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Eigentlich hatten sich Justus, Peter und Bob auf einen harmlosen Trödeleinkauf mit Onkel Titus gefreut. Doch unversehens geraten die Freunde in eine wilde Verfolgungsjagd und in einen neuen Fall. Hunter Scott, der vor Kurzem verstorben ist, soll ein wertvolles Kunstwerk der Maya, einen Kristallschädel, besessen haben. Angeblich hat der Schädel heilende Kräfte. Doch wo in Hunters alter Villa könnte der Schatz versteckt sein? Das fragen sich nicht nur die drei ??? – allerlei dubiose Leute haben es auf den Schädel abgesehen. Wer wird ihn zuerst finden?
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Seitenzahl: 148
und der Kristallschädel
erzählt von André Marx
Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin
Umschlaggestaltung von der Peter Schmidt Group, Hamburg,
auf der Grundlage der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
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© 2021, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,
Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur
ISBN 978-3-440-50441-3
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
»Das sieht ja aus wie ein Spukhaus!«, sagte Peter Shaw, als er aus dem blauen Pick-up stieg und die alte Villa von Hunter Scott zum ersten Mal sah.
Das einsame Haus auf der Waldlichtung hatte zweifellos etwas Unheimliches an sich. Die ehemals hellgraue Farbe war fast gänzlich von der hölzernen Fassade geblättert. An einigen Stellen waren die Wände so morsch, dass man durch Löcher bis auf das Balkengerüst blicken konnte. Der Dachstuhl hing durch. Manche Fenster waren blind.
Die Villa lag abgelegen auf dem Lone Oak Hill, einer kleinen Anhöhe in der Nähe von Rocky Beach. Sie wurde von einer einzelnen uralten Eiche beschattet, die dem Hügel seinen Namen gegeben hatte. Ringsum breitete sich ein lichtes Pinienwäldchen aus, in dem die Tauben in der Hitze des frühen Nachmittags gurrten.
Nun stiegen auch Justus Jonas, sein Onkel Titus Jonas und Bob Andrews aus dem Wagen. Bob legte den Kopf in den Nacken und schaute an der Villa empor bis zu dem kleinen Türmchen, das aus dem Dach ragte. An seiner Ostseite zeigte eine alte Bahnhofsuhr dauerhaft auf zwanzig vor fünf. »Hier ist die Zeit wohl stehen geblieben«, murmelte er.
»Wenn der alte Kasten nicht bald von Grund auf renoviert wird, bricht er in ein oder zwei Jahren komplett zusammen«, vermutete Justus.
»Da bräuchte man aber eine ganze Stange Geld.« Peter kratzte sich am Kopf.
»Man müsste im Grunde alles erneuern«, meinte auch Onkel Titus und warf die Fahrertür des Pick-ups zu. Der kleine Mann im blauen Overall schob sich die Baseballkappe in den Nacken. Er ging auf das Haus zu, klopfte an die Verschalung der Veranda und begutachtete fachmännisch das Holz. »Ja, wirklich alles. Ich fürchte, dafür fehlt Mrs Scott das Geld.«
Die drei Detektive hatten Justus’ Onkel versprochen, ihm bei einer Haushaltsauflösung zur Hand zu gehen. Justus’ Eltern waren vor vielen Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Seitdem lebte er bei seinem Onkel und dessen Frau Mathilda. Die beiden betrieben ein Gebrauchtwarencenter. Dies war die offizielle Bezeichnung, nachdem Justus die beiden darauf hingewiesen hatte, dass es seriöser klang als ›Schrottplatz‹. Einer von Titus Jonas’ alten Kunden namens Hunter Scott war verstorben. Seine Enkelin hatte Onkel Titus um Hilfe gebeten.
