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Im Sommer 1968 starb der ehemalige Fallschirmjägergeneral, überzeugte Nationalsozialist und verurteilte Kriegsverbrecher Bernhard Ramcke im schleswig-holsteinischen Kappeln. Dass bei der Beisetzung des hochdekorierten ehemaligen Wehrmachtsgenerals eine Ehrenkompanie der Bundeswehr angetreten war und zudem der damalige Bundesminister der Verteidigung, Gerhard Schröder, einen prächtigen Kranz am Grab hatte niederlegen lassen, war auch im Ausland nicht unbemerkt geblieben. Kontroverse Diskussionen waren die Folge. Um so mehr noch, als bekannt wurde, dass bei der Beerdigung unter anderem Grüße der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger und der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS e. V. (HIAG) überbracht worden waren. Auch war der ebenfalls wegen Kriegsverbrechen verurteilte ehemalige Generaloberst der Luftwaffe und damals ranghöchste Offizier der Fallschirmtruppe der Wehrmacht, Kurt Student, als einer der Redner auf der Beisetzung Ramckes in Erscheinung getreten. Zu Recht sah sich die damalige Bundesregierung mit der Fragestellung konfrontiert, warum der frühere Wehrmachtsgeneral bei seiner Beerdigung demonstrativ durch die Bundeswehr geehrt wurde. Darüber hinaus würdigte man den bis über das Ende hinaus begeisterten Anhänger Hitlers in einem Nachruf als Vorbild für Treue und Pflichterfüllung. Die Analyse in diesem Buch zeigt das gesamte Ausmaß des Lebens eines Mannes, der in einer typisch deutschen Familie im Kaiserreich groß wurde und als Papa Ramcke durch sein draufgängerisches Vorbild zahlreiche Soldaten im 2. Weltkrieg in den Tod schickte, als Befehlshaber grausame Verbrechen befahl und als Feind der Demokratie bis zu seinem Ende der Weltanschauung des Nationalsozialismus treu blieb.
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Seitenzahl: 216
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„Hätten wir zur rechten Zeit weniger Menschen von der Geistesrichtung Ramckes […] gehabt, dann wären Millionen Gefallene noch am Leben, ebenso wie Millionen Juden. Und die Vertriebenen könnten mit Frauen und Kindern auf ihrer Heimaterde leben. Wäre das ein so unerträgliches Ergebnis gewesen? Für Patrioten, die ihr Vaterland lieben?“1
„Wer ihm nicht gedient, ihn nicht gefürchtet noch gelesen oder gehört hat, könnte ihn für einen pensionierten Postbeamten halten…“2
Als der ehemalige Fallschirmjägergeneral Herman Bernhard Ramcke (* 24.1.1889 in Schleswig, † 5.7.1968 in Kappeln) aus französischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, bereitete man ihm am 5.7.1951 am Schleswiger Bahnhof einen überaus großen Empfang. Tausende von Bürgern und Bürgerinnen begrüßten den verurteilten Kriegsverbrecher und trugen ihn im Triumphzug durch die Stadt.3 Ramcke selbst schilderte seinen Empfang in Schleswig in seinen kurze Zeit später erschienenen Memoiren so:
„…Kaum war der Zug zum Stehen gekommen, als schon eine Gruppe kräftiger Männer in mein Abteil stürzte, die mich auf die Schulter der vor dem Fenster stehenden Männer setzten, um mich unter Jubelschrei der Menge davon zu tragen. Ein Spielmannszug unter Führung des Tambour-Majors begrüßte mich mit altvertrauter Marschmusik; der Hunderte von Köpfe zählende Gesangsverein entbot mir seine schönsten Lieder als Herzliches Willkommen. Eine für Schleswiger Verhältnisse riesige Menschenmenge, die auf etwa 10000 geschätzt worden ist, füllte im dichtesten Gedränge die Bahnsteige, den Bahnhof, den Vorplatz und die in ihm einmündenden Straßen. […] Nichts an dieser Begrüßung war bestellt oder gar befohlen; sie kam wirklich aus dem Herzen der Bevölkerung, ohne Unterschied ob Einheimische oder Flüchtlinge aus dem Osten.“4
