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Großer Auftritt für Spürnase Koko: „Die Katze, die Applaus bekam“ von Bestsellerautorin Lilian Jackson Braun jetzt als eBook bei dotbooks. Eine Sensation! Thelma Thackeray kehrt nach einer langen, strahlenden Karriere in Hollywood nach Pickax zurück, um hier ihren Ruhestand zu verbringen. So ein waschechter Star sorgt in dem verschlafenen Städtchen natürlich für große Aufregung. Nur Jim Qwilleran lässt sich nicht anstecken – er findet das alles merkwürdig. Denn niemand weiß wirklich, wer Thelma ist; das Einzige, woran sich die Leute erinnern, ist der mysteriöse Tod ihres Bruders, der nie aufgeklärt wurde. Als dann auch Jims kluger Kater Koko auffällig kratzbürstig reagiert, wann immer jemand Thelmas Familie erwähnt, ist Jim fest entschlossen, den alten Fall zu lösen! „Dieser skurrile und fesselnde Krimi packt den Leser – eine lebendige, witzige Geschichte mit fein präzisierten Charakteren!“ Publishers Weekly Die Krimi-Serie mit Suchtpotenzial! Der fünfundzwanzigste Fall für Reporter Jim und Siamkater Koko – jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Katze, die Applaus bekam“ von Lilian Jackson Braun. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 280
Über dieses Buch:
Eine Sensation! Thelma Thackeray kehrt nach einer langen, strahlenden Karriere in Hollywood nach Pickax zurück, um hier ihren Ruhestand zu verbringen. So ein waschechter Star sorgt in dem verschlafenen Städtchen natürlich für große Aufregung. Nur Jim Qwilleran lässt sich nicht anstecken – er findet das alles merkwürdig. Denn niemand weiß wirklich, wer Thelma ist; das Einzige, woran sich die Leute erinnern, ist der mysteriöse Tod ihres Bruders, der nie aufgeklärt wurde. Als dann auch Jims kluger Kater Koko auffällig kratzbürstig reagiert, wann immer jemand Thelmas Familie erwähnt, ist Jim fest entschlossen, den alten Fall zu lösen!
»Dieser skurrile und fesselnde Krimi packt den Leser – eine lebendige, witzige Geschichte mit fein präzisierten Charakteren!« Publishers Weekly
Über die Autorin:
Lilian Jackson Braun (1913–2011) wurde in Massachusetts geboren. Nach der Highschool arbeitete sie als Journalistin und in der Werbebranche, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihre Katzenkrimis wurden in 16 Sprachen übersetzt und standen regelmäßig auf der »New York Times«-Bestsellerliste.
Bei dotbooks erscheinen alle Bände der Erfolgsserie. Eine vollständige Übersicht finden Sie am Ende dieses eBooks.
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eBook-Neuausgabe Januar 2017
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2003 Lilian Jackson Braun
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2003 unter dem Titel »The Cat Who Brought Down the House«.
Copyright © der deutschen Ausgabe 2004 Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach
Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Forewer und elmm
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH
ISBN 978-3-95824-942-4
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Lilian Jackson Braun
Die Katze, die Applaus bekam
Kriminalroman
Aus dem Amerikanischen von Christine Pavesicz
dotbooks.
Liebe Leserin, lieber Leser!
Vor fünfundzwanzig Jahren trat Jim Qwilleran in mein Leben … Der Mann mit dem seltsam geschriebenen Namen und dem üppigen Schnurrbart stand an der Theke des Presseclubs und trank schwarzen Kaffee. Er war groß und wirkte irgendwie weltmüde. Seine gesamten irdischen Besitztümer hatten in zwei Koffern Platz. Der heruntergekommene Polizeireporter war bereit, jeden noch so kleinen Auftrag anzunehmen, wenn er dadurch nur wieder in der Zeitungsbranche Fuß fassen konnte.
Dann, beinahe über Nacht, wurde er durch ungewöhnliche Umstände zum reichsten Mann im nordöstlichen Teil des Mittleren Westens der Vereinigten Staaten.
Das viele Geld machte Qwilleran nervös, bis er sich an den alten Spruch erinnerte: »Geld ist wie Mist: Es bringt nur etwas, wenn man es verteilt.« Also gründete er einen Fonds, der das Geld verteilte.
Jetzt lebt Qwilleran in einer Kleinstadt vierhundert Meilen nördlich vom Rest der Welt und schreibt für eine kleine Tageszeitung. Er geht erhobenen Hauptes durch die Welt. Seine Freundin ist Bibliothekarin. Seine Mitbewohner sind zwei Katzen, die er bei sich aufgenommen hat; eine von ihnen ist ziemlich bemerkenswert.
Trotz seines Ruhms und seines Reichtums sind die eigentlichen Gründe für Qwillerans Beliebtheit sein Sinn für Humor, seine Persönlichkeit und seine Bereitschaft, zuzuhören. Das Talent eines Schriftstellers, teilnahmsvoll zuzuhören, das zu einer Hälfte aus Anteilnahme, zur anderen aus Neugier besteht, lässt ihn das Vertrauen von Männern und Frauen aller Altersstufen gewinnen.
Qwilleran hat sein ganz persönliches Geheimnis, das er mit niemandem – oder kaum jemandem – teilt. Sein Kater Koko besitzt eine fast unheimliche Intuition – er kann Recht von Unrecht unterscheiden, und häufig spürt er den Bösewicht auf. Gemeinsam haben er und Qwilleran etliche Fälle gelöst. »Die Katze, die Applaus bekam« ist die fünfundzwanzigste Folge der Qwilleran-Story. Sollen wir Nummer sechsundzwanzig in Angriff nehmen?
