Die Mittelmeerreise - Jens Münchberger - E-Book

Die Mittelmeerreise E-Book

Jens Münchberger

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Beschreibung

Crew und Gäste des Gaffelschoners "Anne L." werden auf dem Segeltörn von Cadiz nach Mallorca vom Reiseschriftsteller Johannes Meierhofer und seiner Freundin Marlene, Mimi, begleitet. Während des ersten Stopp in Tanger besuchen beide Orte, an denen Mimi vor einigen Jahren als Fluchthelferin illegal arbeitete und Menschen aus Afrika zur Weiterreise nach Spanien und dann Mitteleuropa geholfen hat. Eine durchaus nicht ungefährliche Aufgabe, wie der plötzliche Besuch des Dr. Gruber an Bord der "Anne L." offenbart. Der für alle Seiten arbeitende Jean observierte damals die Gruppe um Mimi für alle, die das bezahlten... Auf der Weiterreise nach Granada durch die Straße von Gibraltar erfahren die Gäste Interessantes aus der Geschichte dieser Meerenge, die Herkunft des Windes, die Entstehung der mediterranen Region und mehr... Höhepunkt der Reise ist der Besuch von Meierhofer und Mimi in Granada. Auch deshalb, weil Mimi hier ihr Studium der Hispanistik erfolgreich abschließen konnte. Während eines Ausflug in die Umgebung werden erneut Erinnerungen an Mimis Arbeit als Fluchthelferin gegenwärtig. Der Alltag und die Seemannschaft an Bord der "Anne L." während des Segelns im westlichen Mittelmeer werden ausführlich und mit Sachkenntnis beschrieben. So kann auch der im seemännischen Alltag unerfahrene Leser eine spannende Reise auf dem Gaffelschoner miterleben.

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Jens Münchberger, geboren 1958, Dipl.-Bauingenieur. Während des Ingenieurstudiums Gasthörer an der Kunstakademie in Dresden. Arbeit als Bauingenieur. Gründung eines Büros für nachhaltiges Bauen. In den 1990-er Jahren Eröffnung einer Galerie und verstärkte Hinwendung zur Malerei. Auch Holzarbeiten und Keramiken.

Veröffentlichung von Kurzgeschichten und der Romane „Meeresfahrt" und „Unter dem Atlantik" und „Die Insel im Atlantik" sowie der Erzählungen „Roter Feuerstein“ und „Am Meer“ und „Der Besuch“.

Jens Münchberger lebt in Schleswig-Holstein.

Ein Bericht, ein Segelplan und zwei Tabellen.

Mit einem Glossar seemännischer Begriffe und Termini

Aufgeschrieben, gezeichnet und bearbeitet

von Jens Münchberger

nach den

Tagebüchern und Notizen des

Johannes Meierhofer

Für Ute und Wiebke.

Wir erfahren gemeinsam die Welt.

Die Handlung und alle Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit der Realität sind zufällig, manchmal jedoch beabsichtigt.

„Eine Reise ist wie ein Trunk aus der Quelle des Lebens.“

Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Schriftsteller, geboren in Wesselburen (Dithmarschen, Schleswig-Holstein)

„Das Leben wird nicht gemessen an der Anzahl unserer Atemzüge, sondern an den Orten und Momenten, die uns den Atem rauben.“

Anonym

„Vielleicht ist das der Grund für meine Rastlosigkeit: Ich habe noch nicht jedes Zuhause gesehen.“

John Steinbeck (1902 – 1968), US-amerikanischer Schriftsteller

Inhaltsverzeichnis

Zum Beginn

Die Mittelmeer-Reise

Prolog

Ankommen

Ankunft an Bord

Erster Tag: Die Reise nach Tanger

Zweiter Tag: Fahrt in die Berge

Dritter Tag: Segeln nach Gibraltar

Vierter Tag: Nach Malaga

Fünfter Tag: In Granada

Sechster Tag: In der Sierra Nevada

Siebenter Tag: Almeria und Nachtfahrt

Epilog

Zum Beginn

Johannes Meierhofer erwartete mich am Sonnabend in seinem Atelier.

Er hatte sich, so wie immer, auch auf diesen Besuch vorbereitet und bereits alles Erforderliche bereit gelegt.

Vor Jahren, lang ist es her, hatte er mir erklärt, „... dieses fortwährende Suchen nach irgendwelchen Notizen und Aufzeichnungen während eines Gespräches, das stört die Unterhaltung und dann, letztendlich auch die Harmonie...“

So war es nur selbstverständlich, dass sich auf dem großen Tisch im Atelier einige Stapel mit beschriebenen Zetteln und Papier häuften, die er mir übergeben und zuvor erklären wollte.

„Marlene und ich...“

„Marlene?“, fragte ich, „Wohnst und lebst du nicht mehr so, wie all' die Jahre, allein?“

„Nun ja...“, Johannes sah mich verschmitzt an.

„Und wie lange... ich meine, seit wann...?“

„Seit etwa zwei Jahren!“

„Na, dann ist das wohl 'was Ernstes! Du hattest mir allerdings bisher nichts von Marlene erzählt. Gut, ich war auch nicht so oft bei dir und deshalb war dazu, ich meine über Marlene zu sprechen, auch kaum Gelegenheit!“

„Hast du nach ihr gefragt?“

„Nein!“, antwortete ich.

Nach einigen Augenblicken sah Johannes mich an und sagte dann:

„Jedenfalls haben wir, also Marlene und ich, uns damals sehr über die Einladung der Reederei zu dieser Reise gefreut. Das kam für uns sehr überraschend und unerwartet. Wirklich, das war eine Überraschung. Sogar eine sehr gelungene Überraschung. Das musst du mir glauben!“

„Ja!“, erwiderte ich, „ Warum auch nicht?“

„Hätte ja sein können!“

„Wäre auch gut so!“

Ich spürte, Johannes wollte mir etwas mitteilen. Leider war die Situation dazu noch nicht so weit, dass er sprechen konnte, wie er wollte. Oder irgend etwas anderes hinderte ihn daran, mir zu erklären, warum er mich zu sich gebeten hatte.

Jedoch, dann stand Johannes auf und ging zu einem der vielen Regale in seinem Atelier und Arbeitsraum. Er nahm einen Aktenordner, kam zum Tisch zurück und meinte:

„Da! Das sind die Aufzeichnungen über unsere Reise im letzten Sommer. Ich möchte, dass du dir das anschaust und mit Hilfe deiner redaktionellen Mitarbeit daraus ein Buch, ein Reisebericht, entsteht. Geht das? Oder verlange ich zu viel?“

„Und diese Zettel, hier auf dem Tisch?“, fragte ich.

„Die gehören dazu!“

„Aha!“

„Ja, wirklich!“

„Warum?“

„Das sind die Tagesnotizen. Die Grundlage für das Geschriebene hier, in diesem Ordner...“

„Also die Materialsammlung?“, fragte ich.

„Wenn du das so nennen willst...? Dann ja!“

„Das ist mir eben so eingefallen...“

„Auch gut!“

Ich nahm den Aktenordner und blätterte darin. Johannes Meierhofer, Hans Meierhof, wie er sich für die Öffentlichkeit nannte, hatte ein dem ersten Anschein nach ausführliches Reisetagebuch ordentlich geführt. Und, so wollte es mir erscheinen, auch der Aufforderung, Reisebilder zu malen, war Johannes nachgekommen. Denn neben den schriftlichen Aufzeichnungen waren viele, sogar sehr viele, Aquarell- und Bleistiftskizzen in dem Ordner abgeheftet.

„Da hast du dir sehr viel Mühe gegeben!“, lobte ich.

„Nun ja! Danke dafür. Aber weißt du, wenn man einmal damit begonnen hat, ein Reisetagebuch zu führen und sich dann für ein bestimmtes Ordnungs- und Schreibprinzip entschieden hat, ist es nicht schwierig, sich daran zu halten!“, erwiderte Johannes und ergänzte:

„Man muss nur 'dranbleiben und regelmäßig schreiben. Wenn schon nicht an jedem Tag, dann aber, so oft es irgendwie möglich ist!“

„Kann ich mir vorstellen, mein Lieber!“

„Aber so umfangreich ist das Führen eines Reisetagebuchs allerdings nicht. Die festen Einträge, ich meine Datum, Uhrzeit, Wind und Wetter, Angaben zur jeweiligen Örtlichkeit und dann einige Bemerkungen zu den Begebenheiten des Tages. Na, und wenigstens einmal in der Woche Angaben zu Besonderheiten oder außergewöhnlichen Ereignissen...“

„Wenn diese dann geschehen sind!“, ergänzte ich.

„Ja!“, erwiderte Johannes und meinte dann:

„Aber eigentlich ist es doch recht langweilig auf so einem Segler. Zumindest, so kann ich es mir vorstellen, auf einem kleineren. Auf den großen Schiffen fährt ja häufig ein Kreuzfahrtdirektor mit. Der hat Leute im Schlepptau, die dann für Zwangsbespaßungen der Passagiere zuständig sind. Meine ich jedenfalls. Allerdings, auf der „Anne L.“ sollte ich den Leuten ebenfalls das jeweils Interessante erklären. Das war Teil meiner Aufgabe.“

„Aha! Und warum hat die Reederei gerade dich und Marlene zu dieser Reise eingeladen?“

„Lange Zeit wusste ich das nicht. Manchmal hatte ich damals den Eindruck, es hat jemand das Telefonbuch aufgeschlagen und mit verbundenen Augen auf eine Zeile getippt. Bis ich dann eines Tages, ziemlich zum Ende der Reise den Grund dafür erfahren habe. Oder besser gesagt, erahnen konnte.“

„Nämlich?“

„Das ist eine längere Geschichte, die sich mir, wie eben gesagt, auch erst gegen Ende der Reise vollständig erschlossen hat...“

„Ich habe Zeit! Auf mich wartet zu Hause niemand. Ulrike ist zu ihrer Mutter gefahren und kommt erst morgen Abend zurück...“

„Dann könnte ich ja erst einmal einen guten Roten öffnen?“, fragte mich Johannes und war bereits vom Stuhl aufgestanden, um Wein und Gläser und den Öffner („das Teil“, wie er sagte) zu holen.

