Die Landärztin vom Bodensee - Elfie Ligensa - E-Book
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Die Landärztin vom Bodensee E-Book

Elfie Ligensa

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Beschreibung

Kann sie in ihrer alten Heimat das Glück finden? Der Liebesroman »Die Landärztin vom Bodensee« von Elfie Ligensa jetzt als eBook bei dotbooks. Glitzernd bricht sich das Sonnenlicht auf der Wasseroberfläche – es ist ein vertrauter und lange vermisster Anblick ... Nachdem sie viele Jahre lang im Dienst der »Ärzte ohne Grenzen« in den Krisengebieten der Welt war, kehrt Julia zurück in ihre Heimat am Bodensee, wo sie einen Neuanfang wagt. Die Leute im beschaulichen Überlingen beäugen die neue Landärztin zunächst misstrauisch – aber Julia gibt alles, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Und dann ist da noch der charmante Chefarzt Karsten, der im nahegelegenen Klinikum arbeitet und ihr Herz gegen jede Vernunft zum Flattern bringt ... Aber darf sie sich wirklich auf einen unbeschwerten Sommerflirt einlassen – oder ist Karsten vielleicht der Mann, auf den sie schon ihr ganzes Leben gewartet hat? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Im romantischen Roman »Die Landärztin vom Bodensee« von Elfie Ligensa liegen Dramatik und herrliche Feelgood-Stimmung nah beieinander – Fans von Liv Helland und Helene Lynd werden begeistert sein. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 385

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Über dieses Buch:

Glitzernd bricht sich das Sonnenlicht auf der Wasseroberfläche – es ist ein vertrauter und lange vermisster Anblick ... Nachdem sie viele Jahre lang im Dienst der »Ärzte ohne Grenzen« in den Krisengebieten der Welt war, kehrt Julia zurück in ihre Heimat am Bodensee, wo sie einen Neuanfang wagt. Die Leute im beschaulichen Überlingen beäugen die neue Landärztin zunächst misstrauisch – aber Julia gibt alles, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Und dann ist da noch der charmante Chefarzt Karsten, der im nahegelegenen Klinikum arbeitet und ihr Herz gegen jede Vernunft zum Flattern bringt ... Aber darf sie sich wirklich auf einen unbeschwerten Sommerflirt einlassen – oder ist Karsten vielleicht der Mann, auf den sie schon ihr ganzes Leben gewartet hat?

Über die Autorin:

Elfie Ligensa hat viele Jahre lang in einem großen deutschen Verlag als Redakteurin gearbeitet. Dort hat sie die Arztroman-Serie »Dr. Stefan Frank« erfunden und auch an der Fernsehserie mitgearbeitet. Im Lauf der Jahre hat sie mehr als 100 Heftromane, Kurzgeschichten und zahlreiche Romane geschrieben. Ihre Vorliebe beim Schreiben gehört aber den historischen Stoffen. Wenn Elfie Ligensa sich von ihrem Schreibtisch losreißen kann, zieht es sie in fremde Länder, wo sie Inspiration für neue Romane sammelt.

Elfie Ligensa veröffentlichte bei dotbooks bereits »Die Smaragdkönigin«.

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Originalausgabe September 2023

Copyright © der Originalausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Renate Kunstwadl

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-98690-812-6

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Elfie Ligensa

Die Landärztin vom Bodensee

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

»Ich glaub’s ja nicht! Du bist es wirklich!« Der halb fertig gebundene Blumenstrauß fiel aus Christina Küpfners Händen.

»In voller Lebensgröße!« Julia Hallberg breitete die Arme aus und zog die Freundin an sich. »Na, Überraschung gelungen?«

»Das kann man wohl sagen!« Christina trat einen Schritt zurück. »Du verrücktes Huhn, warum hast du nicht angerufen? Ich hatte ja keine Ahnung, dass du schon zurück bist aus Afrika. Du wolltest doch erst in acht Monaten wieder da sein.«

Für eine Sekunde huschte ein Schatten über Julias gebräuntes Gesicht. »Ja, aber es ist irgendwie anders gekommen. Erzähl ich dir später in Ruhe.« Ein kleiner Seufzer folgte, aber in der nächsten Sekunde lächelte sie die Freundin wieder an. »Ich bin gestern in Frankfurt angekommen und dann nach München weitergeflogen. Und mein erster Weg, nachdem ich mich ein bisschen ausgeschlafen hatte, führte mich natürlich hierher.«

»Das will ich mir ausgebeten haben.« Christina zog die Freundin mit sich in einen kleinen Raum hinter dem großzügig angelegten Blumenladen.

»Beinahe hätte ich dich nicht mehr erkannt.« Julia lachte. »Du hast eine ganz neue Frisur. Waren die langen Haare lästig bei der Arbeit?«

»Du sagst es. Und ich finde meine Frisur extrem praktisch.« Sie strich sich über die streichholzkurz geschnittenen blonden Haare. »Setz dich. Kaffee?« Schon griff Christina nach der immer gefüllten Kanne, mit der anderen Hand wischte sie ein paar Blätter von der Arbeitsplatte.

»Gern.« Julia sah sich um, dann hockte sie sich auf einen der zwei weiß lackierten Eisensessel, die in einer Ecke standen. »Die gibst du nie her, oder?« Sie strich kurz über die schmalen Armlehnen.

»Nein.« Christina reichte ihr den Kaffeebecher. »Die sind noch von meiner Oma. Seit ich denken kann, stehen die zwei alten Dinger hier. Ich hab sie nur mal neu lackiert.«

»Und den alten Laden zu einem Schmuckstück gemacht.« Julia sah hinüber in den Verkaufsraum, in dem eine große Auswahl an Frischblumen und Topfpflanzen ausgestellt war.

»Man muss mit der Zeit gehen.« Christina zog sich den zweiten Sessel heran. »Allein mit ein paar Schnittblumen und einer Miniauswahl an Blumenstöcken kommst du heute nicht weiter. Viele Kunden möchten neben den Blumen auch dazu passende Accessoires haben. Na ja, und dem Trend bin ich rechtzeitig gefolgt. Der Laden floriert.« Sie machte eine kleine Pause. »Aber jetzt reden wir nicht von mir, sondern du erzählst bitte haarklein, was dich in die Heimat zurückgeführt hat.« Stirnrunzelnd sah sie Julia an. »Bist du krank geworden in deinem Einsatz bei Ärzte ohne Grenzen? Hast du dir vielleicht eine Malaria eingefangen? Du bist schrecklich dünn geworden.«

»Ach was, ich bin total in Ordnung.«

»Lüg nicht. Das kannst du nicht.«

Sekundenlang blieb es still. Julia drehte den Kaffeebecher in den Händen hin und her. »Es ist eine längere Geschichte«, sagte sie dann. »Nichts, das ich hier und jetzt erzählen könnte.«

»Dann heute Abend bei mir. Ich wohne über dem Laden. Die Wohnung konnte ich vor einem Jahr kaufen, nachdem der alte Hausbesitzer verstorben ist.« Christina zögerte. »Du hast also wirklich im Hotel übernachtet?«

»Ja.« Julia trank einen Schluck Kaffee. »Ich bin, wie gesagt, erst abends angekommen und hab dann in einem Hotel gleich am Flughafen eingecheckt.« Lächelnd sah sie die Freundin an. »Aber nach dem Frühstück habe ich mich gleich auf den Weg Richtung Bodensee und damit zu dir gemacht.«

Ein melodischer Glockenklang ertönte, zwei Kundinnen kamen ins Geschäft.