Ihren Höhepunkt erfuhr die Berichterstattung über Ramckes Rückkehr im Juli 1951 in der Zeitschrift Stern mit einer Reportage über die Ankunft des Generals im heimatlichen Schleswig:
„Ramcke reitet durch den Bahnhof“ so titelte der Stern. „Jetzt feierten die Mitmenschen auf dem Bahnhof von Schleswig aber nicht den General, sondern ihren Mitbürger, der durch Flucht und freiwillige Rückkehr die Augen der Welt auf das Los der letzten deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich lenkte.“5
In dem Artikel des Stern ließ man keine Zweifel daran aufkommen, dass sich all die deutschen Wehrmachtssoldaten natürlich zu Unrecht in Gefangenschaft befänden. Der Fall Ramcke, den der Stern als erste Illustrierte in Form einer mehrteiligen Saga aufgegriffen hatte, wurde zum Symbol für alle zu diesem Zeitpunkt noch inhaftierten deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich.6
Doch auch die Schleswiger Nachrichten und zusätzlich der Schlei Bote7 berichteten zwei Tage nach dem Großereignis mit der Überschrift: „Ramcke im Triumphzug nach Hause getragen: 10-tausende umjubelten ihren weltberühmten Heimkehrer […] ein Ereignis, wie es Schleswig in Jahrzehnten nicht gesehen hat“ über die Ankunft des ehemaligen Fallschirmjägergenerals. Der Magistrat der Stadt Schleswig hatte eine besondere Feierstunde für Bernhard Ramcke im Namen der Stadt zwar abgelehnt, doch wurde, zusammen mit dem Verband der Heimkehrer, trotzdem eine Kundgebung im Stadttheater geplant, an der auch Schleswigs damaliger Bürgermeister Bruno Lorenzen (1904–1955) teilnahm. Im Rahmen dieser Veranstaltung, die wiederum vor allem die Forderung nach Heimkehr aller Kriegsgefangenen bekräftigen sollte, erhielt Ramcke die Möglichkeit zu sprechen.
In seinem Redebeitrag machte der ehemalige Fallschirmjägergeneral im Rahmen der in der noch jungen Bundesrepublik aufgekommenen Debatte zur Frage eines deutschen Wehrbeitrags unter anderem deutlich, dass dieser Verteidigungsbeitrag nur geleistet werden sollte, wenn der Fliegergeneral Albert Kesselring (1885–1960) und auch andere ehemalige Wehrmachtsangehörige freigelassen werden würden. Kesselring hatte als Heeres- und Luftwaffenoffi zier während des Zweiten Weltkrieges verschiedene Führungspositionen innegehabt und war nach Ende des Krieges von einem britischen Militärgericht in Italien als Kriegsverbrecher wegen 335 Geiselerschießungen zum Tode verurteilt worden.8 Später wurde er mehrfach begnadigt.
Ramcke bekräftigte in seiner Rede im Schleswiger Stadttheater, dass die „Diffamierungen ehemaliger deutscher Soldaten“ endlich aufhören müssten. Den kurz vor der Gründung stehenden Verband deutscher Soldaten e. V. (VdS) bezeichnete er in diesem Kontext als „Hüter der Ordnung“.9 Der Verband sollte als ein Zusammenschluss ehemaliger Berufssoldaten etabliert werden und darüber hinaus der Traditions- und Kameradschaftspfl ege aber auch den Bemühungen um Amnestie von Angehörigen der Wehrmacht dienen, die wegen Kriegsverbrechen verurteilt worden waren. Die Rehabilitierung und die Interessenvertretung dieser ehemaligen Berufssoldaten waren die nach außen hin erklärten Ziele dieses Zusammenschlusses.