Sie betraten die Veranda. Als Justus an die Tür klopfte, bemerkte er, dass sie gar nicht ins Schloss gefallen war. Knarrend schwang sie auf. Dahinter befand sich eine düstere Empfangshalle. In dem hellen Rechteck aus Sonnenlicht, das nun in den Raum fiel, tanzte der Staub. »Hallo?«, rief Justus. »Mrs Scott?«
Plötzlich jagte ein riesiger Hund aus der Dunkelheit heran, ein Neufundländer. Das dunkelbraune Fellmonster mit langer, tropfender Zunge und rosa Lefzen stürmte durch die Halle auf die Tür zu. Erschrocken sprang der Erste Detektiv zur Seite. Doch der Hund hatte es gar nicht auf ihn abgesehen – sondern auf Peter. Ehe dieser reagieren konnte, sprang der Vierbeiner ihn an. Die Vorderläufe prallten gegen Peters Brust und das gewaltige Gewicht des Tieres riss den Zweiten Detektiv von den Füßen. Er fiel rücklings auf die Veranda, die gefletschten Zähne der Bestie waren nur Zentimeter von Peters Kehle entfernt. Dann begann der Hund, ihm das Gesicht abzulecken. Bob brach in schallendes Gelächter aus.
»Growler! Growler, lass das! Aus!« Eine zierliche Frau in den Vierzigern eilte aus dem Haus, packte den Hund energisch beim Halsband und zerrte ihn zurück. Enttäuscht ließ Growler von Peter ab. »Oh, das tut mir so leid, ich war oben und habe euch nicht gehört! Hast du dir wehgetan? Ich weiß nicht, wie man diesem Köter das abgewöhnt. Aber keine Sorge, er macht das nur bei Menschen, die er mag.«
»Na dann«, murmelte der Zweite Detektiv und wischte erst die staubigen Pfotenabdrücke von seinem T-Shirt und dann seine Hand an der Jeans sauber.
»Sie sind Titus Jonas, stimmt’s?«
»Der bin ich.« Onkel Titus nahm seine Mütze ab und reichte der Frau die Hand. »Das sind mein Neffe Justus und seine Freunde Bob und Peter. Und Sie sind Hunters Enkelin.«
Sie nickte. »Julia Scott. Danke, dass Sie gekommen sind, Mr Jonas.« Mrs Scott trug eine blaue Latzhose und ein weißes T-Shirt. Ihr honigblondes Haar mit ersten grauen Strähnen hatte sie zu einem nachlässigen Zopf zusammengebunden. »Ich bin total überfordert. Mein Großvater ist vor zehn Tagen gestorben. Es ging fürchterlich schnell. Er wurde krank und musste urplötzlich ins Krankenhaus. Ausgerechnet, als ich gerade auf der Hochzeit einer Freundin in Florida war. Ich konnte nicht zurück, weil es diesen bescheuerten Hurrikan gab. Drei Tage lang waren alle Flüge gestrichen. Also war ich nicht bei ihm, als er starb.« Sie seufzte schwer. »Wir standen uns sehr nahe, auch wenn ich mich nicht mehr so viel um ihn kümmern konnte, seit ich vor ein paar Jahren nach San Francisco gezogen bin. Dort habe ich einen kleinen Blumenladen. Zum Glück war eine Dame aus dem Frauenverein von Rocky Beach bis zum Schluss an seiner Seite. Sie hat in den letzten Jahren regelmäßig nach ihm gesehen. Er war also nicht allein. Das ist wohl das Wichtigste.«
»Das tut uns leid, Mrs Scott«, sagte Peter mitfühlend.
»Ach, na ja. Natürlich bin ich traurig, aber mein Großvater ist neunundneunzig Jahre alt geworden und war sein Leben lang gesund und zufrieden. Was hätte ich mir mehr wünschen können?«
»Neunundneunzig!«, staunte der Zweite Detektiv.