„Wollen wir in den Garten gehen?, fragte mich Johannes und wies auf die etwas geöffnete Tür, durch die man von seinem Atelier auf eine Terrasse und dann weiter in den parkähnlich angelegten Garten gehen konnte.

„Gerne!“, erwiderte ich und fragte:

„Soll ich dir behilflich sein?“

„Ja! Nimm bitte zwei Stühle und die Stuhlkissen mit hinaus!“

Als wir uns auf der Terrasse angekommen waren, goss Johannes uns Rotwein ein, reichte mir ein Glas und sagte:

„Ich wünsche uns einen angenehmen Abend!“

Dann tranken wir von dem Wein und ich meinte:

„Na, mein Lieber, dann berichte 'mal darüber, wie du zu dem Segeltörn auf der „Anne L.“ gekommen bist!“

„Gern!“, Johannes sah mich an und begann zu erzählen:

„Vor einigen Jahren, sechs oder mehr Jahre mögen inzwischen vergangen sein, hatte ich in Greifswald eine Ausstellung meiner Bilder. Nahe dem Museumshafen gibt es eine Galerie in einem Eckhaus. Denen habe ich einen Brief geschrieben und um diese Ausstellung gebeten. Na, irgendwann, nach einigen Monaten, wohl ein dreiviertel Jahr später, bekam ich einen Anruf und vier Monate später war die Eröffnung der Ausstellung...“

„Ohne die sonst übliche Bewerbung und Begutachtung?“, fragte ich.

„Ich hatte meinem Brief einige Fotos meiner Bilder beigelegt. Aber so eine Bewerbung und Vorstellung hat nicht stattgefunden. Nee, die gab es nicht. Auch nicht so 'was Ähnliches. Heute hat man es ja so sehr mit Bewerbungen für Ausstellungen, Töpfermärkte und, und...“

„Nun“, unterbrach ich Johannes erneut, „dann war das aber doch recht unkompliziert. So, wie Ausstellung deiner Bilder zustande kam. Ich habe da schon Anderes erzählt bekommen...“

„Ja, einfach ist es mitunter nicht, eine Ausstellung zu erhalten! Beziehungen, Klüngeleien und Bekanntschaften sind oft sehr viel wichtiger als die Kontakte zu der Galerie. Auch ich kenne da von Kollegen die eine oder andere Geschichte. Aber lassen wir das Thema! Jedenfalls war die Eröffnung in der Galerie in Greifswald an einem Mittwoch. Ich weiß es noch sehr genau, es war der neunte September um neunzehn Uhr...“

„Und?“

„Ob du es glaubst oder nicht! Mich kannte niemand und ich kannte niemanden. Aber an diesem Abend war, so wollte es mir erscheinen, ,die Stadt', wie es meine Mutter festgestellt hätte, in der Galerie...“

„Das war doch schön für dich!“, sagte ich.

„Ja! Und später habe ich erfahren, der Gründer und Leiter des Hauses, ein bekannter Maler und Grafiker, ausgewiesener Zeichner und zudem weitgereister älterer Herr, dem man seine neunzig Jahre kaum anmerkte, hatte dafür gesorgt, dass die Ausstellung meiner Bilder ein stadtbekanntes Ereignis wurde...“

„Mundpropaganda wird das wohl genannt...“, meinte ich zwischendurch.

„Ja!“, sagte Johannes, goss uns erneut Wein ein und meinte dann:

„Und das offenbar sehr erfolgreich!“

„Nun, wenn der Altmeister ruft... Es war also ein sehr schöner Spätsommerabend. Das Haus gut besucht und zwei Bilder wurden für einen Verkauf vorgemerkt. Was, wie man mir später sagte, in der Stadt auch nicht oft geschieht!“

„Nee?“, fragte ich.

„In der Stadt findest du an beinahe jeder zweiten Straßenecke ein Atelier. Oder, wie es heute oft heißt, eine Kunstwerkstatt. Egal! Und dann beachte! In der Stadt hat die zweitälteste Universität des Ostseeraumes, 1456 gegründet, ihren Sitz. Und an der Universität werden, unter anderem, Kunstlehrer ausgebildet. Die erhalten alle eine künstlerische Ausbildung...“

„Aha!“, erwiderte ich.

„Ich hatte ja nun die Möglichkeit, mein mal- und drucktechnisches Handwerk an einer künstlerischen Hochschule erlernen zu dürfen. Damals, lange vor der Wende im 89-er Herbst. Vielen, die auch durchaus eine solche Ausbildung verdient hätten, denen aber aus irgendwelchen Gründen, meist erfunden, der Zugang dazu verwehrt worden ist, versuchten, an den Universitäten und Hochschulen eine Ausbildung zum Mal- und Zeichenlehrer zu erhalten, um dann an Schulen zu arbeiten...“

„Wenn ich das also richtig verstehe, ist die Stadt am Ryck nicht nur ein künstlerisches, sondern auch ein kulturelles Zentrum?“, fragte ich.

„In vielen Häusern hängen Bilder bis unter die Zimmerdecken!“

„Petersburger Hängung?“

„Ja! Und deshalb war es für mich erstaunlich, gleich am ersten Abend die Reservierung zweier meiner Bilder erleben zu können!“

„Verstehe!“

„Wie man mir später sagte, war die Ausstellung gut besucht, hunderte Leute hatten meine Bilder gesehen. Übrigens, neben diesen zwei Bildern brauchte ich noch einige Grafiken und Aquarelle nicht wieder mit nach Hause zu nehmen.“

„Also hat sich für dich die Reise nach Greifswald und der Aufwand in der Galerie gelohnt?“

„Ja! Sicher war das so!“

Johannes goss wieder Wein in unsere Gläser und meinte dann:

„War schon 'ne schöne Sache, diese Ausstellung!“

„Und“, fragte ich, „wie kam denn nun der Kontakt zu Besatzung der „Anne L.“ zustande? Hat da jemand nachgeholfen?“

„Genau weiß ich das auch nicht. Bekanntlich gehört der Segler einem Verein, dessen Vorstand nun wiederum sehr gute Verbindungen zu der Galerie am Museumshafen hat. Jedenfalls soll es sich so zugetragen haben, dass der Vereinsvorsitzende, ein Freund des Malers und Galeriechefs und die Geschäftsführerin, Mutter des Kapitäns der „Anne L.“, eines Tages die Galerie besuchten und meine Bilder sahen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Mittelmeerreise bereits geplant. Zunächst sollte der Galeriechef mitfahren und fürs Reisetagebuch zuständig sein. Aber der wollte im Sommer nicht längere Zeit außer Haus sein und hat mich für diese Aufgabe vorgeschlagen...“

„So kam es nun dazu, dass du Reiseberichterstatter auf der „Anne L.“ wurdest? Jedenfalls für die Mittelmeerreise des Seglers.“

„Ja, so soll das gewesen sein!“

Johannes blickte mich an und dann sagte er:

„Das war eine schöne Reise, auf der ich sehr viele wertvolle Erfahrungen für mein Leben erleben durfte. Wirklich sehr interessant das Leben an Bord eines Segelschiffes.“

„Das glaube ich dir gern! Prost!“

Johannes und ich sahen uns durch die Weingläser an und dann fragte ich:

„Und wie kam nun Marlene aufs Schiff?“

„Ganz einfach! Mit mir und über die Gangway!“, Johannes sah mich strahlend und so an, als berichtete ein Schuljunge von einem erfolgreich ausgeführten Streich.

„Das dachte ich mir!“

„Nachdem ich damals die Einladung erhalten hatte... also zuerst rief mich der Vereinschef an und fragte, ob ich grundsätzlich an einer solchen Reise interessiert wäre. Selbstverständlich mit einer Begleitperson...“

„Da hast du bestimmt nicht lange gezögert und sofort zugesagt, selbst dann hättest du das getan, wenn es notwendig gewesen wäre, erst noch eine Begleitperson finden zu müssen! Alter Freund, ich kenne dich doch sehr genau!“

Johannes blickte lächelnd auf die Fliesen der Terrasse, dann in nur ihm bekannte und entlegene Fernen, die sich irgendwo weit jenseits seines Gartens befinden müssen. Und dann sah er mich mit seinen wasserblauen Augen an und meinte:

„Na ja, so ungefähr...“

„Nicht nur so ungefähr, ich bin mir sehr sicher, genauso war es!“

„Hast ja Recht!“, meinte Johannes, „So war das!“

„Und dann sind Marlene und du, so wie ein älteres Ehepaar, losgefahren und habt euch auf Kosten der Reederei eingeschifft?“

„Auf Kosten des Vereins, bitte!“

„Und wenn ich dich nun bitte sehr direkt fragen darf...“

„Frage!“

„Wie lange kennst du Marlene?“

„Eigentlich seit dem Ende meiner Ausstellung in Greifswald. Aber so richtig sind wir so ungefähr zwei Jahre zusammen. Seit dem Winter nach meiner Ausstellung in der „Galerie am Museumshafen“. Sie blieb dann eines Abends hier. Draußen wehte, im Februar, der Sturm den Schnee ums Haus. Da ging Mimi, ich meine Marlene, ins Gästezimmer. Und da drin war es zu kalt. Deshalb wachten wir am nächsten Morgen in meinem Bett auf...!“

„Warum nicht? Alt genug seid ihr allemal!“

„Das dachten wir auch! Und kurze Zeit später kam der Anruf und ich wurde gefragt, ob ich bereit wäre, die Segeltour mitzumachen...“

„Und Mimi ist Marlene?“, fragte ich dazwischen.

