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Richte nicht über die Menschen, mutmaße nicht über andere; ein Mensch schadet sich selbst, wenn er über andere urteilt. Dieses Brevier versammelt die Essenz buddhistischer Weisheit. Der renommierte buddhistische Lehrer und Bestsellerautor Jack Kornfield hat die Texte so zusammengestellt, dass sie den Geist des Buddhismus leicht zugänglich machen.
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Seitenzahl: 123
Jack Kornfield
Die Lehren Buddhas
Ein Brevier buddhistischer Weisheit
Herausgegeben von Jack Kornfieldunter Mitarbeit von Gil Fronsdal
Aus dem Amerikanischenvon Ilse Fath-Engelhardt
Knaur e-books
Dieses Brevier versammelt die Essenz buddhistischer Weisheit. Der renommierte buddhistische Lehrer und Bestsellerautor Jack Kornfield hat die Texte so zusammengestellt, dass sie den Geist des Buddhismus leicht zugänglich machen.
Für Mahaghosananda,
A. T. Ariyaratne und
Tenzin Gyatso,
die das Licht des Dharma wahren.
Nach der Legende begegnet der Buddha kurz nach seiner Erleuchtung auf der Straße einem Mann, der von der außergewöhnlichen Ausstrahlung und Ruhe des Erleuchteten geradezu überwältigt war. Der Fremde blieb stehen und fragte: »Mein Freund, was seid Ihr? Seid Ihr ein himmlisches Wesen oder ein Gott?«
»Nein«, sagte der Buddha.
»Dann seid Ihr vielleicht eine Art Magier oder Zauberer?«
Wieder sagte der Buddha: »Nein.«
»Ihr seid ein normaler Mensch?«
»Nein.«
»Nun, mein Freund, was seid Ihr dann?«
Der Buddha antwortete: »Ich bin erwacht.«
Das Wort buddha bedeutet »einer, der erwacht ist«. Es ist die Erfahrung des zur Lebenswahrheit Erwachens, um die es in der buddhistischen Tradition geht. Seit 25 Jahrhunderten weisen die Übungen und Lehren des Buddhismus einen systematischen Weg zu Klarheit und weiser Lebensführung. Sie weisen einen Weg, durch unseren eigenen Körper und Geist Befreiung zu finden, inmitten dieser bestehenden Welt.
Historisch verbürgt ist, daß Buddha in einem Königreich Nordindiens als Prinz geboren wurde. Obwohl er von seinem Vater wohlbehütet in wunderschönen Palästen aufwuchs, traf Buddha, als er älter wurde, auf das, womit wir alle konfrontiert werden: die unvermeidlichen Leiden des Lebens. Er sah, daß alles, was einem lieb ist, verlorengeht, sah Alter, Krankheit und Tod, die jeden Menschen heimsuchen. Da entschloß er sich, seinen Königstitel aufzugeben und den Palast zu verlassen, um als Wahrheitssucher den Ursachen des menschlichen Leids auf den Grund zu gehen. Er suchte Befreiung vom endlosen Kreislauf von Geburt und Tod.
Einige Jahre übte der Buddha sich in den Wäldern Indiens als enthaltsamer Yogi. Mit der Zeit wurde ihm klar, daß ihn seine strenge Askese auch nicht freier machte als sein früheres Schwelgen in weltlichen Genüssen. Statt dessen erkannte er, daß der Mensch nur dadurch Befreiung finden kann, daß er sein inneres Leben mit seinem äußeren in Einklang bringt, und er nannte diese Entdeckung den Mittleren Weg.
Nach dieser Erkenntnis setzte sich der Buddha unter einen großen Feigenbaum und gelobte, sich von den Fesseln, die das menschliche Leid verursachen, zu befreien. Er spürte diese Fesseln nur zu deutlich – Angst, Anhaften, Gier, Haß, Wahn, Versuchung und Zweifel. Und statt sie zu bekämpfen, besann sich der Buddha nun auf sich selbst und verweilte in edler Nüchternheit, bis er in der Tiefe menschlichen Bewußtseins einen Ort fand, von dem vollkommener Frieden ausging. Dies war seine Erleuchtung, die Entdeckung des Nirvana, die Befreiung seines Herzens von allen möglichen weltlichen Verstrickungen. Er war sich in dieser Nacht einer Wahrheit von solchem Ausmaß der Vollkommenheit bewußt geworden, daß seine Lehre, die dies zum Ausdruck bringt, bis zum heutigen Tag weltweit Menschen inspiriert und erleuchtet. Eineinhalb Milliarden Menschen, ein Viertel der Menschheit, gehen heute Buddhas Weg.
Durch Buddhas Erleuchtung erwachten zwei große Kräfte in ihm: transzendente Weisheit und allumfassendes Mitgefühl. Als Buddha das Rad der Lehre in Bewegung setzte, wanderte er zuerst in den Wildpark nahe Benares und unterrichtete die Yogis, die einst seine Gefährten gewesen waren. Danach legte er 45 Jahre lang allen, die zuhören wollten, die Lehre der Weisheit und des Mitgefühls dar. Diese Lehre, die der Buddha Dharma oder einfach »Weg« nannte, ist eine Einladung, den Weg der Erleuchtung zu gehen. Sie lädt alle zur Entdeckung der eigenen Buddhanatur ein, zur Entdeckung ihrer eigenen geistigen Freiheit und Liebe.