»Du, ich muss die beiden rasch bedienen gehen.«

»Mach ruhig. Ich hab Zeit.« Julia lehnte sich zurück und schloss kurz die Augen. Sie war immer noch ein wenig müde. Das lag aber nicht nur an dem langen Flug von Johannesburg nach München, diese Erschöpfung, an der sie seit Monaten litt, hatte vor allem seelische Ursachen, dessen war sie sich vollkommen bewusst.

»Verdammt«, murmelte sie leise vor sich hin, denn wieder einmal waren ihre Gedanken bei Richard. Dabei hatte sie sich verboten, noch einmal an ihn zu denken.

Aber so einfach ließen sich die Erinnerungen an den Mann, in den sie sich leidenschaftlich verliebt hatte, nicht ausschalten.

Dr. Richard Bruckmann leitete das Hospital im afrikanischen Busch, in dem Julia zweieinhalb Jahre lang gearbeitet hatte. Er war ein ebenso kompetenter Arzt wie charmanter Mann, und schon nach wenigen Monaten war Julia seine Geliebte geworden. Sie beide waren das ideale Paar – zumindest hatte sich Julia das lange eingeredet. Bis sie eines Tages durch Zufall herausgefunden hatte, dass Richard daheim in Hannover eine Frau und einen erwachsenen Sohn hatte. Eine der jungen afrikanischen Krankenschwestern hatte es ihr gesteckt und ihr einen Brief aus Deutschland gezeigt, der den Absender einer Ellen Bruckmann trug.

»Wir leben schon lange getrennt«, hatte Richard gesagt, als Julia ihn zur Rede stellte. »Es war nur noch nicht der richtige Moment für die Scheidung gewesen.« Ein lässiges Schulterzucken war den Worten gefolgt. »Du kennst doch die Spießer, die unserer Organisation vorstehen. Als geschiedener Arzt hätte ich den Job hier vielleicht nicht bekommen.«

»Das glaubst du doch wohl selber nicht. Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Da ist ein geschiedener Chefarzt wahrhaftig nichts Besonderes mehr.«

»Sag das nicht.« Er hatte versucht, sie an sich zu ziehen. »Ich wollte Ellen demnächst um die Scheidung bitten, ehrlich, denn ich will dich für immer bei mir haben, mein Liebes. Es war bislang nur noch nicht der richtige Moment.«

»Und wann wäre der wohl gewesen, dieser Moment?«, hatte Julia gefragt. »Vor oder nach unserer Hochzeit, von der du seit Wochen redest?«

»Unsinn.« Richard hatte die für ihn so typische wegwerfende Handbewegung gemacht. »Du dramatisierst die Sache, glaub mir.«

Kopfschüttelnd hatte Julia ihn angesehen und war dann weinend in ihr Zimmer gegangen.

Tage und Wochen vergingen, in denen sie versuchte, Richard so gut als möglich aus dem Weg zu gehen. Doch das war im Hospital kaum zu bewerkstelligen, und auch nach Dienstschluss gab es wenig Möglichkeiten, ihm auszuweichen. Vor allem, weil er sich intensiv bemühte, sie umzustimmen und wieder für sich zu gewinnen.

Fast wäre Julia schwach geworden, fast hätte sie seinen Beteuerungen, dass sie seine einzige große Liebe war, geglaubt – wenn sie ihn nicht eines Tages mit einer neuen, sehr aparten schwedischen Krankenschwester erwischt hätte.

Julia musste schlucken, als diese Szene wieder vor ihrem inneren Auge erschien. Damals, vor gut zwei Monaten, hatte sie sich entschlossen, Afrika – und damit auch Richard – den Rücken zu kehren.

Ihre Kündigung wurde zum Glück rasch akzeptiert, ein junger Kollege aus Bamberg übernahm ihren Job.

»Hey, woran denkst du? Du hast doch nicht etwa Heimweh nach dem Busch?« Unbemerkt war Christina zurückgekehrt. Sacht rüttelte sie Julia an der Schulter.

»Nein, absolut nicht. Ich hab nur überlegt, was ich jetzt machen soll.« Sie sah zu der Freundin hoch. »Ehrlich gesagt, hab ich weder einen neuen Job noch ein Dach über dem Kopf.«

Christina lachte. »Letzteres ist kein Problem, du bleibst erst mal hier bei mir, und einen Job findest du sicher schnell.«

»Hoffentlich.«

Kapitel 2

Julia atmete auf, als der Regen endlich aufhörte. Sosehr sie sich in Afrika über ein paar Tropfen gefreut hatte, die vom Himmel fielen – jetzt, auf der Fahrt nach Überlingen, hätte sie es gern trocken gehabt.

Als sie ihr Ziel fast erreicht hatte, schien die Sonne, und Julia sah fasziniert hinüber zum See, der in der Ferne in tiefem Blau leuchtete.

Die Praxis von Dr. Erwin Behrend lag, wie der Kollege ihr am Telefon gesagt hatte, am Ortsrand von Überlingen und direkt am See.

Noch einmal schaute Julia prüfend auf das Navigationsgerät des neuen Wagens, den sie sich vor wenigen Tagen zugelegt hatte. Es war wohl nicht mehr weit!

Noch zweihundert Meter, dann stand sie auch schon vor dem hellgelb gestrichenen Haus, vor dem ein alter Jeep geparkt war. Gleich neben der Haustür befand sich das schon ein wenig verwittert wirkende Praxisschild.

Julias Herz klopfte ein wenig rascher, als sie ausstieg und auf die zweiflügelige Eingangstür zuging. Sie war aus altem Eichenholz und wunderschön verziert. So etwas fand man heutzutage kaum noch, und ganz spontan strich Julia über die kunstvolle Schnitzerei gleich neben dem geschwungenen Türgriff.

Ehe sie dazu kam zu läuten, öffnete sich die Tür, und Julia sah sich einem großen, schlanken Mann gegenüber.

»Ich hab Sie vom Sprechzimmer aus gesehen. Willkommen, Frau Kollegin.« Ein schwaches Lächeln glitt über das schmale Männergesicht. »Sie sind doch Julia Hallberg?«

»Ja. Guten Tag, Herr Dr. Behrend.«

»Kommen Sie rein, bitte. Ich habe alle Unterlagen bereitliegen, und die Wohnung ist schon leer geräumt.«

»Ich … damit hatte ich gar nicht gerechnet. Wir haben schließlich noch gar nichts schriftlich fixiert außer einem Vorvertrag. Und umgeschaut hab ich mich auch noch nicht.«

»Ich bin sicher, alles wird zu Ihrer Zufriedenheit sein. Die Konditionen sind schließlich sehr gut, denke ich.« Nur kurz sah er Julia an.