„Ja! Alle Welt nennt sie Mimi. Und ich weiß nicht einmal, ob überhaupt jemand weiß, dass sie Marlene heißt!“

„Und was macht deine Marlene, ich meine, Mimi? Will fragen, womit verdient sie ihr Geld? Denn, nach alledem zu urteilen, was du mir von ihr erzählt hast, ist sie, so meine ich, nicht die Frau, die in dir einen Versorger gesucht hast!“

„Was soll ich mit einer Hausmutti? Ja, Johannes. Bitte, Johannes! Nee, danke! Was soll ich mit so einer? Nee, Mimi hat Hispanistik studiert und arbeitet für einen Verlag. Früher als fest angestellte Lektorin, jetzt als freie Mitarbeiterin und Herausgeberin.“

„Und was gibt sie heraus? Bücher oder Zeitschriften oder...?“

„Bücher. Kunstbücher und Biografien.“

„Aha!“

„Und die Mittelmeerreise war unsere eigentliche Bekanntschaftsreise!“

„Also die Kuppelreise? Oder besser gesagt, die Verkuppelungsreise?“

„Wenn du das so meinst!“, Johannes sah mich erneut mit seinen wasserblauen Augen an und goss uns den Rest aus der Flasche, brüderlich geteilt!, in die Gläser und sagte dann:

„Nun muss ich wohl noch eine Flasche holen!“

„Ja! Das ist notwendig!“, sagte ich, nachdem ich zu Johannes empor geblickt hatte.

Außerdem hatte ich längst beschlossen, bei Johannes im Gästezimmer zu schlafen. Deswegen brauchte ich ihn nicht zu fragen. Das musste ich nur festlegen. Vor vielen, Jahren, als wir wieder einmal am Morgen und dann, wenn andere Leute zur Arbeit fahren, die Dorfkneipe durch den Hinterausgang verlassen hatten und auf der Terrasse von Johannes' Haus mit einer Zigarre in der einen und einem Glas Rotwein in der anderen Hand den neuen Tag begrüßten, sagte Johannes:

„Wann immer du ein Bett suchst, das im Gästezimmer ist stets und ewig für dich reserviert! Du allein entscheidest, wann du dein müdes und vom Rotwein strapaziertes Haupt dort niederlegen willst! Und wenn ich dafür jemanden umquartieren müsste!“

Johannes kam mit einer weiteren und bereits geöffneten Flasche aus der Küche. Als er uns eingeschenkt hatte, legte er zwei Zigarren auf den Tisch und meinte:

„Für etwas später!“

Wir saßen auf der Terrasse, tranken Rotwein und sahen in den Sommer-Sonnenuntergang. Später qualmten und pafften wir die Zigarren in den Nachthimmel...

Wann wir an diesem Abend unsere Zusammenkunft beendeten, daran kann ich mich nicht erinnern...

…auch nicht daran, dass Johannes und ich dann, zu später Stunde, Nudeln kochten und Tomatensoße wärmten... und dann in der Küche noch etwas roten Wein tranken. Und jeder eine weitere Zigarre paffte...

Und letztlich auch nicht daran, wie es mir irgendwie und irgendwann gelungen sein musste, mein vom Rotwein schweres Haupt auf das Kissen des Gästebettes zu legen...

Allerdings kann ich mich sehr gut dran erinnern, dass am späten Vormittag des folgenden Tages, es mag um elf Uhr gewesen sein, eine Frau durch das Haus lief und laut darüber schimpfte, „... es würde in der Bude nach Rotwein und Tomatensoße, kalter Zigarrenasche und alten Männern stinken...“

„Was ist denn das für ein Lärm? Um diese Zeit?“, hörte ich Johannes fragen.

„Was war denn hier los?“, antwortete die Frau mit einer Gegenfrage.

Und dann, allmählich und langsam erahnte ich, diese Frau musste Mimi sein! Denn ein anderes weibliches Wesen hätte sich, so meinte ich, wohl kaum in Johannes' Haus derart bewegt, der noch meinte:

„Wir haben ein bisschen gefeiert!“

Ich stand auf, zog Hemd und Hose an und ging durch die geöffnete Zimmertür zur Treppe und dann hinunter in das Erdgeschoss.

Da stand sie! Im bunten Sommerkleid und auf

Schuhen mit hohen Absätzen, „Hackschuh“, wie Johannes 'mal erwähnte, und die feuerroten Haare nur mühsam mit einem weißen Band irgendwie zusammengebunden. Neben der Frau Johannes, der seinen Arm auf ihre Hüfte gelegt hatte und sagte:

„Darf ich dir Mimi vorstellen!“

Ich sah die Frau an, die mir ihre Hand zum Gruß entgegenstreckte und sagte:

„Guten Tag!“

Dann reichte ich der rothaarigen Frau ebenfalls die Hand.

Marlene alias Mimi verwendete keine weitere Zeit auf eine ausgedehnte Begrüßungszeremonie und meinte lediglich:

„Ich meine, es ist für alle am Besten, wenn ihr euch für das Frühstück vorbereitet. Mit zwei Männern am Tisch zu sitzen, die nach einer durchzechten Nacht aus dem Bett gekrochen kommen, ist keine Erbauung. Ich denke, eine Viertelstunde, höchstens zwanzig Minuten, sollten ausreichen, um aus euch wieder die zu machen, die ich kenne. Ich erwarte euch dann im Garten!“

Johannes und ich sahen uns an und dann ging er ins häusliche Bad unten, neben der Küche und ich in das für die Gäste im Obergeschoss.

Dann, beim Frühstück meinte Johannes zu mir:

„Möchtest du den Ordner mit meine Aufzeichnungen dann heute schon mitnehmen?“

„Ja! Warum sollte ich das nicht tun?“

„Ich dachte, du müsstest dir die Sache erst noch überlegen!“

„Dazu muss ich die Sache erst einmal kennen lernen!“

„Stimmt!“

Marlene fragte:

„Ihr habt über unsere Mittelmeerreise gesprochen?“

„Ja!“, sagte Johannes.

„Und er soll die Aufzeichnungen überarbeiten?“, Marlene deutete auf mich.

„Er soll nicht. Ich habe ihn gebeten!“, erwiderte Johannes.

„Aha! Und?“, fragte Marlene.

„Hast du doch gehört. Ich gebe ihm meine Aufzeichnungen mit. Zu treuen Händen selbstverständlich!“

„Na gut!“, sagte Marlene.

Wir saßen an diesem Vormittag und nach dem sehr späten Frühstück noch im Garten meines Freundes Johannes Meierhofer. Irgendwann war das Frühstück beendet, dann, wenn andere Leute das Mittagessen einnehmen und Marlene, Mimi, meinte:

„Ein Glas Weißwein kann sicherlich nicht schaden!“

„Wenn du meinst!“, sagte Johannes und holte das Geforderte.

Ich lehnte das Angebot dankend und mit dem Hinweis darauf ab, bald nach Hause fahren zu wollen und setzte mir eine Frist, indem ich festlegte:

„Spätestens in einer Stunde!“

Ich bemerkte dann sehr bald, mein Freund Johannes und Marlene, die er Mimi nannte, wollten oder mussten alleine sein. Vielleicht, um etwas zu besprechen, was nur die beiden zu interessieren hatte. Vielleicht auch, weil sie sich einige Tage nicht gesehen hatten und einige Stunden der Zweisamkeit erleben wollten...

Das sollte ihr Geheimnis bleiben und deshalb fragte ich nicht danach...

Ich ließ mir deshalb lange vor Ablauf der Stunden-Frist von Johannes den Aktenordner mit den Aufzeichnungen über seine und Marlenes Mittelmeerreise an Bord der „Anne L.“ geben, verabschiedete mich von Mimi und ging zum Auto.

Johannes begleitete mich. Als auch wir uns verabschiedet hatten, stieg ich ein, startete den Motor und fuhr los.

„Ruf' mich an, wenn du weißt...!“, den Rest des Satzes, den Johannes mir noch hinterher rief, konnte ich nicht mehr verstehen. Zu weit war ich bereits von ihm entfernt.

Zu Hause setzte mich an den Schreibtisch und begann zu lesen:

Die Mittelmeer-Reise

Reisetagebuch des Johannes Meierhofer, incl. Bemerkungen und Erklärungen.

Prolog

Marlene sah mich wortlos an. Dann, nach einigen Augenblicken, sagte sie:

„Und das ist kein Scherz?“

„Nein! Es ist kein Scherz! Es ist die Wahrheit!“

„Wann sollen wir dort sein?“, fragte sie.

„Am 19. Juni.“

„Also in sechs Wochen.“

„Wenn du das so festlegst...“, antwortete ich.

„Ich weiß, dann wirst du das nicht anzweifeln. Aber dieses Mal kannst du nichts anzweifeln! Der 19. Juni ist, auf den Tag genau, in sechs Wochen!“

Ich blickte zum Kalender, neben dem Fenster und bestätigte:

„Stimmt!“

„Na, denn!“, sagte Marlene und sah mich erneut an.

Ich erzählte Marlene von der Ausstellung, damals in der Stadt am Ryck und davon, dass meine Teilnahme an der Reise übers Mittelmeer zunächst nicht vorgesehen war. Sondern, dass die Einladung dazu eigentlich dem Leiter der „Galerie am Museumshafen“ gegolten hatte.

„Nun brauchst du eine Begleitung? So sagt man wohl?“, fragte sie mich.