Um den verschiedenen Temperamenten der Schüler gerecht zu werden, lehrte der Buddha eine Reihe geistiger Übungen, die das Erwachen in wunderbarer Mannigfaltigkeit fördern. Es gibt grundlegende Übungen zur Entwicklung von Güte, Großzügigkeit und moralischer Integrität, der Ausgangsbasis geistigen Lebens. Dann gibt es zahlreiche Meditationsübungen zur Schärfung des Verstandes und Öffnung des Herzens. Hierzu gehören das Gewahrwerden des Atems und des Körpers, das Achten auf Gefühle und Gedanken, Mantra-Rezitationen, Hingabe-, Visualisations- und Kontemplationsübungen und Übungen, die zu geläuterten und tiefgründigen Bewußtseinszuständen führen.
Um diese Lehren am Leben zu erhalten, gründete der Buddha einen klösterlichen Sangha, der heute eine der ältesten überlebenden Ordensgemeinschaften auf Erden ist. Diese Mönche und Nonnen, deren Zahl rund um den Erdball noch immer in die Hunderttausende geht, folgen dem Buddha in einem Leben der Entsagung nach. Aber die Lehren, die er hinterließ, galten nicht nur Ordensmitgliedern. Sie können im Herzen eines jeden Menschen verstanden und erweckt werden, in jeder Situation und Lebenslage. Das Wesentliche dieser Lehren ist in diesem kleinen Band zusammengefaßt.
Der erste Teil der hier versammelten Texte wurde ursprünglich rezitiert und über 600 Jahre lang mündlich überliefert, bis eine Niederschrift erfolgte. Dann wurde er in alten Sprachen wie Sanskrit und Pali auf Palmblättern aufgeschrieben, oder er blieb durch Übersetzungen ins Chinesische oder Tibetische erhalten. Der zweite Teil der Texte stammt von großen indischen, chinesischen, japanischen und tibetanischen Bodhisattvas, erwachten Wesen, die in der Nachfolge Buddhas lehren. Obwohl diese späteren Texte nicht vom historischen Buddha selbst stammen, sind sie wegen ihrer Schönheit und Authentizität, in der sie Buddhas Lehre zum Ausdruck bringen, mit in diesen Band aufgenommen worden. Nach buddhistischer Lehre ist Buddhaschaft nicht nur einem einzigen Menschen vorbehalten, der vor langer Zeit lebte. Illustriert wird dies durch die Geschichte eines jungen Mönchs, der wochenlang zu Füßen des Buddhas gesessen und ihn während des Zuhörens die ganze Zeit über hingerissen angestarrt hatte. Schließlich tadelte ihn der Buddha mit folgenden Worten: »Du begreifst überhaupt nicht, wovon ich spreche. Um den Buddha zu verstehen, mußt du auf das Dharma, auf die Wahrheit hören. Mich versteht, wer die Wahrheit versteht.«
Beim Lesen der Lehren in diesem Buch sollte man daran denken, daß sie nicht dazu da sind, um in irgendeine philosophische, literarische oder theologische Schublade gesteckt zu werden. Es handelt sich um Wahrheitsworte, die dem Leser ein Erwachen ermöglichen. Der Wahrheitsgehalt dieser Worte ist so groß, daß bei ihrer erstmaligen Äußerung alle anwesenden Zuhörer erweckt wurden; ihnen gingen Augen und Herz auf, und sie entdeckten eine echte innere Freiheit.
Der Leser möge sich diese Seiten in aller Ruhe zu Gemüte führen, sie mit Andacht lesen, bei ihnen verweilen, sie in sich wirken lassen, damit auch er Erweckung erfahren kann.
Möge die Wahrheit dieser Zeilen in allen Wesen transzendente Weisheit und weitherziges Mitgefühl erwecken. Möge diese Lektüre für alle segensreich sein.
JACK KORNFIELD
Spirit Rock Center
Woodacre, Kalifornien
Wachsamkeit ist der Weg des Lebens.
Der Tor schläft,
als wäre er bereits tot.
Der Meister aber ist wach,
und er lebt ewig.
Er ist achtsam.
Er ist scharfsinnig.
Wie glücklich er ist!
Denn er weiß,
daß Wachsamkeit Leben bedeutet.
Wie glücklich er ist
auf dem Weg des Erwachten!
Mit großer Ausdauer
meditiert er im Streben nach
Freiheit und Frieden.
Dhammapada [A][1]
Leuchtend ist der Geist, strahlend hell, aber er ist behindert von den Neigungen, die ihn befallen. Dies verstehen die Ungebildeten nicht ganz, und so pflegen sie nicht den Geist. Leuchtend ist der Geist, strahlend hell, und er hängt nicht ab von den Neigungen, die ihn befallen. Dies weiß der edle Nachfolger des Weges sicher; also gibt es für ihn eine Kultivierung des Geistes.