Lilian Jackson Braun
Für Earl Bettinger, den Ehemann, der …
Wer war Thelma Thackeray?
Es war der 1. April, und es hörte sich an wie ein Aprilscherz.
Hatte in Moose County, vierhundert Meilen nördlich vom Rest der Welt, jemals ein Mensch dieses Namens gelebt?
Doch da stand dieser Name, schwarz auf weiß – in der »Info«-Kolumne des Moose-County-Dingsbums:
HEIMKEHR DER VERLORENEN TOCHTER
Thelma Thackeray, 82, geboren in Moose County, hat sich nach ihrer 55-jährigen Karriere in Hollywood, Kalifornien, zur Ruhe gesetzt und kehrt auf heimatlichen Boden zurück. »Ich komme nach Hause, um hier zu sterben«, sagte sie fröhlich, »aber nicht gleich. Vorher will ich noch ein bisschen Spaß haben.«
Danach folgten etwas weniger aufregende Meldungen: Der Sheriff hatte eine Haltekelle gekauft, die seine Hilfssheriffs bei der Verfolgung von Autorasern unterstützen sollte … Der Verein zur Verschönerung der Innenstadt hatte für die Blumenkisten in der Main Street grellrosafarbene Petunien ausgewählt… Das Schwein, das auf der Sandpit Road von einem Viehtransporter gesprungen war, war im Keller der Grundschule von Black Creek gefunden worden.
Die Schlagzeile des Tages war sofort in der ganzen Stadt Gesprächsstoff. In den Kaffeehäusern, an Straßenecken und über Gartenzäune wurde die Neuigkeit verbreitet: »Ein Hollywoodstar zieht nach Pickax!«
Jim Qwilleran, der Kolumnist der Tageszeitung, war gerade zu Hause an der Arbeit, als das Telefon zu läuten begann. Wer war Thelma Thackeray? War sie wirklich ein Filmstar? Wusste die Presse mehr, als sie sagte?
»Es klingt wie eine Zeitungsente«, antwortete er. Er erinnerte sich an den Aprilscherz, mit dem seine Kollegen vor einem Jahr die Leute vom Lockmaster Ledger hereingelegt hatten. Sie hatten angerufen und den Journalisten einen Tipp gegeben: Ein berühmtes Rennpferd würde unter absoluter Geheimhaltung aus dem aktiven Sport ausscheiden und auf ein Gestüt in Lockmaster gebracht. Die Reporter des Ledger hatten eine Woche lang vergeblich versucht, eine Bestätigung für diesen Hinweis zu bekommen.
Dennoch war Qwillerans Neugier geweckt. Er rief Junior Goodwinter an, den jungen Chefredakteur, und sagte in strengem Tonfall: »Von wem stammt die Info über diese Thelma Thackeray?«
»Sie hat selbst in der Nacht beim Journaldienst angerufen – aus Kalifornien. Warum fragst du? Hast du ein Problem damit?«
»Und ob! Der Name klingt falsch! Und diese Bemerkung, dass sie hier sterben, aber vorher noch ihren Spaß haben will, ist viel zu leichtfertig für einen Menschen ihres Alters.«
»Und was willst du mir damit sagen, Qwill?«
»Ich sage dir, das ist ein Streich, den uns die Typen in Lockmaster spielen – als Rache für den Aprilscherz mit dem Pferd. Habt ihr schon Reaktionen von den Lesern bekommen?«
»Na klar! Unsere Telefone läuten Sturm! Und – he, Qwill! Vielleicht gibt es ja wirklich eine Thelma Thackeray!«
»Willst du wetten?«, brummelte Qwilleran und legte auf.
Qwilleran verspürte plötzlich ein dringendes Bedürfnis nach Lois Inchpots Apfelkuchen. So spazierte er zu dem schäbigen Innenstadtlokal, wo es stets köstliche hausgemachte Speisen zu vernünftigen Preisen gab – und den neuesten Klatsch. Lois selbst war eine dralle, herrische, hart arbeitende Frau, der ihre Gäste unerschütterlich die Treue hielten. Wenn Lois eine neue Kaffeemaschine brauchte, veranstalteten sie eine Sammlung, und wenn die Wände des Speisesaals neu gestrichen werden mussten, meldeten sie sich freiwillig für diese Arbeit.
Als Qwilleran hinkam, war das Lokal leer; die Stühle waren auf die Tische gestellt, und Lois fegte den Fußboden. »Zu früh für das Abendessen! Zu spät für Kaffee!«, schrie sie.
»Wo ist Ihr Helfer, Lois?«
Ihr Sohn Lenny half ihr gewöhnlich bei den Vorbereitungen für das Abendgeschäft.
»Auf Jobsuche! Er hat seine zwei Jahre am öffentlichen College hinter sich und würde nun gerne eine der Universitäten im Süden unten besuchen, aber die sind zu teuer. Also sucht er sich einen Job.«
Qwilleran antwortete: »Sagen Sie Lenny, er soll sich beim Klingenschoen-Fonds um ein Stipendium bewerben. Ich werde für ihn bürgen.« Der junge Mann hatte schon allerhand hinter sich: Nach einer persönlichen Tragödie war er von Kriminellen hereingelegt worden, die sein Vertrauen missbraucht hatten. Das alles hatte er mit Entschlossenheit und Durchhaltevermögen überstanden.