Julia Scott nickte. »Die meiste Zeit seines Lebens hat er in diesem Haus verbracht. Viele Jahrzehnte, in denen er Trödel gesammelt hat.«
»Ich erinnere mich gut an Ihren Großvater«, sagte Onkel Titus. »Er war früher oft bei mir im Gebrauchtwarencenter.«
»Ich weiß. Er hat mal gesagt, Sie seien einer der wenigen Menschen, der ihn und seine Sammelleidenschaft versteht. Ein Bruder im Geiste.«
»Ich fühle mich geehrt.« Onkel Titus deutete eine Verbeugung an.
»Mein Großvater hat seinen ganzen Kram nun mir vermacht, mitsamt dem baufälligen Haus. Und jetzt stehe ich hier und sollte es am besten sofort verkaufen, bevor es zusammenbricht. Ich habe nicht das Geld, die Villa zu renovieren. Aber vorher muss ich so schnell wie möglich das ganze Zeug loswerden. Und dann wieder zurück nach San Francisco und mich um meinen Laden kümmern. Die Geschäfte laufen nicht besonders. Deshalb habe ich Sie angerufen, Mr Jonas. Ich habe keine Ahnung von Trödel. Was dieser ganze Kram wert ist und so weiter. Wie Sie vorgeschlagen haben, habe ich die Haushaltsauflösung inseriert. Bald werden die ersten Leute kommen und in den Sachen stöbern. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir helfen.«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs Scott. Ich werde die besten Preise für Sie herausholen. Und der nette Bob hat sich bereit erklärt, sich die Bücher genauer anzusehen.«
»Manchmal jobbe ich in der Stadtbücherei von Rocky Beach«, erklärte Bob. »Ich kenne mich ein bisschen aus.«
»Das ist gut. Ich nämlich nicht. Die Bücher stehen heute aber noch nicht zum Verkauf. Ich habe die Bibliothek extra abgeschlossen, sonst ist mir das zu viel Chaos. Du kannst sie dir in den nächsten Tagen mal in Ruhe ansehen. Heute brauche ich euch Jungs zum Schleppen von Möbeln und so weiter. Am besten zeige ich euch einmal die Räumlichkeiten.«
Sie führte Onkel Titus und die drei Detektive in die Eingangshalle. Drinnen herrschte schummriges Licht. Die Fenster bestanden entweder aus bunten Glasornamenten oder waren so trüb und staubig, dass sie nur noch wenig Helligkeit hineinließen. Die Halle war mit dicken dunklen Teppichen ausgelegt. Von der Decke hingen zahllose Lampen aus unterschiedlichsten Epochen: bunte Kunststoffkugeln aus den Sechzigerjahren, schwere Messingräder, die mit Kerzenlampen bestückt waren, und ausladende schimmernde Kronleuchter. Der Fuß einer breiten Freitreppe wurde auf der rechten Seite von einer Ritterrüstung und auf der linken von einem auf allen vieren stehenden Grizzlybären bewacht. Im ganzen Raum verteilt standen samtene Sessel, Korbstühle und Chaiselonguen. Außerdem eine verstaubte Musikbox, ein Tischkicker und eine Töpferscheibe. Die Wände hingen voller Bilder und ausgestopfter Tiere. Auf den Stufen der breiten Treppe standen links und rechts Büsten, Plastiken und Puppen aus Gips, Zinn, Porzellan und Steingut.
»Das sieht ja aus wie bei euch auf dem Schrottplatz!«, staunte Bob.
»Gebrauchtwarencenter«, korrigierte Onkel Titus tonlos. Seine Aufmerksamkeit galt bereits dem Grizzlybären, den er mit glänzenden Augen durch seine kleine Brille begutachtete.
»Wenn Sie etwas besonders Wertvolles entdecken, sagen Sie mir bitte Bescheid, damit ich nicht aus Versehen einen echten Rembrandt für fünf Dollar verkaufe, ja?«
Onkel Titus nickte zwar, schien jedoch kaum zugehört zu haben.