Ich antwortete auf diese Frage nicht und sagte statt dessen:

„Ich möchte, dass du mit mir segelst!“

„Und was kostet das?“

„Für mich und eine weitere Person ist die Reise, bis auf An- und Abreise kostenlos. Ich muss allerdings, so die Vereinbarung, ein Reisetagebuch schreiben. Wenn möglich, mit Illustrationen. Skizzen und Zeichnungen...“

„Wenn es also möglich ist... Wird dann wohl möglich sein? Oder?“

„Ja, sicher!“

Marlene, Mimi, wie ich sie ebenfalls nannte, sah mich einige Augenblicke an und dann meinte sie:

„Du bist der Meinung, wir beide werden diese Reise, mehrere Wochen lang, ohne uns gegenseitig zu nerven, bestehen?“

„Ja!“

„Und du passt auf mich auf, beschützt mich und rettest mich vor Haien und anderem gefräßigen Meeresgetier? Falls ich in das Wasser fallen sollte!“

„Ja! Sicher und selbstverständlich!“

„Und das könnten wir auch notariell beglaubigen lassen?“

„Ja!“

„Dann komme ich mit. Ohne wenn und aber! Und ohne die in ähnlichen Fällen oft geäußerte Bitte, noch eine oder zwei Nächte darüber schlafen zu müssen!“

„Das könntest du im Übrigen auch in meinem Bett und mit und neben mir!“

„Dann wäre ich aber nicht frei bei meinen Entscheidungen! Und weil ich mich ohnehin bereits dafür entschieden habe, mit dir zu segeln, könnten wir nun die gemeinsame Zeit auf deinem Nachtlager angenehm, sehr angenehm sogar, nutzen! Und dabei das Auskommen auf einer schmalen Segelschiffskoje üben.“

„Gerne! Aber haben die auf so einem Segler nicht nur Hängematten?“

Und nach einigen Augenblicken sagte ich:

„Dann rufe ich spätestens an einem der nächsten Tage im Verein der „Anne L.“ an und sage unsere Teilnahme an der Reise zu!“

Als wir später auf der Terrasse saßen, meinte Marlene zu mir:

„Und du bist dir sehr sicher, dass wir gesund und munter wieder nach Hause kommen?“

„Ja! Warum nicht? Oben, im Bücherschrank steht das Buch über die Jungfernfahrt des Seglers. Und wenn das stimmt, was da aufgeschrieben ist, dann sind wir bei den Leuten der „Anne L.“, so heißt der Segler, auf einem der sichersten Schiffe, das über die Meere kreuzt!“

„Und wie heißt das Buch?“

„Meeresfahrt!“

„Das werde ich vor unserer Abfahrt lesen!“

„Sechs Wochen Zeit hast du dazu noch!“

„Ich weiß...“

*

Zwei Tage nach diesem Gespräch mit Marlene telefonierte ich mit Jochen Niebuhr, Vorsitzender des Vereins, dem der Gaffelschoner „Anne L.“ gehört. Ich bedankte mich nochmals für die Einladung zur Teilnahme an der Mittelmeer-Reise.

Herr Niebuhr bestätigt mir dann sehr deutlich, diese Reise findet tatsächlich statt:

„Die ist nicht der Phantasie eines der vielen Möchte-gern-Schreiberlinge einer mittelmäßigen Provinzgazette entsprungen!“

„Und wie geht es nun weiter?“

„In einigen Tagen erhalten Sie von uns einen Brief mit allen erforderlichen Unterlagen, auch für Ihre Begleitung. Sollten Sie Fragen haben, gleich welcher Art und sollten die noch so abwegig sein, dann rufen Sie an! Wir beraten Sie gern und zu jeder Zeit. Und wenn nicht, ist es auch gut so. Die Besatzung um Kapitän John Ahrens erwartet Sie am 19. Juni, spätestens um zwölf Uhr, im alten Hafen von Cádiz in Andalusien. Die Passagiere kommen einen Tag später!“

Und nach einigen Augenblicken fügte Jochen Niebuhr hinzu:

„Sie sind mit Ihrer Begleitung ab dem Zeitpunkt, an dem Sie die „Anne L.“ betreten, unsere Gäste. Und das solange, bis wir etwa Mitte September wieder in Cadiz festmachen!“

Dann verabschiedeten wir uns und ich legte den Telefonhörer auf. Noch immer stand ich im Wohnzimmer meines Hauses und sah in den Garten, in dem der alte Apfelbaum in voller Blüte stand.

Ankommen

Wir erreichten Cádiz am Nachmittag des 16. Juni. Entgegen unseren Erwartungen wehte eine beständig leichte Brise aus westlichen Richtungen. Vom Atlantik und durch die Stadt und nahm die Hitze mit sich fort in das Innere des durchglühten Andalusiens.

Am Morgen waren wir im frühsommerlichen Hamburg mit einem Linienflug in Jerez de la Frontera angekommen. Ab Hannover und solange, bis wir die Alpen überflogen hatten und das Flugzeug nach Südwesten schwenkte, lag über Deutschland eine dichte, mancherorts sogar eine sehr dichte, Wolkendecke.

Dafür erlebten wir Südfrankreich im gleißenden Licht. Später sahen wir, dass die Berge der Pyrenäen an den Nordhängen noch mit Schneefeldern des letzten Winters bedeckt waren. Und Spanien sahen wir von hier oben aus dem Flugzeug und durch das winzige Fenster betrachtet, sonnenverbrannt.

Etwa über Madrid begann der Pilot zunächst unbemerkt den Sinkflug. Und dann, beinahe minutenpünktlich, berührten die Räder des Airbus den spanischen Boden. Allerdings nicht den einer Betonpiste, denn das Flugzeug setzte eher auf. Etwa zwanzig Meter vor dem Rand der Landebahn. Unmittelbar nach der ersten Berührung zwischen dem staubtrockenen Boden und den Reifen ließ ein heftiger Schlag die Maschine erzittern: Das Flugzeug war über eine Bodendelle am Beginn der Betonpiste gerollt und dann auf die Betonpiste der Landebahn „gesprungen“. Als wir einige Minuten später das Flugzeug verließen, kontrollierten Techniker bereits die Fahrwerke und mir wurde bewusst, soeben erst hatten wir Hamburg verlassen. So schnell können also drei Stunden vergehen...

Marlene hatte vor unserer Abreise per e-mail beim örtlichen Autoverleih einen Leihwagen bestellt. Den hatte man uns, wie besprochen und verabredet, auf den Parkplatz vor dem Flughafengebäude gestellt. Die Wagenschlüssel und Papiere lagen am zweiten Abflugschalter bereit. Das Kennwort, nach dessen Nennung wir Papiere und Schlüssel ausgehändigt bekamen, war 'Timbuktu'.

„Warum Timbuktu?“, fragte ich Marlene.

„Da willst du doch 'mal hin!“

„Aber doch nicht jetzt und heute?“

„Nein! Bestimmt nicht! Aber wir wollen nach Cádiz. Und von dort ist doch – wie hieß er?“

„Wen meinst du?“, fragte ich.

Marlene sah mich einige Augenblicke so an, als würde sie nach Gründen dafür suchen, warum ich nicht wüsste, wen sie meinte. Dann sagte sie:

„Der Franzose, von dem im Buch deines Vaters berichtet wird, er sei durch die Wüste nach Timbuktu gelaufen...“

„Du meinst René Caillié?“

„Ja!“

Ich erinnerte mich daran, Marlene irgendwann einmal davon erzählt zu haben, dass besagter René Caillié am Anfang des 19. Jahrhunderts von Cádiz nach Tanger segelte, sich dort einer Karawane anschloss und durch die Sahara bis nach Timbuktu lief...

So hatte es der Dichter aufgeschrieben und mein Vater mir kapitelweise vorgelesen. Am Ende eines Winters hatte er mir das Buch geschenkt, welches ich heute in meinem Bücherschrank aufbewahre: „Ich war in Timbuktu“. Geschrieben von Werner Legère.

Mimi hatte die Formalitäten erledigt und nach Nennung des Kennwortes die Autoschlüssel erhalten. Sie kam zu mir und sagte:

„Nun denn! Unsere Expedition kann beginnen!“

Wir wollten die Tage bis zum Beginn der Mittelmeer–Reise in Cádiz und Andalusien verbringen und uns dann, wie abgesprochen, bei Kapitän John Ahrens auf der „Anne L.“ melden.

In einer Pension, mitten in der Altstadt von Cádiz und unweit des Rathauses gelegen, hatte Marlene für uns ein Zimmer gemietet. Ebenfalls per e-mail.

„Ein Bett, für uns ein Badezimmer und Rührei zum Frühstück. Abends gehen wir ohnehin Fisch essen!“, sagte sie.

„Stimmt!“

Dann drückte sie mir die Autoschlüssel in die Hand und meinte:

„Jetzt bist du dran! Wir fahren nach Cádiz!“

„Gern!“

*

Jerez de la Frontera befindet sich etwa 35 km nördlich von Cádiz. Der Zusatz „de la Frontera“, an der Grenze, deutet darauf hin, dass die Stadt lange zum umkämpften Gebiet während der Auseinandersetzungen zwischen Mauren und Christen gehörte.

Jerez ist bekannt für den hier destillierten Likörwein. Dessen spanische Bezeichnung ist Vino Jerez. In anderen Sprachen wird das Getränk Sherry genannt, von der alten Aussprache des Namens der Stadt Xerez (d.i. Scherez), was sich wiederum aus der arabischen Bezeichnung für Jerez, Sherish, ableitet.

