Die Pestmagd - Brigitte Riebe - E-Book + Hörbuch
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Brigitte Riebe

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  • Herausgeber: Diana
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Liebe, Verrat und der Kampf ums Überleben in Zeiten der Pest

Köln, 1540: Die junge Witwe Johanna Arnheim wird von ihrem eifersüchtigen Schwager verleumdet und landet wegen Gattenmordes im Frankenturm. Der Tod scheint ihr gewiss – doch der Arzt Vincent erwirkt einen Freispruch unter der Bedingung, dass sie sich als Magd im Pesthaus verdingt. Der „Schwarze Tod“ wütet unerbittlich in der Stadt, und so ist Johanna, die bereits die Beulenpest überlebt hat, eine große Hilfe. Bis ein düsteres Geheimnis ihrer Vergangenheit sie einholt und alles zu zerstören droht – auch ihre zarte Liebe zu Vincent.

„Mit der Neugierde einer Wissenschaftlerin erarbeitet Brigitte Riebe sich vergangene Zeiten, um sie möglichst lebendig wirken zu lassen. Und das gelingt ihr trefflich.“ Offenbach Post

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Seitenzahl: 603

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Über den Roman:

Die schöne und rätselhafte Johanna Arnheim wird nach dem Tod ihres Mannes von ihrem Schwager umworben. Als sie ihn zurückweist, schlägt seine Liebe in Hass um. Durch seine Verleumdung wird sie des Gattenmordes angeklagt. Johannas Schicksal scheint schon besiegelt, bis der weit gereiste Mediziner und Pest-Spezialist Vincent de Vries ihren Freispruch erwirkt. Unter einer Bedingung: Sie soll in seinen Dienst treten und gegen das große Sterben im Kölner Pesthaus kämpfen. Doch schon bald reißen alte Wunden auf, denn Johanna und Vincent haben sich einst geliebt, bis sie durch ein fatales Missverständnis getrennt wurden. Wird es Ihnen gelingen, die Geschehnisse von damals zu überwinden? Während die Pest weiterhin unerbittlich in der Stadt wütet, wird immer mehr aus Johannas geheimnisvoller Vergangenheit bekannt, und für sie und Vincent beginnt ein Wettlauf mit der Zeit …

Über die Autorin

BRIGITTERIEBE ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Zu ihren bekanntesten historischen Romanen zählen Pforten der Nacht, die beiden erfolgreichen Jakobsweg-Romane Straße der Sterne und Die sieben Monde des Jakobus sowie Die Braut von Assisi über das Leben des heiligen Franziskus. Und demnächst als Diana Hardcover erhältlich: Die geheime Braut. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

BRIGITTERIEBE

Die Pestmagd

Historischer Roman

Taschenbucherstausgabe 11/2013

Copyright © 2012 sowie dieser Ausgabe 2013 by Diana Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Redaktion | Herbert Neumaier

Umschlaggestaltung | t.mutzenbach design, München unter Verwendung der Originalcovergestaltung von Christina Krutz; © Victoria Hall (After Raphael Part I, 2004)/VG Bild-Kunst, Bonn 2012, Private Collection/The Bridgeman Art Library

Vorsatz | © akg-images

Satz | Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-641-09842-1

www.diana-verlag.de

Für Babsi

Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?

Niemand!

Wenn er aber kommt?

Dann laufen wir davon…

Kinderspiel, weit verbreitet in Europa

PROLOG– FREIBURG, APRIL 1525

Sah sie nicht aus, als wäre sie dem Teufel soeben von der Forke gesprungen? In der Linken das kopflose Huhn, die Brüste vom schlampig geschnürten Mieder halb entblößt und von rostigen Sprenkeln übersät, zu Füßen eine schimmernde Blutlache?

Die Rote, wie sie allgemein im Badehaus genannt wurde, lachte, als sie den entsetzten Blick auf sich spürte.

»Was glotzt du so?«, rief sie. »Blut bedeutet Leben. Wir werden endlich wieder frisches Fleisch zu essen haben– und für eine kräftige Suppe reicht es auch!«

Die andere nickte, musste plötzlich zu Boden starren.