Draußen hielt ein Wagen. Kurz darauf stand ein junges Pärchen in der Eingangstür. »Wir kommen wegen der Haushaltsauflösung.«
Und sie blieben nicht die Einzigen. Im Minutentakt fuhren nun die Besucher vor. Julia Scott führte sie in die Villa. »Bitte sehen Sie sich in aller Ruhe um, auch in den anderen Räumen und im oberen Stockwerk.« Sie begann nervös, ihren Schlüsselbund um den Zeigefinger wirbeln zu lassen. »Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte einfach an mich oder an Mr Jonas hier.«
Doch Onkel Titus war bereits selbst in den Nachbarraum entschwunden. Durch die offene Tür hatte er eine Sammlung alter Schreibmaschinen erspäht, die ihn magisch anzog.
Die meisten Besucher zerstreuten sich. Drei von ihnen hatten jedoch sofort eine Frage an Julia.
»Ich suche ein schönes altes Teeservice«, sagte eine ältere Dame und blinzelte Julia durch ihre dicke Brille an.
»Drüben im Wohnzimmer«, erklärte Julia.
»Ich suche ein gebrauchtes Fahrrad«, sagte ein Herr in einem schlecht sitzenden, fleckigen Anzug.
»Tut mir leid, aber mein Großvater ist kein Fahrrad mehr gefahren.«
Enttäuscht zog der Herr von dannen.
»Ich suche einen Kristallschädel«, sagte ein junger Mann mit halblangem Haar. Er war ganz in weißes Leinen gekleidet. Um den Hals trug er eine Kette mit silbernem Halbmondanhänger.
»Einen was?«
»Einen Totenschädel aus Kristall.«
Julia schüttelte irritiert den Kopf. »So etwas hat mein Großvater nicht besessen.«
»Doch, das hat er«, beharrte der Mann. »Ein Freund hat mich geschickt. Er kannte Ihren Großvater. Der Schädel stammt aus Yukatan in Mexiko. Ihr Großvater hat ihn einst auf einer Auktion erworben.«
»Das muss ein Irrtum sein. So ein Ding wäre mir aufgefallen.«
»Sind Sie ganz sicher?«
»Ja«, sagte Julia bestimmt. »Ich habe in den letzten Tagen nichts anderes getan, als den Besitz meines Großvaters zu sichten. Einen Totenkopf aus Kristall hätte ich nicht vergessen. Ich finde Totenköpfe nämlich schrecklich.«
»Vielleicht haben Sie ihn übersehen.«
Julia seufzte ungehalten. »Ja, vielleicht«, gab sie zu. »Aber daran kann ich ja nun auch nichts ändern. Wenn er noch auftauchen sollte, lege ich ihn für Sie zurück, einverstanden? Verzeihung, aber da drüben braucht jemand meine Hilfe.«
»Selbstverständlich«, murmelte der junge Mann, nickte und ging.
»Das kann ja heiter werden«, stöhnte Julia und widmete sich einer elegant gekleideten Dame, die schon eine ganze Weile ihre Aufmerksamkeit suchte.
Die drei ??? überließen Mrs Scott ihrem Schicksal und schlenderten von Raum zu Raum. Ob Wohnraum, Küche oder Gästezimmer – überall gab es skurrile Dinge zu bestaunen.
»Übrigens, Kollegen«, sagte Justus. »Unser offizieller Auftrag lautet zwar, beim Möbelschleppen zu helfen. Aber Tante Mathilda nahm mich vor unserer Abfahrt beiseite und beschwor mich, dafür zu sorgen, dass Onkel Titus nicht selbst das halbe Haus leer kauft.«
»Eine spannende Herausforderung«, sagte Peter, während Justus’ Onkel gerade mit zwei Schreibmaschinen, einer Stehlampe und zwei mannshohen Kerzenleuchtern unter dem Arm über den Flur stolperte. Auf dem Kopf trug er einen Tropenhelm. Er brachte die Sachen nach draußen und warf im Vorbeigehen erneut begehrliche Blicke auf den ausgestopften Bären.