Plötzlich schien Lois es sich anders überlegt zu haben. Sie fragte: »Was für einen Kuchen wollen Sie?«
»Apfel«, antwortete er, »und geben Sie mir den Besen, dann fege ich den restlichen Fußboden, während Sie den Kaffee machen.«
Den Mann mittleren Alters, der den Besen schwang und die Stühle zurechtrückte, hätte man in drei Bezirken sofort als James Mackintosh Qwilleran erkannt. Er war groß und trug einen prächtigen grau melierten Schnurrbart, außerdem erschien sein Foto jeden Dienstag und Freitag über der Kolumne »Aus Qwills Feder«. Als hoch angesehener Journalist hatte er in Großstädten im ganzen Land gearbeitet; nachdem er das riesige Klingenschoen-Vermögen in Moose County geerbt hatte, war er in den Norden gezogen. Das Erbe hatte er aus persönlichen Gründen einer philanthropischen Stiftung übergeben, dem Klingenschoen- Fonds. Dieser wurde von Experten in Chicago verwaltet, wo Qwilleran als der reichste Mann im Nordosten des Mittleren Westens der Vereinigten Staaten galt.
Schließlich kam Lois mit zwei Stück Apfelkuchen und einer Kaffeekanne aus der Küche; Gabeln, Servietten und Becher steckten in ihren Schürzentaschen. Sie setzten sich an einen Tisch neben der Durchreiche zur Küche, sodass Lois der Frau, die das Abendessen kochte, Anweisungen zurufen konnte. Sie selbst servierte an den Tischen, kassierte und fungierte bei der Talkshow, die zwischen den Tischen ablief, als Moderatorin.
»Also, Mr. Qwilleran«, begann sie, »heute Nachmittag war bei uns was los, da haben Sie was versäumt. Alle sind ganz aus dem Häuschen wegen dem Filmstar, der in die Stadt kommt. Glauben Sie, sie wird hierher essen kommen?«
Da er noch immer vermutete, dass ihnen die Kollegen in Lockmaster einen Streich spielten, antwortete er ausweichend: »Nur, weil sie fünfzig Jahre lang in Hollywood gelebt hat, muss sie nicht unbedingt ein Filmstar sein. Vielleicht war sie ja auch Buchhalterin, Polizistin oder Bankdirektorin.«
Was immer sie von Beruf war, dachte er, sie muss steinreich sein, wenn sie ein Haus in der Pleasant Street kaufen kann.
Sie rief der Küchenhilfe, besser gesagt der Durchreiche zu: »Effie! Vergiss nicht, die Moosbeersoße aufzutauen! … Aber was komisch ist, Mr. Qwilleran – es kann sich kein Mensch an eine Familie Thackeray in dieser Gegend erinnern.«
Scherzhaft meinte er: »Ob sie wohl mit William Makepeace Thackeray verwandt ist?«
»Den kenne ich nicht. Wer ist das?«
»Ein Schriftsteller, aber er hat in letzter Zeit nichts mehr geschrieben.«
Sie brüllte: »Und, Effie! Tu etwas Knoblauchpulver in das Kartoffelpüree!«
»Das klingt ja köstlich. Ich würde gerne etwas Truthahnfleisch für die Katzen mitnehmen«, bemerkte Qwilleran.
Lois schrie: »Effie! Mach ’n Päckchen für Mr. Qwilleran zurecht – mit dunklem Fleisch für die Kätzchen.«
»Übrigens«, fragte er, »was ist denn da im nächsten Häuserblock los? Da herrscht reger Lastwagenverkehr.«
»Die ziehen aus!«, antwortete Lois. »Gott sei Dank! So ’n Laden ist nichts für die Innenstadt.«
Qwilleran wartete auf sein »Päckchen« und ging dann zur Ecke Church Street /Pine Street, wo große Kartons auf Lastwagen geladen und abtransportiert wurden. Nach den Logos auf den Kartons zu schließen, enthielten sie Kühlschränke, Waschmaschinen, Trockner, Küchenherde und Fernsehgeräte.
Er sprach den Mann an, der die Ladetätigkeit überwachte: »Entweder ziehen Sie aus, oder Sie haben diese Woche viele Geräte verkauft.«
»Wir haben ein neues Gebäude an der Sandpit Road – eine Halle aus Stahlblech mit einer richtigen Laderampe und jeder Menge Platz für Lastwagen.«
Das Haus, das sie räumten, war ein zwischen Geschäftsfassaden jüngeren Jahrgangs gequetschter riesiger Steinklotz. Das bedeutete, dass es älter als hundert Jahre war und aus der Blütezeit der Steinbrüche des Bezirks stammte – damals hatte man Pickax als steinerne Stadt gebaut. Er hatte sich das Gebäude noch nie so genau angesehen. Die Seitenwände hatten keine Fenster, und der Vordereingang war mit Brettern vernagelt. Qwilleran überquerte die Straße und studierte zum ersten Mal die Bauweise: einen wichtigen Bestandteil der Architektur bildeten vier Säulen, die einen steinernen Ziergiebel trugen, in den das Wort OPER eingemeißelt war.
Dann stellte er fest, dass auch die kleineren Häuser zu beiden Seiten leer standen. Irgendetwas war in der Innenstadt von Pickax im Gange!