Damals, als die Engländer den Likörwein aus Jerez kennen lernten, nannten sie das Getränk „Sherry“. Wohl, weil sie das Wort Xerez, wobei das „X“ ungefähr so, wie das „ch“ in dem Wort „Rachen“ ausgesprochen wird, nicht sprechen konnten. Das hat sich bis heute so erhalten und der Likörwein wird in aller Welt, außer in Spanien, 'Sherry' genannt.

Obwohl Mimi und ich gern längere Zeit., vielleicht bis zum nächsten Tag, in Jerez geblieben wären, fuhren wir sofort vom Flughafen nach Cádiz.

„Die Hofreitschule und die Sherry-Manufakturen sollten wir uns während einer Extra-Tour ansehen!“, sagte Marlene.

„Na gut! Wenn du meinst...!“, erwiderte ich und startete das Auto.

Weil sich der Flughafen weit außerhalb und nordöstlich von Jerez befand, hätten wir etwa 15 oder 20 Kilometer fahren müssen, um die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu sehen. Und dann einen Parkplatz finden...

Vielleicht hatte Mimi recht, wenn sie vorhin meinte, während einer späteren Tour nach Andalusien bleibt noch genügend Zeit, um sich Jerez anzusehen.

Ich benötigte weniger als 45 Minuten vom Flughafen bis an der Golf von Cádiz.

Genauer gesagt, bis zu der Stelle, an dem die Straße nach Madrid auf der lang gestreckten Halbinsel bis zur Altstadt von Cádiz beginnt und dann bald Avenida Andalucia heiß.

Ich hatte Bedenken, unsere Pension in der engen und verwinkelten Altstadt zu finden.

Jedoch, Mimi hatte ein Auto mit genau den Kleinigkeiten gemietet, die dem Autofahrer die Reise erleichterten. Dazu gehörte in unserem Auto ein GPS-System. Auch deshalb war es für mich ohne Mühe, zunächst den Weg auf die Halbinsel zu finden und dann unsere Pension in der Calle Costa Rica.

„Ich dachte, du fühlst dich doch auch dann erst wohl, wenn du bereits am Morgen Wasser, das Meer, sehen kannst. Und außerdem sind wir erstens in der Nähe des Hafens und somit vom Segler. Und zweitens haben wir uns nicht durch die Einbahnstraßen der Altstadt zu quälen!“, sagte Marlene, Mimi, als wir vor der Pension anhielten.

„Das ist so auch in Ordnung!“, erwiderte ich.

Später war ich dann doch angenehm, ebenso wie Marlene, davon überrascht, dass wir sowohl das Haus als auch unser Zimmer nur weiter empfehlen können.

Um es vorweg zu nehmen, ich erinnere mich noch heute sehr gern an die Gastfreundschaft der Gaditanos, wie die Einwohner von Cádiz auch genannt werden.

Am Abend unserer Ankunft, die Dämmerung hatte bereits begonnen, liefen wir durch die engen und schmalen Straßen von Cádiz und fanden uns bald vor einem der vielen Fischrestaurants wieder. Aber einem alten Grundsatz folgend, kehrten wir nicht ein, sondern gingen weiter, um uns in der Nähe noch zwei oder drei weitere Gaststätten anzusehen. Bis wir dann doch zu dem ersten Lokal zurück kehrten und sehr freundlich begrüßt wurden...

Wir wählten einen Platz auf der Terrasse und hatten einen beeindruckenden Blick auf den Golf von Cádiz. Vom Atlantik wehte eine leichte und auch kühle Brise und wir waren dankbar für die Verglasung an den Seiten der Terrasse. Das kannten wir von den Restaurants auf den Nordseeinseln...

Einer Gewohnheit seit vielen Jahren folgend, hatte ich meine Armbanduhr zu Hause gelassen und statt dessen eine Taschenuhr mit auf die Reise genommen. Die war jedoch bis zum Betreten der „Anne L.“ in meinem Gepäck verstaut. Auch Marlene hatte an diesem Abend keine Uhr bei sich. So, hofften wir, nicht in die Versuchung zu geraten, unseren Tagesablauf von dem abhängig zu machen, was eine Uhr anzeigt. Das traf auch auf den Abend und den Aufenthalt im Restaurant zu.

Wir aßen und tranken und redeten und redeten... Und bemerkten nicht, dass das Personal, welches uns sehr freundlich und höflich und zuvorkommen betreute, eigentlich längst Feierabend hatte.

Mimi und ich waren so im Gespräch miteinander über die Dinge unseres Lebens vertieft...

Doch dann und irgendwie, ich weiß nicht wie, bemerkten wir, der Wirt hatte längst die Bedienung nach Hause geschickt und wartete hinter dem Tresen darauf, seine Gaststätte schließen zu können. Sofort bezahlten wir. Als ich dem Wirt ein anständiges Trinkgeld für die unfreiwillige Überstunde geben wollte, lehnte er das Angebot ab! Soviel Gastfreundschaft hatten wir nicht erwartet. Doch, was sollten wir machen? Der Mann wollte das Trinkgeld nicht annehmen!

Sehr herzlich bedankten wir uns für seine und seiner Mitarbeiter Bemühungen und Zeit und verließen die Gaststätte.

Am nächsten Tag, es war noch dunkel, doch am Osthimmel war schon das erste Hell des beginnenden Sommermorgens zu erkennen, bemerkte ich, wie Mimi vorsichtig unter meine Bettdecke gekrochen kam, sich an mich kuschelte und meinte:

„Mir ist 'mal so...!“

Danach, nachdem Mimi mich in meinem Bett besucht hatte, konnte ich nicht wieder einschlafen. Ich hörte, wie sie neben mir leise im Schlaf sprach, ohne zu verstehen, was sie sagte. Ich meinte, auch spanische Worte und kurze Sätze zu hören.

Mimi hatte in Spanien, an der Universität Granada, Hispanistik studiert und die Ausbildung als Master beendet. Die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster hatte ihr zuvor den Bachelor-Abschluss im gleichen Fach erteilt.

Marlene hatte sehr genaue Kenntnisse über die spanische Sprache und Literatur, auch Kunst und Kultur, erworben und kannte ebenfalls die Geschichte und Wirtschaft Spaniens.

Ich hörte, wie die Stadt erwachte. Langsam und träge, jetzt, sehr früh am Morgen und noch vor dem Sonnenaufgang.

Vom nahen Hafen hörte ich, manchmal und in unregelmäßigen Abständen, das Typhon eines ankommenden oder abfahrenden Schiffes.

Und in den engen Gassen der Altstadt, hier an der Spitze der Halbinsel und nur einen Steinwurf vom Atlantik entfernt, das Scheppern der Lieferkarren auf dem Kopfsteinpflaster.

Auf den Märkten begannen die Händler die Stände aufzubauen und dann für den Verkauf einzurichten.

Ich bemerkte, wie ich in den Zustand zwischen Wachsein und Schlafen kam und dabei erinnerte ich mich daran, was Mimi, die weiterhin neben mir tief und fest schlief, mir vor dem Beginn unserer Reise über Cádiz gesagt hatte:

„Cádiz ist alt. Sogar sehr alt. Es hatte bereits den Römern als Flottenstützpunkt gedient. Das wurde von Archäologen bestätigt, die Überreste einer Anlage fanden, die einer von Julius Cäsars Befehlshaber errichten ließ. Vor den Römern waren die Karthager vor Ort und davor die Phönizier, die das heutige Cádiz als Gadir, von Mauern umgebener Ort, bezeichneten. Cádiz soll vielleicht im Jahre 1104 v. Chr. gegründet worden sein. Das behauptete der römische Gelehrte Velleius Paterculus als er meinte, die Grundsteinlegung sei „80 Jahre nach dem Trojanischen Krieg“ erfolgt. Und das wäre im Jahre 1100 v. Chr. gewesen. Somit gehörte Cádiz zu den ältesten Städten an der europäischen Atlantikküste. Und in ganz Europa soll nur die Gründung von Athen älteren Datums sein. Aber das zweifeln sogar die stolzesten Gaditanos, die Bewohner von Cádiz, an. Man einigte sich inzwischen auf ein Gründungsdatum, das am Beginn des neunten Jahrhundert liegt...“

„Und wann ist Cádiz nun tatsächlich gegründet worden?“, fragte ich Mimi.

„Nachdem archäologische Funde eine Besiedelung der Region um Cádiz ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen haben, wird wohl irgendwo zwischen dem 11. und dem 8. Jahrhundert v. Chr. die Gründung erfolgt sein. Und selbstverständlich kann auch Cádiz auf einen Gründungsvater verweisen...“

„Nämlich?“

„Es könnte Herakles gewesen sein.“

„Und warum ist es Herkules nicht mit letzter Gewissheit?“

„Weil, nun ja, auch nicht ganz klar ist, ob es einen Herakles überhaupt und jemals gegeben hat. Also, mein Lieber, belassen wir das in diesem Falle bei der legendenumwobenen und somit nicht ganz geklärten Geschichte!“

„Gut!“, erwiderte ich.

„Übrigens, Herakles ist noch heute im Stadtwappen verewigt. Darin ist geschrieben:

„Hercules Fundator Gadium Dominatorque“ (Herkules, Gründer und Herrscher von Cádiz)!“

„Nun ja!“, antwortete ich, „Irgendetwas römisches oder griechisches hat ja bald jede europäische Stadt in ihrem Wappen verewigt. Warum nicht auch Cádiz?“

„Die Römer waren, vergiss es nicht, seinerzeit in großen Teilen von Europa präsent!“

„Ja!“

„Aber, ich habe es schon erwähnt, vor den Römern waren die Phönizier in der Gegend des heutigen Cádiz. Und noch etwas! Cádiz wurde auf einer Insel gegründet. Die Verbindung zum Festland besteht erst seit dem 17. Jahrhundert nach Christi, also seit etwa 400 Jahren...“

„Aha!“

„Ja, die Phönizier aus dem fernen Levante an der Ostküste des Mittelmeeres, da, wo heute der Libanon ist, begannen um 1100 v. Chr. mit Handelsfahrten nach Südwestbritannien und Nordwestafrika und gründeten an der Mündung des Fluss Guadalete einen Militärstützpunkt und Handelsplatz, den Ursprung der heutigen Stadt Cádiz...“

„Das ist sehr interessant!“, sagte ich.

