Die Frau, die zu viel wollte - Patricia Vandenberg - E-Book

Die Frau, die zu viel wollte E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »In zwei Stunden muss ich wieder fit sein!«, keuchte Melinda Babel und krümmte sich auf dem Stuhl, der vor dem Schreibtisch in Dr. Nordens Sprechzimmer stand. »Kriegen Sie das hin?« Ihre Patientenkarte lag aufgeklappt vor Daniel. Zusätzlich hatte er ihre Akte im Computer aufgerufen und gründlich studiert. »In den vergangenen drei Wochen waren Sie acht Mal bei mir. Wegen Magenschmerzen, Verdauungsproblemen, Übelkeit, Schwindelanfällen und Ohrensausen«, zählte er die unterschiedlichen Gründe für ihre Besuche auf. »Jedes Mal verlangten Sie von mir, dass ich Sie rasch wieder fit machen soll.« Eine steilte Falte stand zwischen seinen Augen, als er Melinda missbilligend betrachtete. »Es tut mir leid. Aber damit ist jetzt Schluss.« Von einem weiteren Krampf geschüttelt, konnte Melinda zunächst nicht antworten. Sie atmete tapfer ein und aus, um die unmenschlichen Schmerzen in den Griff zu bekommen. »Was soll das heißen?«, fragte sie empört, als sie wieder zu Atem gekommen war. In aller Seelenruhe legte Daniel die Hände übereinander auf den Schreibtisch und lehnte sich zurück. »Wenn ich Ihnen auch weiterhin helfen soll, bestehe ich auf einer gründlichen Anamnese und einer körperlichen Untersuchung.« Trotz ihrer Schmerzen war Melinda amüsiert.

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Dr. Norden – 114 –

Die Frau, die zu viel wollte

Patricia Vandenberg

»In zwei Stunden muss ich wieder fit sein!«, keuchte Melinda Babel und krümmte sich auf dem Stuhl, der vor dem Schreibtisch in Dr. Nordens Sprechzimmer stand. »Kriegen Sie das hin?«

Ihre Patientenkarte lag aufgeklappt vor Daniel. Zusätzlich hatte er ihre Akte im Computer aufgerufen und gründlich studiert.

»In den vergangenen drei Wochen waren Sie acht Mal bei mir. Wegen Magenschmerzen, Verdauungsproblemen, Übelkeit, Schwindelanfällen und Ohrensausen«, zählte er die unterschiedlichen Gründe für ihre Besuche auf. »Jedes Mal verlangten Sie von mir, dass ich Sie rasch wieder fit machen soll.« Eine steilte Falte stand zwischen seinen Augen, als er Melinda missbilligend betrachtete. »Es tut mir leid. Aber damit ist jetzt Schluss.«

Von einem weiteren Krampf geschüttelt, konnte Melinda zunächst nicht antworten. Sie atmete tapfer ein und aus, um die unmenschlichen Schmerzen in den Griff zu bekommen.

»Was soll das heißen?«, fragte sie empört, als sie wieder zu Atem gekommen war.

In aller Seelenruhe legte Daniel die Hände übereinander auf den Schreibtisch und lehnte sich zurück.

»Wenn ich Ihnen auch weiterhin helfen soll, bestehe ich auf einer gründlichen Anamnese und einer körperlichen Untersuchung.«

Trotz ihrer Schmerzen war Melinda amüsiert. Sie strich sich mit der makellos manikürten Hand durch das perfekt frisierte Haar und lächelte maliziös.

»Sie wollen mich befragen? Bitte, nur zu! Interviews zu geben ist mein tägliches Geschäft. Aber bitte machen Sie schnell. Wie gesagt, ich hab nur zwei Stunden Zeit. Danach erwartet mich ein Fotograf, der Bilder für einen Artikel über mich und meine Arbeit machen soll.«

»Also schön«, erwiderte Daniel süffisant lächelnd und dachte kurz nach. »Erzählen Sie mir, was Sie in den letzten drei Wochen gemacht haben.«

Melinda warf den Kopf in den Nacken und lachte auf. Sie war eine extrem aparte Erscheinung und besaß eine beneidenswerte Ausstrahlung, die sie geschickt einzusetzen wusste.