Alles in dem niedrigen Raum erschien ihr auf einmal ungeschlacht und roh. Und diesem Weib wollte sie das Wertvollste anvertrauen, das sie besaß?

»Mit deinem Leben bürgst du mir für ihn«, stieß sie hervor, weil diese schreckliche Unruhe in ihr immer stärker wurde. »Sollte ihm auch nur das Geringste zustoßen, so werde ich dich…«

Das kopflose Huhn flog zu Boden.

»Ich liebe ihn, als hätte ich ihn aus mir herausgepresst, das weißt du ganz genau.« Die Stimme der Roten war ungewohnt weich. »Bei mir ist er in den allerbesten Händen. Du kannst dich ungeniert amüsieren gehen.« Der Ton hatte erneut an Schärfe gewonnen. Und noch etwas hörte sie daraus– unverbrämte Genugtuung, dass es nun endlich auch sie erwischt hatte. »Ist er denn auch spendabel, dein reicher Freier? Ich kenne diese Herrlein zur Genüge, das kannst du mir glauben! Frag mich ruhig alles, was du wissen willst! Eine ehrlichere Auskunft wirst du nirgendwo sonst bekommen.«

Was hätte sie darauf nicht alles antworten können!

Dass der Liebste, der sie erwartete, eiskalte Hände hatte? Dass ihr Höllenqualen bevorstanden anstatt leidenschaftlicher Umarmungen? Dass sie keineswegs vorhatte, ihre Grundsätze zu verraten, sondern sie im schlimmsten Fall mit in den Tod nehmen würde?

Stattdessen blieb sie stumm und tastete nach den restlichen Münzen in ihrer Rocktasche. Sollte sie der Roten noch mehr Geld anbieten? Sie verwarf den Einfall im nächsten Augenblick. Das Geld würde sie bitter nötig haben, wollte sie nicht in der Gosse landen. Zudem konnte sie es sich nicht leisten, dass die Rote misstrauisch wurde. Sie vertraute ihr nicht, hatte ihr niemals vertraut– und doch blieb ihr keine andere Wahl.

Das Stechen in ihren Gliedern wuchs sich immer mehr zu einem scharfen Brennen aus. Sie musste zusehen, dass sie das Haus am Rand der Stadt erreichte, wo ihresgleichen die letzte Zuflucht finden konnten.

»Ich schaue noch einmal nach ihm«, sagte sie leise.

»Dann pass bloß auf, dass er nicht wach wird, sonst geht das Geflenne wieder los. Und ich hab jetzt keine Zeit, ihn stundenlang zu trösten.« Die Rote bückte sich nach dem Huhn, zog einen Stuhl heran und begann es zu rupfen.

Leise öffnete sie die Tür.

Im Schlaf ähnelte er seinem Vater noch mehr als sonst. Als ob eine unsichtbare Hand die Weichheit der Kinderzüge verwischt hätte, um schon jetzt heraufzubeschwören, wie er später einmal aussehen würde. Die hohe Stirn, in die verschwitzte dunkle Locken fielen. Die Nase, gerade und kühn, die vollen Lippen, die ebenso schmelzend lächeln konnten, wie sich im nächsten Augenblick mürrisch verziehen, sollte etwas nicht nach seinem Willen gehen. Er war ein kleiner Kämpfer, einer, der sich nichts gefallen ließ, obwohl er ihr gerade erst bis zur Hüfte reichte. Vielleicht war er schon so geboren, vielleicht aber hatte ihn erst das harte Leben, das sie ihm zumuten musste, dazu gemacht.

Jakob war alles, was sie hatte. Ihr Schatz. Ihr Leben.

Die Vorstellung, ihn ausgerechnet hier zurücklassen zu müssen, ließ ihr Herz schwer vor Kummer werden.