„Ja, und wohl kaum in der Schule zu erfahren!“, ,entgegnete Marlene und sagte dann:

„Seit der Gründung erlebte Cádiz, wie man es schon vermuten könnte, eine sehr wechselvolle Geschichte unter verschiedenen Herrschern. Zunächst die Phönizier als Stadtgründer, dann wurde es etwa 206 v. Chr. von den Römern eingenommen. Anschließend, um 711 n. Chr., kamen die Mauren. Dann, am 14. September 1262, eroberte der kastilische König Alfons X. die Stadt und setzte der Herrschaft der Mauren ein Ende. Gleichzeitig siedelte er erneut Christen aus seinen nördlichen Landesteilen an. Für die begann nun eine Zeit erneuter Präsens in Cádiz...“

„Irgendwo habe ich 'mal gelesen, auch Kolumbus war in Cádiz. Kann das sein?“, fragte ich.

„Das kann nicht nur so gewesen sein, mein Lieber. Das war so!“

„Nämlich?“

„Nämlich vor Beginn seiner zweiten Reise im September 1493!“

„Von Cádiz aus ist er gesegelt?“

„Ja!“

Über diese zweite Reise sind, außer einigen Briefen und dem Original eines Schreibens, mit dem er seinen Boten Antonio de Torres, aus der Neuen Welt, Hispaniola, nach Spanien schickte und Bericht an seinen König erstattete, keine weiteren Aufzeichnungen oder Berichte erhalten. Übrigens, dieses Schreiben an König Ferdinand und Königin Isabella ist ein äußerst seltenes und wertvolles Dokument, dass über fünfhundert Jahre in den Archiven von Sevilla lag...“

„Aha!“, meine ich.

„Es legt, unter anderem, auch Zeugnis darüber ab, wie das Königspaar und der Admiral Kolumbus miteinander umgingen.“

„Also der Schriftwechsel zwischen Herrschaft und Angestelltem?“

„Ja. Wenn du das so nennst, dann ist das zutreffend. Das, was heute über diese zweite Reise bekannt ist, haben andere Leute aufgeschrieben und für die Nachwelt erhalten...“

„Und wer sind diese Leute?“, fragte ich.

„Sein Sohn Fernando, einige Zeitzeugen und ein Doktor Diego Álvarez Chanca, Leibarzt des spanischen Königspaares. Ich suche dir das 'mal zu Hause heraus, solltest du dann noch Interesse haben!“

„Ja! Gerne!“

„Aber nun machen wir mit Columbus und seiner Abfahrt zur zweiten Reise weiter!“

„In Ordnung!“

„Vor Beginn der Reise ordnete er seine Verhältnisse. Dann segelte er am 25. September 1493, eine Stunde vor Sonnenuntergang, an der Spitze seiner 17 Schiffe zählenden Flotte, gen Westen. Aber zunächst nach La Gomera, um die Vorräte aufzufüllen. Und, wie verschiedene Quellen berichten, eine guten Bekannte zu besuchen. Um dann, am 13. Oktober 1493 von El Hierro, Nachbarinsel von La Gomera, aus die Überquerung des Atlantik erneut zu wagen, was am Morgen des 3.November vollbracht war: Der Mann im Ausguck meldete 'Land in Sicht'. Columbus hatte zum zweiten Mal den Atlantik überquert. Zwei weitere Überfahrten sollten noch folgen...“

„Und bis heute ist Columbus in der Welt als derjenige bekannt, der endgültig Amerika entdeckte, der Spanien die Vorherrschaft auf dem Meer sicherte und der eigentlich den Seeweg nach Indien suchte...“

„Ja!“, sagte Marlene, „Und nun will ich weiter über Cádiz und seine Geschichte sprechen!“

„Gern!“, erwiderte ich.

„Die Altstadt von Cádiz befindet am Ende einer sehr schmalen und langen Halbinsel, die den gleichnamigen Golf vom Atlantik trennt. Am Ende der Halbinsel, unmittelbar am Atlantik, befindet sich das Castillo de Santa Catalina. Eine Wehranlage mit Mauern und Schießscharten und Wehrtürmen und Kanonen. Das Castillo ist an der westlichsten Spitze der Halbinsel so gebaut, dass von hier aus Posten das Meer beobachten konnten. Daran anschließend, zum Inneren der Halbinsel, sind große Teile der Altstadt mit Wehrmauern umgeben, innerhalb der sich alte Gebäude, errichtet zumeist im 17. und 18. Jahrhundert, befinden. Und an diese umwehrten Gebäude schließen sich prunkvolle Herrenhäuser und Paläste an. Typisch für die Altstadt von Cádiz sind viele kleine Plätze, die Plazas. Alles das konnte errichtet werden, weil die Gaditanos, die Bauten mit Teilen ihres Vermögens finanzierten. Das hatten sie erworben, als Cádiz während zweier Jahrhunderte der spanische Hauptumschlaghafen im Handel mit Amerika war...“

„Nun ja!“, sagte ich, „vielleicht gab es in früheren Zeiten mehr Gemeinschaftsgefühl unter den sozialen Schichten, besonders von denen oben zu denen nach unten!“, sagte ich.

„So ganz uneigennützig ist damals wohl auch nichts geschehen. Das war wohl seinerzeit schon so, wie ich es vor einiger Zeit gelesen oder gehört habe.“

„Nämlich?“

„Nämlich so, wie es ein bekannter deutscher Modedesigner sagte, dass dort, wo das Geld zum Fenster hinausgeht, es meistens zum Fenster auch wieder hereinkommt!“

„Dazu muss nichts weiter gesagt werden!“, antwortete ich.

Marlene blickte mich an und sagte dann:

„Nachdem Columbus Amerika entdeckt hatte und daran anschließend Abenteurer, Forscher und in deren Gefolge Handelsreisende und viele andere sich auf den Weg in die Neue Welt machten, um diese zu kolonialisieren, wurde Cádiz nicht nur zum Haupthafen der heimkehrenden Silberflotte, sondern auch für alle anderen Schiffe, die mit Waren aller Art jenseits des Ozeans beladen worden waren. Das wiederum rief Neider auf den Plan...“

„Was auch nicht anders zu erwarten war...“

„Jedenfalls wurde die Stadt allein im 16. Jahrhundert mehrmals von Barbareskenpiraten besucht. Die kamen aus Algerien. Und wurde dann auch zum Ziel englischer Angriffe. Allen voran denen des englischen Piraten Francis Drake, der die spanische Flotte im Hafen von Cádiz versenkte. Aber auch Horatio Nelson war 1800 in der Stadt, allerdings ohne größere Schäden zu hinterlassen...“

Mimi sah mich an und meinte dann:

„Nun ja! Und da, zumindest bis vor einigen Jahrhunderten, wohl auch bedingt durch die Kleinstaaterei in Europa, ständig irgendwelche Auseinandersetzungen geführt wurden, hat man davon auch Cádiz nicht verschont. Ich will dir nun aber nicht alle Kriege und Konflikte aufzählen, die auch in Cádiz ihre Auswirkungen zeigten. Oder sogar hier geführt worden sind. Meistens ging es bei diesen Auseinandersetzungen um die Waren, die Spanien aus den Kolonien über den Hafen von Cádiz einführte. Davon, ich meine, von dem in Cádiz angelandeten Reichtum, wollten andere auch 'was abbekommen...“

„Vor einigen Jahren habe ich darüber in Zweigs 'Sternstunden der Menschheit' gelesen. Ich meine, es ging in der Geschichte um die Entdeckung des Pazifischen Ozeans. Fünfzehn Jahre nachdem Columbus in Amerika angekommen war...“

„Stimmt!“, erwiderte Mimi, „Du meinst 'Die Flucht in die Unsterblichkeit'?“

„Ja! Möglicherweise!“, sagte ich zögernd und Mimi sagte weiter:

„Als das spanische Überseereich zusammenbrach, weil diese Gebiete ihre wirtschaftliche und politische Selbstständigkeit und Unabhängigkeit erlangten, war auch für den Hafen von Cádiz die Zeit gekommen, die mittlerweile veralteten Anlagen und Konstruktionen zu erneuern...“

„Irgendwann ist immer für irgendetwas das Ende gekommen...“, sagte ich.

„Auf etwas möchte ich dich noch hinweisen!“

„Ja!“, erwiderte ich.

„Während des Spanischen Bürgerkrieges war Cádiz eine der ersten Städte, die von den Truppen des General Franco eingenommen worden sind. Schon im Juli 1936 wurde der Hafen für die Anlandung der Franco-Truppen aus Nordafrika genutzt. Später wurde der dann der bedeutendste Nachschubhafen für die Francisten...“

„Ach so?“, fragte ich und meinte:

„Das war mir nicht bekannt!“

„Wird heute auch nicht an die sprichwörtliche große Glocke gehängt. Irgendwie habe ich den Verdacht, man will in Deutschland über einige Tatsachen nicht sehr gern sprechen. Am liebsten gar nicht. Schließlich sind die Bundesbürger auch während der Franco-Herrschaft nach Spanien gefahren...“

„Wie auch zu Zeiten Salazars nach Portugal und während der Jahre der faschistischen Militärdiktatur von 1967 bis 1974 nach Griechenland...“, ergänzte ich.