Letztendlich ging es bei der Arbeit des Verbandes überwiegend um die berufl iche Wiedereingliederung und vor allem um die Erlangung voller Versorgungsansprüche der Betroffenen. Spätestens als Ramcke in seinem Redebeitrag und in seiner Aufforderung nach Beendigung der Verunglimpfung der Wehrmacht im Schleswiger Theater auch die Angehörigen der 2. SS-Panzerdivision „Das Reich“, die zum Teil eine Stärke von 20 000 Mann aufgewiesen hatte, ausdrücklich mit einschloss, und vor Ort kaum Protest vermeldet wurde, hätte klar sein müssen, dass es auch in Schleswig zur wirklichen Entnazifi zierung noch ein weiter Weg werden würde. 10Der von Ramcke benannten SS-Division „Das Reich“ war unter anderem das Massaker in der französischen Gemeinde Oradour-surGlane am 10.7.1944 zum Vorwurf gemacht worden, welches damals als angebliche Vergeltungsmaßnahme für getötete Wehrmachtssoldaten deklariert worden war. Bei dem Massaker wurden 643 Menschen, überwiegend Frauen und Kinder, Opfer der Ermordungsaktion der Waffen-SS. Etwa 400 der Frauen und Kinder waren in eine Kirche im Ort eingesperrt worden. SS-Männer entzündeten daraufhin in dem Gotteshaus Rauchbomben mit Stickgasen vor dem Altar. Als Panik ausbrach und die Kirchenfenster barsten, wurden die sich in der Kirche befi ndenden Menschen zusätzlich mit Handgranaten beworfen und beschossen. Auch die Männer und Jungen des französischen Dorfes wurden an diesem Tag unbarmherzig liquidiert und unmittelbar darauf verbrannt. Es gab nur 36 Überlebende. Das Massaker von Oradour-sur-Glane war, an den Zahlen der Opfer gemessen, das entsetzlichste Massaker in ganz Westeuropa zu der Zeit. 11General a.D. Bernhard Ramcke selbst, wegen Geiselnahme und Beihilfe zum Mord an französischen Zivilisten, wegen der Plünderung privaten Eigentums und wegen der absichtlichen Zerstörung und Niederbrennung von zivilen Wohnhäusern als Besatzungsoffi zier 1944 in Frankreich angeklagt, wurde im März 1951 als Kriegsverbrecher zu fünf Jahren Haft verurteilt. Auf Grund seines Alters und unter Anrechnung der langen Untersuchungshaft von 57 Monaten, wurde er jedoch drei Monate nach der Urteilsverkündung wieder auf freiem Fuß gesetzt. Die Verurteilung des Wehrmachtsgenerals Ramcke als Kriegsverbrecher schien im Schleswig des Jahres 1951 bei seiner Begrüßung kaum mehr eine Rolle gespielt zu haben, als man den „alten Kämpfer“ mit großem Bahnhof in seiner Heimatstadt empfi ng. Im Gegenteil, der gebürtige Schleswiger wurde als Volksheld bejubelt.
Ramckes Abschiedsrede an seine Truppe bei seiner Gefangennahme durch die Amerikaner im September 1944 hatten noch mit einem kräftigen „Sieg Heil“ geendet, so hatte er es selbst in seiner zweiten Autobiographie 195112 stolz festgehalten. Nach dem Ende des Krieges und dem Untergang des Nationalsozialismus hielt der ehemalige Fallschirmjägergeneral bis zum Ende seines Lebens weiterhin an der menschenverachtenden Ideologie fest. Sein Ziel war es, die in der Bundesrepublik aufkommende Demokratie zu bekämpfen, um den Ideen des Nationalsozialismus doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.
Bernhard Ramcke betätigte sich nach seiner Freilassung aus der Kriegsgefangenschaft als ehemaliger Wehrmachtsgeneral über Jahre weiter offen politisch. Durch seinen in der NS-Zeit erworbenen Ruhm als „heldenhafter Verteidiger von Brest“ war er für nicht wenige Rechtsgesinnte auch nach 1945 noch immer ein Mythos, was ihn für eine Rolle als Galionsfi gur der rechtsextremen Szene geradezu prädestinierte. Ramcke kam dieser Funktion bereitwillig nach. Noch im Juli 1999 präsentierte die rechtsextreme National-Zeitung den gewesenen Fallschirmjägergeneral als „hervorragenden deutschen Soldaten“. Das Blatt verwendete bei der Berichterstattung über ihn und auch über andere Wehrmachtsangehörige innerhalb der Serie „Große deutsche Soldaten – unsterbliche Helden“ dabei zum Teil das gleiche Vokabular und die entsprechenden Formulierungen, die man aus den Wehrmachts- und Propagandaberichterstattungen der NS-Zeit bereits hinlänglich kannte.
In dieser Serie waren ausschließlich dem Regime treu ergebene Soldaten gewürdigt worden, denen man ausnahmslos Charakterisierungen wie Härte, Tapferkeit, Selbstlosigkeit, Opferbereitschaft, Zähigkeit, Todesverachtung und Treue für „Führer, Volk und Vaterland“ zuschrieb. Auch von „Heiliger Verpfl ichtung“ war an anderer Stelle zu lesen. Diese heroischen Darstellungen hatten jedoch nichts gemein mit den tatsächlich gemachten Erfahrungen kämpfender Soldaten an der Front und den von ihnen erlebten, zum Teil aber auch selbst durchgeführten Grausamkeiten. Das hohle Pathos von Berichterstattungen dieser Art, illustriert mit den entsprechend einschlägigen Gemälden, Zeichnungen und Fotografi en, stand schon in der Zeit des Nationalsozialismus im krassesten Widerspruch zur massenhaften Verstümmelung und zum anonymen Sterben der Soldaten auf den realen Schlachtfeldern.