Qwilleran kehrte zurück nach Hause in seine umgebaute Apfelscheune, die ebenso alt war wie die Oper. Sie stand auf einem bewaldeten Grundstück am Stadtrand – ein achteckiges, zwölf Meter hohes Gebäude mit einem Fundament aus Bruchstein und mit verwitterten Schindeln verkleidet. Als er in den Scheunenhof fuhr, wurde er vom Küchenfenster aus von zwei aufgeregten Katzen aufmerksam beobachtet. Es waren Siamkatzen mit seidigem sandfarbenen Fell, schwarzbraunen Masken und Ohren, langen, schlanken Beinen und einem dünnen, langen, peitschenartigen Schwanz. Und mit erstaunlich blauen Augen.
Yum Yum war ein kokettes kleines Weibchen. Sie schnurrte, rieb sich an seinen Knöcheln und sah Qwilleran mit ihren violettblauen Augen flehend an. Sie wusste, wie sie bekam, was sie wollte; sie war durch und durch Katze. Koko hingegen war weit mehr als eine Katze. Er war nicht nur lang, geschmeidig und muskulös, er hatte auch die blauesten Augen, die man sich vorstellen kann, und er strotzte vor Intelligenz. Noch etwas anderes war ihm zu eigen – eine geradezu unheimliche Intuition. Manchmal wusste Koko, sein richtiger Name lautetet Kao K’o Kung, bereits die Antworten, bevor Qwilleran die Fragen eingefallen waren.
Als Qwilleran die Scheune betrat, war Yum Yum ganz aufgeregt wegen des Truthahns, während sich Koko wegen des Anrufbeantworters aufregte: Es befand sich eine Nachricht darauf.
Eine weibliche Stimme sagte: »Qwill, ich mache früher in der Bibliothek Schluss und nehme an einem Essen des Vogelclubs teil. Heute Abend geht es um Kohlmeisen. Ich rufe dich an, wenn ich nach Hause komme, dann können wir uns über Thelma Thackeray unterhalten. A bientôt.«
Sie hinterließ keinen Namen, und das brauchte sie auch nicht. Polly Duncan war die wichtigste Frau in Qwills Leben. Sie war in seinem Alter und teilte als Leiterin der öffentlichen Bibliothek von Pickax sein Interesse an Literatur. Ihre melodiöse Stimme hatte es ihm als Erstes angetan. Selbst jetzt lief ihm, wenn er ihre Stimme hörte, ein angenehmer Schauer über den Rücken, der den Inhalt ihrer Worte beinahe in den Schatten stellte.
Qwilleran dankte Koko dafür, dass er ihn auf die Nachricht aufmerksam gemacht hatte, dann fragte er Yum Yum, ob sie im Papierkorb irgendwelche Schätze gefunden hatte. Wenn man mit Katzen sprach, so glaubte er, wurden sie klüger.
Er hackte das dunkle Truthahnfleisch klein und servierte es auf zwei Tellern unter dem Küchentisch, wo Yum Yum und Koko es ganz begeistert hinunterschlangen. Danach putzten sie sich lange und ausgiebig. Je schmackhafter die Mahlzeit war, desto länger dauerte die Wäsche, hatte Qwilleran festgestellt.
Dann verkündete er laut: »Der Pavillon-Express in Richtung Osten fährt ab!« Yum Yum und Koko sprangen in eine leinene Tragtasche, die er in der öffentlichen Bibliothek von Pickax gekauft hatte. Sie hatte genau die richtige Größe für zehn Bücher oder für zwei Katzen, die gut miteinander befreundet waren.
Der achteckige Pavillon stand im Vogelgarten und war an allen acht Seiten mit Fliegengitter bespannt. Abends unterhielten Vögel und kleine vierbeinige Tiere die Katzen, und wenn es dunkel wurde, gab es die Geräusche und Düfte der Nacht. Qwilleran blieb eine Weile bei ihnen und ging dann ins Haus, um noch ein wenig an seiner Kolumne zu arbeiten.
Von Zeit zu Zeit riefen Freunde an, die über den Hollywoodstar reden wollten: Wetherby Goode, der Meteorologe von WPKX; Celia Robinson O’Dell, seine liebste Lebensmittellieferantin; Susan Exbridge, die Antiquitätenhändlerin; die Lanspeaks, denen das Kaufhaus gehörte.
Einmal unterbrach ihn ein Anruf von Lisa Compton, der Frau des Schulinspektors.
»Lyle und ich haben uns gerade gefragt, ob Sie wohl wissen, was in die alte Oper hineinkommt?«
»Nein, ich weiß nur, was herauskommt. Vielleicht holen sie Mark Twain wieder in die Stadt. Er war seit 1895 nicht mehr hier.«
»Ich weiß«, sagte Lisa. »Meine Großmutter schwärmte sechzig Jahre später noch von ihm. Sie liebte seinen Schnurrbart – er sah genauso aus wie Ihrer, Qwill. Sein Witz und sein Humor lösten Begeisterungsstürme aus! Ihr Lieblingsspruch von ihm war der, wo er sinngemäß sagte, eine Kreuzung von Mensch und Katze würde dem Menschen zum Vorteil, der Katze aber zum Nachteil gereichen. Sie hat mir erzählt, dass am Haupteingang vor dem Foyer Kutschen vorfuhren. Männer in feinen Mänteln und mit Zylindern halfen schmuckbehangenen Frauen in Pelzmänteln heraus. Können Sie sich das in Pickax vorstellen, Qwill?«
»Das war vor über hundert Jahren«, sagte Qwilleran. »Die Dinge ändern sich.«
»Wie wahr! Vor dem Ersten Weltkrieg brach die Wirtschaft zusammen. Pickax war fast eine Geisterstadt, und die Oper wurde mit Brettern vernagelt. In den Dreißigerjahren diente sie ein paar Jahre lang als Kino. Während des Zweiten Weltkriegs übernahm die Regierung das Gebäude – alles sehr geheim und schwer bewacht. Sie entfernten die Sitzreihen und machten den schrägen Boden eben, hat mir meine Familie erzählt.«
»Das alte Gebäude hat ja eine bewegte Vergangenheit», bemerkte Qwilleran.