„Ja!“, sagte Mimi.

„Man muss nicht darauf warten, bis ein Gelehrter kommt, um die Welt zu erklären. Man kann sich auch alleine eine Meinung bilden...“

Ich war dann an diesem Morgen, während ich über das nachdachte, was mir Mimi über Cádiz erklärt hatte, noch sehr fest eingeschlafen. Wohl auch wegen Mimis enger Umklammerung; sie hatte sich noch enger an mich heran gekuschelt.

Dann blinzelte ich durch das zur Hälfte geöffnete Fenster in den wolkenlosen Himmel und versuchte, mich aus Mimis Arm- und Beinklammer zu befreien.

„Wo willst du denn hin?“, fragte sie mich.

„Die Sonne ins Zimmer lassen und den Tag begrüßen.“

Ich trat an das Fenster und zog das Rollo hoch. Sofort wurde das Zimmer von hellem Morgenlicht erfüllt. Ich sah über die Dächer der vor unserer Pension befindlichen Häuser zum Atlantik und als ich mich ein wenig aus dem Fenster beugte, spürte ich den kühlen Wind, der vom Meer wehte. Ich drehte mich um und sagte:

„Wir sollten den Tag nicht auf uns warten lassen!“

Dann ging ich ins Bad.

*

An diesem Tag und ebenso an den beiden anderen Tagen und immer nach dem, wie erwartet, sehr abwechslungsreichen Frühstück auf der Terrasse unserer Pension, führte mich Marlene durch Cádiz, fuhren wir nach Sevilla und dann durch die weißen Dörfer.

Am letzten Abend gingen wir nochmals in das Fischrestaurant, welches wir auch schon am ersten Abend besucht hatten.

Wieder trafen wir die freundlichen Menschen, die, so hatte ich den Eindruck, nur darauf warteten, uns mit kulinarischen Köstlichkeiten zu verwöhnen.

Und wieder saßen wir viel zu lange an diesem Abend in der Gaststätte und tranken Wein und sprachen über die kleinen und größeren Bedeutsamkeiten des Lebens.

Und so, wie am ersten Abend in Cádiz, versuchte ich den Wirt für seine Geduld zu entschädigen. Was dieser erneut ablehnte und uns mit einem wunderbaren Lächeln in die Nacht verabschiedete.

Ankunft an Bord

Wir hatten den Leihwagen vereinbarungsgemäß und mit gefülltem Tank abgegeben und waren mit einem Taxi zum Liegeplatz der „Anne L.“ gefahren.

Ein Mann, bekleidet mit einer blauen Latzhose und Sandalen, erwartete uns an der Gangway. Wie wir wenig später erfahren sollten, war das der Techniker der „Anne L.“.

Die Gangway, eigentlich eine Treppe, um vom Kai auf das Schiff zu gelangen, bestand hier aus zwei Brettern und einigen darauf genagelten Querleisten.

Ich stellte Mimi und mich dem Mann vor und der antwortete:

„Der Käpt'n ist im Store, Seekarten besorgen!“, sagte der Mann mit der Latzhose, nahm mir den Seesack ab und wuchtete diesen auf die blank gescheuerten Planken des Seglers. Dann half er, völlig unerwartet und sehr galant, Marlene über die Bretter und an Bord zu kommen.

„Und wann kommt Kapitän Ahrens an Bord zurück?“, fragte ich.

„Zum Abendessen wollten sie wieder da sein!“

„Wer sind 'sie'?“, fragte Mimi und sah den Mann an.

„Der Käpt'n und unsere Steuerfrau Antje Larsson!“

Nach einigen Augenblicken fügte der Techniker hinzu:

„Ihr seid übrigens im „Sirius“ untergebracht. Hat der Alte so verfügt. Da schlafen immer die Spezialgäste!“

Und dann rief er aufs Schiff:

„Jürgen, unsere Gäste sind an Bord!“

„Ich komme!“

Jürgen von der Besatzung kam vom Achterdeck und begrüßte uns und nahm Marlenes Gepäck. Ich schulterte meinen Seesack und dann führte Jürgen uns zum vorderen Niedergang und zu unserer Kabine.

„Kapitän Ahrens meinte, Sie sollen im 'Sirius' mitreisen. Die ist wohl extra für Langzeitreisende hergerichtet worden. Bisschen mehr Stauraum. Weil das Bett hoch gesetzt wurde. Das ist dann auch ein wenig schmaler, dafür haben Sie hier auch einen kleinen Schreibtisch.“

Dann öffnete der junge Mann die Kabinentür und stellte Mimis Gepäck hinein. Er trat einen Schritt zur Seite und ich platzierte meinen Seesack neben Mimis Gepäck.

Danach meinte Jürgen:

„Ich habe noch an Deck zu tun. Bin hier de facto das Mädchen, äh, Verzeihung, der Junge für alles!“

„Ist schon gut!“, sagte Mimi und trat in die Kabine.

Sie blickte sich wenige Augenblicke um, öffnete die eine und auch die andere Schublade, blickte durch die Schiebetür in das winzige Bad, das eigentlich nur aus einer Dusche bestand und setzte sich dann aufs Bett und meinte:

„Gut so!“

„Was hast du denn erwartet?“, fragte ich, „Im Hamburger 'Atlantik' ist es selbstverständlich komfortabler!“

„Nee, nee! Alles in Ordnung! Meinetwegen kann die Expedition Mittelmeer beginnen!“

Mimi trat sehr dicht an mich heran, so dicht, dass ich ihre kleinen Härchen auf der Oberlippe deutlich erkennen konnte und sagte leise:

„Danke dafür, dass du mich mitgenommen hast!“

„Wen sollte ich sonst mitnehmen?“

„Ach, da hätte sich bestimmt jemand gefunden! Da bin ich mir sehr sicher!“

„Aber keine Mimi!“, Marlene sah mich an und dann sagte sie:

„Lass uns an Deck gehen. Es ist, meine ich, höflicher, wenn wir den Käpt'n und die Steuerfrau oben begrüßen. So müssen sie uns nicht unter Deck suchen. Es ist schließlich deren Schiff!“

„Stimmt!“

*

In dem Moment, als wir das Deck betraten, es war um drei Glasen am frühen Abend oder späten Nachmittag, hielt ein Taxi auf der Pier und direkt vor der „Anne L.“. Aus dem Auto stieg Kapitän John Ahrens und danach die Steuerfrau Antje Larsson. Beide waren mit Dingen bepackt, die sie im Store in Cádiz gekauft hatten. Wie einen kostbaren Schatz hielt Antje Larsson die in Papprollen verpackten Seekarten in ihren Händen. Als der Kapitän und Antje Larsson Mimi und mich sahen, sagten sie, beinahe wie aus einem Mund:

„Hallo! Schön, dass Sie bereits an Bord sind!“

Wir erwiderten den Gruß und waren dem Kapitän und Antje Larsson anschließend dabei behilflich, über die Gangway, das Brett, an Bord zu gelangen. Mimi wollte der Steuerfrau die Rollen mit den Seekarten abnehmen, aber Antje Larsson hielt sie fest und sagte statt dessen:

„Nee, lass 'mal. Ist nicht notwendig!“

Als alle weiteren Tüten und Kartons an Deck gebracht waren, sagte Kapitän John Ahrens:

„Noch einmal: Herzlich willkommen auf der „Anne L.“!“

Später, als wir an Deck standen und auf die Altstadt von Cádiz schauten, stellten Mimi und ich fest, in diesem Moment das Gefühl verspürt zu haben, so, wie zu Hause willkommen zu sein.

Von Osten begann langsam und zunächst kaum zu bemerken, die bürgerliche Dämmerung. Das Licht wurde diffuser und es wollte so erscheinen, ein zartrosa Schleier legte sich allmählich über die Stadt und erinnerte an Porzellan.

Ich sagte zu Marlene:

„In einer Stunde ist es dunkel!“

„Wenn es dann überhaupt so lange dauern wird!“, entgegnete sie, „Wir werden es erleben. Übrigens, ich war zur Zeit der Sommersonnenwende noch nie so weit südlich. Ich bin immer später gefahren. Oft im September.“

„Stimmt! Aber kannst du dich daran erinnern, dass wir vor zwei Jahren sogar erst Ende November auf La Gomera waren? Da wollte es uns so scheinen, als hätten wir die gesamte Insel für uns alleine. Wir kamen erst eine Woche vor dem ersten Advent wieder nach Hause!“

„Ja, ich kann mich daran erinnern. Es war unsere erste gemeinsame Woche!“

John Ahrens kam zu uns, nachdem alles das verstaut war, was er in Cádiz an diesem Nachmittag gekauft hatte und sagte:

„Wir sollten, bevor morgen die anderen Passagiere an Bord kommen, gemeinsam mit der Besatzung einige Dinge besprechen. Der Koch wird deshalb für uns auf dem Achterdeck das Abendessen anrichten.“

„Das wäre aber nicht nötig gewesen!“, meinte Mimi.

„Doch! Das ist nötig! Ihr seid unsere Gäste!“

„Danke für die Einladung!“

„Also in einer halben Stunde. Nach fünf Glasen!“, sagte John Ahrens und ging ins Ruderhaus.

Mimi kam bald darauf mit einem dicken Pullover, auch für mich, aus unserer Kabine zurück und meinte:

„Du kannst dich sicherlich daran erinnern, dass es auch in Südeuropa und besonders am Meer, nach Sonnenuntergang sehr kalt sein kann!“

Ich sah Marlene an und sagte nur:

„Danke!“

*

Der Koch hatte damit begonnen, auf dem Achterdeck, auf dem weiß gescheuerten Tisch hinter dem Besanmast, für das Abendessen aufzubacken. Jürgen von der Besatzung war ihm dabei behilflich.