Anguttara Nikaya (nach G. Fronsdal)
Eine kluge Person sollte aufrichtig und weder hochmütig noch hinterlistig, noch verleumderisch, noch gehässig sein. Eine kluge Person sollte die Übel Gier und Geiz überwinden.
Um deine Gedanken zu beruhigen, mußt du über Schläfrigkeit, Dumpfheit und Trägheit hinwegkommen. Es darf keinen Platz geben für Faulheit und keine Zuflucht zum Stolz.
Lasse dich zu keiner Lüge hinreißen, klammere dich nicht an Äußerlichkeiten. Allen Stolz mußt du durchschauen und friedlich deines Weges gehen.
Über Altes errege dich nicht, auf Neues bilde dir nichts ein. Trauere keinem Verlust nach, und laß dich nicht von Begierde beherrschen.
Nach dem Sutta Nipata [A]
Wir sind das, was wir denken.
Alles, was wir sind, entsteht durch unsere Gedanken.
Mit unseren Gedanken erschaffen wir die Welt.
Spreche oder handle mit unreinen Gedanken,
und das Unglück wird dich verfolgen
wie das Rad den Ochsen, der den Karren zieht.
Wir sind das, was wir denken.
Alles, was wir sind, entsteht durch unsere Gedanken.
Mit unseren Gedanken erschaffen wir die Welt.
Spreche oder handle mit reinen Gedanken,
und das Glück wird dir auf dem Fuße folgen
wie dein Schatten, unerschütterlich.
Wie kann ein verwirrter Verstand
den Weg verstehen?
Dein schlimmster Feind kann dir nicht
soviel anhaben wie deine eigenen unkontrollierten Gedanken.
Aber hast du sie einmal unter Kontrolle,
so kann dir niemand behilflicher sein.
Nicht einmal mehr dein Vater oder deine Mutter.
Dhammapada [A]
Darin besteht das Tun jener Klugen und Friedlichen
die nach dem Vollkommenen streben:
Mögen sie tüchtig und aufrichtig,
offen und höflich
und nicht stolz sein.
Mögen sie zufrieden und bescheiden
unbeschwert und
gelassen sein.
Mögen sie weise sein und weder arrogant
noch neidisch auf den Besitz anderer.
Mögen sie nichts Gemeines tun oder etwas,
das der Weise mißbilligt.
Mögen alle Wesen glücklich sein.
Mögen sie in Sicherheit und Freude leben.
Mögen alle Lebewesen, ob schwach oder stark,
groß, mittelgroß, untersetzt oder klein,
sichtbar oder unsichtbar, nah oder fern,
geboren oder ungeboren, mögen sie alle
glücklich sein.
Möge niemand andere betrügen oder irgendein
Wesen verachten, ganz gleich, wie es geartet ist,
möge niemand im Zorn oder aus Haß anderen
Unheil wünschen.
Wie eine Mutter ihr einziges Kind behütet
und zu seinem Schutz bereit ist,
ihr eigenes Leben zu opfern,
so sollte man allen Lebewesen
von ganzem Herzen zugetan sein, indem
man seine uneingeschränkte Liebe und
Güte in die Welt verströmt.
Im Gehen und Stehen, im Sitzen und Liegen
sollte man sich den ganzen Tag über
in dieser Herzensgüte üben
und auf diese Lebensweise bauen,
die die beste der Welt ist.
Frei von Spekulationen, Meinungen und
Sinnesbegierden, klar im Kopf,
eine solche Person wird nicht mehr
wiedergeboren
im Kreislauf der Existenzen.
Metta Sutta (nach G. Fronsdal)
Laß alle Hindernisse zurück, und durchdringe mit deinem von Liebe erfüllten Geist eine Himmelsrichtung und auf diese Weise auch die zweite Himmelsrichtung und so die dritte und so die vierte. Und so fahre fort, die ganze weite Welt, oben, unten, rundum und überall, mit dem Gedanken der Liebe zu durchdringen, überquellend, erhaben, jenseits alles Meßbaren, frei von Haß und Mißgunst.
Nach dem Digha Nikaya [A]
Alle Wesen haben Angst vor Gewalt.
Alle fürchten den Tod.
Alle lieben das Leben.
Versetze dich hinein in andere.
Wen könntest du dann noch verletzen?
Wem noch schaden?
Wer auf seiner Suche nach Glück
jenen schadet, die auch nach Glück streben,
wird niemals glücklich werden.
Denn dein Mitmensch ist wie du.
Er möchte auch glücklich sein.
Tue ihm kein Leid an,
dann wirst auch du Glück finden,
wenn du aus diesem Leben scheidest.
Dhammapada [A]
Einmal weilte der Erhabene im Jeta-Hain. Da näherte sich ihm ein gewisses göttliches Wesen von erstaunlicher Schönheit und sagte:
Viele Götter und Menschen
haben über den Segen nachgedacht.
Sage mir, was ein besonderer Segen ist.
Der Buddha antwortete:
Sich nicht auf Toren einzulassen,