»Ja, seit damals war es eine Rollschuhbahn, ein Tanzpalast, ein Gesundheitsclub und schließlich ein Lagerhaus. Wer weiß, was als Nächstes kommt?«
»Wenn Sie irgendwelche Hinweise erhalten, sagen Sie es mir.«
»Das werde ich tun … Wie geht’s den Kätzchen, Qwill?«
»Gut. Wie geht’s Lyle?«
»Der alte Griesgram. Er liegt schon wieder mit der Schulbehörde im Clinch.«
Qwilleran gönnte sich gerade eine Portion Eiskrem, als Polly anrief. »Wie war deine Sitzung?«, fragte er. »Was gab’s zu essen?«
»Robin O’Dell hat ein paar Fleischpasteten geliefert. Beim Transport leiden Speisen ja immer, aber sie waren annehmbar.«
»Hast du irgendetwas über Kohlmeisen erfahren, das du nicht bereits wusstest?«
Sie beschwerte sich empört: »Die haben sich mehr über diese Thackeray unterhalten als über Vögel! Aber etwas fand ich ganz amüsant. Der Immobilienmakler, der ihr das Haus verkauft hat, war auch da; er und seine Frau sind begeisterte Vogelbeobachter. Zuerst wollte er nicht so recht reden – berufliche Schweigepflicht und so aber nach ein paar Gläsern Wein entspannte er sich. Er sagte, sie habe das Haus gekauft, ohne es gesehen zu haben, nachdem er ihr Fotos und Baubeschreibungen geschickt hatte. Sie haben Mavis Adams für die rechtliche Abwicklung engagiert und Fran Brodie für die neue Innenausstattung. Fran ist sogar zu einer Besprechung nach Kalifornien geflogen.«
Qwilleran fragte: »Hat er gesagt, warum sie ein so großes Haus braucht?«
»Er behauptete, er wisse es nicht. Aber es wäre interessant, mit Fran darüber zu sprechen, nicht wahr?«
Er murmelte irgendetwas, als interessiere es ihn gar nicht, und erinnerte Polly daran, dass sie am nächsten Abend mit den Rikers zum Abendessen verabredet waren. »Ich habe einen Tisch im Mackintosh Inn reservieren lassen. Wir treffen uns um sechs Uhr hier in der Scheune.«
Bevor er die Katzen hereinholte, betätigte Qwilleran einen Schalter, der den gesamten Innenraum der Scheune mit Licht erhellte. Rund um die Innenwände lief eine spiralförmige Rampe, die die drei Galerien miteinander verband – ein dramatischer Effekt. In der Mitte des Erdgeschosses stand ein riesiger weißer Würfel – der Kamin, dessen weiße Rauchabzüge zur Kuppel hinauf verliefen.
Die Katzen warteten schon auf ihn, hin und her gerissen zwischen dem Zauber der Nacht und der Aussicht auf ein Gute-Nacht-Häppchen. Sobald sie im Haus waren, sprangen sie aus dem Leinenbeutel und sausten die Rampe hinauf. Koko jagte Yum Yum bis ganz nach oben. Dort drehte sie sich um und jagte jetzt ihn wieder hinunter. Qwilleran stoppte die Zeit: siebenunddreißig Sekunden für die gesamte Strecke.
Dann setzten sie sich alle drei in den großen Lehnsessel und lauschten einer Plattenaufnahme von Carmen. Das war die Lieblingsoper der Katzen. Qwilleran gefiel alles von Bizet. Es wäre eine Sensation, dachte er, wenn die alte Oper wieder Opern aufführen würde! Es war nicht unmöglich. Alles war möglich in Pickax, vierhundert Meilen nördlich vom Rest der Welt.
Am Mittwochmorgen träumte Qwilleran kurz vor dem Aufwachen von der alten Oper. Die Elite von Pickax fuhr in Pferdekutschen vor. Die Vorstellung war ausverkauft; die Opernliebhaber nahmen begeistert die Möglichkeit wahr, Tristan und Isolde zu hören. Dann schlug er die Augen auf. Vor seiner Schlafzimmertür inszenierten die Katzen ein Wagnerduett.
Qwilleran sprang aus dem Bett. »Ihr Teufel!«, schalt er. Sie liefen die Rampe hinunter, und er nahm die Abkürzung über die Wendeltreppe in die Küche.
Geistesabwesend bereitete er das Frühstück für die Katzen zu. Ihn beschäftigten zwei Fragen – beide interessanter als gehackte Hühnerleber: Wer war Thelma Thackeray? Und was hatte man mit der Oper vor? Nachdem das alte Gebäude zuletzt als Lager für Haushaltsgeräte gedient hatte, konnte es mit ihm nur mehr bergauf gehen. Angenommen, der Klingenschoen-Fonds würde es renovieren, sodass es wieder in seiner alten Pracht erstrahlte! Würden die Menschen im Zeitalter von Fernsehen und Video Konzerte und Vorträge besuchen?
Er bereitete mit seinem Kaffeeautomaten extrastarken Kaffee zu und taute sich eine Frühstückssemmel auf. Dann begann er zu telefonieren.
