«, sagte Peter und ein Schauer durchfuhr ihn. Plötzlich war ihm kalt geworden.
»Viele unheimliche Geschichten ranken sich um den Canyon. Immer wieder wird Deweys Geist in den Bergen gesehen. Camper, die hier im Zelt übernachten, hören nachts Bäume knarren, obwohl gar kein Wind weht, so als würde etwas an ihnen baumeln. Autos kommen von der Straße ab und prallen gegen die Felswand oder rasen den Abgrund hinunter. John Deweys Geist hat schon viele Opfer gefordert. Und niemand weiß, wer das nächste sein wird.«
Während der letzten Sätze hatte Bob die Stimme gesenkt und war immer leiser geworden. Nun drehte er langsam seinen Kopf zu Peter und rief laut: »Buh!«
Peter zuckte zusammen und der Wagen geriet leicht ins Schlingern. »Mann, Bob, lass das gefälligst! Das ist gefährlich, solange ich am Steuer sitze!«
Bob und Justus lachten.
»Ach, Peter, du bist so schön berechenbar!«, meinte Justus.
»Jaja, macht euch nur immer schön lustig über mich und meine Ängstlichkeit. Das ist ja auch beim hundertsten Mal immer noch wahnsinnig komisch. Wisst ihr, dass Angst eine Körperfunktion ist, die einen vor Gefahren warnt und einem unter Umständen das Leben rettet? Das habe ich neulich im Radio gehört. Angst zu haben ist also sehr nützlich.«
»Nützliche Angst ist nützlich«, korrigierte Justus ihn. »Die Angst vor einer giftigen Schlange kann dir das Leben retten. Aber die Angst vor Geistern ist zu gar nichts gut, denn es gibt nun mal keine Geister.«
»Ach. Und warum hat Mrs Kramer uns dann gebeten, zu ihr zu kommen? Sie hat am Telefon gesagt, dass unheimliche Dinge im Canyon passieren, oder?«
»Sie hat herumgedruckst. Genaues habe ich am Telefon nicht erfahren können. Wir werden sehen. Übrigens müssten wir bald da sein, Peter. Noch zwei, drei Minuten, dann kommt ein großes Grundstück auf der linken Seite.«
Peter wurde langsamer und alle drei blickten schweigend aus dem Fenster, damit sie das Haus, in dem Mrs Kramer lebte, nicht verpassten. Die Welt bestand aus einem Lichtkegel, der die Straße aus der Nacht schnitt, und aus den Steinen, dem Sand und dem Gesträuch am Wegesrand.
Justus schaute aus dem Seitenfenster, während Bob im Handschuhfach nach der Karte kramte. Er wollte nachsehen, ob sie auch wirklich richtig waren.
Peters Schrei ließ ihn hochfahren. Alles ging ganz schnell. Der Wagen geriet ins Schlingern, driftete auf die Gegenfahrbahn – und plötzlich tauchte ein vielarmiges Monster vor der Windschutzscheibe auf.
Peter trat die Bremse voll durch, aber es reichte nicht. Mit nur halb verminderter Geschwindigkeit raste der MG in das Monster hinein.
Beim Aufprall wurden alle drei nach vorn geschleudert. Die Sicherheitsgurte rasteten ein, doch Justus knallte trotzdem mit der Stirn gegen die Kopfstütze des Beifahrersitzes. Der Wagen ruckte noch einmal, als er abgewürgt wurde, dann schlug Stille wie eine Welle über ihnen zusammen.
»Seid ihr noch da?«, murmelte Peter nach ein paar Sekunden benommen.
»Ja«, sagte Bob. »Ich lebe noch. Ich glaube sogar, ich habe mir nicht mal was getan.«
»Kopf gestoßen«, murmelte Justus.
Nacheinander stiegen sie aus.
Das Monster mit den vielen Armen war ein etwa eineinhalb Meter großer Kaktus. Peter hatte ihn zu Brei gefahren und die Pflanze hatte sich mit einer Beule in der vorderen Stoßstange bedankt.
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