Die Pan-Trilogie: Alle Romane des Pan-Universums in einer Mega-Box! - Sandra Regnier - E-Book
SONDERANGEBOT

Die Pan-Trilogie: Alle Romane des Pan-Universums in einer Mega-Box! E-Book

Sandra Regnier

0,0
24,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 8,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Humorvoll, romantisch und voller fantastischer Ideen »Für jeden Fantasy-Liebhaber ein Muss!« »Wenn ich eine Buchreihe noch mal zum ersten Mal lesen könnte, dann diese.« »Kennt ihr das, wenn ihr ein Buch zu Ende gelesen habt und die Hauptcharaktere die nächsten Tage geradezu vermisst?« (Leser*innenstimmen) Zwei Mädchen mit schicksalhafter Bestimmung, ein Elfenreich, das dem Untergang geweiht ist, und die Gabe des Zeitreisens – lass dich von der faszinierenden Welt des »Pan«-Universums verzaubern. Die Reihen »Pan« und »Anderwelt« entstammen der Feder unserer Bestsellerautorin Sandra Regnier und entführen dich auf ganzen 1.400 Seiten in eine Welt, die dich nicht mehr loslassen wird. Die magische »Pan«-Trilogie **Finde den Elfenprinzen und werde zur Königin** Als der über alle Maßen gut aussehende Leander FitzMor an ihrer Schule auftaucht, ist die siebzehnjährige Felicity Morgan wahrscheinlich das einzige Mädchen, das sich nicht für ihn interessiert. Schließlich hat sie wirklich ganz andere Probleme als sich über Frauenschwärme den Kopf zu zerbrechen. Da wäre zum einen die schlecht laufende Kneipe ihrer Mutter, zum anderen der in illegale Machenschaften hineingezogene Bruder und nicht zuletzt ihre blöde Zahnspange. Hätte sie gewusst, dass ausgerechnet sie die Retterin der Elfenwelt sein soll und Leander nicht ohne Grund nicht mehr von ihrer Seite weicht, wäre sie am besagten Tag wahrscheinlich im Bett geblieben. Aber wie gut, dass sie es nicht getan hat, denn damit nimmt die Geschichte erst ihren Lauf … Die übersinnliche »Anderwelt«-Dilogie **Das Tor zur Elfenwelt in den Katakomben Edinburghs** Nichts fürchtet die 16-jährige Internatsschülerin Allison mehr als dunkle Gänge, die scheinbar ins Nirgendwo führen. Doch genau durch solche muss sie bei einer Führung durch die Katakomben Edinburghs und richtet dabei auch prompt großes Chaos an. Dabei kommt es noch schlimmer: Der unglaublich gut aussehende und dabei nicht minder nervige Finn heftet sich an ihre Fersen und behauptet standhaft, er sei ein Elfenwächter und sie hätte die magische Pforte zur Anderwelt geöffnet. Und nun soll Allison, die nicht einmal an Elfen glaubt, dieses magische Reich vorm Sterben bewahren. Als dann auch noch ein dunkler Prinz für sie auftaucht, steht Allisons Welt endgültig Kopf … //Dies ist der Mega-Sammelband der magisch-romantischen Buchreihen »Pan« und »Anderwelt«. Alle Bände der Fantasy-Liebesgeschichte bei Impress: Die Pan-Trilogie: -- Die Pan-Trilogie 1: Das geheime Vermächtnis des Pan -- Die Pan-Trilogie 2: Die dunkle Prophezeiung des Pan -- Die Pan-Trilogie 3: Die verborgenen Insignien des Pan Die Anderwelt-Dilogie: -- Die Pan-Trilogie: Die magische Pforte der Anderwelt (Pan-Spin-off 1)  -- Die Pan-Trilogie: Das gestohlene Herz der Anderwelt (Pan-Spin-off 2)  Diese Reihen sind abgeschlossen.//

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



www.impressbooks.deDie Macht der Gefühle

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2022 Text © Sandra Regnier, 2013, 2017, 2019 Lektorat: Evi Draxl, Rebecca Wiltsch Coverbild: shutterstock.com / © Melpomene (Mädchen) / © Madlen (Flügel) / © Balazs Kovacs (Landschaft) / © Tutti Frutti / © Kanea / © Ilya Chalyuk / © maverick_infanta / © Roxana Bashyrova Covergestaltung: formlabor ISBN 978-3-646-60981-3www.impressbooks.de

Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.

Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.

Jetzt anmelden!

Jetzt Fan werden!

Sandra Regnier

Die Pan-Trilogie 1: Das geheime Vermächtnis des Pan

**Romantik, Zeitreisen, Spannung, unerwartete Wendungen, zwei sehr starke Charaktere und wunderbare Nebenfiguren – absoluter Hochgenuss!**Felicity Morgan ist nicht gerade das, was sich die Elfenwelt unter ihrer prophezeiten Retterin vorgestellt hat. Sie ist achtzehn, trägt immer noch eine Zahnspange, hat keinen Sinn für schicke Klamotten und scheint niemals genügend Schlaf zu bekommen. Leander FitzMor hingegen, der Neue an Felicitys Schule, ist der wohl mit Abstand bestaussehendste Typ Londons. Um keinen coolen Spruch verlegen und zu allem Überfluss auch noch intelligent – denkt Felicity, die Gott sei Dank nicht auf arrogante Frauenschwärme steht. Auch wenn diesen Leander immer jener seltsam anziehende Duft nach Heu und Moos umgibt und er sie manchmal anschaut, als könne er ihre Gedanken lesen. Aber das Schlimmste an dem Ganzen ist, dass er einfach nicht mehr von ihrer Seite weichen will …

Wohin soll es gehen?

  Buch lesen

  Vita

  Das könnte dir auch gefallen

  Leseprobe

© Claudia Toman Traumstoff

Sandra Regnier ist in der Vulkaneifel geboren und aufgewachsen. Nach der Schule und einer Ausbildung zur Beamtin wollte sie lange nach Frankreich auswandern. Stattdessen heiratete sie einen Mann mit französischem Nachnamen und blieb zu Hause. Nachdem sie acht Jahre lang im Tourismus tätig war, übernahm sie die Leitung einer Schulbibliothek und konnte sich wieder ganz ihrer Leidenschaft widmen: den Büchern. Heute schreibt sie hauptberuflich und ist nebenher viel mit dem Fahrrad unterwegs, um Ideen zu sammeln, oder träumt beim Wandern von fantastischen Welten.

TEIL I

LEE

DIE PROPHEZEITE

Ich war neugierig. Ziemlich sogar. Immerhin hing von diesem Mädchen die Zukunft ab. Die Zukunft einer ganzen Nation. Und ich sollte sie beschützen. Mehr als das: Meine eigene Zukunft war mit ihrer eng verwoben. Ich sollte sie heiraten! Deswegen wollte ich sie kennenlernen und schrieb mich am Horton College of Westminster in London ein.

Diese Schulen waren doch alle gleich. Jugendliche oder junge Erwachsene, die sich noch finden mussten. Die Jungs unterhielten sich oft lautstark über Sport, Partys oder hübsche Mädchen. Die Mädchen kicherten viel, waren grundsätzlich in Gruppen unterwegs und sorgten sich vor allem um ihr Aussehen, die Klamotten der anderen und welche Jungs gerade in waren.

Als ich den Flur betrat, fühlte ich, wie sich sämtliche Blicke auf mich richteten. Das war ich gewohnt. Schon himmelten mich die ersten Mädchen an. Ich sah, wie sie an ihrer Kleidung zu zupfen begannen, sich durch die Haare fuhren und über die Lippen leckten.

Auch die Schulleiterin, Mrs Hayley-Wood, reagierte ähnlich. Sie war nicht immun gegen einen gut aussehenden Mann, egal welchen Alters. Wenn sie wüsste, wie alt ich tatsächlich war …

Sie führte mich persönlich herum und stellte mir meine künftigen Klassenkameraden vor. Ich war mir sicher, dass ihre Stimme höher und etwas schriller klang als normal. Sie plapperte ununterbrochen, wies mich auf alle möglichen banalen Dinge hin und lachte dabei wie ein Teenager.

»Hier sind ein paar Ihrer neuen Schulkameraden, Mr FitzMor.«

Aha, endlich wurde es interessant. Vor uns standen drei dieser gestylten, bildhübschen Mädchen und ein Junge in meinem Alter. Oder zumindest in meinem vorgeblichen Alter.

Die Linke, Brünette war extrem schön. Sie hatte die Augen aufregend geschminkt, trug einen dieser modernen Faltenröcke mit passendem Top und warf mir einen koketten Blick unter ihren langen, dichten Wimpern zu.

»Mr FitzMor, darf ich vorstellen«, sagte Mrs Hayley-Wood und blieb vor den vieren stehen. »Das sind Cynthia, Jack, Ava und Felicity aus Ihrem Jahrgang. Meine Lieben, das ist Leander FitzMor, ein neuer Schüler. Ich hoffe, Sie nehmen sich seiner ein bisschen an.«

Mrs Hayley-Wood reichte mir erneut die Hand und verabschiedete sich. Ich beachtete sie nicht weiter. Ich fühlte, wie sich in mir alles vor freudiger Erwartung zusammenzog. Hatte ich ein Glück. Direkt vor mir, die bildhübsche Brünette, war das Mädchen, das ich suchte. Das Mädchen, das über unser aller Zukunft entscheiden sollte. Meine zukünftige Frau.

Und sie sah umwerfend aus.

Das würde ja wesentlich einfacher werden, als ich gedacht hatte. Ich schenkte ihr mein verführerischstes Lächeln und sie reagierte wie erwartet: Sie schmolz dahin.

»Leander, was für ein ungewöhnlicher Name«, sagte die blonde Cynthia.