Als Erstes rief er in Amandas Einrichtungsatelier an. Er hoffte, Fran Brodie zu erreichen, doch sie war noch immer in Kalifornien bei ihrer Kundin, und Amanda war im Rathaus, wo sie ihren Pflichten als Bürgermeisterin nachkam. Als Qwilleran seinen Namen hinterließ rief die neue Assistentin begeistert: »Oh! Sie sind Mr. Qwilleran! Ich wohne in Lockmaster, aber ich lese immer Ihre Kolumne im Dingsbums; sie ist super – wirklich super!« Lächelnd bedankte er sich und legte auf.
Danach rief er den offiziellen Historiker des Bezirks an, um sich nach der Familie Thackeray zu erkundigen. Homer Tibbitt war achtundneunzig und lebte mit seiner Frau Rhoda in den Ittibittiwassee Estates, einer Seniorenwohnanlage auf dem Lande. Sie waren praktisch frisch vermählt. Keiner von den beiden war zuvor verheiratet gewesen, und ihre Beziehung galt als die Romanze des Jahrhunderts.
Rhoda meldete sich mit ihrer lieblichen, bebenden Stimme und gab dann den Hörer Homer. »Das Einzige, was ich über die Thackerays weiß, ist, dass Milo in den Dreißigerjahren Alkoholschmuggler war. Thornton Haggis kann Ihnen sicher mehr sagen. Er hat bei einer Versammlung der historischen Gesellschaft einen Vortrag über unseren schönen Bezirk während der Prohibition gehalten.«
Also rief Qwilleran Thornton Haggis zu Hause an. Thorn, wie er sich gerne nannte, war Steinmetz in der vierten Generation und mittlerweile im Ruhestand. Er hatte an einer Universität im Süden unten Kunstgeschichte studiert und stellte seine Zeit jetzt sehr großzügig der lokalen Kunstgemeinde zur Verfügung. Seine Frau sagte Qwilleran, er solle im Kunstzentrum anrufen, wo Thorn bei den Vorbereitungen für eine neue Ausstellung half.
Und natürlich stand der freiwillige Helfer gerade auf einer Leiter, als Qwilleran anrief. »Ich kann Ihnen einiges über die Schnapsvergangenheit von Moose County erzählen. Wo sind Sie, Qwill? In der Scheune? Ich werde in einer halben Stunde hier fertig sein, dann fahre ich zu Ihnen rauf. Brauen Sie schon mal diesen mörderischen Kaffee, der Ihnen so schmeckt!«
Es wurde allgemein angenommen, dass, wenn Homer in den Ruhestand trat (falls das jemals der Fall sein würde), Thornton Haggis die unbezahlte Stelle als Bezirkshistoriker übernähme. Die Unterlagen des Steinmetzbetriebs gingen bis zum Jahr 1850 zurück, als in die Grabsteine sowohl der Name des Toten als auch seine Lebensumstände, die Todesursache, die Namen der Angehörigen und seiner Haustiere eingemeißelt wurden. Auch geistreiche und humorvolle Sprüche wurden zu einem bescheidenen Buchstabenpreis verewigt.
Qwillerans Besucher hatte eine üppige, schneeweiße Haarmähne, die man schon von weitem sah. Die Katzen reagierten auf sein Erscheinen jedes Mal ungewöhnlich ausgelassen. »Ist das ein Kompliment«, fragte er, »oder verdächtigen sie mich irgendeiner Missetat?«
»Sie verbinden Ihren Familiennamen mit einer wohlschmeckenden Speise. Katzen können auf raffinierte Weise zwei und zwei zusammenzählen«, antwortete Qwilleran augenzwinkernd.
»Ich bin an der Bibliothek vorbeigefahren und habe den Artikel geholt, den ich für die Sammlung der historischen Gesellschaft geschrieben habe. Ich habe ihn bei der Versammlung des Clubs der Oldtimer vorgelesen. Er brachte einige der Zuhörer zum Weinen.«
»Gut! Gehen wir mit ein paar Erfrischungen hinaus in den Pavillon; dort können Sie ihn mir vorlesen. Ich werde Taschentücher mitnehmen.«
Der Tag war angenehm warm – und zu dieser Tageszeit machten die wild lebenden Tiere nicht allzu viel Lärm. Was auf dem Tablett wie Rotwein aussah, war in Wirklichkeit Wasser von einer Mineralwasserquelle aus der Gegend mit einem Schuss Moosbeersaft. Thorn schlürfte genussvoll. »Sie könnten dieses Zeug in Flaschen abfüllen und verkaufen!«
Qwilleran schaltete seinen Kassettenrecorder ein. Die folgende Geschichte wurde später in dem Band Mehr oder weniger haarsträubende Geschichten, eine Sammlung von Legenden aus Moose County, verewigt:
MILO, DER KARTOFFELFARMER
Milo Thackeray und mein Großvater waren gut befreundet. Sie spielten Dame und gingen gemeinsam auf die Jagd – Hirsche und sonstiges Kleingetier. Damals war das Jagen kein Sport. Für viele Familien, die ums Überleben kämpften, war es die einzige Möglichkeit, etwas zum Essen auf den Tisch zu bringen. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts waren harte Zeiten über Moose County hereingebrochen. Und doch war es einmal der reichste Bezirk im Staat gewesen – zu der Zeit, als die Naturschätze ausgebeutet wurden.