»Das stimmt. Aber …«

»Kein Aber. Wir werden uns einig, ganz bestimmt. Ich hab drauf vertraut, dass Sie mein Angebot annehmen und so rasch als möglich hier die Arbeit übernehmen.« Leicht besorgt sah Dr. Behrend sie an. »Ich kann und darf im Moment nicht praktizieren, bin erst vor drei Tagen aus der Klinik entlassen worden.« Ein kleiner Seufzer folgte. »Dieser Infarkt war mein dritter, und ich weiß jetzt, dass ich endlich an einen Nachfolger übergeben muss.«

»Ich hoffe, Sie können sich bald komplett erholen.«

»Mal sehen. Aber jetzt lassen Sie uns gleich alles Wesentliche regeln. Ich bin froh, dass Sie so liquide sind, dass Sie auch das Haus übernehmen können.«

»Nun ja, ganz ohne einen Kredit bei der Bank ging es nicht«, erwiderte Julia. »Aber ich habe zum Glück vor Jahren eine Erbschaft gemacht, sodass ich einen gewissen Grundstock besitze. Und …« Sie sah Dr. Behrend lächelnd an, »Sie waren auch sehr kulant, was den Kaufpreis der Praxis betrifft. Ich denke, auf dem freien Markt hätten Sie für das Haus und dieses Seegrundstück sehr viel mehr Geld bekommen.«

»Geld ist nicht alles. Ich will vor allem, dass meine Patienten auch weiterhin problemlos versorgt werden können. Es war in den letzten Wochen für alle schon unangenehm genug.« Er zögerte. »Sie müssen wissen, dass viele meiner Patienten schon seit Jahrzehnten in diese Praxis kommen. Neuerungen sind ihnen unangenehm. Aber Sie werden sicher alles gut hinkriegen.« Ein kleines Lächeln glitt über sein Gesicht. »Die alten Bauern werden zwar erst mal skeptisch sein, aber das wird sich geben, da bin ich sicher.« Er zögerte. »Leider wird meine bisherige Sprechstundenhilfe auch in Rente gehen. Sie müssen sich also neue Unterstützung suchen.«

»Nun, die wird sich hoffentlich rasch finden lassen.«

Drei Stunden dauerte es, bis Julia in alle Dinge, die die Praxis betrafen, eingeweiht war. Alles Weitere würden sie dann morgen beim Notar regeln. Nachdem der Vorvertrag schon gemacht worden war, würden die beiden letzten Unterschriften nur noch Formsache sein.

Dr. Behrend brachte seine junge Nachfolgerin zur Tür, gab ihr lächelnd die Hand und meinte: »Ich glaube, ich habe einen guten Griff mit Ihnen gemacht, Frau Hallberg. Von Herzen wünsche ich Ihnen alles Gute bei der Arbeit hier. Ich bin sicher, dass meine Patienten bei Ihnen in den besten Händen sein werden.«

Kapitel 3

Die Bank stand im Schatten eines großen Rosenbuschs, der die ersten Knospen zeigte, und war nur durch einen schmalen Weg vom Garten ihres Hauses getrennt. Auf der Erde vor Julias Füßen hatten sich zwei Enten niedergelassen, die sich ohne Scheu putzten. Auf dem See, ganz nah am Ufer, zog ein Schwanenpaar seine Bahnen, und in der Ferne konnte die junge Ärztin zwei der weißen Ausflugsschiffe erkennen, die regelmäßig über den Bodensee kreuzten.

Für einen kurzen Moment schloss Julia die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Die ersten beiden Wochen als Landärztin lagen hinter ihr, und sie fragte sich, ob es wirklich die richtige Entscheidung gewesen war, hierherzuziehen.

Nur wenige Patienten waren bislang in die Praxis gekommen. Ob der alte Kollege sie belogen hatte, als er sagte, er hätte jeden Tag ein volles Wartezimmer gehabt? War seine angebliche Großzügigkeit, was den Preis für das Haus betraf, auch nur Taktik gewesen?

Zumindest hatte sie genügend Zeit gehabt, sich in Ruhe in den Privaträumen einzurichten. Christina, die ebenso entschlossen wie praktisch war, war ihr dabei eine große Hilfe gewesen.

»Hilfe! Hilfe!« Der Schrei riss Julia aus ihren Gedanken. Mit einem Ruck sprang sie auf und sah sich suchend um. Die Enten stoben aufgeregt schnatternd auseinander.

»Hilfe! Dahinten liegt jemand!« Ein etwa zehnjähriger Junge kam vom Seeufer her auf Julia zugelaufen, aufgeregt winkte er ihr zu.

»Was ist denn passiert?« Julia hielt den blonden Jungen, der vor Erregung kaum atmen konnte, am Arm fest.

»Eine Frau … sie ist wohl von ihrem Pferd gefallen und liegt direkt am Wasser. Ich kann sie nicht wegziehen.« Tränen standen in den Kinderaugen.

»Warte hier. Ich bin gleich zurück. Dann zeigst du mir die Stelle, ja?«

Der Junge nickte nur, er kaute nervös auf seiner Unterlippe, während er Julia nachsah, die ins Haus eilte und nach ihrer Notfall-Tasche griff.

Schon wenige Minuten später beugte sie sich über eine blonde junge Frau, die reglos am Seeufer lag. Sie hielt die Augen geschlossen.

»Hallo, können Sie mich hören?«

Als die Reiterin nicht reagierte, tastete Julia erst einmal den schlanken Körper ab, dann öffnete sie vorsichtig den Riemen des schwarzen Reithelms.

»Ist sie tot?« In der Stimme des Jungen, der ein paar Schritte abseitsstand, schwangen Tränen mit.

»Nein, nein, keine Sorge. Sie ist nur bewusstlos. Aber sie muss in die Klinik gebracht werden.«

Noch während sie das sagte, wählte sie die Nummer des Rettungsdienstes.

»Die Patientin ist bewusstlos nach einem Reitunfall. Eventuell besteht eine Rückgratverletzung.«

»In Ordnung. Wir werden das beachten.«

Während sie neben der immer noch Regungslosen wartete, sah sich Julia nach dem Pferd der jungen Frau um, doch das Tier war nirgendwo zu entdecken.

»Weißt du, wohin das Pferd gelaufen ist?«, fragte sie den Jungen.

»Klar doch. In den Stall zurück. Das machen doch alle Pferde so.«

»Das stimmt.« Julia kontrollierte noch einmal die Vitalfunktionen der jungen Frau. Der Puls war nur mäßig erhöht. Erleichtert atmete sie auf, als sie kurz darauf das Horn des Notarztwagens hörte.

Vor Jahren, während ihrer ersten Monate als Ärztin in einer Notaufnahme, war sie bei solch schwierigen Diagnosen noch zusammengezuckt und unsicher gewesen. Sie hatte mit den ihr unbekannten Menschen mitgelitten und oft geglaubt, ihren Job nicht durchstehen zu können. Inzwischen aber hatte sie gelernt, auch bei schweren Diagnosen die Ruhe zu bewahren. Gerade während der Einsätze in Afrika war dies wichtiger als alles andere gewesen.

Die beiden Sanitäter, die sich nur kurz vorstellten, hoben die Verletzte behutsam auf die Trage und fixierten sie, sodass eine unbedachte Bewegung ausgeschlossen werden konnte.

»Kommen Sie mit, Frau Doktor?«, erkundigte sich der Jüngere der Männer, nachdem Julia sich als Ärztin zu erkennen gegeben hatte. »Der diensthabende Notarzt ist bei einem anderen Einsatz. Es hat auf der Autobahn eine Massenkarambolage gegeben.«

»Ja, mach ich.« Julia winkte dem Jungen, der sie gerufen hatte, noch zu, dann kletterte sie in den Wagen und setzte sich dicht neben die Verletzte.