Die Kammer war eng und ungelüftet, das Stroh zu selten gewechselt worden. Ohnehin hatte sie zu lang gezögert, in der aberwitzigen Hoffnung, das Unausweichliche doch noch abwenden zu können. Vielleicht würden sie beide ja verschont werden. Vielleicht flog der Todesengel an ihnen vorbei, ohne sie mit seinen schwarzen Schwingen zu berühren. Vielleicht war das Schicksal ihnen gnädig und ausgerechnet sie würden ungeschoren davonkommen…

Doch seit ein paar quälenden Stunden wusste sie, dass alle Gebete vergebens gewesen waren. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, den letzten, den sie sich erlauben durfte.

Er lag auf dem Rücken, die Hände zu Fäusten geballt, als müsste er sich sogar im Traum unsichtbarer Gegner erwehren. Vielleicht würde er schon bald ganz allein auf der Welt sein und gegen alle Feinde ohne ihre Hilfe bestehen müssen.

Ein Schluchzen stieg in ihr auf, obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, nicht zu weinen. Ein schmerzlicher Laut kam aus ihrer Kehle.

»Mama«, sagte Jakob, schlug die Augen auf und sah sie munter an, als hätte er nur auf sie gewartet. »Da bist du ja endlich! Aber warum weinst du denn?«

Seine Ärmchen streckten sich ihr entgegen, wie sie es tausendmal zuvor getan hatten, sie aber drehte sich auf dem Absatz um und stürzte wortlos aus der Kammer. Vorbei an der Roten mit dem toten Huhn auf dem Schoß, die schmale Treppe hinunter, hinaus aus dem Haus, wo die beißende Kälte der sternenklaren Februarnacht sie empfing.

In ihren Ohren dröhnte noch immer sein Schrei, den sie niemals mehr vergessen würde.

Erstes Buch – Die Taube

EINS – KÖLN 1540

Sie hörte das Pfeifen des jungen Zimmermanns, der den Balken sinken ließ und ihr hinterherstarrte, und sie begann zu lächeln. Dass die Männer ihr nachschauten, daran war Johanna gewohnt. Angefangen hatte es in jenem Sommer, als ihre Brüste sprossen und der Oheim es so auffällig eilig gehabt hatte, die bucklige Gewandschneiderin ins Haus zu bestellen, um seinem Mündel gleich drei Kleider auf einmal nähen zu lassen. Die begehrlichen Blicke waren trotzdem nicht weniger geworden– ganz im Gegenteil.

Damals wie heute ruhten sie wohlgefällig auf der schlanken, hochgewachsenen Gestalt, wenngleich Johannas zum Zopf geflochtene Haare nach dem Abscheren nicht mehr flachsblond, sondern in einem dunkleren Honigton nachgewachsen waren. Die Zeit war gnädig mit ihr umgegangen, hatte ihre Haut bis auf ein paar Fältchen um die Augen glatt gelassen und die Lippen rosig. Seit sie vor einigen Wochen das düstere Witwenschwarz abgelegt hatte, fühlte sie sich an manchen Tagen fast wieder jung.

Nicht einmal das Halsband, ohne das sie nie das Haus verlassen hätte, änderte etwas daran. Inzwischen hatte sie sich so sehr daran gewöhnt, dass es ihr beinahe zur zweiten Haut geworden war. Nur manchmal, wenn sie es vor dem Schlafengehen löste und in die Lade zu den anderen legte, die sich dort im Lauf der Jahre angesammelt hatten, drohte die alte Furcht sie erneut zu überfallen.

Und jetzt gab es keinen Severin mehr, der diese Furcht in die Flucht hätte schlagen können.

Johanna würde den Verstorbenen niemals vergessen, dazu war der Glasmaler zu einzigartig gewesen. Ein liebevoller Ehemann, der der Fremden nicht nur seinen ehrlichen Namen geschenkt, sondern auch ihr Geheimnis wie einen Schatz gehütet hatte. Sein qualvolles Sterben, für das es keine Linderung gab, hatte sie im letzten Stadium ganz krank gemacht. Bei allem Schmerz, als er schließlich für immer die Augen schloss, verspürte die Trauernde auch tiefe Erleichterung, dass sein Leid endlich vorüber war.