Dann schlossen die zehn Bergwerke, und ganze Dörfer konnten jegliche Hoffnung auf Arbeit aufgeben: Die Wälder waren abgeholzt; es gab keinen Markt für Stein aus den Steinbrüchen, und als die Dampfschiffe durch hochmastige Schoner ersetzt wurden, verlagerte sich die Schiffsbauindustrie woanders hin. Tausende Menschen wanderten in den Süden hinunter ab, wo sie hofften, in den Fabriken Arbeit zu finden, und jene, die blieben, hatten kaum Geld für Kartoffeln und Grabsteine. Milo war Kartoffelfarmer, und mein Opa war Steinmetz.
Für den Kartoffelfarmer war es ein tragisches Jahr gewesen. Sein ältester Sohn war eines der ersten Opfer des Ersten Weltkriegs; zwei kleinere Kinder kamen bei der Grippeepidemie ums Leben; und dann starb seine Frau bei der Geburt von Zwillingen, Thelma und Thurston. Diese Kinder waren seine Rettung! Großvater war dabei, als Milo schwor, den beiden ein besseres Leben zu bieten, als er es gehabt hatte. Eine Schwägerin kam und kümmerte sich um die Zwillinge und ihn, und schließlich heiratete Milo diese Frau. Und dann nahm sein Leben eine seltsame Wende.
Im Jahr 1919 trat das Gesetz in Kraft, das den Verkauf von alkoholischen Getränken verbot, und die durstigen Bürger waren ein ergiebiger Markt für illegale Getränke. Irgendwo erfuhr Milo, dass man aus Kartoffeln Schnaps brennen konnte. Großvater half ihm beim Bau eines Destilliergeräts, und es funktionierte! Die Kunden kamen in den modernsten Autos und in Pferdekutschen auf seine Farm. Leider kamen aber auch Beamte von der Steuerbehörde. Sie vernichteten das Destilliergerät und gossen den Schnaps auf dem Boden aus. Bis zum heutigen Tag hält sich der Glaube, dass dies der Grund für den erstklassigen Geschmack der Kartoffeln aus Moose County ist.
Milo verzagte nicht! Seine Zwillinge wuchsen rasch heran, und er hatte einen Eid geschworen.
Auf der anderen Seite des Sees, Hunderte Meilen entfernt, war Kanada, berühmt für guten Whiskey. Am Seeufer von Moose County gab es Dutzende Fischer, die nur einen Penny für ein Pfund Fisch bekamen. Milo organisierte eine Flotte von Schnapsschmugglern, die den Whiskey im Schutz der Dunkelheit über den See brachten. Bald darauf kam ein steter Strom von modernsten Lastern in den Norden, um ihn – mit vielerlei raffinierten Tricks getarnt – abzutransportieren.
Aus dem armen Kartoffelfarmer wurde ein reicher Schnapsschmuggler.
Die Transaktionen wurden in bar abgewickelt, und Großvater hielt die Laterne, während Milo das Geld im Hinterhof vergrub.
Jedes Wochenende fuhr Milo mit seiner Familie und Freunden nach Lockmaster, wo sie ein Picknick machten und das Lichtspieltheater besuchten. Auf der Ladefläche des Lastwagens saßen die Kinder auf getarnten Kisten mit Schmuggelware. Milo ging nie mit ins Lichtspieltheater, und auf dem Heimweg waren die »Sitze« stets verschwunden.
In Moose County gab es eine derartige Unterhaltungsmöglichkeit nicht. Die Zwillinge baten ihren Vater, doch in Pickax ein Kino zu eröffnen.
Die Prohibition wurde 1933 abgeschafft, und der Kartoffelfarmer war in der Lage, seinen Kindern diesen Wunsch zu erfüllen. Er kaufte die alte Oper, die seit langem mit Brettern vernagelt war, und machte daraus den Lichtspielpalast von Pickax. Und er finanzierte den beiden ihre zukünftigen Berufe.
Abgesehen vom Geschlecht waren die Zwillinge auch sonst sehr verschieden. Thurston war schmächtig und sensibler; er liebte Hunde und Pferde und wollte Tierarzt werden. Milo schickte ihn nach Cornell, wo er sein Tierarztstudium absolvierte.
Thelma war größer, stärker und kühner; sie wollte zum Film. Milo schickte sie mit ihrer Stiefmutter als Anstandsdame nach Hollywood. Er sah keine der beiden Frauen je wieder.
Thelma ergatterte kleine Rollen in zweitklassigen Filmen und entschied, dass sie das Gastgewerbe vorzog, wo sie als Gastgeberin in ihrem eigenen Restaurant die Hauptrolle spielen konnte. Milo finanzierte ihr zuerst einen Imbissladen, die Thackeray Snackery, und dann ein gutes Restaurant, das einfach »Thelma’s« hieß. Es lief sehr gut. Als Milo starb, hinterließ er sein Vermögen seinen beiden Kindern. Thurston eröffnete damit eine Tierklinik in Lockmaster, und Thelma realisierte ihren Traum von einem privaten Dinnerclub für Liebhaber alter Filme.
Milo wurde auf dem Hilltop-Friedhof begraben – Großvater war der einzige Trauergast. Und in den Grabstein meißelte Großvater die Worte, die sich sein Freund gewünscht hatte: MILO, DER KARTOFFELFARMER.