„An wie viel Leute hat der Alte gedacht?“

„Wenn der Matrose dann auch pünktlich ist, für acht Personen!“

An diesem ersten Abend an Bord der „Anne L.“ hatte der Koch, so wie es auf dem Gaffelschoner üblich war, ein ansprechendes, aber auch einfaches Abendessen bereitet. Es war kein Sterne-Menü, dennoch die vom Koch bekannte kulinarische Qualität: zwei Sorten Brot, Wurst und Käse, einige Salate und zwei Sorten Fisch. Dazu Rot- und Weißwein, Bier und Wasser standen auf einem Buffet an der Rückseite des Ruderhauses bereit.

Tischkarten wiesen jedem den Sitzplatz an. Das hatte, wie Mimi und ich später erfuhren, Antje Larsson angeregt.

So saßen Antje Larsson und Kapitän John Ahrens mit Marlene und mir an der einen Längsseite des Tisches. Der Techniker, Jürgen, der Koch und der Matrose saßen uns gegenüber.

Antje Larsson meinte, so würde deutlich, dass Marlene und ich die Gäste des Vereins aus Greifswald waren, dem die „Anne L.“ gehörte und der nun durch John Ahrens und Antje Larsson repräsentiert wurde.

Als wir uns gesetzt hatten und der Koch die jeweils gewünschten Getränke eingegossen hatte, zündete Jürgen einige Lichte an.

John Ahrens erhob sich und fragte:

„Seid ihr alle da?“

Und wir antworteten mit einem leisen, aber deutlich zu verstehenden „Jaaaa!“

Es war eine feierliche Stimmung am ersten Abend an Bord der „Anne L.“ aus Greifswald am Ryck im Hafen von Cádiz in Andalusien.

Dann sagte John Ahrens:

„Ich freue mich sehr darüber, mit euch diese Mittelmeer-Reise zu segeln. Einmal zur Levante, in das Land der alten Phönizier, und dann wieder zurück. Auf eine gute Reise und glückliche Heimkehr!“

John Ahrens prostete uns, jedem Einzelnen, zu und sagte weiter.

„Danke auch dem Koch in unserem Namen dafür, dass er für uns dieses Essen bereitet hat!“

Inzwischen war die Nacht über Cádiz gekommen. Nur am westlichen Horizont war noch der Rest des vergangenen Tages als rötlich-gelbes und von rosa Fäden unterbrochenes Licht zu sehen. John Ahrens sagte zu Marlene und mir:

„Von Jochen Niebuhr und meiner Mutter soll ich euch sehr herzlich grüßen und dafür danken, dass Ihr an Bord gekommen seid und wir diese Reise gemeinsam unternehmen werden. Nachdem damals der Bericht von unserer Meeresfahrt auf der Nordsee breite Zustimmung fand, meinte unser Vorstand, Ihr solltet ein ebenso eindrucksvolles Tagebuch über die bevorstehende Mittelmeer-Reise führen!“

„Das machen wir doch gerne!“, antwortete Marlene.

Dann sagte John Ahrens:

„Ich möchte euch jetzt den Verlauf der Mittelmeer-Reise erläutern. Morgen, am 20. Juni, erwarten wir unsere Passagiere. Bis etwa 16 Uhr sollten alle an Bord sein. So haben wir das im Reisevertrag vereinbart. Ich meine, es kommen zehn Personen...“, John Ahrens sah Jürgen an.

„Stimmt!“ 10 Personen kommen. Und alles Landratten!“

„Gut!“, sagte John Ahrens, „Jürgen, du empfängst die Leute und... Na, du weißt Bescheid!“

„Eye, eye!“

„Dann sollen die Leute bis zum Abendessen in Ruhe ihre Kabinen einrichten. Danach Einweisung, Vorstellen der Besatzung und des Schiffes sowie des Reiseverlaufes und Sicherheitsbelehrung. Das macht wie immer Antje!“

„Ja!“

„Die anderen klaren das Schiff auf und Übermorgen ist um zwei Glasen am Morgen Ablagen!“

John Ahrens trank etwas Rotwein und sagte weiter:

„Wir segeln zunächst nach Tanger. Vielleicht kann unterwegs einer von euch“, John Ahrens deutet auf Mimi und mich, „den Passagieren am Vormittag 'was über Tanger und Marokko und dann vielleicht auch über den weiteren Reiseverlauf, erzählen. Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man die neuen Passagiere an Bord in den ersten Stunden auf See 'n bisschen unterhält, ist die Eingewöhnungsphase entspannter. Und die Leute haben keine Zeit darüber nachzudenken, dass unter ihnen einige hundert Meter Wasser sind. Und haben somit auch keine Gelegenheit, die Fische zu füttern... Na, Ihr wisst schon, was ich meine! Der zweite Tag auf See ist dann meistens schon viel entspannter. Da kommt dann der Auftritt der vermeintlichen Experten. Obwohl die selten weiter als mit der Weißen Flotte über'n Müggelsee geschippert sind...“

„Wenn sie dann in Berlin oder Umgebung wohnen!“, ergänzte der Techniker und ließ sich von Jürgen eine weiteres Bier reichen.

„Genau!“, meinte Jürgen von der Besatzung.

Dann war einige Augenblicke Ruhe auf dem Achterschiff der „Anne L.“ und als ein kleinerer Hafenschlepper vorbei fuhr, hörte man das Schlagen der Wellen an der Außenhaut des Gaffelschoners.

„Werden wir in Tanger bleiben?“, fragte der Matrose.

„Wir haben für zwei Nächte einen Liegeplatz geordert!“, John Ahrens sah den Matrosen an und sagte weiter:

„Gegen 16 Uhr wollen wir Tanger erreichen. Dann gehen die Leute in die Stadt. Jochen hat da 'ne Reiseleitung organisiert. Jürgen, das ist dann wieder deine Aufgabe, denen die Leute zu übergeben!“

„Mach' ich!“

„Das Reisebüro kommt dann auch am nächsten Morgen, um die Leute für eine Tour in die Wüste abzuholen. Wer dann von euch da mit will – das Schiff soll an diesem Tag von einem Sicherheitsunternehmen bewacht werden!“

„Und wer hat das organisiert?“, fragte Antje Larsson.

„Der Inhaber der Safety-Firma ist ein nach Marokko ausgewanderter ehemaliger Kollege von Jochen Niebuhr!“, antwortete John Ahrens.

„Na, denn!“, erwiderte Antje Larsson.

„Geld soll die Firma ohnehin erst dann bekommen, wenn wir wieder an Bord sind und die Unversehrtheit der „Anne L.“ festgestellt haben. Einen kleinen Vorschuss erhalten sie beim Dienstbeginn. Schließlich sollen sie wissen, dass wir solvent sind!“, meinte John Ahrens, „Aber über diese Brücke gehe ich nicht! Und wenn du in den Hafen kommst, ist das Schiff bereits auf hoher See! Was machen wir dann? Die Bekanntschaft des Kollegen Niebuhr will ich in allen Ehren halten. Aber ich bleibe an Bord!“, sagte John Ahrens

„Und ich habe sowieso am Motor noch 'was nachzusehen...“, meinte der Techniker.

„Du fährst morgen nicht mit in die Wüste?“, fragte John Ahrens.

„Sagte ich doch!“, erwiderte der Techniker. Mimi sah mich an und meinte dann:

„Also, ich bleibe auch hier. Ich kenne Tanger und die Wüste aus Studienzeiten in Südspanien. Da sind wir oft mit der Fähre von Tarifa nach Marokko gefahren. Manchmal haben wir auch in der Wüste übernachtet...“

„Und wo Mimi ist, da will auch ich sein!“, sagte ich.

„In Ordnung!“, sagte John Ahrens, „Dann können wir die Safety-Firma darüber informieren, dass wir deren Dienste nur zur Beobachtung und gelegentlichen Präsenz am Segler benötigen.“

„Um so mehr oder weniger regelmäßig präsent zu sein.“, ergänzte Antje Larsson.

„Ich werde an den Verein in Greifswald ein Fax schicken!“, sagte John Ahrens, „Ist wohl besser, dass einige Leute beim Schiff bleiben. Und Jochen Niebuhr wird das freuen. Kann er Geld sparen! Zwei Tage haben die nun Zeit, die Bewachung umzuorganisieren! So, und nun wollen wir 'mal weiter die Reise besprechen!“

„Ja!“, meinte Antje Larsson.

„Von Tanger segeln wir Gibraltar und dann weiter nach Mallorca.“

„Und dort ist dann 'Bettenwechsel', wie man in Deutschland sagt?“, fragte der Matrose.

„Ja!“, sagte John Ahrens, „Und dann segeln wir rund um Mallorca, nach Südfrankreich, Korsika, Sizilien und direkt an die Levante, die libanesische Mittelmeerküste. Der Rückweg führt uns dann über Alexandria und Tunis wieder nach Cádiz..“

„Und wo ist überall der 'Bettenwechsel'?“, fragte Mimi.

„Auf Mallorca, auf Korsika, in Syrakus, dann der lange Törn an die Levante und bis nach Alexandria. Da wechseln die Passagiere ebenfalls. Und dann noch einmal in Tunis werden wir neue Leute an Bord begrüßen.“, sagte Antje Larsson.

„Na dann!“, sagte Mimi.

„Und wann sind wir wieder in Cádiz?“, fragte der Matrose.

„Mitte September!“, antwortete John Ahrens.

„Dieses Jahr?“, fragte der Matrose.

Kapitän John Ahrens sah den jungen Mann verwundert an, dann fragte er:

„Habe ich erwähnt, wo wir Weihnachten feiern werden?“

„Ich habe nichts dergleichen gehört!“, sagte der Techniker.