»Sie wollen es aber genau wissen«, strahlte sie ihren Arzt an, und wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte Daniel Norden angenommen, dass sie mit ihm flirtete. »Vor drei Wochen bin ich aus dem Urlaub von den Seychellen zurückgekommen und gleich im Anschluss zu einer Konferenz in die USA geflogen, um dort einen Vortrag zu halten«, erklärte sie unter Zuhilfenahme ihres Kalenders. Andernfalls hätte sie sich nicht erinnern können. »Am Tag meiner Rückkehr habe ich vormittags eine Firmenveranstaltung moderiert.« Ihre schlanken Finger mit den dunkelrot lackierten, langen Nägeln blätterten durch den altmodischen Taschenkalender. »Dann hatte ich eine Besprechung mit meinem Verleger, und zwischendurch bin ich auf den Geburtstag meiner Nichte gefahren, um ihr wenigstens ein Geschenk vorbeizubringen.« Sie lächelte, als sie an die siebenjährige Aline dachte, die Tochter ihres Bruders. Dann durchzuckte sie wieder ein scharfer Schmerz, und das Lächeln verschwand. »Und am Abend traf ich mich mit einem ehemaligen Studienkollegen zum Essen«, stöhnte sie gequält auf und atmete tief ein und aus, um die Pein in Schach zu halten. Sie klappte den Kalender zu. »Das war der Tag nach meinem Urlaub.«

»Das war nur ein einziger Tag?«, fragte Daniel Norden und runzelte besorgt die Stirn.

Melinda war blass geworden und litt echte Schmerzen, das wusste er genau.

»Dieser Tag ist ein ganz normaler Durchschnittstag. Sehen Sie selbst!« Sie reichte Dr. Norden den Kalender über den Tisch.

Staunend betrachtete er die eng beschriebenen Seiten und schüttelte den Kopf, als er Melinda das Buch zurückgab.

»Jetzt wundert mich gar nichts mehr«, stellte er sachlich fest. »Sie sind vollkommen überreizt.«

»Möglich! Aber das ist mein Job. Ich kann es nicht ändern.« Ein neuer Schmerzschub kündigte sich an, und wieder rang die Cheflektorin mit der Fassung.

»Wenn Sie nicht irgendwann in der Klinik landen wollen, sollten Sie trotzdem darüber nachdenken, etwas zu ändern«, erklärte Daniel Norden sehr ernst. »Erschöpfungszustände sind nicht zu unterschätzen.« Da er es nicht übers Herz brachte, Melinda noch länger leiden zu lassen, stand er auf und ging um den Schreibtisch herum. »Sie bekommen jetzt von mir ein Schmerzmittel, und ich nehme Ihnen Blut ab, das ich zur Untersuchung in die Behnisch-Klinik schicken werde. So bald die Ergebnisse da sind, kommen Sie wieder her und ich untersuche Sie gründlich«, machte er ihr einen Vorschlag, den Melinda nicht ablehnen wollte. Sie war am Ende ihrer Leidensfähigkeit angelangt und sehnte sich nach Erlösung von der Qual.

»Alles, was Sie wollen. Im Augenblick würde ich Ihnen sogar mein gesamtes Vermögen vermachen, wenn Sie mir nur helfen«, bemühte sie sich um einen letzten Rest Galgenhumor.

»Das ist gar nicht nötig«, lächelte Dr. Norden und bat sie, ihm hinüber ins Behandlungszimmer zu folgen, um sie von ihren Schmerzen zu befreien.

Er hatte erreicht, was er erreichen wollte und war zuversichtlich, Melinda langsam aber sicher zur Vernunft zu bringen. Auch ohne genaue Diagnose wusste er, dass es höchste Zeit war.

Bettina Schobel steckte den Kopf durch die Tür.