»Gute Geschichte!«, sagte Qwilleran nach einem Moment des Schweigens und schaltete den Kassettenrekorder aus. »Ist Thelmas Zwilling noch am Leben?«
»Nein, Dr. Thurston kam vor etwa einem Jahr bei einem Unfall ums Leben. Es grassierte ein Gerücht, es sei Mord gewesen, doch es wurde nie Anklage erhoben. Die Klatschbasen sagten, eine Gruppe von Pferdezüchtern hätte die Thackeray-Klinik kaufen wollen, doch Thurston hätte abgelehnt. Kurz nach seinem Tod erstanden sie sie aus der Erbmasse und änderten den Namen. Ich lese den Lockmaster Ledger nicht, daher weiß ich keine Einzelheiten. Aber das mit dem Mord ergab für mich keinen Sinn.«
»Jedenfalls kommt jetzt die Zwillingsschwester zurück in ihre Heimatstadt, um ›Spaß zu haben‹, wie in einem Artikel im Dingsbums zu lesen ist.«
»Meine Frau hat mir davon erzählt. Soll ich mich deswegen aufregen? Für mich klingt das, als wäre sie zu lange in der Sonne gewesen!«
Qwilleran tat zwar, als interessiere ihn das alles nicht besonders, doch ließ ihm die Neugier auf Thelma Thackeray keine Ruhe, und er freute sich auf Fran Brodies Rückkehr aus Kalifornien.
Die Katzen spürten, dass irgendetwas bevorstand – etwas Wichtiges, nicht etwas Beunruhigendes. Sie bekamen ihr Abendessen zeitig serviert, die Nussschalen auf dem Couchtisch wurden gefüllt, auf der Küchentheke tauchten Gläser und Flaschen auf. Yum Yum und Koko verzichteten auf ihr übliches Verdauungsschläfchen an einem sonnenbeschienenen Platz und sahen stattdessen den Vorbereitungen zu.
Qwilleran war stolz auf seine Talente als Barkeeper. Er machte eine Zeremonie aus dem Servieren der Getränke für seine Gäste. Jetzt hatte er ein neues rundes Silbertablett, ein Geschenk lieber Freunde, mit einem leicht angedeuteten gerillten Rand – gerade so, dass es nicht aussah wie eine Radkappe. Er mochte keine verzierten Gegenstände. Es gab moderne Tabletts aus Aluminium, Chrom und rostfreiem Stahl, und er hatte schon auf allen Getränke serviert, aber Silber hatte eine Seele. Selbst die Katzen spürten es. Sie sprangen auf die Theke und betrachteten in der auf Hochglanz polierten Oberfläche ihr Spiegelbild.
Polly traf um sechs Uhr als Erste im Scheunenhof ein. Sie kam direkt von der Bibliothek. »Du hast ein neues Tablett! Es ist sehr schön. Der Rand gefällt mir, er sieht aus wie ein Kuchenrand. Ist es alt? Wo hast du es entdeckt?«
»Es ist eine Art Dankeschön von den Bambas. Als der Klingenschoen-Fonds ein Ehepaar suchte, das das Nutcracker Inn führt, habe ich Lori und Nick empfohlen. Ich lese dir die Inschrift vor.«
Sie lautete: Für Qwill, mit den besten Empfehlungen des Nutcracker Inn, wo es immer Nüsse zu knacken gibt.
Ein weiteres Fahrzeug blieb vor der Küchentür stehen. Die Rikers kamen aus der Zeitungsredaktion. Mildred verfasste die Haushaltsseite, Arch war Herausgeber und Qwills Freund seit Kindheitstagen. Die beiden Männer waren zusammen in Chicago aufgewachsen und sich ihrer Freundschaft sicher genug, um einander bei jeder Gelegenheit aufzuziehen.
Mildred sah sofort das neue Tablett auf der Theke. »Das ist ja bezaubernd! Wo hast du es gefunden?«
»Es war ein Geschenk. Freut mich, dass es dir gefällt.«
»Es ist nicht sehr alt«, sagte Arch, der sich als Autorität in Sachen Antiquitäten betrachtete. »Und es ist nur versilbert.«
»Es genügt«, konterte Qwilleran, »bis du mir zum Geburtstag, der zufällig im nächsten Monat ist, falls du es vergessen hast, ein Tablett aus Sterlingsilber aus dem achtzehnten Jahrhundert schenkst.«
Als jeder ein Getränk hatte, gingen sie zu den dick gepolsterten Sofas beim Kamin. Arch brachte einen Toast aus: »Auf alle, die sich von neun bis fünf an ihrem Arbeitsplatz abrackern – und auf jene, die bloß zwei Kolumnen in der Woche schreiben.«
Die Antwort des Autors von »Aus Qwills Feder« kam wie aus der Pistole geschossen: »Würde ich nicht jeden Dienstag und Freitag meine tausend Worte schreiben, würde eure Auflage um fünfzig Prozent sinken. Übrigens, stehen in der morgigen Zeitung auch irgendwelche Neuigkeiten?«
»Ja«, sagte Mildred. »Gute Neuigkeiten auf der Haushaltsseite! Derek Cuttlebrinks Freundin und ihre beiden Brüder aus Chicago haben die alte Mühle gekauft. Sie bekommt einen neuen Namen, einen neuen Chefkoch und eine neue Speisekarte … Und Derek wird Geschäftsführer!«
Die anderen drei begannen gleichzeitig zu reden. »Das ist ja wunderbar! … Es wird auch Zeit! … Es geht eben nichts über eine reiche Erbin aus Chicago … Ob er jetzt wohl zu wachsen aufhört? … Ich weiß noch, wie er als Hilfskellner gearbeitet hat; er war erst eins achtzig groß und träumte davon, Polizist zu werden … Der Junge hat Charisma! … Wartet, bis seine Groupies das hören! … Wie wird denn das neue Restaurant heißen?«
»Getreidemühle. Das war ja die ursprüngliche Funktion des Gebäudes. Die Farmer haben ihren Weizen und ihren Mais hingebracht und zu Mehl mahlen lassen.«