Erst viel später dachte sie mit einem beklommenen Gefühl daran, dass sie den Jungen gar nicht nach seinem Namen gefragt hatte und ob der kleine Knirps wohl mit diesem Erlebnis klarkommen würde.

»Wohin fahren wir denn?«, erkundigte sie sich nun.

»Am besten in die Kaiserburg-Klinik. Die liegt ganz in der Nähe. Ist zwar eine Privatklinik, aber wir können da auch Verletzte hinbringen.«

Schon nach wenigen Minuten erreichten sie die Klinik, die inmitten eines gepflegten Parks lag.

Julia folgte den beiden Sanitätern in die Notaufnahme. Ein wenig wunderte sie sich über die moderne und umfangreiche Ausstattung, die sie in einer Privatklinik nicht erwartet hatte.

»Hallo zusammen. Wen haben wir denn hier?« Ein großer, schlanker Arzt betrat den hellen Raum und grüßte knapp in die Runde.

»Reitunfall«, meldete der Ältere der Sanitäter knapp.

»Guten Tag, Herr Kollege.« Julia nickte dem Arzt zu. »Ich habe die Verletzte gefunden. Ob das Rückgrat in Mitleidenschaft gezogen ist, konnte ich noch nicht feststellen, die Patientin hat das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt.«

»Danke. Dann übernehme ich.« Er beugte sich über die Verunglückte. »Ach, du Scheiße«, murmelte er dann leise. »Das ist Bettina, die Tochter unseres Chefs.« Er wandte sich an eine Schwester, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatte. »Versuchen Sie, ihr die Reitsachen auszuziehen. Und dann das Übliche: CT, Blutstatus und so weiter. Und informieren Sie danach den Professor. Er ist schon nach Hause gefahren.«

»Damit sollte die Schwester vorsichtig sein.« Julia wies auf die Lederstiefel. »Das Bein ist mit Sicherheit bereits stark angeschwollen, die Stiefel müssen aufgeschnitten werden. Der Ruck beim Ausziehen ist zu gefährlich.«

»Da haben Sie recht.« Er nickte ihr zu, dabei umspielte ein kleines Lächeln seine Lippen. »Wir kennen uns noch nicht, oder? Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, Sie schon mal hier in der Klinik gesehen zu haben.« Er legte den Kopf leicht schief. »Sind Sie eventuell eine neue Belegärztin?«

Julia half der Pflegerin, die Verunglückte von den ersten Kleidungsstücken zu befreien. »Nein, ich bin erst ganz kurz hier am Bodensee. Ich habe die Praxis von Dr. Behrend übernommen. Seit gut zwei Wochen bin ich hier.«

»Dann willkommen hier am Bayrischen Meer.« Er zog sich die OP-Maske vom Gesicht, und Julia konnte jetzt feststellen, wie gut er aussah. Das Gesicht war gebräunt, die dunklen Augen beherrschten das schmale Gesicht. Das kleine Grübchen an seinem Kinn fiel ihr sofort auf.

»Bestanden?« Ein kleines Grinsen flog über sein eben noch ernstes Gesicht.

»Sorry.« Julia senkte verlegen den Blick.

»Keine Ursache.« Er zog sich den Einweghandschuh aus und reichte ihr die Hand. »Ich bin Karsten Schrader, leitender Oberarzt.«

»Ich heiße Julia Hallberg und versuche, hier in der Gegend als Landärztin Fuß zu fassen.« Sie biss sich auf die Lippen. »Was, ehrlich gesagt, nicht ganz leicht ist. Ich habe das Gefühl, dass mein Vorgänger kaum noch Patienten hatte.«

»Das glaub ich nicht. Wahrscheinlicher ist, dass die Leute sich erst mal ein Bild von Ihnen machen müssen.«

»Wie soll das gehen, wenn keiner zu mir kommt?«

»Warten Sie ab. Sie haben die Tochter des Professors gerettet, das wird sich herumsprechen, glauben Sie mir.«

»Gerettet … das ist ziemlich übertrieben ausgedrückt. Ich habe nur Hilfe gerufen und dafür gesorgt, dass die Verletzte nicht unachtsam bewegt und dann richtig transportiert wurde.«

Ein älterer Pfleger kam herein. »Das CT scheint unauffällig«, meldete er. »Frau Dr. Zehler denkt, dass nur zwei Wirbel leicht gestaucht sind. Wollen Sie es sich ansehen?«

»Komme sofort.« Karsten sah Julia an. »Sie entschuldigen mich.« »Natürlich. Ich gehe dann mal wieder. Alles Gute für die Patientin.«

»Danke – und bis bald mal. Ich wüsste gern ein bisschen mehr von Ihnen. Zum Beispiel, was Sie bisher gemacht haben.«

»Neugierig sind Sie gar nicht.«

»Nur ein bisschen.« Er lächelte. »Und auch nur bei attraktiven Kolleginnen.«

»Soll ich dann beim nächsten Treffen meine Zeugnisse mitbringen?«, fragte Julia. »Oder genügt Ihnen eine Kurzfassung über meine bisherigen Arbeitsplätze?«

Karsten, der schon an der Tür war, ging ein paar Schritte zurück und stellte sich dicht vor Julia. »Ich will alles wissen. Ganz genau«, sagte er leise, und bei seinem Blick wurde es Julia heiß und kalt.

Mit Mühe schaffte sie es, knapp zu nicken, dann verließ sie die Klinik. Ihr Herz klopfte unvernünftig heftig.

»Verrückt«, murmelte sie vor sich hin. »Du reagierst auf diesen Kerl wie ein Teenager.«

Aber so war es, das musste sie sich leider eingestehen.

Draußen sah sie sich genauer um. Der lang gestreckte, L-förmige Klinikbau war in mattem Weiß gestrichen, vor dem Haupteingang war ein großes Rondell, das mit Rosenbüschen bepflanzt war. Jetzt, im Frühjahr, war der Rand mit hellgelben Primeln bestückt.

Alles wirkte sehr gediegen und elegant, und Julia schoss durch den Kopf, dass die Patienten, die hier behandelt wurden, sicher nicht zum Klientel ihrer bescheidenen Landarztpraxis gehörten.

Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie von ihrem Zuhause ein gutes Stück entfernt war. Zum Glück befand sich ganz in der Nähe ein Taxistand, sodass sie sich heimfahren lassen konnte.

Vor ihrer Haustür lag, tief schlafend, eine rote Katze. Schon gestern und vorgestern war das Tier ums Haus geschlichen und hatte jämmerlich gemauzt, bis Julia ihm etwas Milch hingestellt hatte.

Jetzt stand die Katze langsam auf, miaute laut und rieb sich an Julias Bein.

»Na komm, du siehst wirklich hungrig aus. Und du bist viel zu dünn.« Julia schloss die Tür auf, und sofort stob die Katze ins Haus.

In der Küche ließ sie sich wieder die Milch schmecken, und auch die Scheibe gekochten Schinken, die Julia opferte, fraß sie gierig.

»Du hast entweder kein Zuhause oder ein ziemlich schlechtes«, murmelte Julia, dann sah sie zu, wie sich die Katze gemächlich vor der Terrassentür niedersetzte und ausgiebig putzte. Anstalten, hinauszulaufen, machte sie jedoch keine, als Julia die Tür öffnete.