»Ah, da bist du ja wieder! Ich war mir nicht sicher, weil ich nicht gesehen habe, wie du zurückgekommen bist«, lächelte sie ihre Chefin an, die an ihrem chaotischen Schreibtisch saß und in einem Manuskript las. Als Melinda Bettinas Stimme hörte, hob sie verwirrt den Kopf.

»Natürlich bin ich hier. War was während meiner Abwesenheit?«

»Paul Bruch ist da.«

»Wer ist Paul Bruch?«, fragte Melinda ratlos. Sie hatte keine Ahnung, von wem ihre hübsche, junge Assistentin sprach.

»Der Fotograf von Faszination Buch. Er will die Bilder für den Artikel machen.«

»Ach ja, stimmt.« An diesen Termin hatte Melinda schon gar nicht mehr gedacht, obwohl sie Dr. Norden noch vor zwei Stunden davon erzählt hatte. Seufzend legte sie das Manuskript zurück auf den Stapel und hoffte, dass er nicht umfallen würde. Sie hatte es schon lange aufgegeben, gegen das Chaos anzukommen.

Melinda stand auf und zog den Kugelschreiber aus dem Haar, mit dem sie die lange Pracht zu einem Knoten aufgesteckt hatte. Jetzt fiel sie ihr in Wellen auf die Schultern.

»Du bist wirklich die schönste Frau im ganzen Haus!«, seufzte Bettina verzückt. »Ein bisschen frisches Make-up und der Fotograf kann loslegen.«

Auf dem Weg zum Konferenzraum, wo das Fotoshooting stattfinden sollte, stattete Melinda der Toilette einen Besuch ab. Sie klappte ihr Schminktäschchen auf und warf einen kritischen Blick in den Spiegel. Die Schmerzen waren nicht spurlos an ihr vorüber gegangen.

»Ich sehe aus wie ein Schreckgespenst«, murmelte sie unzufrieden und zog sich die Lippen mit dunkelrotem Lippenstift nach. Ein wenig Rouge zauberte eine frische Röte auf ihre Wangen, und der glitzernde Lidschatten ließ die dunklen Ringe um ihre Augen verschwinden. »Ein Lob auf die Kosmetikindustrie!«, bemerkte sie zufrieden und machte sich auf den Weg in den Konferenzraum, wo Paul Bruch schon dabei war, seine Sachen auszupacken. Als sie eintrat, hob er den Kopf und starrte sie an.

»Wow, Sie sehen ja aus wie ein Filmstar!«, entfuhr es ihm.

Seiner spontanen Reaktion entnahm Melinda, dass sie ernst gemeint war und fühlte sich geschmeichelt.

»Vielen Dank. Leider werde ich nicht so gut bezahlt«, gab sie keck zurück und überlegte, ob sie ein bisschen mit ihm flirten sollte.

»Sie sollten eine Zweitkarriere anstreben«, machte Paul einen nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag, und Melinda lachte auf.

»Ein Glück, dass das mein Arzt nicht hört. Er hat mich erst vor zwei Stunden mit ein paar Tabletten und Spritzen wieder aufgerichtet. Am liebsten hätte er mich gleich noch zu vier Wochen Zwangsurlaub verdonnert.«

Obwohl Paul der attraktiven, energiegeladenen Cheflektorin zum ersten Mal begegnete, runzelte er sorgenvoll die Stirn.

»Sind Sie krank?«

Unbekümmert winkte Melinda ab. Wie immer, wenn ihr geliebter Dr. Norden ihre Schmerzen weggezaubert hatte, fühlte sie sich wie neugeboren. Selbst wenn sie wusste, dass die Wirkung der Medikamente nur eine bestimmte Zeit andauern würde.

»Ach, eine stressbedingte Magenverstimmung«, winkte sie unbekümmert ab. »Mehr nicht. Können wir anfangen?«

Paul hatte die Scheinwerfer aufgebaut und sah sich suchend um.