Auch der Landser brachte in seinen kriegsverherrlichenden Heftromanen Erlebnisberichten zum Zweiten Weltkrieg auf 74 Seiten 1982 einen Großband Nr. 573 heraus, in dem ein Bericht in romanartiger Form von K. Kollatz mit dem Titel „Bernhard-Hermann Ramcke. Vom Schiffsjungen zum Fallschirmjäger-General – Neuaufl age“ enthalten war. Auch dieser Bericht propagierte weiterhin den Mythos der „sauberen Wehrmacht“. Zu den Autoren solcher Serien im Landser gehörten oftmals ehemalige NSDAP-Mitglieder, die entweder direkt in Propagandakompanien ausgebildet wurden oder während der NS-Zeit anders schriftstellerisch oder journalistisch tätig gewesen waren. Dabei hatte es immer einen Grund, warum der verheerende Zweite Weltkrieg im Landser überwiegend nicht durch Erzählungen über das Heer, sondern über Marine und Luftwaffe präsentiert wurden. Diese konnten unkomplizierter verharmlosend dargestellt werden, da diese Teile der Wehrmacht leichter in einem weichzeichnerischen Licht zu verklären waren. 1994 wurde der Großband des Landser über Ramcke mit der Nr. 875 bei der Verlagsunion Pabel Moewig KG noch einmal neu aufgelegt.
Auch die Veröffentlichung „Schwerterträger“, aus dem Verlag Deutsche Militärzeitschrift (VDMZ), würdigte Ramcke als den „Verteidiger von Brest“ in seiner Ausgabe Nr. 17, vom Juli bis September 2021, mit einer eigens für den ehemaligen Wehrmachtsgeneral zusammengestellten Ausgabe mit 52 Seiten im Atlas-Großformat und mit farbigen Titelbild. Im gleichen Verlag erscheint auch der revanchistische „Schlesier“ und das rechtsextreme Magazin „Zuerst!“ In der Zusammenfassung des Heftes über den ehemaligen Fallschirmgeneral Ramcke heißt es:
„1905 in die Marine eingetreten, kämpfte der spätere General der Fallschirmtruppe im Ersten Weltkrieg zunächst auf einem Großen Kreuzer, wechselte dann als Späh- und Stoßtruppführer zur Marine-Infanterie und erhielt eine Tapferkeitsbeförderung zum Leutnant. Anschließend stand Ramcke im Freikorps seinen Mann. Zum Heer gewechselt, war er bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Oberstleutnant und meldete sich im Sommer 1940 mit 51 Jahren freiwillig zu den Fallschirmjägern. Für seinen Einsatz auf Kreta wurde er mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet, das Eichenlaub wurde ihm in Nordafrika verliehen, wo er sich in der Wüste mit seinen Männern bei widrigsten Bedingungen 350 Kilometer weit durch feindliches Gebiet durchgeschlagen hat. Nach der alliierten Landung in der Normandie hielt Ramcke 44 Tage lang die französische Hafenstadt Brest und wurde dafür gleichzeitig mit den Schwertern und Brillanten ausgezeichnet.“
Laut NS-Propaganda hatte Ramcke sich in seinen aktiven Zeiten als General einen Ruf erarbeitet, besonders hart gegen seine Untergebenen gewesen zu sein. Er soll aber „immer noch härter gegen sich selbst“ gehandelt haben, so heißt es verschiedentlich. Wenn seine „Kameraden das scheinbar letzte hergaben, zwang er sich dennoch zu einem Mehr“ wurde über ihn berichtet und dass er „mit diesem Schlüssel“ über sich hinaus gewachsen sein soll. Zudem hatte er als „ Mann aus dem Mannschaftsstand“ die höchste für ihn erreichbare Auszeichnung des Ersten Weltkrieges, das preußische Militär Verdienstkreuz in Gold, erhalten und sich auch im Zweiten Weltkrieg als absoluter „Draufgänger“ erwiesen, der mit höchsten militärischen Würden ausgezeichnet worden war. Diesen „Kampfgeist“ rechnete man ihm besonders in rechtsextremen Kreisen auch nach dem Krieg noch immer hoch an, hatte man ihn doch schon in der NS-Zeit in das Buch der „Besten unseres Volkes“ eingeschrieben.13Aus seiner antisemitischen Einstellung hatte Ramcke nie ein Geheimnis