Julia Scott kam wieder zu ihnen. Sie war gestresst. »Jungs, könntet ihr da draußen –«
Sie wurde von einem schmächtigen Mann in schwarzer Lederjacke unterbrochen. Er trug einen Motorradhelm in der Armbeuge. »Verzeihung, Miss«, brummelte er in seinen buschigen Schnauzbart hinein. »Die Tür am Ende des Ganges im ersten Stock, die klemmt.«
Growler wedelte wie wild mit dem Schwanz. Julia Scott konnte ihn nur mit Mühe davon abhalten, an dem Herrn hochzuspringen. »Sie klemmt nicht, ich habe sie abgeschlossen«, erklärte sie. »Das ist die Bibliothek. Die Bücher habe ich noch nicht gesichtet. Schluss jetzt, Growler! Zum Verkauf steht nur, was Sie in den Räumen mit den offenen Türen finden.«
Eine kleine dünne Frau kam vorbei, in den Armen ein riesiges Grammofon, über das sie kaum hinwegschauen konnte. Prompt stolperte sie über eine Teppichfalte und drohte, mitsamt Grammofon in Julia hineinzufallen.
»Vorsicht!«, rief Peter und hielt die Frau am Arm fest, während Julia von dem Mann mit der Lederjacke zurückgezogen wurde.
»Danke«, sagte Julia irritiert. Der Mann nickte, senkte den Kopf und ging.
»Warten Sie, ich trage Ihnen das Grammofon nach draußen«, bot Peter an und nahm es der Dame ab. Als Nächstes halfen die drei ??? dem jungen Pärchen beim Tragen einer Kommode und einem älteren Herrn beim Abhängen eines monströsen Kronleuchters.
»Ich mache drei Kreuze, wenn das hier vorüber ist«, stöhnte Julia, als sie alle kurz verschnauften. »Ich wollte die Sachen meines Großvaters verkaufen. Aber es fühlt sich an wie eine Plünderung!«
Plötzlich polterte es über ihren Köpfen.
»Habt ihr das auch gehört?«, fragte Bob und schaute nach oben zur Decke.
»Da hat wahrscheinlich jemand etwas fallen gelassen«, überlegte Peter. »Oder ein Bild ist von der Wand gekracht.«
Julia schüttelte verärgert den Kopf. »Das kam eindeutig aus der Bibliothek.«
»Aber die ist doch abgeschlossen.«
»Eben!« Wütend marschierte sie die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Growler lief ihr aufgeregt hinterher.
»Da scheint es Ärger zu geben«, bemerkte Justus. »Kommt schnell, Kollegen.«
Am Ende des oberen Flurs stand Julia vor einer Doppelflügeltür und rüttelte am Knauf. »He! Machen Sie sofort auf!«
In dem Raum dahinter polterte es. Dann war ein Klirren zu hören wie von zerspringendem Glas. Es klang, als würde jemand die halbe Einrichtung zerlegen.
»Aufmachen!«, brüllte Julia.
»Der Schlüssel!«, drängte Justus. »Sie müssen die Tür öffnen.«
»Natürlich, Moment!« Doch der Schlüsselbund baumelte nicht mehr an ihrem Zeigefinger und befand sich auch in keiner der vielen Taschen ihrer Latzhose.
»Kein Problem«, sagte Peter und tastete reflexartig nach seinem Dietrichset in der hinteren Hosentasche. Aber er war nicht auf einen Detektiveinsatz vorbereitet gewesen und hatte es nicht dabei.
»Kannst du die Tür eintreten?«
Peter sah Mrs Scott mit großen Augen an. »Ernsthaft?«
»Eine kaputte Tür mehr oder weniger.« Julia trat beiseite.
»Wie Sie wollen«, murmelte der Zweite Detektiv und trat mit aller Kraft zu. Holz splitterte und die Tür flog auf.
Der kleine Mann in der Lederjacke stand vor den Trümmern einer Standuhr. In den Händen hielt er etwas Schimmerndes: einen gläsernen Totenkopf! Erschrocken wirbelte der Mann herum.