»Na gut, bleib meinetwegen eine Weile hier«, sagte Julia. »Dann sind wir beide nicht alleine.«

Kapitel 4

»Wo ist denn der Doktor?« Der weißhaarige alte Mann sah sich suchend im Sprechzimmer um.

»Ich bin Ärztin. Julia Hallberg.« Julia wies auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. »Nehmen Sie doch bitte Platz, Herr …«

»Bittner Josef.« Der Patient ließ sich seufzend auf den Stuhl fallen. »Wo ist denn der Doktor hin?«

»Der Kollege Behrend hat sich zur Ruhe gesetzt. Ich habe seine Praxis übernommen.«

»Sakra… eine so junge Frau?« Der Alte schüttelte den Kopf. »Können Sie das denn überhaupt?«

Julia lachte leise auf. »Da bin ich mir sicher, Herr Bittner. Sie können mir vertrauen. Was fehlt Ihnen denn?«

»Das Reißen hab ich. Und mich am Bein verletzt.« Er zuckte mit den Schultern. »Bin von meinem alten Traktor gefallen. Und da lag so ein Stück Stacheldraht … damit hab ich mich geritzt.«

Das, was er als leichte Verletzung schilderte, entpuppte sich als tiefer Riss in der linken Wade. Und ein schmaler roter Strich oberhalb der Wunde verriet Julia, dass eine Blutvergiftung drohte.

Als sie ihre Diagnose dem alten Mann mitteilte, zuckte der wieder nur mit den Schultern. »Das ist nicht so wild«, meinte er. »Als Bauer muss man immer mit einer Verletzung rechnen.«

»Aber Sie sind nicht gegen Tetanus geimpft, oder?« Julia blätterte in seiner Krankenakte, konnte aber keinen entsprechenden Vermerk finden.

»Unsinn. So was brauch ich net. Machen Sie mir ein neues Pflaster drauf, das reicht.«

»Und ob Sie diese Impfung brauchen! So eine Infektion kann sehr übel enden. Und mit einem Pflaster ist es wahrhaftig nicht getan.«

Julia tat, was getan werden musste, während sie den Patienten über die Gefahr aufklärte, die eine Blutvergiftung bedeutete.

»Ob der alte Doktor das auch gesagt hätte?«, murmelte Josef Bittner zweifelnd.

»Ganz sicher hätte er das genauso gesagt.« Julia versorgte ihn konzentriert, und wider Erwarten ließ der alte Mann alles mit sich geschehen.

Nach dem alten Bauern kamen noch zwei jüngere Frauen in die Sprechstunde, dann blieb das Wartezimmer für den Rest des Tages leer.

Wieder einmal fragte sich Julia, ob Dr. Behrend wohl gelogen hatte, als er erklärte, seine Praxis laufe hervorragend. Sie konnte das nun wirklich nicht behaupten. Es kamen am Tag höchstens vier, fünf Patienten zu ihr.

Vielleicht sitzt der alte Kollege jetzt in seiner Seniorenresidenz in Meersburg und lacht sich ins Fäustchen, sinnierte sie, während sie am Fenster stand und hinaus in den Garten schaute. Die rote Katze, die sich als Kater entpuppt hatte, stolzierte durch den Garten. Dann sprang er auf die Liege, die sich Julia wieder zurechtgestellt hatte, und machte es sich auf der weichen Unterlage bequem.

»Hallo, ist jemand da?« Die helle Stimme schreckte Julia aus ihren trüben Gedanken auf.

»Kommen Sie ins Sprechzimmer, bitte.« Sie ging zur Tür – und sah sich im nächsten Moment einer jungen Frau gegenüber, die gebückt vor ihr stand und sich den Leib hielt.

»Ich … ich glaube, es geht los«, keuchte die Hochschwangere.

»Das werden wir gleich wissen. Kommen Sie mit ins Untersuchungszimmer.«

»Aber es ist doch noch viel zu früh …« Sie ließ es zu, dass Julia sie stützte und zum Untersuchungstisch führte.

Allerdings kam die Ärztin nicht mehr dazu, genaue Untersuchungen durchzuführen. Die Fremde krümmte sich unter einer weiteren Wehe.

Julia kam gerade noch dazu, die wichtigsten Instrumente bereitzulegen und sich die Hände zu desinfizieren. Dann half sie der Patientin aus der weiten Hose und der Unterwäsche.

»Sagen Sie mir doch, wie Sie heißen«, bat sie dann, während sie der Patientin ein leichtes Kissen unter den Kopf schob.

»Ich bin die Mechtild Schäfer.« Die junge Frau griff nach Julias Hand. »Mein Freund … er weiß gar nicht, dass ich hier bin.«

»Den rufen wir gleich an.«

Doch noch ehe Julia sich nach der Telefonnummer des werdenden Vaters erkundigen konnte, bäumte sich Mechtild Schäfer wieder auf und stöhnte laut. »Mei, hoffentlich geht alles gut«, presste sie hervor.

»Keine Angst, wir schaffen das schon. Versuchen Sie, sich so gut wie möglich zu entspannen«, sagte Julia, während sie der werdenden Mutter aufmunternd zulächelte.

Dann ging alles rasend schnell: Noch zwei kurze Wehen, ein kurzer Schrei der werdenden Mutter – dann war das Kind auch schon da!

»Gratuliere! Sie haben ein wunderschönes und gesundes Mädchen!« Julia legte Mechtild, die etwa genauso alt war wie sie, das Baby auf die Brust.

»Leider können wir nicht warten, bis der Vater da ist«, sagte sie. »Die Nabelschnur hätte er sicher gern selbst durchtrennt.«

»Nein«, Mechtild sah ihr Töchterchen zärtlich an, »das wollte er nicht. Der Benno ist ein lieber Kerl, aber er kann kein Blut sehen, und es war immer klar, dass er nicht mit in den Kreißsaal kommen würde. Er und ich …« Sie zögerte. »Wir sind nicht verheiratet. Der Benno will sich noch nicht fest binden. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob wir auf Dauer zusammenpassen.«

Julia erwiderte nichts darauf, sondern durchtrennte geschickt die Nabelschnur, säuberte das Neugeborene, so gut es hier ging.

»Meine Steffi …« Tränen glitzerten in den Augen der frischgebackenen Mutter. Dann sah sie zu Julia auf. »Danke. Tausend Dank für Ihre Hilfe. Ich … ich hätte nicht gewusst, was ich machen soll. Ich war drüben im Supermarkt, als ich auf einmal ganz heftige Wehen bekam.«

»Ich hab gern geholfen.«

Julia legte eine weiche Decke über Mutter und Kind. »Aber ich wundere mich, dass Sie dachten, es wäre noch Zeit bis zur Entbindung.«

»Gut vier Wochen wären es wohl noch gewesen. Das hat auch mein alter Gynäkologe gesagt.«

Julia runzelte leicht die Stirn. »Das kann nicht sein«, meinte sie dann. »Sie beide haben sich bestimmt verrechnet.« Sie wies auf das Neugeborene, das friedlich im Arm seiner Mutter lag. »Die Kleine ist vollkommen ausgereift.«

»Na ja …« Die junge Mutter sah erst auf das Baby, dann wieder zu Julia. »Ich war mir nicht ganz sicher, und Dr. Schneider meinte, ich hätte noch Zeit … Das war wohl ein Irrtum.«

»Nun ja, die Hauptsache ist, Sie beide sind wohlauf.« Julia ersparte sich einen Kommentar zu dem alten Kollegen. »Wenn Sie einverstanden sind, rufe ich jetzt einen Krankenwagen, der Sie und das Baby in die Klinik fährt«, sagte sie nur.