gemacht. In seinem ersten Buch „Vom Schiffsjungen zum Fallschirmjäger-General“ schrieb er 1943, in Erinnerung an die ostpreußischen Felder, Wälder und Seen, die er in seiner Zeit als Freischärler nach dem 1. Weltkrieg und beseelt von dem Wunsch, Besitzer eines eigenen Stücks Land zu sein, zu sehen bekommen hatte: „Mit tiefem Bedauern stellte ich […] fest, daß nicht ein einziger Quadratmeter Boden der weiten Fluren des deutschen Vaterlandes mein Eigen war und daß bei dem kargen Gehalt auch kaum die Möglichkeit bestand, nach dem Ausscheiden aus dem Wehrdienst eine eigene Scholle zu erwerben. Unzählige deutsche Soldaten, die im Kampf um den Bestand des Lebensraumes unseres Volkes unentwegt an der Front gestanden und ihr Bestes hergegeben hatten, teilten mit mir das gleiche Los. Hingegen waren fremdstämmige, besonders jüdische Schieber die Besitzer der besten Güter sowie umfangreicher Waldungen und Ländereien, die sie sich mit dem dem Volke abgegaunerten Geld erschwindelt hatten, ohne jemals einen Handschlag oder einen Spatenstich an der Urbarmachung des Bodens getan zu haben noch etwas davon zu verstehen. Diesem unerhörten Zustand hat der Führer zum Segen des ganzen Volkes ein für allemal ein Ende bereitet.“14
An anderer Stelle in seinem Buch ist von „Lauselümmels“ zu lesen, die „allesamt eine jüdische Angst“ hatten.15 Oder Ramcke schreibt über das Kriegsende des Ersten Weltkrieges: „In der Heimat sah es böse aus. Es wimmelte von Drückebergern und Kriegsschiebern. Die heimliche Waffe des jüdischen Dolchstoßes […] machte sich überall bemerkbar“.16 Auch im Kontext des Feldzuges gegen Polen sind später diesbezügliche Zitate Ramckes zu finden. So bezeichnet er die polnischen Galizier, die sich auf der Flucht vor den deutschen zu den russischen Besatzern Polens befanden als „jüdisches Gesindel“.
Sein in diesem Zusammenhang zitierter „Fahrer Kühn aus Dresden“ wurden von Ramcke literarisch noch deutlichere Worte in den Mund gelegt: „Niemals habe ich an die in den völkischen Zeitungen veröffentlichten Bilder über die Juden geglaubt und immer gedacht, solche entarteten Menschen könne es gar nicht geben. Nun bin ich eines Besseren belehrt. Das Verbrechergesindel sieht ja noch viel, viel furchtbarer aus. Das sind ja Viecher, aber keine Menschen!“17Propagandistisch versuchte Ramcke seine Soldaten immer wieder ganz im Stile der NS-Ideologie zu beeinfl ussen: So hatte er seiner Truppe gegenüber deutlich gemacht, dass die Amerikaner zwar immer wieder ihre völkerrechtskonforme Behandlung der Kriegsgefangenen betonten würden, dass sich in der US-Armee aber auch „niedere Rassen wie Schwarze und Mulatten“ befänden, welche sich nicht daran hielten und ihren „Urtrieben“ folgen würden. „Der Amerikaner ist – einst wie heute – das Kampfi nstrument der internationalen Judenclique, die die in der Wallstreet in New York ihren Sitz hat und von dort, jetzt im Verein mit dem russischen Bolschewismus, die Welt unterjochen will“, so wird Ramcke in einer Äußerung aus dem Jahre 1944 an die Soldaten der Festung Brest zitiert.18 Und noch als Kriegsgefangener mutmaßte er noch im Januar 1945, dass die Weltgeschichte dem „Führer“ einmal Recht geben werde, „dass er diese grosse, jüdische Gefahr für alle Völker erkannt und dass er die jüdisch-kommunistische Gefahr im Osten für Europa erkannt hat.“19