»He!«, rief Julia.
Der Kerl steckte den Totenkopf in seinen Motorradhelm, sprang zum Fenster, riss es auf und kletterte hinaus.
»Na, warte. Den schnapp ich mir!« Der Zweite Detektiv nahm die Verfolgung auf.
»Peter, was machst du denn da?«, rief Bob.
Doch da war Peter schon aus dem Fenster gesprungen.
Das Dach der Veranda lag nur eineinhalb Meter unter dem Fenster. Als Peter darauf landete, gaben die morschen Holzschindeln nach und er brach mit dem rechten Fuß ein. »Verflixt!« Mühsam nach Halt ringend, versuchte er, sich zu befreien. Als es ihm endlich gelang, hatte er wertvolle Zeit verloren. Er schwang sich über die Dachkante und landete federnd auf dem Rasen vor dem Haus.
Zwei Besucher, die gerade die Villa verließen, schrien auf. Vor Schreck ließ eine Frau ihre gerade erworbene Kaffeekanne fallen.
»Sorry«, rief Peter und lief dem Flüchtenden in den Pinienwald nach. Seine Schritte krachten im Unterholz.
Der Wald wurde von der Straße zum Lone Oak Hill durchschnitten. Früher oder später würde der Einbrecher sie erreichen. Wenn Peter nun direkt dorthin lief, verlängerte er zwar die Distanz zu dem Kerl, wäre auf dem Asphalt aber deutlich schneller als im Wald. Es war einen Versuch wert.
Kurz darauf hatte er die Straße erreicht. Gut hundert Meter weiter stand ein rotes Motorrad, auf dem ein bulliger Mann mit hellem Haar saß. Er schaute zum Wald und sah Peter zunächst nicht. Der Lederjackentyp durchbrach die Bäume und sprang augenblicklich hinter dem Fahrer auf das Motorrad. Der bemerkte im selben Moment den Zweiten Detektiv und reagierte sofort. Er kickte den Motor an und gab Gas.
Auf den ersten Metern schlingerte das Fahrzeug hin und her. Dabei fiel dem Lederjackentyp etwas aus der Tasche. Kurz darauf waren sie hinter der nächsten Kurve verschwunden.
Peter stützte sich auf seinen Oberschenkeln ab und atmete tief durch. Dann ging er zu der Stelle, wo der Kerl etwas verloren hatte. Auf der Straße lag Julias Schlüsselbund.
Als Peter zum Haus zurückkehrte, waren Bob, Justus und Onkel Titus auf der Veranda zusammengekommen. Inzwischen hatten die meisten Besucher mitgekriegt, dass etwas Dramatisches vorgefallen war, und waren ebenfalls nach draußen geeilt. Tuschelnd standen sie in kleinen Grüppchen vor dem Haus und sahen Peter erwartungsvoll entgegen.
»Und?«, fragte der Erste Detektiv.
Peter schüttelte den Kopf. »Ein Komplize hat auf ihn gewartet. Sie sind auf einem Motorrad abgehauen.«
»So ein Mist. Hast du das Nummernschild erkannt?«
»Zu weit weg. Ich konnte nicht mal das Modell erkennen. Nur, dass es rot war. Mit gelben Flammenaufklebern an der Seite.«
Julia trat aus dem Haus und scheuchte ein paar weitere Besucher vor sich her. »Sorry, aber Sie haben ja mitbekommen, was passiert ist«, sagte sie an alle gewandt. »Ich muss den Verkauf hier leider abbrechen. Es wird einen neuen Termin geben, versprochen.«
Einige Leute murrten, doch die meisten zeigten Verständnis. Nach und nach stiegen alle in ihre Autos und fuhren davon.
»Also, was ist passiert?«, wandte sich Julia an Peter.
Der berichtete von seiner kurzen Verfolgung.
»Du hast viel riskiert. Das war mutig von dir. Danke, Peter.«