»Ja, danke.« Sie zögerte. »Der Vater des Babys … würden Sie Benno anrufen, bitte?« Sie bat Julia, ihr ihre Tasche zu reichen, und zog dann eine Visitenkarte heraus. »Wir sind nicht mal verlobt, und eigentlich wollte er das Kind nicht. Aber er sollte schon wissen, dass die Kleine auf der Welt ist, nicht wahr?«

»Unbedingt.« Julia lächelte. »Und wenn er seine Tochter erst einmal gesehen hat, wird er seine Meinung bestimmt ändern.«

Nachdem sie die beiden Telefonate erledigt hatte, zog sich Julia einen Stuhl neben die Liege, auf der die junge Mutter lag, und schaute auf das Baby, dessen Hautton gesund und rosig wirkte.

»Ich bin Ihnen so dankbar, Frau Doktor.« Die junge Frau richtete sich vorsichtig ein wenig auf. »Bis ins Krankenhaus hätte ich es nicht geschafft. Und mein alter Gynäkologe praktiziert nur noch zwei Mal in der Woche.«

»Ich freue mich, dass ich helfen konnte.«

»Mir gehört übrigens eine Boutique in Überlingen. Wenn Sie mal Lust zum Shoppen haben … ich würde mich freuen, wenn Sie vorbeikommen könnten.«

»Das mach ich gern.« Julia zögerte. »Zeit für einen Einkaufsbummel hab ich leider genug.«

»Warum? Darf ich das fragen?«

»Nun ja, die Praxis hat bisher nur wenig Zuspruch bei den Patienten der Umgebung gefunden. Ich kann nur hoffen, dass sich das bald ändert.«

»Keine Sorge, das wird es.« Mechtild Schäfer lachte leise auf. »Die Leute müssen erst mal Vertrauen zu Ihnen fassen. Aber ich werde ein bisschen Reklame für Sie machen, das hilft, glauben Sie mir.«

Von draußen erklang das Signal des Krankenwagens.

»So, gleich werden Sie in der Klinik weiter versorgt.« Julia ging zur Tür. »Alles Gute für Sie und die Kleine.«

»Nochmals meinen herzlichsten Dank, Frau Doktor.« Mechtild streckte den Arm nach Julia aus. »Und glauben Sie mir – bald werden Sie genügend Patienten haben.«

Kapitel 5

Die darauffolgenden beiden Wochen waren noch ebenso ruhig wie die vergangenen, doch dann, kurz nach Ostern, änderte sich die Lage drastisch: Immer mehr Patienten kamen in die Praxis, und Julia konnte sich über fehlende Arbeit nicht mehr beschweren.

Ob Mechtild Schäfer wirklich so viel Reklame für sie gemacht hatte? Julia nahm sich vor, einmal in die Stadt zu fahren und die Boutique der jungen Mutter aufzusuchen. Vielleicht kam sie schon morgen, am Samstag, dazu.

Sie nahm sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank und setzte sich damit auf die Bank, die sie gleich neben der Haustür aufgestellt hatte. Noch gut eine halbe Stunde hatte sie Zeit, dann begann die Nachmittagssprechstunde.

Wie erwartet kam der rote Kater, der inzwischen das Doktorhaus zu seinem Revier erkoren hatte, maunzend ums Hauseck, dann sprang er mit einem Satz zu Julia auf die Bank und ließ sich schnurrend neben ihr nieder.

»Du scheinst wirklich kein richtiges Zuhause zu haben, du Streuner.« Sachte streichelte Julia sein Fell, das wieder weich und seidig war. Jeden Morgen und pünktlich mit Einbruch der Dämmerung kam der Kater, ließ sich etwas zu fressen geben und ruhte sich aus – von welchen Ausflügen auch immer. »Ich sollte dir einen Namen geben.« Der Kater blinzelte, streckte eine Pfote aus und schnurrte noch etwas lauter. »Was hältst du von Rusty? Du bist rostrot … der Name wäre passend, oder?«

Statt zu antworten, stand der Kater auf und machte Anstalten, sich auf ihren Schoß zu setzen. Doch kaum hatte er sich hingehockt, erklang lautes Motorengeräusch. Fauchend sprang Rusty wieder auf und rannte davon.

Ein grüner Range Rover kam etwas zu schnell den schmalen Weg heraufgefahren, und als der Fahrer bremste, spritzte der helle Kies nach beiden Seiten fort.

»Hallo, Julchen!« Ein schlanker Mann sprang aus dem Fahrzeug und kam mit weit ausgebreiteten Armen auf Julia zu. »Du bist es also wirklich!«

Langsam stellte Julia den Joghurtbecher neben sich auf die Bank. »Sebastian?«

»In voller Lebensgröße!« Lachend nahm der Mann sie in den Arm. »Ich wollte es erst nicht glauben, als ich hörte, dass du wieder in der Gegend bist.«

»Und woher weißt du es?« Langsam löste sich Julia aus der festen Umarmung. Sie trat einen Schritt zurück und musterte den ehemaligen Schulfreund diskret. Gut sah er aus. Das dunkelblonde, leicht gewellte Haar, das er früher oft recht lang getragen hatte, war akkurat geschnitten. Zu einer hellen Reithose trug er ein weißes Polohemd, das die Bräune seines Gesichtes noch unterstrich.

»Du hast einer meiner Reitschülerinnen geholfen. Bettina Kaiserburg. Du erinnerst dich?«

»Natürlich. Wie geht es ihr?«

»Gut, soweit ich weiß.« Er zuckte leicht mit den Schultern. »Sie ist ja bei ihrem Vater und dessen Oberarzt in den besten Händen.« Ein kleines, ironisches Lächeln glitt über sein markantes Gesicht. »Ich glaube fast, dass sie es genießen wird, sich von dem gut aussehenden Dr. Schrader versorgen zu lassen.«

»Wie kommst du darauf?« Ob sie es wollte oder nicht – ein kleiner Stich fuhr durch Julias Herz, als der Name des Arztes ausgesprochen wurde.

»Sie macht kein Geheimnis draus, dass sie scharf auf den Kerl ist. Zumindest redet sie im Reiterstübchen oft und gern von ihm.«

»Du arbeitest also wirklich als Reitlehrer, ja?«

»Ich habe ein eigenes Gestüt. Mit Einstellpferden und ein paar eigenen Tieren, mit denen ich zu züchten versuche.«

»Das war ja schon immer dein Traum, ich erinnere mich.« Julia lachte leise auf. »Ich weiß noch, dass du kurz vor der zweiten Abi-Klausur auf einem Turnier warst.«

»Und viel trainiert habe, statt Mathe zu büffeln.« Auch er lachte. »Ich hab nicht umsonst zwei Jahrgänge wiederholt.«

»Nimm’s sportlich.« Julia zwinkerte ihm zu. »So sind wir wenigstens ein Jahr lang zusammen in eine Klasse gegangen.«

»Wenn man es so sieht … es hatte also auch was Gutes.« Kurz legte er ihr den Arm um die Schultern. »Schön, dass es dich zurück an den Bodensee gezogen hat. Du musst mir mal in aller Ruhe erzählen, was du bisher gemacht hast.«

»Mach ich. Später mal. Jetzt komm erst mal mit rein. Noch sind keine Patienten da, und ich kann dir die Praxis zeigen. Falls es dich überhaupt interessiert«, fügte sie schnell hinzu.