Ramcke und die „Grünen Teufel“, so wie die deutschen Fallschirmjäger während des Zweiten Weltkriegs von den Alliierten auf Grund ihrer grünen Fallschirmjägeruniformen, sowie der Fähigkeit, schnell und unerwartet anzugreifen, genannt wurden, neigten nach dem Krieg in ihren Sympathien mehrheitlich zur Sozialistischen Reichspartei (SRP). Diese Partei war ein nationalsozialistisch ausgerichteter politischer Zusammenschluss, der sich selbst in der Tradition der NSDAP sah. 1952 wurde die SRP verboten. In der Begründung zum Verbot hieß es: „…Die Angriffe der Partei richteten sich in steigendem Maße nicht nur gegen die konkreten politischen Zielsetzungen der Regierung, sondern gegen die Form der politischen Willensbildung in der Bundesrepublik schlechthin […]Insgesamt sei festzustellen, dass die SRP die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik bekämpfe und mit ihren Grundsätzen und Zielsetzungen gegen die zuvor aufgestellten Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoße. Sie missachte die Menschenrechte, bekämpfe das Mehrparteienprinzip und sei nach dem „Führerprinzip“ aufgebaut. Auch gebe es unter den Mitgliedern und Funktionären der Partei zahlreiche aktive Nationalsozialisten. Die SRP weise demzufolge eine hohe personelle und organisatorische Kontinuität zur NSDAP auf und sei mit dieser wesensverwandt…“20
Ramckes Einbindung in eine, nach deren Verbot, kurzfristig aufgestellte Nachfolgeorganisation der SRP misslang. Nach Angaben des britischen Geheimdienstes hatte er in dieser Zeit bereits Kontakt zum Naumann-Kreis des ehemaligen Staatssekretärs im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Werner Naumann (1909–1982), aufgenommen. Dieser plante mit anderen ehemaligen hochrangigen Nationalsozialisten eine Unterwanderung der FDP. Die Strukturen dieser Partei schienen den Agierenden für das Vorhaben besonders geeignet, die Politik des Nationalsozialismus verdeckt erneut voranzutreiben.
Nachdem Naumann und andere sich im September 1952 doch noch gegen eine Unterwanderung der FDP entschieden hatten,21 setzten sie stattdessen neue Hoffnungen in die Deutsche Reichspartei (DRP). Diese war ein extrem rechten Zusammenschluss, der aber noch am wenigsten „diskreditiert“22 war und allgemein als „Sammelbecken des Nazismus“23 oder als „Herbergspartei rechtsradikaler Kräfte“24 galt. Bernhard Ramcke soll, ebenso wie Naumann selbst, im September 1953 als Kandidat für die DRP zur Bundestagswahl aufgestellt worden sein. Belastbare Nachweise dafür fehlen bisher. Ramckes Kandidatur zu dieser Wahl soll damals von Naumann initiiert worden sein.25 Werner Naumann selbst wurde, um seine Wahl möglichst noch zu verhindern, in einem beschleunigten Entnazifi zierungsverfahren kurzfristig als belastet (Gruppe II) eingestuft, wodurch ihm das aktive und passive Wahlrecht zu entziehen war.26
Doch nicht nur die DRP, sondern auch die rechtsextreme Deutsche Partei (DP) versuchte in dieser Zeit, Verbindung zu Ramcke aufzunehmen, damit dieser in ihre Reihen einträte. Geplant war, dass der ehemalige Fallschirmjägergeneral auf dem Parteitag der DP in Goslar 1952 zum Parteivorsitzenden gewählt werden sollte.27 Zu einer Umsetzung dieser Pläne kam es jedoch nie. Im Januar 1953 wurde die Naumann-Gruppe durch den britischen Geheimdienst enttarnt.
Die in diesem Buch vorgelegten Forschungsergebnisse machen deutlich, dass sich aus der Familie Ramcke, außer Herman Bernhard Ramcke selbst, mindestens auch noch sein älterer Bruder Ernst Hermann Heinrich Ramcke, der als aktiver Nationalsozialist überwiegend in der Stadt Schleswig wirkte, der faschistischen Ideologie der Nationalsozialisten hingab und sich mehrfach schuldig gemacht hat. Auch waren beide Brüder nach dem Krieg noch immer keine Demokraten. Das Wirken dieser Familie soll in dieser Veröffentlichung, im Kontext mit damit einhergehenden Untersuchungen zum Wiedererstarken nationalsozialistischer Ideen nach Kriegsende, detailliert beschrieben und genauestens analysiert werden.