»Hmmm, eine Frau wie Sie muss man wirkungsvoll in Szene setzen«, dachte er laut nach. »Die Fotos, die meine Kollegen von Ihnen gemacht haben, sind ja ganz nett. Allerdings sehen Sie darauf immer ein bisschen aus wie eine Sekretärin. Das wird Ihnen noch nicht mal ansatzweise gerecht.«

»Was schwebt Ihnen vor?«, erkundigte sich Melinda neugierig. Obwohl ihr die Zeit schon wieder unter den Nägeln brannte und der nächste Termin anstand, amüsierte sie sich prächtig über den charmanten Fotografen, der in seiner lässigen Jeans und dem weißen Hemd zum Anbeißen natürlich aussah. Wenn er nicht einen Drei-Tage-Bart und einen silbernen Ohrring im rechten Ohrläppchen gehabt hätte, wäre er durchaus ihr Typ gewesen.

Während Melinda blitzschnell ihre stummen Betrachtungen anstellte, hatte Paul eine Entscheidung getroffen.

»Was halten Sie davon, wenn Sie sich rittlings auf einen Bürostuhl setzen? Das ist eine tolle Pose, die Ihnen mit Sicherheit gut steht.«

Melinda zögerte.

»Sind Sie sicher?«, war sie weit davon entfernt, von dieser Idee überzeugt zu sein.

Doch da war Paul schon unterwegs, um einen der Stühle zu holen, die am Kopfende der Tischgruppe standen. Melinda, die mit den Gedanken schon bei ihrem nächsten Termin war, tat ihm den Gefallen und setzte sich, wie er es sich vorstellte.

»Fantastisch!« Paul kniete vor ihr und hob die Kamera vor die Augen. »Die Arme übereinander auf die Rückenlehne«, wies er sie an. »Und lächeln!«

Mit wachsender Ungeduld tat Melinda das, was er von ihr verlangte. Trotzdem drückte er nicht auf den Auslöser. Ganz im Gegenteil ließ er die Kamera wieder sinken.

»Sie sehen ein bisschen eingezwängt aus«, stellte er mit nachdenklichem Blick auf ihren Oberkörper fest. »Würde es Ihnen was ausmachen, das Jackett auszuziehen?«

Instinktiv senkte Melinda den Kopf und warf einen Blick in ihren Ausschnitt. Sie zog nicht gern das Jackett aus, zumindest nicht bei der Arbeit. Ihr dezentes Kostüm schützte sie wie eine Rüstung, und ohne Jacke kam sie sich fast nackt vor.

»Sie haben ein tolles Dekolleté«, bemerkte Paul.

Täuschte sich Melinda oder war seine Stimme ein klein wenig heiser?

»Ein Glück, dass es von der Stuhllehne verdeckt wird. Sonst würde ich das nicht machen«, erklärte sie lächelnd und schlüpfte aus der Jacke. »Wenn Sie sich jetzt bitte ein bisschen beeilen könnten. Ich habe keine Zeit mehr.«

»Schade!« Paul hob die Kamera wieder und begann zu knipsen. »So ein fotogenes Motiv hatte ich bisher selten.« Die Kamera klickte. »Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, was für eine wunderschöne Frau Sie sind?« Klick! »Den Kopf ein wenig zur Seite«, gab er eine Anweisung nach der anderen und drückte unentwegt auf den Auslöser. »Schenken Sie mir Ihr schönstes Lächeln! Bitte!«

Seufzend tat Melinda ihm den Gefallen. Schon jetzt wusste sie nicht mehr, warum Paul ihr anfangs sympathisch gewesen war. Jetzt wollte sie nur noch fertig werden, um sich wieder den drängenden und wichtigen Dingen in ihrem Leben zu widmen.

Blass und noch schmaler als sonst stand Katja Schüller bei Fee Norden in der Küche und sah ihr dabei zu, wie sie eine Platte mit Häppchen bestückte. Ihre Gastgeberin hatte nicht zugelassen, dass sie ihr half. So stand sie an den Kühlschrank gelehnt einfach nur da und drehte ihr Glas in den Händen.

»Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, erkundigte sich Felicitas bei der befreundeten Werbetexterin, die sie über ihre Projektarbeit in der Behnisch-Klinik kennengelernt hatte.

Katja arbeitete bei der Werbeagentur, die die Flyer, den Internetauftritt und verschiedene Prospekte für die renommierte Privatklinik entwarf und textete. Bei einem ihrer Besuche hatte Katja auch Fees Projekt »Ein Bild für Mama« kennengelernt und einen glühenden Text für einen Prospekt geschrieben, der niemanden unbeeindruckt ließ. Seither waren die beiden Frauen trotz des Altersunterschieds befreundet und Katja und ihr Lebensgefährte Jonathan gern gesehene Gäste im Hause Norden. Doch ein Vorfall in der jüngsten Vergangenheit hatte Katjas beschauliches Leben gründlich durcheinander geschüttelt. »Willst du über den Überfall reden?«, fragte Felicitas behutsam, legte ein letztes Kanapeé mit Forellenmousse auf den Teller und betrachtete scheinbar prüfend ihr Werk. Dabei zielte alles darauf ab, die zurückhaltende Katja zum Reden zu bringen.

»Ich weiß nicht«, erwiderte die zögernd und trank einen Schluck Weinschorle. »Manchmal glaube ich fast, dass er nur in meiner Einbildung stattgefunden hat«, erklärte sie in ihrer sanften Art. »Aber wenn ich darüber spreche, sorge ich dafür, dass er wahr wird. Deshalb lasse ich es lieber.«

Felicitas wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und drehte sich zu Katja um.

»Ich verstehe, was du meinst«, erklärte sie ernst. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob du dir damit einen Gefallen tust. Irgendwann holen dich die Gespenster der Vergangenheit ein. Und das kann sehr unangenehm werden.«

Katja seufzte tief.

»Ich weiß ja, dass du recht hast.« Und doch fiel es ihr unendlich schwer, über jenen Abend zu sprechen, an dem sie an der Bushaltestelle überfallen worden war.

Sie war bei einer Besprechung mit den Inhabern einer Drogeriemarktkette gewesen, die eine Werbekampagne planten. Während sie auf den Bus wartete, hatte sie über diesen Auftrag nachgedacht. So in Gedanken versunken hörte sie die Schritte hinter sich nicht und taumelte, als jemand an den Riemen ihrer Tasche riss, die über ihrer Schulter hing. Katja stolperte so unglücklich rückwärts, dass sie stürzte und in einer schmutzigen Pfütze landete. Tropfnass, mit einer Platzwunde am Kopf und einem schweren Schock war sie schließlich nach Hause gestolpert, wo Jonathan sofort Dr. Norden angerufen hatte. Dieser Vorfall lag etwas mehr als drei Wochen zurück, und Katja schüttelte traurig den Kopf. »Ich kann einfach nicht darüber reden. Selbst Jonathan habe ich nur das Nötigste erzählt.«

»Tut mir leid. Ich wollte nicht in dich dringen«, beschloss Felicitas, ihre Freundin nicht weiter zu bedrängen. Sie hob die zwei Platten mit Kanapeés hoch und bedeutete Katja, ihr ins Wohnzimmer zu folgen, wo sich die übrigen Gäste ungezwungen unterhielten.

»Da seid ihr ja«, empfing Daniel Norden seine Frau mit einem zärtlichen Kuss. Gleichzeitig nahm er ihr ihre Last ab und stellte die kleinen Köstlichkeiten auf den Couchtisch, damit sich jeder bedienen konnte. »Jonathan und ich wollten schon eine Vermisstenanzeige aufgeben.«

»Wer’s glaubt, wird selig!«, lachte Felicitas belustigt auf. »Bestimmt habt ihr beiden die Gelegenheit genutzt und über Mountainbikes und die Vorteile von Scheiben- oder Trommelbremsen diskutiert und uns keine Sekunde vermisst.«