»Ach, bitte, nennt mich Lee. Meine Freunde nennen mich immer so.«

Ich sah Felicity tief in die Augen und mein Blick verfehlte die Wirkung nicht. Sie errötete zauberhaft. Wunderbar. Das machte es beinahe zu einfach. Ich hätte ja auch Pech haben und Felicity eine von diesen Trantüten dort hinten sein können. Wie die Moppelige da: strähniges Haar, ein unmögliches T-Shirt. Eben nieste sie und fiel rückwärts über ihre eigene Schultasche – auch noch ungeschickt. Und eine Zahnspange hatte außerdem aufgeblitzt!

Ich konnte mir ein abfälliges Grinsen nicht ganz verkneifen. Armes Mädchen. Das Paradebeispiel eines modernen Blaustrumpfs. Die würde bestimmt später mal eine Frauenrechtlerin werden oder Lehrerin. Oder an einer Kasse im Supermarkt enden.

Ich fühlte eine warme Hand auf meinem Arm. Felicity lächelte mich von unten mit gekonntem Augenaufschlag an. Sie wusste, wie man Männer umgarnte. Sie war hübsch, schien entschlossen und mutig. Kein Wunder – sie war die Prophezeite.

»Komm mit. Ich zeige dir unseren Klassenraum.«

Widerstandslos folgte ich ihr. Ob es für einen Kuss noch zu früh war? Immerhin wäre damit alles besiegelt. Sobald ich sie geküsst hätte, wäre sie mir verfallen. Auf immer.

»Ich gehe davon aus, dass du jetzt auch Englisch hast«, sagte sie und hakte sich bei mir unter.

Ich nickte. Das Horton College war in einem dieser altehrwürdigen Bauten aus dem Viktorianischen Zeitalter untergebracht. Viele Treppen, Gänge und Nischen. Dunkle Nischen.

»Ist der Englischraum etwa hier?«, fragte ich amüsiert, als Felicity mich in eine der besagten Nischen führte.

Sie lächelte verlockend und presste ihre Modelfigur der Länge nach an meinen Körper. Dann küsste sie mich. Es war tatsächlich einfach gewesen, sie einzuwickeln. Aber im gleichen Moment wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Wo war der erwartete Funkenregen? Das Feuerwerk? Die Geigen und das Konfetti? Es fühlte sich nicht an wie die Erfüllung des Schicksals, sondern wie ein ganz normaler, inniger Kuss.

Vor uns polterte es und ich riss erschrocken die Augen auf. Die pummelige Schülerin mit dem dämlichen T-Shirt war vor unserem kleinen Versteck schon wieder gestolpert und hatte uns entdeckt.

»Entschuldigung«, hörte ich sie murmeln.

Das brachte Felicity in die Gegenwart zurück. Wütend funkelte sie das Mädchen an.

»Verschwinde, City. Spionierst du mir etwa nach?«

Die Unscheinbare richtete sich auf und blitzte sie an. »Weshalb sollte ich dir wohl nachspionieren? Glaubst du vielleicht, ich will lernen, wie man sich in der Öffentlichkeit lächerlich macht?«

»Das brauchst du nicht zu lernen. Das kannst du von ganz allein«, fauchte Felicity und ich zollte ihr im Stillen Beifall. »Hau ab, City. Lee ist wohl nicht ganz deine Kragenweite.«

»Nein, aber zum Glück ja deine. Ich glaube, du hast heute deinen eigenen Rekord geknackt: zwei Minuten nach dem Kennenlernen. Gratuliere.« Sie bückte sich nach ihren auf dem Boden liegenden Heften und reichte eines davon Felicity. »Hier. Miss Ehle hat uns verwechselt.« Dann warf sie mir einen verächtlichen Blick zu.

»Keine Sorge, City. Lee wird uns nicht verwechseln«, Felicity war dem Blick der anderen gefolgt und nahm das Heft entgegen.

»Hoffentlich. Ich nehme nicht gern gebrauchte Ware«, erklärte City hochnäsig.

Mein Blick fiel auf das Heft. Im gleichen Moment fühlte ich mich, als hätte mir jemand einen Baseballschläger in den Magen gehauen.

Felicity Stratton stand darauf.

»Stratton?«, erkundigte ich mich. Ich hörte, wie belegt meine Stimme klang. »Du heißt Stratton?«

Felicity sah mich verliebt an und nickte. Ich wusste, der Kuss hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Das tat er nie.

»Ja. Noch. Aber wer weiß, ob ich nicht irgendwann einen neuen Nachnamen bekomme? FitzMor zum Beispiel.«

Hinter ihr erklang ein abfälliges Stöhnen. City tat, als müsse sie sich übergeben. Ihre Pölsterchen an den Hüften waren unter dem hässlichen T-Shirt deutlich zu erkennen, als sie sich vorbeugte. Moment mal … City war bestimmt nicht ihr richtiger Name.

Mir schwante Übles.

Trotzdem musste ich mir diesmal sicher sein. »Und du bist City?«

Sie sah mich so verächtlich an wie ich sie wohl vorhin.

»Ja. Aber meine Freunde nennen mich Felicity. Felicity Morgan«, erklärte sie hochnäsig.

Jetzt war mir richtig schlecht. Ich hatte einen riesengroßen Fehler begangen.

Ich hatte die Falsche geküsst und an mich gebunden.

Nicht die Auserwählte schmiegte sich verliebt an mich. Die stand mir gegenüber und war alles andere als die Traumfrau, die ich mir ausgemalt hatte.

FELICITY

DER AUFTRITT

Es war Montag, der dritte September. Der Tag begann wie viele andere auch. Ich kam zu spät zur Schule. Wer hätte gedacht, dass sich an diesem Tag alles in meinem Leben ändern sollte? Wenn ich es auch nur ansatzweise geahnt hätte, hätte ich auf jeden Fall mehr auf mein Aussehen geachtet. Oder wäre im Bett geblieben.

Die Gänge des Horton College hatten sich schon ziemlich geleert, als ich an mein Schließfach hechtete und mein Geografiebuch zwischen einem mit Saft und Pudding befleckten T-Shirt und anderen Schulbüchern suchte. In meiner Hektik fielen ein Deospray, ein paar lose Blätter und ein zerfledderter Roman auf den Boden. Umständlich raffte ich alles auf, knallte den Kram achtlos zurück in den Spind und versuchte abzuschließen. Dabei brach mein Schlüssel ab. Na toll. Wenn was schiefging, dann richtig. Und ausgerechnet zur Doppelstunde bei Ms Ehle musste ich zu spät kommen!

»Ah, Miss Morgan beehrt uns«, sagte sie auch prompt, als ich mich in den Klassenraum schleichen wollte. »Haben Sie eine gute Ausrede parat oder soll ich eine für Sie erfinden?"

»Schreiben Sie ins Klassenbuch ›starker Verkehr‹«, antwortete ich liebenswürdig.

»Sie wohnen direkt hinter dem College«, meinte sie trocken. Sie trat einen Schritt näher und schnupperte. »Rieche ich an Ihnen etwa Alkohol?«, fragte sie streng.

Oh, Mist. Das hatte ich vergessen. »Ja, Miss Ehle«, antwortete ich und senkte meinen Blick. Nicht weil ich verlegen war, sondern um ein Grinsen zu unterdrücken.

»Sie betrinken sich und sind noch nicht einmal einundzwanzig?«

»Ich bin achtzehn«, klärte ich sie unnötigerweise auf.

»Und trinken mitten in der Woche Alkohol? Sie wissen, dass ich das der Schulleitung melden muss, nicht wahr?«

Ich nickte.

»Setzen Sie sich auf Ihren Platz. Ich möchte endlich mit dem Unterricht beginnen.«

Schnell befolgte ich ihre Anweisung und huschte zu meinem Tisch. Während ich Federmäppchen, Block und Buch auspackte, kam von hinten ein Zettel auf meine Bank geflogen.

Mittwochsmotto: Ehle in Strapsen mit Bunnyöhrchen stand darauf. Ich drehte mich um und grinste Phyllis zu. Sie zwinkerte und Corey neben ihr wackelte mit seinen buschig roten Augenbrauen und einem anzüglichen Grinsen.

Als ich mich nach den anderen Mitschülern umsah, stellte ich fest, dass alle den wissend grinsenden Gesichtsausdruck trugen. Auch sie stellten sich also Ms Ehle in aufreizenden Dessous mit Hasenohren vor. Bei der ein Meter sechzig großen und mindestens neunzig Kilo schweren Ms Ehle mit ihren kurzen, fettigen Haaren ohne erkennbare Frisur war diese Vorstellung mehr als absurd – und machte somit die Stunde erträglich. Öl- und Gasvorkommen in Aserbaidschan. Wer zur Hölle brauchte das? Ich versuchte mein Gähnen so gut wie möglich zu verstecken und überlegte, dass an dem mächtigen Hinterteil von Ms Ehle ein Hasenschwänzchen glatt untergehen würde. Bridget Jones war eine Sexbombe im Vergleich zu ihr.

Als der Gong schlug, sprangen wir auf, als hätte uns jemand Nadeln in den Hintern gestochen, und rannten hinaus.

»War’s wieder spät gestern Abend?«, fragte Phyllis im Flur. Sie war meines Erachtens das schönste Mädchen der Schule. Ihre Haut hatte die Farbe von Milchkaffee, sie hatte eine Figur und Haare wie Naomi Campbell und ein ebenmäßiges Gesicht mit hohen Wangenknochen und schokoladenbraunen Augen. Neben ihr fühlte ich mich oft ziemlich unscheinbar und plump. Aber das Schönste an Phyllis war: Ihr war das Aussehen egal. Mein Glück, denn sonst wäre ich bestimmt nicht ihre beste Freundin.

»Ziemlich«, antwortete ich. »Wer hat sich denn das Mittwochsmotto heute ausgedacht?« Corey war mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht zu uns aufgerückt. »Ach, was frag ich überhaupt. Hast du dir mal überlegt, dass die Vorstellung von Lehrern in Strapsen etwas Furchterregendes hat?«

Er zuckte die Schultern. »Kommt drauf an. Bei Mr Singer stimme ich dir zu.«

»Uäh!«, riefen Phyllis und ich einstimmig.

»Was habt ihr denn für ein Problem?« Jayden hatte uns eingeholt. Dadurch keuchte er ein wenig.