Trotz der auffällig geringen Körpergröße beider Brüder wird in dieser Studie völlig auf ein Erklärungsmuster verzichtet, welches vorrangig den sogenannten „Napoleon-Komplex“ als alleinigen Grund für den Werdegang der beiden Männer im Nationalsozialismus zu Grunde legt. Der „Napoleon-Komplex“ wird zwar oftmals als Theorie herangezogen, die besagt, dass Menschen von kleinem Wuchs - insbesondere Männer - ein aggressiveres oder beherrschendes Verhalten an den Tag legen als andere größere Menschen. Sie wollen wohl so ihre geringe Körpergröße vergessen zu machen. Die in diesem Buch belegten Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Übernahme eines faschistoiden Denk- und Verhaltensmuster speziell in der Familie Ramcke sehr viel komplexer gesehen werden muss und nicht nur allein auf die klein ausfallende Körpergröße der beiden Brüder bezogen werden kann. Auf die erneute Darstellung der überwiegend propagandistisch eingefärbten Bilder aus der Familie, insoweit sie zugänglich sind, ist in diesem Buch verzichtet worden.
Der Vater, Regierungs-Kanzlei-Sekretär Franz Hermann Ramcke (*31.3.1854, † 7.10.1916), kam gebürtig aus Ellerbek im Kreis Pinneberg. Seine 1885 geheiratete Ehefrau und Mutter der Kinder, Anna Sophia, geborene Korff (17.1.1865, † 16.7.1936), wurde in Neuenbrook im Kreis Steinburg geboren. Ihr eigentlicher Herkunftsort ist jedoch mit dem nahe bei Neuenbrook gelegenen Lägerdorf angegeben. Sie war, als eines von acht Kindern, die Tochter von Johann Joachim Heinrich Korff, eines Häuerlings in Lägerdorf. Ihre Mutter scheint unbekannt. Franz Hermann Ramcke hatte auf dem Vollmachthof in Ellerbek im Kreis Pinneberg, dem alten Familiensitz der Ramckes, wie seine Vorfahren ursprünglich Landwirt gelernt, war aber dann zur Ableistung seiner dreijährigen Militärdienstzeit 1874 zum erst 1866 gegründeten Infanterieregiment Nr. 84 „von Manstein“ nach Schleswig abkommandiert worden. Sein Vater, Jochim Ramcke, starb früh, als der kleine Franz Hermann erst 7 Jahre alt war. Als nun auch noch seine Mutter Anna Magdalena Ramcke 1877 starb, wurde Franz Ramcke mit 23 Jahren zur Vollwaise. Er ging zunächst zurück nach Ellerbek, um mit auf dem heimatlichen Hof zu arbeiten, doch auf Grund finanzieller Probleme des nachfolgenden Erben aus der Familie kam der Erbhof alsbald unter den Hammer. Franz Hermann Ramcke ging als gewesener Soldat notgedrungen zurück zu seiner Garnison nach Schleswig. Sein höchster erreichter Dienstgrad war hier der eines Sergeant. Nach seiner dreizehnjährigen Militärzeit wurde Franz Hermann Ramcke Regierungsbeamter.
Bernhard Ramcke berichtete später über seine Herkunft, beziehungsweise über die Herkunft seines Vaters entsprechend: „Ich entstamme einem alten schleswig-holsteinischen Bauerngeschlecht, das seit dem 15. Jahrhundert auf ein und demselben Erbhof, dem Vollmachthof in Ellerbek, Kreis Pinneberg, ansässig war. Mein Vater ist als drittgeborener Sohn 28 Soldat und Beamter geworden…“ 29
Noch während der üblichen drei abzuleistenden Jahre seiner Militärzeit war für Franz Hermann Ramcke noch nicht abzusehen gewesen, dass er in Schleswig bleiben würde. Als er nach der Zwangsversteigerung des großväterlichen Hofes aus Ellerbek in die Stadt zurückkehrte, führte er lange das unstete Leben eines Soldaten mit dem entsprechenden Sold. Deswegen mag es nicht verwundern, dass er erst nach knapp elf Jahren Aufenthalt in Schleswig 1885 heiratete und erst als Unteroffi zier eine Familie gründete. Aus seiner Ehe mit Anna Sophia Korff sind offi ziell neun Kinder hervorgegangen, so ist es verschiedentlich zu lesen. Die ersten beiden Söhne, Ernst Hermann Hinrich Ramcke (*1886, † 1957) und Wilhelm Ramcke (*1887, † 1915), kamen in der Dienstwohnung Franz Ramckes auf Schloss Gottorf zur Welt. Der dritte Sohn, Bernhard Hermann Ramcke (*1884, † 1968), erblickte in der Übergangswohnung auf dem Kleinberg im Stadtteil Friedrichsberg das Licht der Welt. Alle anderen, bis auf das jüngste Kind, dürften in der Wohnung in der Busdorfer Straße 19a in Schleswig geboren worden zu sein: Anna Sophia Margaretha (Marga) Ramcke (*1890, † 1975),30Louise Maria Dorothea Johanna Ramcke (*1891, † 1973),31Paula Anna Maria Wilhelmine Ramcke (*1896, † vor 1919), Charlotte (Lotti) Sophia Dorothea Margareta Ramcke (*1899, † 1917), Alma (Ali) Margarete Alwine Ramcke (*1900, † 1976)32 und Dorothea Sophie Louise Hermine Ramcke (*1901, † 1975)33.
