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Der in die Jahre gekommen Junggeselle Sganarelle möchte sich mit der schönen Dorimene vermählen. Um alles richtig zu machen sucht er den Rat verschiedener Philosophen, die ihn aber ratlos zurücklassen. Als bei ihm schließlich begründete Zweifel an Dorimenes Treue aufkommen, versucht er vehement, von der Heirat Abstand zu nehmen - aber zu spät, denn jetzt werden gänzlich unphilosophische Argumente aufgeboten, um ihn schließlich zur Eheschließung zu zwingen. Molière verpackt in dieser köstlichen Komödie seine sanfte Gesellschaftskritik in verschiedene Karikaturen zeitgenössischer französischer Charaktere, die sich jeweils selber im Wege stehen: durch ihre Selbstbezogenheit sind sie nicht in der Lage, sich einander verständlich zu machen. Die Folge sind Verwirrungen und jede Menge komischer Situationen. Zum leichteren Verständnis der Komödie werden in zahlreichen Fußnoten historische Ausdrücke, Ereignisse und philosophische Konzepte erklärt.
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Inhaltsverzeichnis
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Siebente Szene
Achte Szene
Neunte Szene
Zehnte Szene
Elfte Szene
Zwölfte Szene
Dreizehnte Szene
Vierzehnte Szene
Fünfzehnte Szene
Sechzehnte Szene
Siebzehnte Szene
Die erzwungene Heirat
Komödie in einem Akt
von Jean-Baptiste Molière (1664)
übersetzt von
Wolf Heinrich Graf von Baudissin1 (1866)
Personen:Sganarelle.Geronimo.Dorimene, Sganarelle’s Verlobte.Alcantor, Dorimenens Vater.Alcidas, ihr Bruder.Lycaste, ihr Liebhaber.Pancratius2, ein aristotelischer3 Philosoph.Marforius4, ein pyrrhonischer5 Philosoph. Zwei Zigeunerinnen. Der Schauplatz ist auf der Straße.
Wolf Heinrich Graf von Baudissin (1789-1878): Der polyglotte deutsche Diplomat, Schriftsteller und Übersetzer unternahm nach einer kurzen diplomatischen Karriere, die ihn nach Stockholm, Wien und Paris führte, ab 1814 ausgedehnte Reisen durch Italien, Frankreich, Griechenland und die Türkei. Ab 1827 hielt er sich überwiegend in Dresden auf und übersetzte englische, italienische und französische Klassiker, darunter in den Jahren 1865–1867 Moliers Lustspiele, ins Deutsche.↩
Pancratius: Der latinisierte Name kommt aus dem Griechischen und verbindet παν- (pan) „ganz“ mit κράτος (krátos) „Kraft, Macht“ - der alles Beherrschende bzw. der Allmächtige.↩
Aristoteles (384 v.Chr.-322 v.Chr.): Der Schüler Platons ist bis heute einer der wirkmächtigsten und bekanntesten Philosophen. Anders als sein Lehrer kommt Aristoteles zum Schluss, dass durch Abstraktion Erkenntnisse aus den Dingen gewonnen werden können. Ideengeschichtlich überaus bedeutsam ist auch seine Definition der Tugend als jeweils „goldene Mitte“ zwischen zwei Extremen.↩
Marforius: Der marmorne Flussgott mit Bart gilt als eine der sechs „sprechenden“ Statuen Roms und befindet sich heute in den Kapitolinischen Museen im Innenhof des Palazzo Nuovo. Als „sprechend“ wurden diese Statuen bezeichnet, da an ihnen regelmäßig Schmähgedichte und Spottschriften angebracht wurden. Die Antwort auf diese Pamphlete erfolgte zumeist auf anderen sprechenden Statuen, sodass sich zeitweise richtiggehende Dialoge entwickelten.↩
Pyrrhonismus: Die vom griechischen Philosophen Pyrrhon von Elis (ca. 362 v.Chr-275/270 v.Chr.) entwickelte Denkschule gilt als die älteste und radikalste philosophische Formulierung der Skepsis. Durch die Dominanz des Zweifels und der Subjektivität von Sinneseindrücken gilt wahre Erkenntnis als unmöglich – was blieb war (moralischer) Relativismus.↩
Sganarelle (spricht zu den Leuten in seinem Hause). Ich bin gleich wieder da; gebt nur acht auf das Haus, und daß alles ordentlich zugeht. Wenn jemand Geld bringt, so holt mich bei dem Herrn Geronimo; und verlangt man etwas von mir, so sagt, ich sei ausgegangen und käme heut’ den ganzen Tag nicht wieder.
Sganarelle. Geronimo.
Geronimo (der die letzten Worte gehört hat). Das ist ein sehr verständiger Befehl.
Sganarelle. Ah, bester Herr Geronimo, ich treffe Euch zur guten Stunde; ich ging gerade aus, Euch aufzusuchen.
Geronimo. Und in welcher Veranlassung, wenn ich fragen darf? –
Sganarelle. Um Euch etwas mitzuteilen, was mir im Kopfe herumgeht, und Euch zu bitten, mir Euren Rat in dieser Angelegenheit zu geben.
Geronino. Von Herzen gern. Es ist mir lieb, daß wir uns begegnet sind; und wir können hier ungestört miteinander reden.
Sganarelle. Setzt Euch doch, ich bitte Euch! – Es handelt sich um eine Sache von Wichtigkeit, die man mir vorgeschlagen hat; und man tut immer besser, nichts ohne den Rat seiner Freunde zu unternehmen.
Geronimo. Ich danke Euch, daß Ihr mich dazu gewählt habt. Sagt mir also nun wovon die Rede ist.
Sganarelle. Aber vor allen Dingen beschwöre ich Euch mir durchaus nicht zu schmeicheln, und mir Eure Gedanken ganz offenherzig auszusprechen.
Geronimo. Das werde ich tun, weil Ihr’s verlangt.
Sganarelle. Ich wüßte nichts in der Welt, was mehr Tadel verdiente, als ein Freund, der nicht rundheraus spricht.
Geronimo. Da habt Ihr Recht.
Sganarelle. Und man findet in unsern Tagen wenig aufrichtige Freunde!
Geronimo. Das ist wahr.
Sganarelle. Versprecht mir also, lieber Herr Geronimo, recht frei und unumwunden zu sagen, was Ihr denkt.
Geronimo. Das verspreche ich.
Sganarelle. Schwört mir’s bei Eurer Ehre.
Geronimo. Bei meiner Freundschaft! Sagt mir nur was es ist.
Sganarelle. Ich möchte von Euch hören, ob ich wohltun würde mich zu verheiraten.
Geronimo. Wer, Ihr? –
Sganarelle. Ja, ich selbst, in eigener Person. Was meint Ihr dazu? –
Geronimo. Ich bitte Euch nur, mir vorher noch eine Frage zu beantworten.
Sganarelle. Und welche? –
Geronimo. Wie alt mögt Ihr jetzt wohl sein?
Sganarelle. Ich? –
Geronimo. Ja.
Sganarelle. Meiner Treu1, das weiß ich nicht; aber ich befinde mich vortrefflich.