»Wann speckst du endlich mal ab?«, fragte Corey ihn missbilligend. »Denk dran, Dicke leben nicht lang.«

Jayden ignorierte ihn und wandte sich an mich. »Felicity, du stinkst, als wärst du gestern Abend in ein Fass Glenfiddich gefallen. Und so k. o. siehst du auch aus. Hat deine Mutter dich schon wieder im Pub eingesetzt?«

Ich lächelte ihn dankbar an. Wenigstens meine Freunde konnten sich denken, weshalb ich oft zu spät war und manchmal nicht ganz taufrisch aussah.

Jayden mochte zwar eins achtzig groß sein, hatte aber definitiv zwanzig Kilo zu viel. Gepaart mit seinem furchtbaren Geschmack in Sachen Klamotten wirkte er auf den ersten Blick wie eine billige Chris-Tucker-Imitation. Allerdings hatte Jayden einen messerscharfen Verstand. Keiner an der Schule konnte ihm im Unterricht das Wasser reichen.

»Sorry. Ich habe den Geruch gar nicht bemerkt, als ich mich heute Morgen angezogen habe«, erklärte ich schnell. »Vielleicht sollte ich in der Mittagspause nach Hause flitzen und mir ein frisches T-Shirt anziehen.«

»Ich habe noch eins in meinem Spind«, bot mir Corey an.

»Äh, ich auch«, meinte ich zaghaft. Schließlich kannte ich Corey gut genug, um zu wissen, dass er mit seinen Sachen noch sorgloser umging als jeder andere von uns. »Meines ist mit Speiseresten bestückt. Und deines?«

»Sauber. Ich hab‘s als Ersatz.«

»Oh. Wenn das so ist … Prima, danke.«

Ruby und Nicole schlossen vor Coreys Schließfach zu uns auf.

»Morgen, Felicity, geht es dir gut?«, fragte Ruby mitfühlend.

Ich sah, wie ihre Nase bebte, weil sie den verschütteten Whiskey auf meinem Shirt roch. »Schon okay. Ich geh mich nur gerade umziehen. Danke, Corey.«

Ich nahm das T-Shirt entgegen und eilte in das nächste Mädchenklo. Erst als ich frisch umgezogen in den Spiegel blickte, sah ich, was auf dem Shirt stand: Sexgott.

Aber ich sagte mir, besser das, als nach Pub zu stinken.

Trotzdem atmete ich ein paarmal tief durch, ehe ich in den Gang trat.

Meine Freunde warteten noch immer vor Coreys Schließfach auf mich.

Nicole, Jayden und Phyllis brachen in lautes Gelächter aus, als sie mich sahen. Nur Ruby sah mich stirnrunzelnd an.

Die elfenhafte Ruby konnte einem Witz wie immer nichts abgewinnen. Corey allerdings amüsierte sich köstlich.

Ich lächelte gequält. »Danke, Corey. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Der Whiskeygeruch oder dieses Shirt. Mal abgesehen davon, dass ich hier drin versinke.«

»Ich finde, es steht dir«, grinste Corey frech und stierte auf meine Oberweite. »Du füllst es zumindest besser aus als ich.«

»Denkst du eigentlich auch mal an was anderes als Sex?«, fragte Nicole.

»Selten«, gestand Corey.

Ich musste zweimal hintereinander niesen. Der Geruch des Weichspülers kitzelte in meiner Nase. Dadurch bekam ich die Aufregung um mich herum etwas verspätet mit.

»Guter Gott, wer ist denn das?«, hörte ich Nicole atemlos fragen. Ich musste wieder niesen. Erst da sah ich ihn. Er kam an der Seite der Direktorin auf uns zu. Selbst die Direktorin Mrs Haley-Wood schaute schmachtend zu ihm auf. Er war schlank und wirkte äußerst sportlich. Seine Haare waren dunkelblond, dicht, verwuschelt, als würde er ständig darin wühlen, und an den Seiten so lang, dass sie die Hälfte seiner Ohren verdeckten. Zudem war er groß. Sehr groß. Größer als alle anderen Jungs an unserem College. Und er hatte das schönste Gesicht, das ich je bei einem Mann gesehen hatte.

Zugleich bewegte er sich mit einer Lässigkeit, die Corey sich seit Jahren anzueignen versuchte. Bislang ohne Erfolg.

»Meine Güte, Alex Pettyfer ist seit eben auf unserer Schule«, hauchte Nicole ehrfürchtig. Ihr und Phyllis stand der Mund weit offen.

»Quatsch. Der Typ dahinten ist viel größer«, korrigierte Corey. Er klang betroffen. Ruby hatte die Augenbrauen bis zum Haaransatz hochgezogen. Einzig Jayden wirkte unbeeindruckt.

Mrs Haley-Wood und der Neue kamen näher.

»Nur noch ein paar Meter«, flüsterte Nicole beschwörend. »Nur noch ein paar Meter. Komm her. Hierher. O verdammt.«

Letzteres rief sie ebenso empört wie laut. Wir wussten, weshalb. Felicity Stratton, die Edelzicke, und ihre Anhänger hatten sich geschickt der Direktorin in den Weg gestellt. Felicity und ich teilten uns den gleichen Vornamen, aber damit endete jegliche Ähnlichkeit. Felicity wurde immer mit ihrem vollen Namen angesprochen, sie war groß, schlank und topmodisch gekleidet. Ich hieß bei allen, mit Ausnahme von Phyllis und den Lehrern, die Stadt oder schlicht City. Den Spitznamen hatten Felicity und ihre illustren Freundinnen mir verpasst. Nicht nur, um uns zu unterscheiden, sondern mit der Begründung, ich sei so kantig und schmutzig wie die City of London.

Wir konnten hören, wie Mrs Haley-Wood Felicity vorstellte und ihr erklärte, es handele sich bei dem Unbekannten um einen neuen Mitschüler.

»Warum ausgerechnet immer sie?«, stöhnte Nicole. »Wie eine Spinne, die ihre Fühler ausstreckt.«

»Spinnen haben aber keine Fühler«, meinte Ruby irritiert.

Corey rollte mit den Augen. »Das ist eine Metapher, Ruby.«

»Oh, verstehe. Hättest du dann nicht besser gesagt, ihre Netze auslegt oder so was?« Ruby war bildhübsch, sah aber oft die Dinge etwas anders als wir anderen. Ihre Aussage bewies wieder einmal, dass sie mit Wortspielen nicht zurechtkam.

»Auf jeden Fall kann Felicity gut ihr Gift verspritzen«, sagte ich trocken. »Ich glaube, der ist eine Nummer zu groß für uns. Soll er doch mit Felicity und ihrer Clique von arroganten Schnöseln glücklich werden.« Ich beobachtete, wie Felicity dem Neuen eine Hand auf den Arm legte. Sie würde auf jeden Fall alles daransetzen ihn ihrem ausgewählten Kreis von Bankerkindern, künftigen Politikern und Schauspielern zuzuführen.

»Ob er Irish Stew mag?«, überlegte Ruby und sah dem Neuen zu, wie er lässig sein Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte und die Hände in die Taschen schob.

Wir sahen sie alle groß an.

»Wieso Irish Stew?«, hakte Corey nach.

»Hm, ich mag’s nicht. Er könnte meine Portion heute Mittag haben.«

»Er kann auch meine haben, wenn er sich dafür neben mich setzt«, kicherte Nicole. »Wer muss schon essen bei diesem Anblick?«

Er war wirklich umwerfend und zog die Aufmerksamkeit sämtlicher auf dem Gang befindlicher Studenten auf sich.

Und auf einmal schaute er auf und mir direkt in die Augen. Erschrocken musste ich ein weiteres Mal niesen. Dabei machte ich einen kleinen Schritt zurück und fiel über meine Tasche. Rundherum lachten alle laut auf.

»Na toll. Jetzt weiß er, dass Bridget Jones auch an dieser Schule ist.« Umständlich rappelte ich mich auf.

»Und er hat einen hervorragenden Blick auf dein mächtiges Hinterteil werfen können«, meinte Corey und schlug mir jovial auf die Schulter.

Ich stöhnte und schloss einen Moment die Augen. Gab es hier ein Loch, in das ich versinken konnte? Als ich die Augen wieder aufschlug, sah ich seinen Blick mit den typischen Empfindungen, mit denen ich oft gemustert wurde: Amüsement, Herablassung und ein wenig Mitleid.

»Komm mit, Lee«, sagte Felicity und hakte sich bei ihm unter. »Ich zeige dir, wo der Englisch-Kurs ist.«

Er ließ sich willig mitziehen.

Ich konnte sein zufriedenes Grinsen bis hierher sehen. Und genau das würde ich die nächste Stunde ertragen müssen. »Ich muss gehen. Wir sehen uns in der Mittagspause.« Ich schulterte meine Tasche und ging mit energischen Schritten die Treppe hoch.

»Oh, frag ihn bitte, ob er mein Stew möchte, ja?«, rief mir Ruby hinterher.

Ich ignorierte sie. Leider konnte ich Ms Ehle, unsere Geografielehrerin, nicht ignorieren.

»Miss Morgan, Sie haben Ihr Heft verloren.« Sie reichte mir das Heft und eilte weiter.

Ich sah auf den Umschlag. Von wegen mein Heft. Sie hatte mir Felicitys Heft gegeben. Ich spielte ernsthaft mit dem Gedanken, es ins nächste Klo zu werfen. Aber leider hatte Ms Ehle ein langes Gedächtnis. Sie würde mir eher Trunkenheit nachsehen als den Verlust eines Lehrmittels aus ihrem Unterricht.

Ich warf meinen Rucksack so auf den Rücken, dass ich hoffte damit den Aufdruck verdeckt zu bekommen. Jeder, der mir entgegenkam, grinste breit, sobald er »Sexgott« las. Ich konnte es keinem verübeln. Auf halbem Weg fühlte ich, wie der Rucksack rutschte. Dummerweise hatte ich soeben eine Hand in meinen Haaren, um ein paar Strähnen zu entwirren, und in der anderen Felicitys Heft. Der Rucksack rutschte und ich stolperte. Da bemerkte ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Zu dumm. Ich wurde unfreiwilliger Zeuge, wie Felicity den Neuen mit aller Kunst küsste. Zu meiner Genugtuung schien er es nicht sonderlich zu genießen. Sobald er mich entdeckte, brach er den Kuss ab.