»Unbedingt!« Sebastian folgte ihr ins Haus, sah sich nur kurz in der weitläufigen Diele um und kam ihr dann ins Wartezimmer nach. »Hier hat sich doch so einiges verändert«, stellte er fest. »Es wurde auch Zeit.« Er strich kurz über den Schreibtisch aus hellem Ahorn und sah sich dann im Wartezimmer um. »Vor allem hast du die historischen Gardinen gegen Rollos getauscht.«

Julia lachte. »Das hast du gut gesagt. Es war eine meiner ersten Aktionen, die alten Staubfänger abzunehmen. Und wenn ich erst mal ein paar Patienten mehr habe, kann ich auch das Mobiliar austauschen und noch ein paar neue medizinische Geräte anschaffen. Aber erst mal muss es so gehen.«

»Mich kannst du ab jetzt unbedingt zu deinen Patienten zählen.«

»Warst du nicht bei meinem Vorgänger?«

Sebastian schüttelte den Kopf. »In den letzten Jahren nicht mehr. Da war ich in Lindau bei einem Reiterfreund. Aber jetzt, wo du hier bist … da erspare ich mir den weiteren Weg und komme zu dir.«

»Bist du denn krank?« Forschend sah ihn Julia an. Er wirkte ausgesprochen gesund, sportlich und durchtrainiert.

»Nein, zum Glück nicht. Aber bald ist eine Tetanusauffrischung fällig. Wenn man so wie ich immerzu mit Tieren arbeitet, ist das unumgänglich.«

»Da hast du recht.« Julia ging zu ihrem Schreibtisch. »Wann willst du kommen?«

»Übermorgen wäre günstig. Dann muss ich wieder in diese Gegend.«

»Morgens oder lieber nachmittags?« Julia blätterte in ihrem Kalender. »Weißt du, noch hab ich keine Sprechstundenhilfe. Aber die Koordination der wenigen Termine schaffe ich noch allein.«

»Morgens ganz früh wäre mir recht.« Er sah auf die Uhr. »Du, ich muss leider weiter.« An der Tür blieb er noch einmal stehen. »Wenn du willst, höre ich mich mal um, ob jemand einen Job sucht. Und am Wochenende zeige ich dir meinen Hof. Dabei musst du mir dann erzählen, wo du in den vergangenen Jahren gearbeitet hast.«

»Einverstanden. Aber erst komm zum Impfen.«

Julia begleitete Sebastian noch zur Tür. Sie sah ihm nach, wie er zu seinem Wagen ging, dann kurz stehen blieb und zwei junge Frauen begrüßte.

»Basti, was ist los? Bist du krank?« Die etwas zu helle, zu laute Stimme der einen Frau klang bis zu ihr herüber.

»Nein, nein, keine Sorge. Ich hab die Frau Doktor nur begrüßen wollen.«

»Du kennst sie?« Das klang ein wenig spitz.

»Sehr gut sogar. Und ich kann sie euch nur empfehlen. Sie ist die Beste!« Bei den Worten drehte er sich noch einmal um und winkte Julia zu.

Kapitel 6

Katrin Faber wachte mitten in der Nacht auf und dachte, sie müsse zur Toilette. Mühsam und mit einem leisen Stöhnen rollte sie sich aus dem Bett. Doch gleich darauf setzte sie sich wieder, weil ein heftiger Schmerz ihr die Luft nahm.

Sie atmete tief ein und aus, versuchte, sich zu entspannen, aber es gelang nicht. Die stechenden Schmerzen nahmen nicht ab, im Gegenteil.

»Olli?« Sie sah zum Nebenbett. Ihr Mann schlief tief und fest.

Langsam ließ sich Katrin wieder zurück aufs Bett sinken. Die Schmerzattacke war vorbei, doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Sie fühlte sich aufgeregt, ihr Herzschlag war zu schnell, das spürte sie genau.

Zehn Minuten später überrollte eine neue Schmerzwelle ihren Körper. Diesmal war sie so heftig, dass sie ihr eine Weile den Atem nahm.

»Olli … wach auf!« Sie rüttelte ihren Mann fest an der Schulter. »Ich hab wahnsinnige Schmerzen.«

»Was ist los?« Schlaftrunken richtete sich Oliver Faber auf.

»Ich glaube, wir müssen den Notarzt rufen. Ich … ich hab das Gefühl, als würde man mir ein Messer im Bauch umdrehen!«

»Aber es ist mitten in der Nacht!« Er rieb sich die Augen, dann erst registrierte er wirklich, was Katrin gesagt hatte.

»Ist dir schlecht? Sind dir die Pilze gestern nicht bekommen? Ich hab ja gleich gesagt, dass sie nicht gut aussehen.«

»Es sind nicht die Pilze. Die hat mein Vater selber gesammelt, und der kennt sich aus.« Katrin bäumte sich auf. »Hol einen Arzt. Oder den Krankenwagen. Schnell!«

»Welchen Arzt denn?« Oliver lief völlig kopflos auf und ab.

»Ist doch egal.« Katrin hielt sich am Türrahmen fest. »Ruf die neue Ärztin an, die hab ich vorige Woche im Supermarkt kennengelernt. Sie wohnt nur eine Straße weiter. Die Nummer hab ich neben das Telefon gelegt.«

Mit zitternden Fingern wählte Oliver die Nummer, die auf einem roten Zettel neben der Telefonstation in der weitläufigen Diele stand. Zum Glück meldete sich die Ärztin sehr schnell, versprach auch, gleich zu kommen.

»Rufen Sie aber auch den Krankenwagen«, sagte sie noch, bevor sie auflegte, aber Oliver hörte ihr schon nicht mehr zu.

»Und? Kommt sie?« Gekrümmt am Türrahmen stehend, sah Katrin zu ihm auf.

»Ja.« Unbeholfen legte er den Arm um sie. »Was kann ich tun? Verdammt, warum jetzt, mitten in der Nacht? Ich begreif es nicht. Als wir ins Bett gingen, war doch noch nichts, oder?«

»Nein. Aber jetzt …« Weitere Worte erstickten im Stöhnen, das unter einer neuen Schmerzwelle über Katrins Lippen kam. Erleichtert atmete sie auf, als es an der Haustür läutete und Oliver kurz darauf Frau Dr. Hallberg zu ihr ins Schlafzimmer brachte.

Die blonde Ärztin trug zu hellen Jeans nur einen lockeren Pulli.

»Sie … Sie waren aber schnell.« Katrin bemühte sich um ein Lächeln.

»Ich wollte gerade zu Bett gehen.« Julia führte die Patientin zum Bett zurück und ließ sich die Beschwerden schildern.