Womit sie allerdings nicht gerechnet hatte, war das Gewicht der Einsamkeit, das sie wie ein Bleilot traf. Die innere Unruhe, die Johanna schon von früher kannte, setzte ein, nachdem Begräbnis und Leichenschmaus vorüber waren und eine bislang ungewohnte Form von Alltag Einzug in das stattliche Haus in der Mühlengasse halten sollte. Anfangs ließ sich die Unruhe noch halbwegs übertünchen von zahlreichen Entscheidungen, die es zu treffen galt: den Verkauf der Werkstatt an den neuen Meister, die Entlohnung der Gesellen, das Eintreiben unbezahlter Forderungen.

Als schließlich alles abgewickelt war, staunte sie, wie wenig Bares sie in Händen hielt. Sei es, dass man die Witwe absichtlich übers Ohr gehauen hatte, sei es, dass Severin zu vertrauensvoll gegenüber Zulieferern und Kunden gewesen war, das erwartete Vermögen war jedenfalls zu einem verblüffend übersichtlichen Silberhaufen zusammengeschmolzen, den sie für Notzeiten in einer Geldkatze verwahrte.

Zum Glück war ihr wenigstens das Haus zur Lilie geblieben, wie alle in Köln es wegen der aufgemalten Blüte an der Frontseite nannten, mit dem stattlichen Giebel, vor allem jedoch dem geräumigen Kellergewölbe, in dem sie den Weinhandel fortsetzen konnte, den Severin vor einigen Jahren als Zubrot begonnen hatte. Damals hatte sie ihn noch geneckt wegen seiner Bemühungen, für alle Fälle vorzusorgen.

»Die Zukunft gehört uns nicht«, hatte sie gesagt. »Das hab ich am eigenen Leib erfahren müssen. Keiner weiß, was das Schicksal ihm bestimmt hat. Warum kümmerst du dich nicht lieber um deine Glasbilder, anstatt dich mit sperrigen Fudern und undichten Schläuchen herumzuplagen?«

»Weil die Kölner immer Wein trinken werden«, hatte seine trockene Antwort gelautet. »In guten Zeiten zum Feiern, in bösen zum Trost, während sie am Glas zu sparen beginnen, sobald es eng wird. Außerdem hab ich gute zehn Jahre mehr als du auf dem Buckel. Muss ich also vor dir gehen, so bleibt dir etwas, was niemand dir nehmen kann. Ebenso wie das Haus, das du nach meinem Ableben testamentarisch in den Schreinsbüchern umschreiben lässt.« Sein Blick war plötzlich ernst geworden. »Du hast das Schriftstück doch an einem sicheren Ort aufbewahrt?«

»Hab ich. Genauso wie du es mir empfohlen hast. Aber du darfst nicht sterben, Severin«, hatte sie protestiert. »Noch viele, viele Jahre nicht, das musst du mir bei der heiligen Ursula versprechen!«

»Hast du nicht eben selbst gesagt, dass keiner weiß, was ihn erwartet? Aber ich will ja leben, meine Schöne, leben mit dir– und gut sollen wir es dabei haben, wie im Paradies. An meiner Seite wirst du dich niemals sorgen müssen. Das hab ich dir damals in Freiburg versprochen, als du dich mir anvertraut hast, und das werde ich halten, bis über den Tod hinaus!« Sein Kuss hatte ihre Lippen verschlossen und weitere Einwände damit verhindert.

Warum kam ihr ausgerechnet jetzt diese Szene wieder in den Sinn? Den ganzen Morgen über hatte sie schon an Severin denken müssen. Innerlich bewegt, wäre Johanna beinahe der Korb aus der Hand geglitten, in den die dicke Händlerin am Fischmarkt den Salm gelegt hatte. Sie hatte ihn für Sabeth gekauft, weil die alte Dienerin so große Freude am Essen entwickelte, seitdem ihr Gedächtnis von Monat zu Monat immer löchriger wurde. Gedämpfter Lachs gehörte zu ihren Lieblingsspeisen. Kaum drang der verheißungsvolle Geruch in ihre Nase, wurden Sabeths Augen ganz blank vor Freude, und mit den blau geäderten Händen rieb sie sich erwartungsvoll den Bauch, wie es sonst nur kleine Kinder taten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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