»Entschuldigung«, murmelte ich und konnte den sarkastischen Tonfall nicht ganz unterdrücken.

Felicity drehte sich um.

»Verschwinde, City. Spionierst du mir etwa nach?«

»Weshalb sollte ich dir wohl nachspionieren?«, fragte ich, ehrlich amüsiert. »Glaubst du vielleicht, ich will lernen, wie man sich in der Öffentlichkeit lächerlich macht?«

»Das brauchst du nicht zu lernen. Das kannst du von ganz allein«, fauchte Felicity. »Hau ab, City. Lee ist wohl nicht ganz deine Kragenweite.«

Den Speed-Knutscher konnte sie gerne behalten. »Nein, City, aber zum Glück ja deine. Ich glaube, du hast heute deinen eigenen Rekord geknackt: zwei Minuten nach dem Kennenlernen. Gratuliere.« Ich reichte ihr das Geografieheft. »Hier. Miss Ehle hat uns verwechselt.«

Lee hatte noch immer kein Wort gesagt, aber sein Blick sprach Bände. Allerdings schien er nicht ganz so bezaubert von Felicity zu sein, wie man es nach einem Kuss hätte erwarten sollen. Vielleicht hatte sie Mundgeruch? Hoffentlich waren es Knoblauch oder – noch schlimmer – Zwiebeln.

»Keine Sorge, City, Lee wird uns nicht verwechseln.«

Sie kam näher und nahm das Heft. Nein, kein Mundgeruch. Schade.

»Hoffentlich. Ich nehme nicht gern gebrauchte Ware.« Jedenfalls keine abgelegten Typen von Felicity Stratton. Ein bisschen mehr Stolz besaß ich schon.

Lee sah dagegen aus, als habe ihm Felicity während des Kusses eine giftige Kapsel verabreicht. Er starrte mit riesigen Augen auf das Heft, dann auf Felicity.

»Stratton?«, krächzte er. »Du heißt Stratton?«

Felicity nickte schmachtend. »Ja. Noch. Aber wer weiß, ob ich nicht irgendwann einen neuen Nachnamen bekomme? FitzMor zum Beispiel.«

Oh. Mein. Gott. Wusste sie nicht, dass man Jungs nie mit Ich-will-ein-Kind-von-dir überfallen darf? Lee sah im Moment aus, als wäre ihm schlecht. Tja, liebe Felicity, das ging wohl zu schnell. Geschieht dir recht. Ich wandte mich ab, um zum Klassenraum zu gehen. Das hier war ja nicht zu ertragen.

Eine Hand umfasste meinen Oberarm. Ich zuckte zusammen, ein elektrischer Schlag durchzuckte mich. Lee hielt mich fest und sah mir direkt in die Augen.

»Was?«, fragte ich pampig. Ich wollte keinesfalls eine Ohrfeige riskieren. Als ich vor acht Jahren hierhergekommen war, waren Jungs noch nicht ganz so sparsam im Verteilen von Hieben; die waren mir in guter Erinnerung geblieben. Und nicht alle Jungs legten diese pubertäre Eigenschaft ab. Der Typ funkelte im Augenblick zumindest dermaßen, dass ich das Schlimmste befürchtete. Er machte mir Angst.

In dem Moment ließ er mich los und blinzelte zweimal. »Heißt du tatsächlich City?«

Ich richtete mich auf und sagte so freundlich wie möglich im besten Oxford-Akzent: »Natürlich nicht. Meine Freunde nennen mich Felicity. Felicity Morgan.« Er sah mich so erschüttert an, als hätte ich gesagt, ich wäre die Prinzessin von Wales.

UNTERRICHT MIT DEM HEISSESTEN TYPEN DER SCHULE

Englische Literatur war einerseits fantastisch und andererseits schrecklich. Fantastisch, weil unser Lehrer Mr Sinclair tollen Unterricht machte mit viel Literatur, sowohl klassischer als auch moderner. Genau mein Fall. Schrecklich war allerdings, dass keiner von meinen Freunden den Kurs bei Mr Sinclair belegte. Ich war allein mit dem gesamten Star Club und ein paar anderen, die den Star Club anhimmelten.

Deswegen saß ich auch isoliert in Englisch. Neben der stinkenden Stadt, die angeblich Läuse aus dem Pub mitschleifte, wollte niemand sitzen. Dafür hatten Felicity und ihre noblen Freunde gesorgt.

Ich setzte mich an meinen einsamen Tisch und breitete meine Schulsachen aus. Dann versuchte ich, wie immer, rundherum alles auszublenden und mich einzig auf den Unterricht und die Bücher zu konzentrieren. Lord Byron machte es einem sehr einfach damit.

Nur diesmal nicht. Ein Schatten fiel auf Byrons »Giaur«. Als ich aufsah, stand ER vor mir.

»Ist der Platz noch frei?«, fragte der Neue und ich hörte zum ersten Mal seine Stimme, wenn sie nicht krächzte. Sie war in Wirklichkeit etwas tiefer, voller und erinnerte an Eiscreme – irgendwie schmelzend, verlockend und erfrischend.

Felicity, reiß dich zusammen, sagte ich mir, aber ich konnte nicht verhindern, dass ich ihn anstarrte.

Er setzte sich mit einer eleganten, fließenden Bewegung auf den freien Stuhl neben mir und lächelte aufmunternd, indem er alle seine weißen, blitzenden Zähne zeigte. Ob er auch für Zahnpasta modelte? Bei den Beißern bestimmt. Sein Lächeln wurde breiter.

»Wie ist hier der Englischunterricht so?«

Ich wandte mich lieber wieder Byron zu. Obwohl der seinerzeit auch als Frauenschwarm gegolten hatte, war er mir lieber. Schließlich war er tot. Der Typ neben mir war dagegen äußerst lebendig – und gefährlich. Wer sich von Felicity Stratton innerhalb von zehn Minuten küssen ließ, konnte überhaupt nicht harmlos sein. Suchte er vielleicht eine Möglichkeit, um mich weiter lächerlich zu machen? Der Star Club wäre begeistert.

»Hör mal, Felicity, es tut mir leid, wir hatten vielleicht keinen guten Start …«

Er war ganz schön hartnäckig.

»Wir haben gar nichts«, stellte ich richtig. »Du hast …« Ich stockte. Was hatte er? Mit Felicity Stratton geknutscht. Na und? Das ging mich nichts an. Und ich konnte ihm schlecht seine arrogante Miene vorwerfen. Die gehörte bestimmt zu seiner Grundausstattung.

»Oh, du bist eifersüchtig?« Er klang amüsiert.

Ich atmete tief ein und sah ihn direkt an. »Ja, genau. Eigentlich wollte ich dich schon in der Halle überfallen, aber ich habe leider zu viele Hemmungen. Dein unglaubliches Aussehen hat mich doch glattweg eingeschüchtert, sonst bin ich nämlich nicht so zurückhaltend und küsse direkt jeden, der daherkommt.« Ich lächelte ihn genauso breit an wie er mich vorhin. Wohl wissend, dass meine Zahnspange die gegenteilige Wirkung von seinem Lächeln hatte.

Eigentlich hatte ich erwartet, dass er erschrocken zurückzucken würde. Tat er aber nicht. Er hatte tatsächlich den Anstand, zerknirscht auszusehen. Aber nur einen kurzen Moment, dann zuckten seine Mundwinkel und ein amüsiertes Grinsen brach durch.

»Okay, ich hab’s verstanden. Entschuldige meinen unmöglichen Auftritt. Lass uns noch mal ganz von vorn anfangen, ja? Ich bin Lee FitzMor.«

Er hielt mir die Hand hin. Ich zögerte. Aber wenn ich nicht einschlug, würde er mich für die Art unmögliche Zicke halten, die in Hollywood-Filmen das typische Mauerblümchen verkörpert.

»Felicity Morgan«, sagte ich und ergriff seine Hand. Im selben Moment zuckte ich erschrocken zurück. Seine Berührung löste einen elektrischen Impuls aus, einen Stromschlag, als hätte ich einen der Viehzäune in Cornwall angefasst.

Ich sah auf und erkannte, dass er genauso erschrocken war wie ich.

Ehe einer von uns reagieren konnte, wurden wir gestört.

»Hör mal, Lee«, Felicity setzte sich aufreizend auf meine Hälfte des Tisches, auf Byron drauf. »Magst du dich nicht lieber zu uns setzen?« Sie deutete mit dem Kopf zur anderen Ecke des Klassenzimmers, wo Jack Roberts, Cynthia Newmarket, Ava Gartner saßen, kurz der gesamte Star Club. »Wir rutschen ein bisschen zusammen, dann wirst du weniger abgelenkt.«

Ha, mit diesem Wimpernaufschlag? Der ließ sogar Jack Roberts regelmäßig durchdrehen, und das, obwohl der seit Jahren dran gewöhnt sein müsste. Ich erwartete, dass Lee jetzt aufstehen und ohne ein Wort mit Felicity gehen würde und dies unser letztes Gespräch gewesen wäre, aber …

»Nein, danke. Ich sitze gut.«

Ich weiß nicht, wer verblüffter aussah, Felicity oder ich.

Doch so leicht gab sie nicht auf. Sie beugte sich vertraulich zu ihm und sagte, so laut, dass jeder im Umkreis von fünf Metern es hören konnte: »Du musst nicht neben der Stadt sitzen. Neben der will niemand sitzen. Sieh dir nur ihre Haare an.«

Meine Haare? Unwillkürlich fuhr ich mit der rechten Hand in meine Mähne. Zugegeben, sie waren dicht und lockig, nicht so lockig, dass sich niedliche Korkenzieher gebildet hätten, aber als eine Föhnwelle gingen sie allemal durch. Meine Hand blieb sofort in ein paar Knoten hängen. Ach, du lieber Heiland. Ich sah bestimmt aus wie ein gerupftes Huhn. Weshalb hatte Phyllis nichts gesagt? Ich gab das Entwirren auf.

»Schon okay, Lee, Liebling«, sagte ich und klimperte mit meinen Wimpern. »Geh ruhig mit Felicity spielen. Ich bin nicht eifersüchtig.«

Ich hoffte inständig, er würde gehen. Ich schämte mich nämlich gerade zu Tode. Kam ich tatsächlich immer so ungepflegt zur Schule? Wie peinlich.

»Nein, danke, Schatz«, sagte Lee zu meinem Erstaunen. »Wer achtet schon auf die Haare bei einem so umwerfenden Lächeln?«

Ich wusste genau, dass sowohl Felicity als auch ich wieder ähnlich dämlich dreinsahen.

Zumindest ging sie an ihren Platz zurück und gab meinen Byron frei.

Sobald sie verschwunden war, flüsterte ich meinem neuen Banknachbarn zu: »Äh, Lee, ich habe echt kein Problem damit, wenn du dich zu denen setzt.«

Lee lehnte sich entspannt zurück. »Nein, ehrlich. Ich möchte hier sitzen bleiben. Hier hat man eine gute Sicht auf die Tafel.«

Ehe ich etwas erwidern konnte, betrat Mr Sinclair den Klassenraum und begann mit dem Unterricht. Allerdings konnte ich mich heute nicht so darauf konzentrieren wie sonst.

Sobald es klingelte, sprang ich auf und eilte nach draußen. Ich musste unbedingt ins nächste Klo und meine äußere Erscheinung in Ordnung bringen. Mit einem sauberen T-Shirt allein war es doch nicht getan.

Ich kämmte meine Haare, versprühte großzügig Deo und bereute, dass meine alte Wimperntusche leer war und ich sie noch nicht ersetzt hatte.

Als ich den Biologieraum betrat, warteten meine Freunde schon alle auf mich.

»Und?«, fragten Phyllis und Nicole unisono.

»Wie sehe ich aus?«, ignorierte ich ihre Frage.

Die beiden sahen mich erstaunt an. »Okay. Wieso?«

»Hast du was mit deinen Haaren gemacht?«, fragte Phyllis und betrachtete neugierig meinen Kopf.

Ui, war es so offensichtlich?

»Äh, nur gekämmt. Ich bekomme die Welle einfach nicht gebändigt.«

»Weshalb?«, wollte Nicole wissen. Aber im gleichen Moment war ihr die Antwort egal, denn sie starrte auf jemanden hinter mir.

»Wegen mir hättest du dich nicht hübsch machen müssen«, sagte Lee und ließ sich wie selbstverständlich auf dem Stuhl neben mir nieder.

Dann erst schaute er zu Phyllis und Nicole, die ihn groß anstarrten. »Verzeihung. Sitzt hier einer von euch?«

»Nein, nein, kein Problem«, versicherte Phyllis schnell. Sie sah zwischen Lee und mir hin und her. Ihre Augen blitzten.

»Ich glaube, wir kennen uns noch nicht«, sagte Lee, als er Phyllis’ Blick auffing. Das verzieh ich jedem - Phyllis zog immer alle Blicke auf sich mit ihrer Café-au-lait-farbenen Haut, den langen, seidig schwarzen Haaren und ihren grazilen Gesichtszügen.

»Phyllis Lasseter«, stellte ich vor. »Und das ist Nicole Laverick.«

Nicole und Phyllis schüttelten Lee die Hand, aber keine von beiden schien einen elektrischen Schlag zu spüren, wie ich ihn gespürt hatte. Sie waren einfach nur hingerissen, wie Felicity Stratton.

»Hallo«, hauchte Nicole verzückt. Sie konnte ihre Augen gar nicht abwenden. Damit konnte sie den kräftigen Schlag auf ihren Rücken nicht voraussehen.

»Hey, altes Haus, kann ich mal deinen Genstrang sehen?« Corey linste über ihre Schulter.

»Du meinst wohl meinen DNA-Strang«, korrigierte Nicole ungehalten.

»Und wennschon«, Corey zuckte gleichgültig mit den Schultern und hielt Lee die Hand hin. »Hallo, ich weiß, wer du bist. Ich kenne dich aus Beastly. Warum, zum Henker, drückst du noch mal die Schulbank? Gab’s keine Filmangebote mehr?«

Phyllis und ich tauschten einen Blick und grinsten breit. Typisch Corey. Obwohl ich mir nie sicher war, ob er sich absichtlich so dumm stellte oder ihm derartige Sprüche nur herausrutschten.

Lee nahm es jedenfalls locker.

»Ich heiße Lee FitzMor. Die Filmangebote waren in letzter Zeit tatsächlich recht spärlich.«

Coreys Augen weiteten sich. »Corey McKenna. Lee? Entschuldigung. Ich dachte … ähnlich … äh … Lee ist ein ungewöhnlicher Name.«

Bevor Corey einen Witz darüber reißen konnte, betrat Ms Greenacre den Klassenraum und jeder suchte seinen Platz.

Nach der Biologiestunde schnappte Felicity Lees Arm und zerrte ihn hinter sich in Richtung Cafeteria. Ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen, folgte er ihr.

STARCLUB VS. LOSER

»Das war’s dann wohl«, sagte Nicole und sah zum Star Club am anderen Ende der Cafeteria. Es klang wie eine Feststellung, nicht enttäuscht. Lee saß lachend und plaudernd zwischen Jack, Ava und Cynthia.

»Bitte haut mich, wenn ich mich je so verhalten sollte wie Felicity«, sagte ich und beobachtete, wie sie, einen Arm unter seinen geschlungen, schmachtend an seinen Lippen hing.

»Keine Sorge«, sagte Jayden, »du würdest dich nicht mal so verhalten, wenn Prinz Harry persönlich dir seine ewige Treue schwören würde.«

Ich sah ihn überrascht an. »War das ein Kompliment oder eine Kritik? Glaubst du, ich könnte mich nicht verlieben?«

Jayden aß ungerührt weiter. »Nein, ich glaube, du bist zu nüchtern für so ein Teeniegehabe. Genau wie ich.«

Ich wusste immer noch nicht, ob ich geschmeichelt oder beleidigt sein sollte. Hielten mich meine Freunde für so unromantisch? Anscheinend, denn keiner reagierte auf Jaydens Aussage.

»Hey, nur weil ich Prince Charming noch nicht begegnet bin, heißt das nicht, ich könnte mich nicht verlieben«, entgegnete ich energisch.

Als hätte ich soeben verkündet, ich wolle Schulsprecher des Horton College of Westminster werden, hielten alle in ihren Bewegungen inne und starrten mich an. Phyllis fasste sich als Erste.

»Das hat niemand behauptet. Natürlich kannst du dich verlieben«, sagte sie und tätschelte mir beschwichtigend die Hand.

»Wer käme denn einem Prince Charming nahe?«, fragte Nicole neugierig.

Corey und Jayden beugten sich vor, als hätten sie Angst, etwas zu verpassen. Jetzt wusste ich, wie sich ein in die Ecke gedrängtes Kaninchen fühlte.

»Ich sag’s dir, wenn ich ihm begegne«, erklärte ich und aß schnell weiter. Leider hatte ich vergessen, was es gab. Ich verzog angewidert das Gesicht. Eintopf war noch nie mein Fall gewesen.

Zwischen den letzten beiden Stunden suchte ich den Hausmeister und bat ihn das defekte Schloss an meinem Spind zu reparieren. Er war einer der wenigen an der Schule, die mich nicht verachteten. Er versprach freundlich, sich sofort darum zu kümmern, und händigte mir einen neuen Schlüssel aus. Ich eilte wieder zum Unterricht und bedauerte, dass der Hausmeister mich nicht bei dem Austausch brauchte.

Die letzte Stunde verlief wie jeden Mittwoch: Geschichte war eine endlose Aneinanderreihung von Daten, vorgetragen im monotonen Singsang von Mrs Crobb. Wenn ich nicht gelesen hätte, dass die spanische Armada 1588 niedergemacht worden war, dem endlosen Monolog unserer Lehrerin hätte ich es nicht entnehmen können.

Wie üblich saß ich allein - Felicity wich Lee nicht wieder von der Seite.

Aber ich war nicht enttäuscht. Ehrlich nicht. Es war von vorneherein klar gewesen, dass ein Junge wie Lee nicht mit den Losern herumhängen würde. Als endlich der Gong zum Schulschluss läutete, verlor ich ihn auch aus den Augen.

»In der nächsten Stunde bei Mrs Crobb brauchen wir unbedingt ein Motto«, stöhnte Nicole auf dem Weg aus dem Klassenzimmer.

»Bei der lässt mich jede Fantasie im Stich«, sagte Corey. »Wie sieht’s aus mit euch? DVD-Abend bei mir? Ihr Mädels dürft aussuchen. Nur bitte: keine Vampire-Filme.«

Das klang gut. Wir sagten alle zu und verabschiedeten uns.

»Wohin, City?«, fragte Jayden, als ich in Richtung Flur strebte statt zum Ausgang.

»Zum Spind«, erklärte ich und winkte den anderen zu. »Ich muss unbedingt die alten T-Shirts zum Waschen mit nach Hause nehmen. Bis später!«

Es dauerte eine Weile, bis ich an den mir entgegenströmenden Schülern vorbeikam. Vielleicht hätte ich einfach heimgehen sollen, denn die Bemerkungen zu dem »Sexgott« auf Coreys T-Shirt waren wirklich lästig.

Doch allmählich wurden die Gänge immer leerer und schließlich war ich fast allein im Gebäude. Aber nur fast. Neben meinem Spind stand ein Pärchen in inniger Umarmung und küsste sich leidenschaftlich. Felicity presste ihren Körper der Länge nach an den von Lee. Sie drängte ihn gegen die Schränke und es sah aus, als wolle sie ihn aufsaugen. Ich war mir sicher kein Geräusch gemacht zu haben, trotzdem sah er auf einmal auf und mir direkt in die Augen.

Ich fühlte mich ertappt und wollte umkehren.

Doch Lee wandte sich von Felicity ab. »Wolltest du was?«, fragte er und seine Stimme klang ein wenig heiser, wenngleich auch äußerst freundlich.

Felicity drehte sich um und entdeckte mich. »Was stehst du da rum, City?«, fauchte sie.

»Ich muss an mein Schließfach«, erklärte ich. Wahrscheinlich würde sie mich jetzt extra nicht dranlassen. Nicht nur, weil sie unterbrochen worden war, sondern auch, um mir eins auszuwischen.

Aber Lee tat etwas, das mich überraschte. Er schob Felicity entschieden beiseite und machte mir Platz. »Tut uns leid. Wir gehen.«

Felicity sah das garantiert nicht so. Sie kochte vor Wut. Ich sah sie ihre Hand gegen mich erheben. Auf eine Schlägerei hatte ich wirklich keine Lust. Ich drehte mich um und wollte gehen, ehe sie zuschlagen konnte.

»Hey, warte doch.« Lee hielt mich am Handgelenk fest und genau wie bei unserem Händeschütteln durchfuhr mich ein leichter elektrischer Schlag. Überrascht blieb ich stehen und drehte mich um. Er schien genauso verblüfft. »Entschuldige. Wir wollten eh gerade gehen.«

Ich sah zu Felicity, die mich nach wie vor wütend anfunkelte.

Lee ließ das unbeeindruckt. »Na los, Felicity. Es beißt dich niemand.« Er trat zur Seite und ich sah, dass er eine weitere Berührung vermeiden wollte.

»Sie heißt nicht Felicity«, fauchte Felicity. »Ich bin Felicity. Sie ist nur City, die Stadt. Genauso grau, schmutzig, morgens chaotisch und abends einsam und verlassen. Wie der Pub ihrer Mutter.«

Wie gerne hätte ich jetzt eine schlagfertige Antwort gegeben, bissig, witzig und zugleich ironisch, etwas, das sie erröten lassen und ihr ein für alle Mal ihr bösartiges Maul stopfen würde. Leider fiel mir nichts ein. Mir blieb nur ein letzter Rest Würde. Ich richtete mich auf und sagte so ruhig wie möglich: »Du hast deinen Standpunkt ziemlich deutlich gemacht. Ich weiß, wo ich stehe. Nicht nötig auch noch darauf herumzutrampeln.«

Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt für die beiden gewesen zu verschwinden, denn meine Hände zitterten so stark, dass ich einige Zeit brauchen würde, bis ich den Schlüssel ins Schloss meines Spinds gesteckt bekäme. Lee sah mir ein letztes Mal in die Augen, dann fasste er entschlossen Felicitys Arm und zog sie zum Ausgang. Anscheinend fühlte sie keinen Stromschlag, denn sie folgte ihm, ohne zu zucken.

Ich schnappte mir meine T-Shirts, sobald ich dazu in der Lage war, räumte noch schnell den Schrank etwas auf und machte mich auf den Weg nach Hause.

Mum lag im Bett, als ich unsere Wohnung betrat. Wir wohnten hinter dem College in einer Mietwohnung direkt unter dem Dach. Das hatte Vor- und Nachteile. Ein großer Vorteil war, man hörte kaum etwas von dem Großstadtlärm, Nachteile waren die vielen Treppen zu unserer Wohnung (der Fahrstuhl war dauerdefekt), die gestaute Hitze im Sommer und Mrs Collins im mittleren Stockwerk, an deren Tür wir jedes Mal vorbeimussten. Ich fragte mich oft, ob sie auch etwas anderes tat, als uns im Flur abzupassen. Bis vor zwei Jahren war ich davon überzeugt gewesen, sie habe in alle meine Klamotten GPS-Chips eingebaut, weil sie immer genau wusste, wann ich die Treppe hochkam. Auch diesmal wieder.

»Na, Felicity, Schätzchen, Schule endlich aus?« Mrs Collins stand in ihrem üblichen rosa geblümten Kittel in der Tür. »Meinst du nicht, du verschwendest deine Zeit? Die A-Levels schaffst du ja doch nicht. Die sind so schwer! Und deine Mum könnte deine Hilfe im Pub gut brauchen.«

Jeden Tag die gleiche Leier. Wie gerne hätte ich ihr gesagt, sie solle sich um ihren eigenen Mist kümmern und mich in Ruhe lassen. Aber ich traute mich nicht. Zum einen mochte meine Mutter sie und war oft auf ihre Hilfe angewiesen gewesen; zum anderen war Mrs Collins’ Sohn Tom die Sorte Mensch, die man sich nicht zum Feind machen wollte.

Also schluckte ich alles runter, nuschelte was von Hausaufgaben und beeilte mich eine Treppe höher zu kommen.

»Felicity, bist du’s?«

Wer sonst?, dachte ich genervt, verbiss mir aber auch hier die pampige Antwort. Tränen konnte ich jetzt gar nicht brauchen.

»Ja, Mum.«

»Du bist spät, Liebling. Wie war die Schule?«

»Wie immer. Hast du Hunger?« Ich stellte die Tasche in meinem Zimmer ab und ging in die Küche auf der Suche nach dem Kopfsalat, den ich gestern gekauft hatte.

Ich wickelte ein paar Kartoffeln mit Olivenöl und Salz in Folie, schob sie in den Backofen und begann den Salat auseinanderzupflücken. Dazu hörte ich Radio. Kurz bevor die Kartoffeln gar waren, kam Mum in die Küche. Sie war schon fertig angezogen, um in zwanzig Minuten zum Pub zu gehen. Sie sah müde aus, wie immer. Aber in letzter Zeit wirkte sie noch dünner, noch faltiger im Gesicht.

»Stimmt was nicht, Mum?«, fragte ich vorsichtig, als sie zu dem Kräuterquark auch noch Marmelade und Honig auf den Tisch stellte.

»Wieso?« Sie sah alarmiert auf, folgte meinem kritischen Blick und wurde rot. Schnell stellte sie die Marmelade und den Honig ins Regal zurück.

»Nichts Besonderes, Felicity, nur … Könntest du mir heute Abend wieder helfen?«

Ich hatte gerade das Besteck aus der Schublade geholt und drehte mich betroffen zu ihr um. »Mum, wir wollten bei Corey einen DVD-Abend machen.«

»Nur ein oder zwei Stunden«, flehte meine Mutter. »Es reicht, wenn du erst um sieben kommst. Aber ich muss unbedingt diese Auflistung fürs Finanzamt fertig machen. Du müsstest nur die Theke übernehmen. Mehr ist heute Abend bestimmt nicht los.«

Mehr war nie los.

»Bitte, ich muss nur noch zwei Aufrechnungen machen und die Belege dazu raussuchen.«

Ich sah Mums müdes, eingefallenes Gesicht und überlegte, dass ich mir doch nicht ruhigen Gewissens einen Film mit meinen Freunden anschauen konnte, wenn meine Mutter so viele Sorgen hatte. Mums leuchtende Augen, als ich nickte, waren es wert. Während des Essens stellte sie noch ein paar Fragen über die Schule und erzählte von dem Anruf meiner Schwester Anna und dass mein kleiner Neffe Jacob zum ersten Mal Granny gesagt hatte.

Dann stand sie auf, hauchte mir einen Kuss auf die Stirn und verabschiedete sich. »Bis um sieben!«

Ich nickte und aß weiter. Ihr Teller war nahezu unberührt. Ich aß auch ihre Kartoffel und den ganzen Salat. Dann spülte ich ab, stellte die Waschmaschine an und setzte mich schließlich an die Hausaufgaben.

Phyllis rief an und teilte mir mit, Jayden, Corey, Nicole, Ruby und sie hätten umdisponiert und würden sich den neuen Richard-Cosgrove-Film im Kino ansehen. Schweren Herzens sagte ich ab. Ich mochte Richard Cosgrove und seine Filme. Er sah nicht nur unglaublich gut aus, er war auch immer der vollendete Gentleman – und trotzdem waren seine Filme nicht übermäßig kitschig. Davon abgesehen hätte ich mir den Eintritt ins Kino momentan eh nicht leisten können.

Phyllis sagte zwar, wie leid es ihr täte, dass ich nicht mitkönne. Aber ich hörte an ihrem extrem sanften Tonfall, dass sie meine Absage im Grunde genommen nicht guthieß. Im Gegensatz zu allen anderen meiner Freunde behielt sie ihre Meinung für sich. Nicole und Jayden wären nicht so zurückhaltend. Corey auch nicht und Ruby würde andauernd versuchen mich doch zu überreden. Keiner von ihnen verstand die missliche finanzielle Lage, in der wir uns befanden. Nur Phyllis. Auch ohne große Worte akzeptierte sie meine Befangenheit. Deswegen mochte ich sie so gern. Ihr musste man nicht lange etwas erklären.

Sie versprach mir ein Kinoheft mitzubringen und wir verabschiedeten uns. Ich kehrte zu meinen Schularbeiten zurück.

Als ich um ein Uhr ins Bett kam, dachte ich, es könnte Schlimmeres geben, als im Pub zu arbeiten. Wie immer hatten die üblichen Gäste an der Theke gesessen: Stanley, Mike und Ed. Die einzige Einnahmequelle seit Jahren, drei Alkoholiker, die alle meine Mutter anschmachteten. Hin und wieder befürchtete ich, Mum könnte sich mit einem von ihnen einlassen. Immerhin war sie, seit ich denken konnte, allein. Aber dann sagte ich mir, Mum hat einen besseren Geschmack, als einen grobschlächtigen Einzelhandelsverkäufer wie zum Beispiel Mike auszuwählen. Die anderen beiden sahen durch den jahrelangen Alkoholkonsum genauso mitgenommen aus.

Und da alle Mum und mich seit Jahren kannten, fühlten sie sich ein wenig verpflichtet die Vaterrolle bei mir einzunehmen. Sie quetschten mich wesentlich mehr über die Schule aus, als Mum es je getan hatte, erzählten Parallelen zu ihrem eigenen Leben und philosophierten über die aktuellen Nachrichten. Dabei waren sie – trotz des Alkoholpegels – nie ausfallend, sondern eher witzig und unterhaltsam.

Keiner von ihnen hatte Familie. Mike nicht mehr. Seine Frau war seine Trunkenheit irgendwann leid gewesen und hatte ihn vor fünf Jahren verlassen. Er hatte auch keinen Kontakt zu seinen beiden Söhnen. Stattdessen lebte er seine Vatergefühle an mir aus. Stanley und Ed hatten nie geheiratet. Stanley hatte hin und wieder eine Freundin, aber die waren stets schnell wieder verschwunden. Ed hatte niemanden außer Stanley, Mike und meiner Mutter. Er war der Ruhigste von den dreien, und seine fünfzig Kilo Übergewicht, die langen, fettigen Haare und die Akne machten aus ihm auch keinen Adonis. Aber er schien zufrieden.

Mit uns sprach er. Nicht viel, aber immerhin. Doch sobald sich Fremde in den Pub verirrten, zog er sich in sein Schneckenhaus zurück und seine Augen wurden viel schneller glasig als sonst.

Heute Abend hatten die drei über den Einsatz unserer Soldaten in Libyen diskutiert. Während Stanley das Engagement gut fand, hatte Mike behauptet, sie sollten besser Bettpfannen in den Krankenhäusern und Altenheimen leeren.

Erst im Bett, kurz bevor ich die Augen zumachte, fiel mir wieder ein, dass es einen Neuen an unserer Schule gab, dem ich morgen wieder begegnen würde. Immerhin war er in manchen meiner Kurse. Allerdings bekäme ich bestimmt nicht viel von ihm zu sehen - Felicity hatte ihn schon sicher in ihren Fängen.

Wie sehr ich mich irrte.

KEIN TRAUM

Der Wecker klingelte und ich brauchte erst mal einen Moment, um das Geräusch überhaupt einzuordnen. Ich hatte ziemlich wirres Zeug geträumt. Von jagenden Hunden, Männern mit Geweihen auf dem Kopf, einer Hetzjagd durch einen dunklen Wald. Und andauernd erschien mir das Gesicht eines kleinen blonden Jungen mit blassblauen Augen. Benommen blinzelte ich auf die Digitalanzeige des Weckers auf meinem Nachttisch und versuchte die großen, blauen Augen aus meinem Kopf zu verbannen. Ein Blick auf die Uhrzeit verdrängte sie schlagartig. Ich war schon wieder zu spät! Eine Art Déjà-vu übermannte mich, als ich aus dem Bett sprang, mich hastig anzog und schon aus dem Haus stürmen wollte. Ein letzter Rest Erinnerung an den Vortag ließ mich schließlich noch die Haare kämmen und einen Kaugummi in den Mund schieben, ehe ich loshetzte.

Genau wie gestern kam ich zu spät. Die Korridore waren schon verwaist. Ich hechtete die Treppen hoch und erreichte außer Atem den Englischraum. Mr Sinclair hielt mitten in seiner Erklärung inne und begutachtete mich mit zusammengezogenen Brauen.

»Entschuldigung, Sir, ich habe verschlafen«, erklärte ich kurzatmig.

»Setzen Sie sich, Miss Morgan, wir sprechen nach der Stunde darüber.«

Klar, ein einfaches »Kann schon mal vorkommen« war bei mir nicht drin. Dafür passierte mir das zu oft. Ich ging an den höhnisch grinsenden Gesichtern des Star Clubs vorbei zu meinem Tisch. Allerdings hielt ich kurz davor inne. Mein Tisch war nicht wie üblich leer. Lee hatte ich vorübergehend vergessen. Er sah mir mit einem mitleidigen, herablassenden Gesichtsausdruck entgegen. Am liebsten wäre ich umgekehrt und aus der Klasse gerannt. Super. Genau, was ich in einer solchen Situation brauchen konnte: einen aufgeblasenen Schönling, der mich bemitleidet.

Ich sah ihm in die Augen, atmete kurz durch und setzte mich so ruhig wie möglich auf meinen Platz neben ihn. Aus den Augenwinkeln sah ich seine Nasenflügel beben. Muffelte ich schon wieder so extrem nach Whiskey? Wenn ja, würde ich diesmal die zweite Stunde schwänzen und mich zu Hause duschen und umziehen.

Neben mir gab Lee ein seltsames Glucksen von sich. Seine Mundwinkel zuckten. Lachte er etwa? Mr Sinclair begann einen Text aus Wildes Dorian Gray vorzulesen. Ich konzentrierte mich. Das Glucksen hörte ich noch zweimal.

»O Gott, City, schon wieder?« Jayden sah mich kopfschüttelnd an.

»Tut mir leid«, sagte ich zerknirscht. »Ich geh gleich heim, mich umziehen.«

»Nein, ich rieche nichts«, erklärte er ungeduldig. »Unter deinen Augen liegen dunkle Ringe, so groß wie ein schwarzes Loch im Universum. Wie willst du deine A-Levels schaffen, wenn deine Mutter dich jede Nacht so lange im Pub stehen lässt?«

Gute Frage. Ich hatte keine Antwort. »Das geht schon irgendwie«, murmelte ich ausweichend. »Ich rieche nicht nach Alkohol?«

Jayden schüttelte den Kopf. »Aber geh und leih dir einen Concealer oder so was. Du siehst echt aus wie ein Vampir.«

Ich sah ihn konsterniert an. Woher wusste er, was ein Concealer war? Zu meinem Glück kam soeben Ruby auf uns zu.

»Ruby, kannst du mir ein wenig Make-up leihen?«, fragte ich, ehe Jayden mich bloßstellte und für mich fragte.

Rubys verträumter Blick wurde kritisch. Sie musterte mich kurz, dann zog sie mich entschlossen in die nächste Mädchentoilette. Als ich ein paar Minuten später in den Spiegel blickte, sah ich ziemlich erholt aus, auch wenn ich kurz vorm Einschlafen war. Die Ruhe im Klo und das geduldige Sitzen und Warten mit geschlossenen Augen, bis Ruby ihre Arbeit an mir beendet hatte, ließen meine ganze Erschöpfung hochkommen.

Ich stolperte zur nächsten Stunde und ließ mich müde auf meinen Sitz fallen. Das Licht ging aus, ein Overheadprojektor wurde angeschaltet und im gleichen Moment landete ein Zettel vor mir auf der Tischplatte:

Mrs Crobb zum Lachen bringen.

Das war ein Scherz, dachte ich noch. Das muss ein Scherz sein, denn wer hätte jemals in der Geschichte des College Mrs Crobb auch nur lächeln sehen? Ich sah zu dem strengen Gesicht von Mrs Crobb. Sie war ganz konzentriert darauf, der Klasse ihre Folie zu erläutern. Dann verschwamm alles.

»… Felicity … ohnmächtig«, drang eine fremde Stimme durch den Nebel. Ich blinzelte. Aber eigentlich war ich zu müde zum Blinzeln. Ich wollte schlafen. Nur schlafen.

»Ich bringe sie an die frische Luft«, sagte wieder die unbekannte Stimme. Kurz darauf packte mich jemand. Ich fühlte, wie ich hochgehoben wurde. Jetzt zwang ich mich dazu, meine Augen aufzureißen.

»Bleib ja ruhig liegen«, murmelte Lee und presste mich noch fester an seine Brust.

Erschrocken hielt ich ganz still und schloss die Augen wieder. Er roch gut. Ein seltsamer Duft, auf jeden Fall nach frischer Luft, aber auch noch nach etwas anderem … Wald? Wiesen? Moos! Jetzt hatte ich es: Moos. Um Himmels willen, bloß nicht ins Schwärmen geraten, sagte ich mir und öffnete die Augen. Wir hatten die Treppe erreicht.

»Okay, jetzt kannst du mich runterlassen«, sagte ich und strampelte mich frei.

Lee setzte mich ab. »Bist du sicher?«

»Ja. Dir wird es bestimmt schon zu schwer. Ich bin schließlich keine Elfe.«

Er grinste breit, als hätte ich einen Witz gemacht. »Nein, du bist keine Elfe. Aber ich schaffe das.«

Das glaubte ich ihm. Mich hatte niemand mehr getragen, seit ich drei Jahre alt war. »Trainierst du mit Dreihundert-Kilo-Gewichten?«

»Hin und wieder«, sagte er ausweichend. »Komm, ich spendiere dir einen Kaffee.«

Kaffee! Allein das Wort klang schon verführerisch. Mir ging auf, dass ich seit bestimmt zwei Wochen keinen Kaffee mehr getrunken hatte, weil ich jeden Abend im Pub ausgeholfen hatte und dadurch morgens immer zu knapp dran war.

»Äh, musst du nicht in den Unterricht zurück?« Den Kaffee hätte ich lieber alleine getrunken. Ohne einen blendend aussehenden Musterknaben, der alle Blicke auf sich zog und meine unzureichende Erscheinung damit unterstrich. Aber zu meinem Leidwesen grinste Lee nur und zuckte gleichgültig die Achseln.

»Die eine Stunde wird mich schon nicht umbringen.« Er nahm mich am Ellbogen und zog mich die Treppe hinunter.

Wir gingen zu Starbucks zwei Straßen weiter. Lee bestand darauf, den Kaffee zu bezahlen, und brachte mir ein Sandwich mit.

Ich hatte es zu schnell verschlungen, als dass ich es hätte ablehnen können. Ohne zu fragen, stand Lee wieder auf und kam mit einem weiteren zurück. Welches ich ebenso verschlang. Danach war ich auf jeden Fall nicht mehr so müde und konnte den ausgezeichneten Kaffee genießen.

»Danke«, sagte ich, lehnte mich in dem bequemen Sessel zurück. Ich war beschämt. Was mochte er von mir denken, wenn ich hier fraß wie ein ausgehungerter Wolf?

»Keine Ursache«, sagte er.

Ich starrte auf seine langen Beine, die sich vor uns austreckten und an den Knöcheln überschlugen. Ich wagte einen Blick auf seine gesamte Erscheinung– und bereute ihn sofort. Er bot das Bild vollkommen lässiger Eleganz. Hatte ich meine Haare heute Morgen überhaupt gekämmt?

»Kommt es öfter vor, dass du verschläfst?«, fragte Lee.

Wie konnte ich mich da rausreden, ohne direkt als Schlampe dazustehen? »Ich bin immer ein wenig knapp dran morgens. Ich muss mir endlich angewöhnen den Wecker früher zu stellen.«

»Was sagt denn deine Mom, wenn du immer zu spät bist? Weckt sie dich nicht?«

Ich zuckte die Achseln. Mir fiel etwas anderes auf. »Bist du Amerikaner?«

Damit hatte ich ihn überrascht.

»Nein. Wie kommst du darauf?«

»Du hast so einen Akzent.«

»Oh.« Er lachte verlegen. »Ich war bis vor kurzem in Kalifornien. Vielleicht haben die fünf Jahre doch ein wenig abgefärbt.«

Neugierig sah ich auf. »Kalifornien? Echt? Wo genau?« Er hätte auch Bukarest sagen können, ich wäre wahrscheinlich genauso angesprungen. Einmal die Welt sehen zu können. Aus London rauskommen. Ich wäre schon glücklich Cornwall noch einmal wiederzusehen.

»So toll ist es auch wieder nicht«, versuchte Lee mich zu beruhigen.

»Aber da scheint ständig die Sonne«, sagte ich und deutete mit dem Kinn zum Fenster, gegen das der Regen klatschte.

Er wiegte seinen Kopf hin und her. »Na ja, dafür hängt über L. A. ziemlicher Smog. Alles ist trocken und braun. London ist grün. Und wenn die Sonne scheint, ist der Hyde Park unübertrefflich.«

Ich bezweifelte das. Immerhin war der Hyde Park ständig überfüllt mit Menschen. Sonntags bei schönem Wetter kam man kaum durch. Ich konnte mich nicht einmal mehr an einen richtigen Wald erinnern oder wann ich das letzte Mal durch einen gegangen war. Wahrscheinlich mit meinem Großvater. Vor vielen Jahren, als er noch gehen konnte. Ehe er einen Rollator vor sich hergeschoben hatte und wenige Monate danach gestorben war.

Mir fiel auf, dass Lee mich beobachtete.

»Wirklich, Kalifornien ist nicht der Rede wert. Die essen nur Fast Food und das älteste Bauwerk ist fünfzig Jahre alt. Wer würde einen McDonalds schon dem Tower vorziehen?«

Ich zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. »Dafür machen sie gute Filme. Ist nicht jeder in L. A. irgendwie in der Filmbranche? Warst du auch mal bei einem Dreh dabei?«

Er hob nur einen Mundwinkel und ließ meine Frage unbeantwortet. »Also, was ist mit dir los? Du kommst oft zu spät zum Unterricht, schreibst aber ziemlich gute Noten. Büffelst du abends so lange?«

Diesmal verweigerte ich die Antwort.

»Okay, dann rate ich mal. Deine Eltern führen einen Pub, der wahnsinnig gut läuft, und du kellnerst dort, um dir dein Studium zu finanzieren.«

»Hast du Erkundigungen über mich eingezogen?«, fragte ich misstrauisch.

Er zuckte unschuldig die Schultern. »Ein wenig.«

»Auf jeden Fall waren es die falschen«, sagte ich trocken. Von wahnsinnig gut laufen konnte bei Mums Pub wohl kaum die Rede sein.

»Ich muss mal kurz wohin.«

»Magst du noch einen Kaffee?«

Ich lechzte danach. Wann hatte ich schon mal Gelegenheit, so guten Kaffee zu bekommen? Zumal ich in den vergangenen zwei Wochen gar keinen getrunken hatte.

Er grinste und stand ebenfalls auf.

Als ich von der Toilette zurückkam, dampfte eine weitere Tasse auf dem Tisch zwischen uns. Lee blätterte gelangweilt in einer dieser Klatschillustrierten.

Ich öffnete den Deckel meines Pappbechers und wollte trinken, als mir auf der Deckelunterseite etwas auffiel.

Eine Telefonnummer und darunter der Name Sally.

Ich blickte zur Theke. Dahinter wurde gerade eine hübsche Blondine ganz rot.

»Hier. Der Kaffee ist meiner, aber der Deckel gehört definitiv dir.«

Ich hielt Lee den Plastikdeckel hin. Er sah irritiert darauf, folgte dann meinem Deuten zur Theke und grinste.

»Soll ich gehen?«, fragte ich und meinte es ernst.

Er sah mich groß an. »Warum?«

»Damit du deine Beute ins Visier nehmen kannst.«

Er stutzte, dann lachte er laut. »Du würdest tatsächlich das Feld räumen, nicht wahr?«, fragte er, als er sich wieder beruhigt hatte.

Ich antwortete nicht. Natürlich würde ich gehen. Ich wusste sehr wohl, dass wegen mir niemand eine so hübsche Bedienung sausenlassen würde.

»Ich bin mit dir hier«, sagte er, nahm aber den Deckel und steckte ihn ein.

»Ich bin beeindruckt. Ein Mann mit Prinzipien.«

Er lehnte sich wieder zurück und betrachtete mich mit verschränkten Armen. »Ich stelle fest, deine Zunge ist recht spitz, wenn du ausgeschlafen bist.«

Ich fühlte, wie ich rot wurde. Er mochte ja ein Schönling sein, der alles bekam, was er wollte, aber er war auch nett gewesen und hatte mir Kaffee und Sandwiches spendiert. »Tut mir leid. Ich sollte mich wohl eher bedanken.«

Er sah mich noch immer an. Ich hatte das Gefühl, er überprüfte, ob ich das sarkastisch meinte oder ernst. Konnte er Gedanken lesen oder so was in der Art? In seinem Blick flackerte etwas und er lächelte leicht.

»Keine Ursache. Gern geschehen. Glaubst du, wir können zurück in den Unterricht?« Er erhob sich mit dieser unnachahmlichen Eleganz.

Ich hievte mich schwerfällig aus dem Sessel und sah auf die Uhr.

»Hm. Jetzt hätten wir Mathe. Chemie haben wir verpasst«, stellte Lee fest. »Bist du sicher, dass du Mr Selfridge gegenübertreten kannst, ohne einzuschlafen?«

»Ich muss. Ich bin nicht die Hellste in Mathe und kann es mir nicht leisten, Stunden zu verpassen.«

Er musterte mich erneut, als würde er versuchen meine Gedanken zu lesen.

Schnell erklärte ich: »Danke. Ehrlich. Du hast mich gerettet.«

Er nickte und wir gingen zurück zur Schule.

»Eine Frage habe ich noch«, sagte er unvermittelt, kurz bevor wir die Schule erreichten. »Was sollte dieser Zettel?«

Ich sah ihn fragend an, dann fiel er mir wieder ein. Ich kicherte. »Das ist so eine Art Spiel, das sich Corey ausgedacht hat. Einer von uns denkt sich eine Aufgabe aus, die während des Unterrichts gelöst werden muss. Aber nur bei den besonders langweiligen Lehrern und in den Stunden, wo wir alle zusammen sind. Es ist albern, ich weiß, aber es ist tatsächlich erheiternd.«

Lee grinste. »Dann gehe ich davon aus, dass Mrs Crobb schwer zum Lachen zu bringen ist.«

»Das war ein unmögliches Unterfangen«, stimmte ich zu.

»Hm. Und was passiert, wenn die Aufgabe nicht erfüllt wird?«

Ich kaute auf meiner Unterlippe. »Na, dann ist es halt so.«

»Das ist langweilig«, sagte Lee bestimmt. »Ihr braucht einen Anreiz, sonst bemüht sich keiner richtig.«

Ich sah ihn skeptisch an. »Was meinst du?«

»Na ja, eine Art Pfand, das hinterlegt wird und eingelöst werden muss. Und derjenige, der gar nichts versucht hat, sollte bestraft werden.«

»Bestraft werden? So wie am nächsten Tag in Unterhosen aus dem Sportunterricht kommen?«

Lee sah amüsiert auf mich herunter. Meine Güte, er war wirklich groß.

»Ich dachte eher an eine Runde Eis.«

»Oh.« Gott, für wie masochistisch musste er mich jetzt halten? Zum Glück rettete mich die Glocke zur Mittagspause. Wir mischten uns unbehelligt unter die zur Cafeteria strömenden Schüler.

Felicity stand ungeduldig wippend an der Tür. Offensichtlich hatte sie auf uns gewartet. Vielmehr auf Lee.

»Da bist du ja endlich!«, rief sie und hakte sich an seinem Arm unter. Ihr Blick war regelrecht schmachtend.

»Unglaublich, du bist erst den zweiten Tag hier und machst schon blau«, säuselte sie.

»Als Blaumachen würde ich das nicht gerade bezeichnen«, wehrte er verlegen ab. »Felicity fühlte sich nicht wohl …«

»Hat dir noch niemand gesagt, dass die Stadt oft in Geschichte einschläft?«, erklärte sie ihm, ohne mich eines Blickes zu würdigen.

»Das musst du ihm nachsehen«, unterbrach ich höflich. »Er ist ja erst den zweiten Tag hier. Aber jetzt hast du eine Stunde Zeit, ihn von allen meinen Unarten in Kenntnis zu setzen.«

Ich zwinkerte Lee noch einmal zu und mischte mich unter die Menge.

»Geht’s wieder?«, fragte Phyllis mitfühlend, als ich mich zu ihr und den anderen an den Tisch setzte.

»Ich habe drei Kaffee getrunken und was gegessen. Ich fühle mich so fit wie seit Tagen nicht.«

Ich sah Jaydens skeptischen Blick.

»Wirklich«, betonte ich trotzig.

»Warum ist dir dann nicht aufgefallen, dass du dein T-Shirt links herum anhast?«