»Mein Mann denkt, es könnte eine Pilzvergiftung sein.« Katrin schüttelte kaum merklich den Kopf. »Glaub ich aber nicht. Mein Vater kennt sich supergut aus, und wir haben gestern auch nur getrocknete Pilze verwendet. Frische gibt’s ja noch nicht.«

Behutsam untersuchte Julia die Patientin, und rasch stand ihre Diagnose fest. »Sie haben eine massive Gallenkolik«, sagte sie. »Hatten Sie dahin gehend schon mal Probleme?«

»Nein, nie.«

»Na ja … einmal ist immer das erste Mal.« Julia wandte sich an den Ehemann. »Haben Sie den Krankenwagen gerufen?«

»Der Krankenwagen …« Oliver schlug sich vor die Stirn. »Den hab ich ganz vergessen.«

»Dann rufen Sie jetzt an. Ich injiziere Ihrer Frau erst mal ein entkrampfendes Mittel, alles Weitere wird dann in der Klinik passieren.«

»Wir sind Privatpatienten, ich möchte gern in die Kaiserburg-Klinik, wenn’s geht. Da waren meine Schwester und mein Vater auch schon mal Patienten und sehr zufrieden mit der Behandlung dort.«

»Das lässt sich sicher machen.«

»Kommen Sie mit? Bitte.«

Julia zögerte. Eigentlich war es nicht notwendig, dass sie den Krankentransport begleitete. Andererseits … vielleicht traf sie in der Klinik noch einmal auf Karsten Schrader.

Im Stillen schalt sie sich eine Närrin, weil sie in den letzten Tagen viel zu oft an den gut aussehenden Kollegen hatte denken müssen. Du solltest von Männern erst mal die Nase voll haben, sagte sie sich auch jetzt wieder. Und doch nickte sie zustimmend, als die Patientin sie erneut bat, sie in die Klinik zu begleiten.

Die Fahrt durch die Nacht verlief glatt, sie kamen sehr gut durch. Tagsüber waren die Straßen rund um Überlingen stark frequentiert, entlang des Bodensees kam es überall häufig zu Staus.

An der Tür der Ambulanz wurden sie schon erwartet. Dr. Karsten Schrader sah erst kurz auf die Patientin, dann wandte er sich an Julia.

»Frau Kollegin! Das ist eine Überraschung. Ich hatte den diensthabenden Notarzt erwartet.«

»Tut mir leid, dass ich Sie enttäusche.«

»Im Gegenteil. Sie sind das Highlight eines langweiligen Nachtdienstes.«

»Wenn Sie es so sehen wollen …« Julia lächelte verhalten. »Ich wollte meine Patientin nicht allein lassen.«

»Ich hab die Frau Doktor inständig gebeten, mitzukommen.« Katrin presste die Lippen zusammen. »Verflixt … die Schmerzen kommen wieder.«

Karsten Schrader untersuchte die neue Patientin, nahm zusätzlich noch eine Ultraschalluntersuchung vor, dann nickte er Julia zu. »Sie hatten recht – das ist eindeutig eine Gallenkolik.«

»Wollen Sie heute Nacht noch operieren?«

»Nein. Erst mal versuchen wir es mit Medikamenten.« Er gab einer älteren Schwester entsprechende Anweisungen, dann wandte er sich wieder an Katrin. »Vielleicht können wir die Steine, die Sie so quälen, ohne Operation aus dem Gallengang ausschwemmen. Wenn nicht … der Eingriff wird heutzutage minimalinvasiv vorgenommen. Das heißt, dass wir gar keinen großen Schnitt machen müssen.«

»Das wäre mir egal. Hauptsache, diese Schmerzen hören auf.«

»Das wird gleich der Fall sein.« Er nickte ihr aufmunternd zu. »Die Schwester bringt Sie aufs Zimmer, ich schaue gleich noch einmal nach Ihnen.«

Als sie allein waren, fragte er Julia: »Hätten Sie Lust auf einen Kaffee? Oder lieber ein Glas Wasser?«

Kurz zögerte Julia. Eigentlich hätte sie noch drei, vier Stunden schlafen können, doch sie nickte zustimmend. »Kaffee ist in Ordnung.« Sie machte eine kleine Pause. »Ich hab aber keine Unterlagen dabei«, sagte sie dann und lachte leise. »Sie wollten ja wissen, was ich bisher gemacht habe.«

»Das stimmt. Wie könnte ich unsere erste Begegnung vergessen! Und offen gestanden, ist meine Neugier noch gewachsen. Also erzählen Sie mir von sich.«

»Also doch ein Examen?«

»Nein. Kollegiales Interesse.« Er zögerte, dann fügte er leise, fast unhörbar hinzu: »Und noch ein bisschen mehr.«

Kapitel 7

Es war ein Sonnentag wie aus dem Bilderbuch. Die Bodensee-Region zeigte sich von ihrer besten Seite.

Am bayrisch blauen Himmel zogen helle Schönwetterwolken entlang, auf dem See waren unzählige Segelschiffe zu sehen. Wie kleine Punkte sahen aus der Ferne die weißen oder farbigen Segel auf dem dunklen Blau des Wassers aus.

Julia lenkte ihren Wagen durch Obstplantagen hinüber zum Reiterhof von Sebastian Mosbacher. Es war Mittwochnachmittag, und ihre Praxis blieb für den restlichen Tag geschlossen.

Sie freute sich auf das Wiedersehen mit dem Jugendfreund, der ihr vorgeschlagen hatte, einen gemeinsamen Ausritt zu unternehmen.

»Du traust dich doch wohl noch auf einen Pferderücken, oder?«, hatte er gefragt, als sie gestern telefoniert hatten.

»Ich bin zwar aus der Übung, aber reiten soll ja wie Fahrradfahren sein – man verlernt es nicht.«

»So ist es. Also zieh dir was Bequemes an. Stiefel müssen nicht unbedingt sein, ich hab Chaps hier, die genügen. Ich suche dir auch ein braves Pferd aus, versprochen.«

Ein Lächeln glitt über Julias Gesicht, als sie an das kurze Gespräch dachte. Sebastian wiederzutreffen, war ein Glücksfall. Durch die Begegnung mit ihm fühlte sie sich gleich ein bisschen heimischer am Bodensee.

Sie zuckte zusammen, als vor ihr zwei Kaninchen über den breiten Weg hoppelten, der zwei große Apfelplantagen durchquerte. An den Bäumen waren noch vereinzelt die hellrosafarbenen Blüten zu sehen, doch an den meisten Bäumen erkannte sie schon Fruchtstände.

Nach einer Fahrt von etwa fünfundzwanzig Minuten erreichte Julia den Reiterhof. Der lag auf einer Anhöhe, umgeben von weitläufigen Koppeln.

Das hell getünchte Wohnhaus war nicht allzu groß, doch es wirkte auf den ersten Blick sehr gepflegt. Auch die zwei Stallungen, die links vom Wohnhaus standen, waren weiß gestrichen.

Julia parkte ihr Auto ein wenig abseits auf einer mit Rasensteinen gekennzeichneten Fläche. Dort standen ein Land Rover, zwei kleinere Autos und ein alter Kastenwagen, aus dem gerade Sebastian stieg.

Rasch kam er auf sie zu und machte ihr die Wagentür auf.

»Immer noch der große Kavalier«, lachte Julia.

»Und du nimmst mich immer noch nicht ernst«, gab er zurück, dann zog er sie an sich und begrüßte sie mit zwei Wangenküssen. »Ich freu mich, dass du da bist.«

»Ich freu mich auch.« Julia sah sich um. »Schön hast du es hier. Seit wann besitzt du den Hof?«