Bernhard Ramcke konnte sich an diese elterliche Wohnung in der Busdorfer Straße offenbar später nicht mehr erinnern, als er in seinen Lebenserinnerungen für die Zeit nach seiner Geburt schrieb. „Bald darauf übersiedelte die Familie in das inzwischen angekaufte und umgebaute Landhaus auf Riesberg…“. Hierhin, auf den Riesberg 4, zog die Familie jedoch erst 1900. Die Liebe zur Landwirtschaft und auch die Überlegung, durch ergänzende Selbstversorgung den Lebensunterhalt etwas zu erleichtern, waren bei Franz Hermann Ramcke wohl die vorrangigen Gründe auf dem Riesberg ein Landhaus zu erwerben, denn obwohl er Regierungsbeamter war, reichte das Geld für die immer größer werdende Familie kaum noch aus.
Bernhard Ramcke soll die Lebensleistung seiner Eltern immer bewundert haben, glaubt man seinen schriftlichen Ausführungen. Beide Elternteile hatten es, trotz des unzureichenden Einkommens für die große Familie, durch umsichtige Haushaltsführung und durch ein hohes Maß an Mehrarbeit, verstanden, es ihm und seinen Geschwistern an nichts fehlen zu lassen. Darüber schrieb Ramcke anerkennend:
„Mit unendlichem Fleiß hat mein Vater dann nach seinem neun- bis zehnstündigem Dienst aus dem großen Garten und der Kleinviehhaltung erstaunliche Erträge herausgewirtschaftet. Ihm machte diese Arbeit als Ausgleich für den Bürodienst viel Freude, und er hatte dabei in allem eine glückliche Hand […] und dank der ganz besonders umsichtigen Wirtschaftsführung der Mutter [wir] nichts zu entbehren brauchten. Unser Tisch war immer reichlich gedeckt.“34
In keiner Veröffentlichung der Familie oder in anderen Berichten zum Leben des legendenumwobenen Fallschirmjägergenerals Ramcke sind die weiteren Kinder der Familie näher erwähnt, die nur sehr kurz am Leben blieben, oder bereits tot zur Welt kamen. So wurden Hermann und Anna Sophia Ramcke am 25.2.1894 ein Zwillingspärchen, ein Junge und ein Mädchen, geboren, die aber noch am gleichen Tage starben. Bei dem Jungen hatte man sich schon auf den Namen Heinrich August Ramcke festgelegt. Der Name des verstorbenen Mädchens ist nicht überliefert. 1895 kam ein weiteres Mädchen tot zur Welt, so dass zwischen den Geburten der beiden Töchter Louise und Paula noch drei Kinder hinzuzurechnen sind. Ein Jahr nach Paulas Geburt erblickte noch ein Mädchen das Licht der Welt, welches den Namen Anna Sophia Dora tragen sollte. Sie durfte nur 16 Tage leben und starb bereits am 26. Oktober des Jahres 1897. Eigentlich entsprangen somit 13 Kinder der Ehe von Franz Hermann und Anna Sophia Ramcke (9 Mädchen und 4 Jungen).
Da Ramcke in seinem ersten Buch der Beschreibung seines Vaters und die von diesem übernommenen „preußischen Tugenden“ mehrere Absätze widmete, und diesem damit eine hohe Priorität einräumte, soll einer hier als Einblick in die Persönlichkeitsstruktur des Erziehenden wiedergegeben werden: