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Fair Oaks , die Ranch, die Amity verwaltet, soll verkauft werden, weshalb Amity ins nächste Städtchen Rogers Creek fährt. Dort lernt sie die umherziehende McCrea kennen, eine heiße Nacht im Hotel folgt. Aber vorbei ist die Leidenschaft bereits am nächsten Morgen, denn Amity kehrt auf die Ranch zurück, während McCrea weiterzieht. Scheinbar – denn kurz darauf taucht McCrea auf der Ranch auf. Ihr Wagen hat ganz in der Nähe den Geist aufgegeben. So bleibt sie erst einmal auf Fair Oaks und lernt dort nicht nur das ihr fremde Ranchleben kennen, sondern auch das riesige Damoklesschwert, das über allem hängt: der bevorstehende Verkauf. Amity und ihre Familie würden ihr Zuhause verlieren, denn der neue Besitzer würde sie achtkantig rauswerfen. Während McCreas Aufenthalt kommen Amity und sie sich immer näher, obwohl es klar ist, dass McCrea eines Tages weiterziehen wird . . . Wird sie wirklich? Denn der Kampf um die Ranch und damit Amitys Existenz werden schnell auch zu McCreas Kampf – weil sie beginnen, sich ineinander zu verlieben. Aber was wird geschehen, wenn McCreas Auto repariert ist? Wird sie die Ranch verlassen? Doch dann zeigen sich plötzlich noch ganz andere drohende Wolken am Horizont . . .
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Seitenzahl: 306
Roman
© 2022édition el!es
www.elles.de [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-95609-355-5
Coverfoto:
Meine Güte. Sieht die gut aus. Amity betrachtete die Frau in der Fliegerjacke, die gerade die Hotelbar betreten hatte, interessiert.
Die schien sie aber gar nicht zu bemerken, sondern steuerte gleich den Barkeeper an und bestellte ein Shady Oak Blonde Ale.
Das überraschte Amity. Sie hätte die Fliegerjacke eher auf Whisky geschätzt als auf Bier. Aber ehrlich gesagt machte das die Frau noch interessanter, denn sie war in dieser Hinsicht schon einmal außergewöhnlich. Vielleicht auch in anderer.
Aber sich so einfach neben sie setzen und sie ansprechen? Das war nicht so ganz Amitys Stil. Doch würde diese Frau sie je bemerken, wenn sie es nicht tat?
Während sie noch so überlegte, was sie tun sollte, betrat auf einmal eine ganze Gruppe die Bar, die im Stil eines Saloons gehalten war.
»Hey Amity! Was machst du denn hier?« Ein Mann löste sich aus der Gruppe und kam auf sie zu. »Dich sieht man ja fast nie in der Stadt.« Er beugte sich zu ihr über den Tisch. »Konntest du dich endlich mal von deiner Ranch da draußen losreißen?«
Etwas zweifelnd blickte Amity auf die Dokumente, die vor ihr auf dem Tisch lagen. »Es ist nicht meine Ranch, Roy. Ich verwalte sie nur.«
Er nickte und tippte auf die Blätter. »Und deine Arbeit hast du mitgebracht?«
»Nicht direkt«, sagte sie.
»Dann komm mit an die Bar!« Er richtete sich auf und winkte ihr mit einer ausladenden Geste einladend zu. »Wenn du nicht arbeitest, kannst du auch trinken.«
Sie verzog das Gesicht. »Da hast du wahrscheinlich recht«, sagte sie. »Schließlich weiß ich noch nicht einmal, ob ich noch lange Arbeit haben werde.« Sie stand auf.
Fragend hob Roy die Augenbrauen. »Wieso? Eine bessere Ranch-Verwalterin als dich werden sie niemals finden.«
Ein wenig seufzend holte Amity Luft. »Wenn die Ranch verkauft wird, ist sie vielleicht keine Ranch mehr, die eine Verwalterin wie mich braucht.«
»Was erzählst du denn da für einen Blödsinn?« Mittlerweile waren sie an der Bar angekommen. »Richtig was trinken oder Root Beer?«, fragte er sie, während er dem Barkeeper winkte.
»Fangen wir mal mit Root Beer an«, schlug sie schmunzelnd vor. »Ich habe noch eine Besprechung hier im Hotel. Da ist es nicht so gut, wenn ich nach Whisky rieche.«
»Besprechung?«, fragte er. Dem Barkeeper rief er zu: »Root Beer und einen Zweistöckigen, Bill!«
Der nickte und machte sich daran, die Getränke einzugießen.
»Mit dem neuen Besitzer der Ranch«, erklärte Amity. »Dem . . . Erben.« Ihre Mundwinkel fielen nach unten. »Ist wohl nicht aus Texas. Hat keine Ahnung von einer Ranch. Will verkaufen.«
»Dann kauf du sie doch«, schlug Roy lässig vor, während er sein Whiskyglas vom Barkeeper entgegennahm und ihr zuprostete. »Du verstehst schließlich eine Menge davon.«
»Und womit sollte ich sie kaufen?«, fragte Amity. Sie nippte an ihrem Root Beer und stellte das Glas dann wieder auf der Theke ab. »Das ist eine große Ranch. Die verkauft er mir sicher nicht für ein Butterbrot.«
»Kannst ihn ja mal fragen.« Wie immer wirkte Roy ganz zuversichtlich.
Probleme kannte er nicht. Nur Lösungen. Und wenn es keine Lösung gab, ignorierte er das Problem einfach so lange, bis es sich von selbst auflöste. Er hatte viel Geduld und keinerlei Eile, was das betraf. Manchmal beneidete Amity ihn um seine entspannte Haltung.
»Du lebst irgendwo auf Wolke sieben, Roy.« Sie lachte. »Die Realität hier unten auf der Erde sieht leider etwas anders aus.«
»Muss ja ein ziemlicher Arsch sein, wenn er das nicht macht«, bemerkte Roy, indem er sein Whiskyglas halb leerte. »Ist doch schließlich mehr deine Ranch als seine.«
Skeptisch hob Amity die Augenbrauen. »Auf der Besitzurkunde steht was anderes. Zwar hat schon mein Vater die Ranch verwaltet, und ich bin dort geboren und aufgewachsen, aber wen interessiert das? Gehört hat sie immer jemand anderem.«
»Hey Roy!« Die Gruppe Rancharbeiter, mit der Roy hereingekommen war, wurde ungeduldig. »Spielst du nicht mit?«
Einer aus der Gruppe hob Pokerkarten in die Luft. »Sonst fangen wir ohne dich an.«
»Okay, okay. Ich komm ja schon.« Entschuldigend sah Roy Amity an. »Zeig dem Schnösel aus der Stadt, wo die Harke hängt«, verabschiedete er sich von ihr. »Das kann doch nicht sein, dass er dir die Ranch wegnimmt.«
Stirnrunzelnd schaute Amity ihm nach, als er sich nun zu seinen Kumpels am Tisch begab, die schon die Karten verteilten. Sie lehnte sich gegen die Bar und legte ihre beiden Hände um das große Root-Beer-Glas.
»Trinken Sie immer nur Root Beer?«, fragte da eine dunkle Stimme aus einiger Entfernung neben ihr. »Oder auch mal was anderes?« Die Frau in der Fliegerjacke, die ein paar Plätze weiter an der Bar stand, hob ihr Bierglas in Amitys Richtung an. »Zum Beispiel richtiges Bier?«
Wie sie das geschafft hatte, konnte Amity sich gar nicht vorstellen, aber sie hatte diese Frau tatsächlich für einen kurzen Augenblick vergessen. Nun kehrte die Erinnerung an ihren Anblick jedoch umso stärker zurück, sodass Amity sich mit Gewalt daran hindern musste, sich zu ihr umzudrehen. Für so etwas hatte sie jetzt überhaupt keine Zeit! Sie musste sich auf andere Dinge konzentrieren.
»Schöner Name, Amity.« So leicht ließ die andere sich aber nicht das Bier aus dem Glas nehmen. Sie kam langsam zu Amity herüber und stellte sich dann direkt neben sie an die Bar.
»Hab ich seit meiner Geburt«, erwiderte Amity etwas ablehnend. »Nichts Besonderes.«
Sie fand diese äußerst banale Anmache nicht sehr antörnend. Vielleicht hatte sie sich doch in der Frau getäuscht. Sie war nicht anders als die anderen. So eine Anmache war jedenfalls absolut nicht außergewöhnlich.
»McCrea«, sagte die Fliegerjacke.
Irritiert schaute Amity sie an. »Sie kommen aus McCrea?« Dass sie ihr einfach so den Namen einer Stadt in Texas hinwarf, fand sie jetzt auch nicht unbedingt originell.
Die andere nickte. »Das auch. Wie meine Eltern. Weshalb sie mir wahrscheinlich diesen Namen gegeben haben. Weil sie auch so heißen.«
»Das ist also Ihr Nachname?«, fragte Amity.
Die andere lachte leicht. »Und mein Vorname. Vorname und Nachname. McCrea McCrea aus McCrea.«
»Ist das ein Witz?« Erstaunt blickte Amity sie nun doch an.
Und sofort trafen sie durchdringend helle Augen.
Schmunzelnd schüttelte McCrea den Kopf. »Kein Witz. Obwohl ich schon oft deshalb ausgelacht worden bin. Besonders als Kind.« Sie nahm einen Schluck Bier. »Jetzt traut sich das natürlich keiner mehr so leicht.«
Das konnte Amity sich vorstellen. McCrea McCrea aus McCrea war zwar nicht viel größer als sie selbst, aber sie wirkte in der Fliegerjacke ziemlich breitschultrig.
»Sie sind aber nicht in McCrea aufgewachsen, oder?«, fragte sie. »Sie haben gar keinen texanischen Akzent.«
»Schuldig, Euer Ehren.« Wie zum Schwur hob McCrea eine Hand. »Ich musste in den kalten Osten, weil meine Eltern fanden, ich sollte was Richtiges lernen.«
Fast hätte Amity lachen müssen, aber sie biss sich auf die Lippe. McCrea sollte nicht zu schnell den Eindruck bekommen, dass Amity etwas für sie übrig hatte. Denn das hatte sie.
»Wie wär’s«, sagte McCrea in diesem Moment und hielt ihr Glas in Amitys Richtung, »wenn wir mit diesem blöden Sie aufhören? McCrea?«
»Amity«, nickte Amity, und sie stießen an. McCrea erwartete jetzt hoffentlich keinen Verbrüderungskuss von ihr, denn dann hätte Amity nicht gewusst, was sie tun sollte.
Aber in der Beziehung war McCrea anscheinend zurückhaltend. Sie nippte nur an ihrem Bier, leerte das Glas damit und winkte dem Barkeeper, dass er ihr Nachschub bringen sollte.
»Ich habe da eben mitgekriegt, dass es ein Problem gibt?«, fragte sie währenddessen. Dann schaute sie wieder Amity an. »Mit deiner Ranch?«
Amity holte tief Luft und seufzte. »Nicht meiner. Leider«, antwortete sie. »Obwohl ich zugeben muss, dass ich sie manchmal als meine betrachte. Die alten Eigentümer haben sich kaum darum gekümmert. Kamen nur in den Ferien vorbei. Da konnte man schon den Eindruck kriegen, man sitzt auf der eigenen Scholle.«
»Aber die sind gestorben?«, fragte McCrea. Mittlerweile hatte der Barkeeper ihr das erneut gefüllte Glas herübergeschoben.
Amity nickte. »Der Mann war schon eine Weile tot, aber vor Kurzem ist auch seine Frau gestorben. Die war jahrelang nicht hier. Und jetzt«, sie rollte die Augen, »hat das irgendein entfernter Verwandter geerbt, der überhaupt keine Beziehung zu dem Land hat. Der hat die Ranch noch nicht mal gesehen und will sie schon verkaufen.«
»Hm«, machte McCrea. Der neu gefüllte Bierkrug wanderte an ihre Lippen und hinterließ dort einen kleinen Schaumbart, als sie das Glas wieder absetzte.
Das brachte Amity zum Lachen, ohne dass sie es verhindern konnte.
»Warum lachst du?«, fragte McCrea.
»Du hast da was . . .« Amity hob die Hand, und gleichzeitig beugte McCrea sich zu ihr. Was dazu führte, dass Amitys Finger McCreas Lippe berührte. Sie zuckten beide zusammen.
Schnell zog Amity ihren Finger zurück. »Vielleicht schaust du einfach in den Spiegel«, schlug sie vor, während ihr innerlich heiß wurde.
Wie in praktisch jeder Bar der Welt war ein Spiegel hinter der Theke angebracht, vor dem viele Flaschen aufgereiht waren. McCrea reckte den Kopf, bis sie ihre eigenen Lippen sehen konnte, und lachte dann auch.
»Ach so . . .« Sie wischte sich mit der Hand darüber, und der Schaumbart war weg. »Besser?«
Diese hellen Augen . . . Und überhaupt . . . Amity versuchte sich zu beherrschen, aber es fiel ihr schwer. Wenn sie mit einem nicht gerechnet hatte, dann damit, dass bei diesem Besuch in der Stadt irgendjemand erotische Gefühle in ihr auslösen würde. Das hatte sie nun wirklich nicht auf dem Schirm gehabt.
Sicher, viele Gelegenheiten hatte sie nicht. Draußen auf der Ranch gab es mehr Männer als Frauen. Und die Frauen, die es gab, waren entweder verheiratet – mit Männern – oder viel zu jung, um für Amity infrage zu kommen. Wenn sie von ihrer sexuellen Ausrichtung her überhaupt infrage kamen.
»So ein Bart hat auch was«, antwortete sie lächelnd und merkte, dass sie flirtete.
McCrea merkte es auch. Und wenn Amity das richtig sah, hatte sie auch genau das beabsichtigt. Die hellen Augen bekamen einen schimmernden Glanz, den sie zuvor nicht gehabt hatten.
»Soll ich mir einen wachsen lassen?«, fragte sie scherzend.
»Das piekt so«, gab Amity zurück, als wäre es kein Scherz gewesen.
»Beim Küssen, meinst du?« McCrea führte die Diskussion genauso gespielt ernsthaft fort, nahm einen Schluck von ihrem Bier und wischte sich sofort den Schaumbart ab, bevor Amity wieder darüber lachen konnte. »Habe ich noch nie ausprobiert.«
Amity schluckte. »Ich auch nicht«, sagte sie.
Ihre Augen versanken ineinander.
Auf einmal blickte McCrea von ihr ziellos weg in den Raum und räusperte sich hart. »Entschuldigst du mich einen Moment?« Schnell rutschte sie von dem hohen Barhocker und ging auf das Zeichen zu, das zu den Toiletten wies.
Habe ich sie jetzt vertrieben? fragte sich Amity und sah ihr erstaunt nach. Wird sie zurückkommen? So schnell war noch keine Frau vor ihr geflüchtet. Sie hatte das wohl nicht mehr drauf mit dem Flirten.
Gleich darauf gab ihr Handy einen leisen Ton von sich. Sie hatte es so eingestellt, dass sie jederzeit benachrichtigt wurde, nicht nur, wenn Nachrichten über einen Messenger kamen, sondern auch, wenn eine E-Mail kam. Und so eine war jetzt in ihrem Posteingang eingetroffen.
Empört schnappte sie nach Luft, als sie den Inhalt las. Da war sie extra in die Stadt gekommen – eine stundenlange Fahrt –, und dann sagte dieser . . . Affe ab? Taylor Williams konnte keine guten Manieren haben. Verursachte ihr so einen Aufwand, und entschuldigte sich noch nicht einmal richtig dafür. Bis auf ein kleines Sorry am Anfang der Mail war nichts von einer Entschuldigung zu erkennen.
Sorry, mir ist was dazwischengekommen. Hoffe, es klappt ein anderes Mal mit unserem Treffen. Taylor Williams.
Keine Erklärung, gar nichts. Am liebsten hätte Amity das Handy an die Wand geschleudert. Aber das arme kleine Ding konnte ja nichts dafür, was für ein . . . wie hatte Roy gesagt? . . . Arsch dieser Taylor Williams war.
Sie löschte die Mail – die wollte sie nicht noch einmal in ihrem Posteingang sehen – und schüttelte den Kopf.
»Was passiert?«, fragte McCrea, die gerade von der Toilette zurückkam. »Du siehst so grimmig aus.«
»Ach, dieser . . .«, Amity atmete tief durch, um sich zu beruhigen und ihre Wortwahl zu mäßigen, »Taylor Williams hat abgesagt.« Sie sah McCrea an. »Ich hatte eine Besprechung mit ihm hier. Wegen der Ranch. Er ist der Erbe, der sie verkaufen will.«
»Ist das nicht gut?«, fragte McCrea stirnrunzelnd. »So wird sie jetzt doch erst einmal nicht verkauft.«
»Pah!« Laut und abschätzig stieß Amity die Luft aus. »Wahrscheinlich wird er mich demnächst bitten, ihm die Dokumente hier«, sie hob die Blätter an, die sie vom Tisch mit herübergebracht hatte, »einfach zu mailen. Und dann verkauft er, ohne dass ich ihn überhaupt je gesehen habe. Und ohne dass ich eine Chance habe, ihn davon abzubringen.«
»Ich sehe das eher positiv«, sagte McCrea. Ganz nah beugte sie sich an Amity heran, und ihre Augen funkelten wie helle Kristalle. »So können wir jetzt zusammen lunchen und haben den Nachmittag für uns. Vielleicht sogar Dinner?«
In Amity kribbelte alles. Das waren so ungefähr drei Dates auf einmal. Und nach dem dritten Date gab es . . . Sex.
Sie richtete ihren Blick auf den Boden und wandte sich von McCrea ab, weil sie Hitze in ihre Wangen schießen fühlte. Sie musste rot wie eine Wüstenrose sein.
»Wenn ich jetzt nicht zur Ranch zurückfahre, muss ich hier übernachten«, wandte sie ein und sprach dabei zu den rustikal gemusterten Fliesen, die fast so aussahen wie Holz, während sie so tat, als müsste sie etwas in ihrem Handy nachsehen. »Das wollte ich eigentlich nicht.«
»Ich habe ein Zimmer hier im Hotel«, sagte McCrea. »Ich wollte sowieso hier übernachten.«
Wie nannte man das noch mal bei älteren Damen? Fliegende Hitze? War sie gerade durch die Menopause gegangen?
Amity wusste nicht, warum diese Gedanken ihr durch den Kopf schossen, aber die Hitze, die sie überflutete, passte dazu. Sie konnte nicht so richtig bestimmen, woher genau die Hitze kam. Aus ihrem Körper auf alle Fälle, aber zum Teil, hatte sie das Gefühl, auch aus ihrem Kopf. Weil sie sich schämte.
Wie lange kannte sie McCrea jetzt? Fünfzehn Minuten? Zwanzig? Und da wollte sie schon mit ihr ins Bett gehen? Das konnte doch einfach nicht möglich sein!
»Nicht dass du denkst, ich wollte dir zu nahetreten«, hörte sie auf einmal McCreas Stimme wie durch einen Nebel aus Watte. »Das war nur eine . . .«, sie räusperte sich, »Information.«
Ja, genau. Nur eine Information. Amity musste innerlich schmunzeln, und das kühlte sie erstaunlicherweise ab.
Ihre Mundwinkel zuckten ein wenig, als sie nun wieder zu McCrea aufsah. »Lunch fällt bei mir meistens aus«, sagte sie. »Aber Dinner wäre schön. Wenn ich schon einmal hier bin . . . Ich komme so selten in die Stadt.«
Obwohl sie nicht vermutet hätte, dass so helle Augen noch heller werden konnten, geschah es. McCreas Augen leuchteten auf, als hätte jemand dahinter einen Strahler angeschaltet.
»Obwohl du so selten in die Stadt kommst, kennst du die Stadt aber bestimmt besser als ich«, sagte sie. »Willst du sie mir zeigen? Ich bin zum ersten Mal hier.«
Darauf hätte ich wetten können, dachte Amity. Wenn du schon mal hiergewesen wärst, wärst du mir bestimmt aufgefallen.
»Sicher«, sagte sie und nickte. »Ich habe ja jetzt unerwartet . . .«, ihre Mundwinkel fielen herunter, »frei.«
»Ärger dich nicht.« Es sah so aus, als wollte McCrea sie in den Arm nehmen und trösten, aber dann schaute sie sich um und hielt sich zurück. »So was kann doch immer mal passieren. Dass einem etwas dazwischenkommt. Er hat es bestimmt nicht böse gemeint.«
»Schon allein, dass er die Ranch verkaufen will, ist böse!«, fuhr Amity auf. Doch dann beruhigte sie sich wieder. »Nein, wahrscheinlich hast du recht. Für ihn ist es eben . . .«, sie holte tief Luft, »einfach nicht wichtig. Nicht so wichtig wie für mich.«
McCrea zuckte die Schultern. »Wenn er aus der Stadt kommt, ist eine Ranch für ihn vielleicht etwas sehr . . . Exotisches. Möglicherweise hat er Angst davor, sich dem Unbekannten zu stellen.«
»Angst?« Entgeistert starrte Amity sie an. »Jetzt übertreibst du aber. Wer hat denn Angst vor einer Ranch?«
Leise fing McCrea an zu lachen. »Du bist einfach . . . hinreißend.«
»Da solltest du mich mal in meinen Cowboy-Klamotten sehen«, gab Amity frotzelnd zurück.
Heute hatte sie sich für die Besprechung feingemacht. Statt Jeans, Cowboystiefeln und einem groben karierten Hemd trug sie ein Kostüm, ihr Sonntags-Outfit, das eigentlich für die Kirche reserviert war. Modisch war es nicht gerade auf dem neuesten Stand, denn sie hatte es schon seit Jahren, aber weil sie es sehr schonte, sah es aus wie neu.
»Würde ich gern«, sagte McCrea. Ihre Augen bestätigten das, aber was sie noch mehr bestätigten, war, dass sie vermutlich am allerliebsten sehen würde, wenn Amity jede Art von Klamotten auszog.
»Es ist heller Tag«, flüsterte Amity, doch gleichzeitig fühlte sie schon wieder, wie ihre Wangen heiß wurden. Die Wüstenrose fing jetzt wahrscheinlich richtig an zu blühen.
»Du . . . hm . . .«, McCrea schmunzelte heftig, »tust es nur bei Dunkelheit?«
Amity musste schwer an sich halten, jetzt nicht gleich hier über McCrea herzufallen, aber sie gab sich einen ganz kühlen Anschein und antwortete so wohlerzogen wie möglich: »Bevorzugt. Irgendwas dagegen?«
»Oh nein!« McCrea hob die Hände und trat einen Schritt zurück. »Selbstverständlich ist das völlig in Ordnung.« Sie lächelte, und dieses Lächeln warf Amity noch mehr um als alles andere. »Zeigst du mir trotzdem die Stadt?«
»Aber sicher.« Amity nickte. »Lass mich das nur schnell in den Wagen bringen.« Sie hob die Blätter an, die sie in der Hand hielt. »Das möchte ich nicht die ganze Zeit mit herumschleppen.«
Sie besaß noch nicht einmal einen Aktenkoffer, also hatte sie keine andere Möglichkeit, das Zeug zu verstauen.
»Ich komme mit«, sagte McCrea und warf ein paar Scheine auf die Theke. »Okay, Bill?«, fragte sie zum Barkeeper hinüber.
Der zählte mit einem schnellen Blick durch und nickte. »Alles klar.«
»Hast du jetzt für mich mitbezahlt?«, fragte Amity tadelnd.
»Ach komm. Das eine Root Beer. Das macht mich jetzt auch nicht arm.« McCrea lachte. »Das nächste Mal kannst du ja bezahlen.«
Ehrlich gesagt mochte Amity es gar nicht, wenn so über sie bestimmt wurde, aber heute war ein besonderer Tag. Und McCrea war eine besondere Frau. Also ließ sie ihr Geld stecken und ging aus der Bar hinaus.
In gewisser Weise hatten sie jedoch beide – oder zumindest Amity – die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn der Weg aus der Bar führte direkt an der Treppe vorbei, die hinauf zu den Hotelzimmern wies.
Darunter war eine im Schatten liegende Ecke, wo es abwärts in den Keller ging. Als sie diese Ecke passierten, verlangsamten sie beide ihre Schritte, als hätten sie sich abgesprochen, und im nächsten Moment zog McCrea Amity in ihre Arme und gleichzeitig unter die Treppe in den Schutz der Dunkelheit.
Ein heißer Kuss ließ Amitys Lippen erbeben, bevor sie überhaupt wusste, wie ihr geschah.
»Sorry«, keuchte McCrea nach einer gefühlten Ewigkeit, nach der sich ihre Lippen wieder voneinander lösten. »Das war nicht . . . Entschuldige.«
Sie ließ Amity los und lehnte sich rückwärts gegen die Wand, wo der Schatten direkt unter der Treppe ihre Gestalt beinah restlos verbarg.
Amity war noch immer völlig benommen von dem Kuss, in den sie sich mit ihrem ganzen inneren Begehren hatte fallen lassen. »Du hast das wohl etwas zu ernst genommen mit der Dunkelheit«, bemerkte sie schweratmend.
»Vermutlich.« McCrea hatte sich bereits wieder erholt und lächelte. Sie stieß sich von der Wand ab. »Wie war das jetzt mit der Stadtbesichtigung?«
Fast wie unter Hypnose nickte Amity. »Ja. Ja, natürlich.« Sie trat einen Schritt zurück und schwenkte zu den unteren Stufen der Treppe, um an ihnen vorbeizugehen. Dann jedoch setzte sie einen Fuß darauf.
McCrea hob die Augenbrauen und sah sie abwartend an. Ansonsten rührte sie sich nicht und sagte auch nichts.
Die hellen Augen schienen tatsächlich eine Art hypnotischen Einfluss auf Amity auszuüben, denn nach dem ersten Fuß setzte sie nun auch den anderen auf die Treppe. Auf die zweite Stufe.
Dort verhielt sie kurz, blickte auf McCrea, die jetzt ein Stück kleiner war als sie, hinunter, drehte sich dann endgültig um und ging die Treppe hinauf.
Das war eine Überraschung gewesen. McCrea verschränkte die Arme unter dem Kopf und schaute an die Decke. Doch kaum eine Sekunde später drehte sie ihren Kopf auf die Seite und betrachtete Amity, die neben ihr lag und schlief.
Als McCrea in die Stadt gekommen war, hatte sie mit dem, was in den letzten Stunden hier passiert war, auf keinen Fall gerechnet. Das war eine merkwürdige Entwicklung.
Aber eine schöne. Ein Lächeln überzog ihr Gesicht. Die sie hier in einem Nest wie Rogers Creek nicht im Entferntesten erwartet hatte. Weshalb sie ihre Pläne jetzt auch ändern musste.
Sie hatte nicht vorgehabt, länger als eine Nacht in Rogers Creek zu bleiben, aber so, wie es im Moment aussah – ihr Lächeln vertiefte sich –, würde sie ihren Aufenthalt auf jeden Fall ausdehnen.
Wie lange, das wusste sie nicht. Schließlich hatte sie woanders Geschäfte zu erledigen. Aber es gab nichts, das nicht vielleicht ein oder zwei Wochen warten konnte. Nichts Lebenswichtiges jedenfalls.
Von den Frauen in Rogers Creek hatte sie sich auf jeden Fall falsche Vorstellungen gemacht. Zumindest von einer.
Ein leises Geräusch neben ihr zeigte an, dass Amity aufwachte. McCrea zog ihre Arme unter dem Kopf hervor und drehte sich zu ihr um, wartete darauf, dass sie die Augen aufschlug.
»Was starrst du mich so an?«
Anscheinend hatte McCrea den richtigen Augenblick verpasst, und im Bruchteil einer Sekunde hatte Amity die Augen erst halb geöffnet und dann weit aufgerissen, statt sie einfach nur aufzuschlagen, weiblich und gesittet.
»Darf ich das nicht?«, gab McCrea lächelnd zurück. »Du bist bei Weitem der schönste Anblick hier im Zimmer.«
Sie hob eine Hand und streichelte sanft über Amitys Wange, strich ihr eine der kurzen Locken zurück, die sich wild und ungebändigt auf ihrem Haupt kräuselten und ihr zum Teil ins Gesicht hingen.
Obwohl es so schien, als müsste sie zuerst darüber nachdenken, schmiegte Amity ihre Wange nach einem kurzen Zögern in McCreas Hand.
»Sorry«, sagte sie. »Ich bin aufgewacht und wusste für einen Moment nicht, wo ich bin.« Sie lachte leicht verschämt. »Das bin ich nicht gewöhnt.« Mit einer fließenden Bewegung hob sie die Arme und legte sie um McCreas Nacken. »Aber ich könnte mich tatsächlich daran gewöhnen.«
Wie um diese Aussage zu besiegeln, ergänzte sie sie mit einem Kuss.
McCrea genoss Amitys weiche Lippen auf ihren eigenen sehr. Alles an Amity war weich und ein Genuss, das hatte sie in den letzten Stunden erfahren dürfen.
»Ich auch«, flüsterte sie. »Wenn ich hier in der Gegend einen Job finden könnte.«
»Einen Job?« Erstaunt lehnte Amity sich zurück. »Du bist auf der Suche nach einem Job?«
Etwas ratlos zuckte McCrea die Schultern. »Ist man das nicht irgendwie immer?«
Amity lachte leicht. »Ich nicht. Ich habe schon mein Leben lang den gleichen Job. Und will auch gar keinen anderen.«
»Da bist du aber bestimmt die Ausnahme«, vermutete McCrea. »Ich kenne kaum Leute, die länger in einem Job bleiben.« Sie lachte auch, aber fast etwas schuldbewusst. »Hummeln im Hintern. So könnte man das glaube ich nennen.«
»Das heißt, du bleibst nirgendwo länger?«, fragte Amity. Ihre Stimme klang auf einmal nicht mehr so freudig erregt wie zuvor.
»Ich könnte zumindest nicht versprechen, dass ich das tue«, sagte McCrea. »Aber je nach den Umständen kann sich das sicher auch ändern.«
Langsam ließ Amity sich auf ihr Kissen zurücksinken. Dann sprang sie auf einmal mit einem einzigen Satz auf und stand vor dem Bett. »Hast du schon mal auf einer Ranch gearbeitet?« Sie sah sich nach ihren Kleidern um.
»Nicht . . . wirklich . . .«, antwortete McCrea zögernd. »Aber ich bin lernfähig.«
»Oh je, das hätte ich aufhängen sollen.« Etwas bedripst betrachtete Amity ihre gute Sonntagsbluse, die sie gerade vom Boden aufgehoben hatte. Sie war völlig zerknittert.
McCrea räusperte sich. »Die Umstände waren da wohl etwas . . .«, sie schmunzelte, »im Weg.«
Es war, als ob eine leichte Röte Amitys Gesicht überzöge, doch dann drehte sie sich weg, hob ihre Unterwäsche auf und zog sich schnell an.
»Ich bin es einfach nicht gewöhnt, so feine Sachen zu tragen«, erklärte sie bedauernd. »Sobald ich sonntags aus der Kirche komme, hänge ich das sofort wieder in den Schrank.«
»Ich gehe nie in die Kirche.« Mit leicht schiefgelegtem Kopf schaute McCrea sie an. »Und ich hätte auch gar keinen Schrank, wo ich irgendwas reinhängen könnte.«
Während Amity ihre Bluse immer noch kritisch betrachtete, runzelte sie die Stirn. »Keinen Schrank? Wie kann man denn keinen Schrank haben? Nicht mal einen kleinen?«
McCrea schüttelte den Kopf. »Ich bin praktisch immer unterwegs, schlafe oft in meinem Wagen. Viel besitze ich nicht. Da brauche ich keinen Schrank.«
Amity breitete die Bluse sorgfältig auf dem Bett aus und setzte sich kurz darauf. »Dann ist das heute wohl eine große Ausnahme«, bemerkte sie beiläufig. »Dass du einen Schrank hast. Hier im Hotelzimmer.«
»Das ganze Zimmer ist eine Ausnahme«, lachte McCrea. »Ich hatte gerade einen Job in Waco, der ganz gut bezahlt war.«
»Bist aber trotzdem nicht dageblieben?«, fragte Amity, während sie aufstand, ihre Bluse vor sich in die Luft hielt und zumindest halb zufrieden mit der improvisierten Po-Bügelei nickte. »Das wird gehen.« Sie warf die Bluse über.
»Die Leute haben mir nicht gefallen.« Wieder zuckte McCrea die Schultern.
»Was war das für ein Job?«, fragte Amity. Sie war nun vollständig angezogen und schlüpfte in ihre Schuhe.
»Nichts Besonderes«, sagte McCrea, schlug die Decke zurück und stand ebenfalls auf. »Kurierdienst.«
»Du auf einem Fahrrad?« Amity lachte. »Das kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen.«
»Weil es nicht so war«, grinste McCrea. »Es war . . . ein Motorrad.« Sie griff sich ihre Jeans vom Boden, in der noch ihre Unterhose steckte, und zog beides gleichzeitig an. »Hungrig? Dinner?«
Immer noch mit lachenden Augen schaute Amity sie an. »Könnte ich schon vertragen«, sagte sie. »Nach diesem . . . Nachmittag.«
Daraufhin konnte McCrea sich ein Grinsen noch viel weniger verkneifen. Sie trat auf Amity zu und zog sie in ihre Arme. »Ein wundervoller Nachmittag«, wiederholte sie halb das, was Amity gesagt hatte. »Ein wundervoller unerwarteter Nachmittag.« Sie suchte Amitys Lippen und küsste sie. »Rogers Creek hat Reize, von denen ich noch nicht einmal geträumt hätte.«
»Rogers Creek?«, fragte Amity blinzelnd.
»Eher eine Bewohnerin von Rogers Creek«, gab McCrea liebevoll lächelnd zu. »Oder noch genauer: die Bewohnerin einer Ranch, die in der Nähe von Rogers Creek liegt.«
»So genau muss es auch nicht sein«, sagte Amity. »Aber da die Stadtbesichtigung ausgefallen ist, kannst du die . . . Reize von Rogers Creek ja noch gar nicht beurteilen.«
»Doch, kann ich«, behauptete McCrea. »Wenn man einen kennt, kennt man alle.« Sie lachte und ihre Augen blitzten herausfordernd. »Und den einen kenne ich glaube ich schon . . .«, noch einmal hauchte sie einen Kuss auf Amitys Lippen, »ganz gut.«
Widerstrebend wand Amity sich aus ihrem Arm. »Wenn du dich da mal nicht irrst . . .«, sagte sie. »Möglicherweise täuscht dich mein Kostüm, und deshalb hältst du mich für harmlos. Da solltest du mich mal einen Mustang einreiten sehen.«
Sie klatschte mit ihrer Hand leicht auf McCreas immer noch nackten Arm, der an ihrem immer noch genauso nackten Oberkörper hing. »Aber wenn du dich jetzt nicht vollständig anziehst, werden wir nie zu unserem Dinner kommen. Denn so . . .«, sie beugte sich hinunter und nahm eine von McCreas Brustwarzen zwischen ihre Lippen, fuhr kurz mit ihrer Zunge darüber, »werden sie dich da nicht reinlassen.«
McCrea stöhnte auf. »Bist du wahnsinnig?« Amitys Zunge an ihrem Nippel hatte einen heißen Strahl bis in die Mitte zwischen ihren Beinen schießen lassen. »So vergesse ich das Dinner sofort wieder.«
»Aber ich nicht.« Amity ging zur Tür. »Ich gehe schon mal vor. Denn sonst . . .«, sie lächelte verführerisch, »wird das Dinner glaube ich ein Frühstück.«
Lachend verließ sie das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
Was für eine Frau, dachte McCrea. Mit so etwas hatte sie wirklich niemals gerechnet. Gar nicht rechnen können. Das hätte sie nicht für möglich gehalten.
Vor allem nicht, dass sie jetzt tatsächlich überlegte, auf einer Ranch zu arbeiten. Auf Amitys Ranch.
Ja, McCrea wusste, dass Amity nicht die Besitzerin war, aber trotzdem kam es ihr so vor. Amity hatte so eine Ausstrahlung. Sie hätte die Besitzerin sein können.
Langsam griff McCrea nach ihrem T-Shirt und streifte es sich über, dann nach ihrem Hemd. Sie hätte die Besitzerin sein können. Es wäre ihr zu gönnen gewesen.
Und doch waren die Verhältnisse völlig andere. Die Person, der am meisten an der Ranch lag, hatte keinen Einfluss darauf, was mit dem Land geschah. Sie wurde gar nicht gefragt.
McCrea warf ihre Fliegerjacke über. Das schwere Leder legte sich wie eine Art Rüstung über ihre Schultern. Es war ein gutes Gefühl. Ein vertrautes Gefühl.
So musste Amity sich fühlen, wenn sie auf der Ranch war und ihre Cowboyklamotten anzog. Wenn sie einen Mustang einritt, wie sie gesagt hatte.
Wenn das das nächste Mal geschah, wollte McCrea unbedingt dabei sein.
Amity machte sich so ihre Gedanken. Schon als sie die Treppe hinunterschritt, kam ihr dieser Tag auf einmal ganz unwirklich vor.
Zuerst hatte sie der Besprechung mit Taylor Williams mit einem mulmigen Gefühl entgegengesehen, dann hatte sie, je länger sie wartete, immer mehr die Wut erfasst. Was bildete dieser Kerl sich eigentlich ein?
Und dann hatte er abgesagt. Einfach abgesagt. Als ob sie nicht stundenlang gefahren wäre, um sich mit ihm zu treffen. Als ob er nicht ihren ganzen Tagesablauf durcheinandergeworfen hätte, nur weil er nicht auf die Ranch kommen wollte, um die Besprechung dort abzuhalten, wie sie es vorgeschlagen hatte.
Wo sie ihm gern alles vor Ort gezeigt hätte. Vielleicht hätte sie damit seine Begeisterung wecken können.
Aber schon als er einen Treffpunkt in der Stadt vorschlug, war ihr Mut gesunken. Was sollte sie ihm hier zeigen außer ein paar Papiere? Was die Ranch ausmachte, konnte sie nicht in die Stadt mitnehmen.
Und wie sehr sie ihr am Herzen lag, das konnte sie ihm hier auch nicht klarmachen. Das musste man fühlen, sehen, riechen, spüren. Es war die ganze Atmosphäre, die die Ranch ausstrahlte und die hier in der Stadt nicht vorhanden war.
Die größte Überraschung war aber zum Schluss dann nicht gewesen, dass Taylor Williams abgesagt hatte, sondern dass McCrea in die Stadt gekommen war.
Obwohl das natürlich nicht zusammenhing. Das war Zufall gewesen.
Ein netter Zufall. Sie lächelte und ging ins Restaurant, das auf der anderen Seite des Saloons lag. Im Saloon gab es zwar auch etwas zu essen, aber im Restaurant war es feiner. Dort lagen Tischdecken auf den Tischen und man bekam eine ordentliche Serviette zum Besteck.
»Hallo Amity«, begrüßte eine junge Frau sie an der Tür. »Auch mal wieder in der Stadt?«
Amity nickte der Frau, mit der sie zusammen die High School besucht hatte, als sie beide noch Kinder gewesen waren, freundlich zu. »Ja, Bridget«, bestätigte sie. »Musste geschäftlich herkommen.«
»Ist denn morgen Pferdeauktion?« Bridget runzelte die Stirn. »Oder verkaufst du Rinder?«
»Weder noch.« Lächelnd schüttelte Amity den Kopf. »Ich hatte nur eine Besprechung.« Sie seufzte. »Oder die hätte ich haben sollen. Er hat abgesagt.«
»Dann willst du also einen Tisch für eine Person?«, fragte Bridget und griff nach der Menükarte, die neben ihr auf einem Stapel lag. Sie war dafür zuständig, neue Gäste zu empfangen, an ihren Tisch zu führen und ihnen das Menü zu präsentieren.
Erneut musste Amity den Kopf schütteln. »Nein, für zwei«, sagte sie. »Ich esse mit . . .«, sie zögerte kurz, »einer Freundin«, fuhr sie dann fort. Und Bridget sah hoffentlich nicht, dass die Wüstenrose auf ihren Wangen wieder aufblühte. Amity spürte die Wärme fast wie ein Brandmal. »Die ich zufällig an der Bar getroffen habe. Sie wohnt hier im Hotel.«
»Ah«, sagte Bridget. »Dann sag mir doch ihre Zimmernummer. Sie will doch dann sicher, dass ich es auf ihre Rechnung schreibe.«
»Das möchte ich aber nicht.« Amity hielt Bridget schnell auf, die schon zu dem Gästebuch greifen wollte, in dem die Hotelgäste für das Restaurant aufgelistet waren. Damit das Restaurant wusste, auf welche Zimmernummer sie die jeweiligen Mahlzeiten schreiben konnten. »Ich werde bezahlen.«
»Okay.« Bridget interessierte das nicht. Für sie war nur wichtig, dass irgendjemand bezahlte. Sie hob die Augenbrauen. »Für wann wollt ihr dann einen Tisch?«
»Für jetzt«, sagte Amity. »Sie kommt gleich.«
»Willst du hier warten oder am Tisch?«, fragte Bridget.
In so einer Situation war Amity noch nie gewesen. Deshalb konnte sie nicht sofort antworten. Sie ging selten in Restaurants. Meistens aß sie ja ohnehin auf der Ranch. Und wenn sie in der Stadt war und tatsächlich hier in einem Restaurant aß, tat sie das normalerweise nie allein, sondern betrat das Restaurant zusammen mit anderen.
»Ähm . . .«, machte sie gerade, da erlöste McCrea sie, indem sie mit weit ausholenden Schritten ihrer langen Beine zu ihnen stieß.
»Gibt es schon was zu essen?«, fragte sie mit leuchtenden Augen und rieb sich die Hände. »Ich habe Hunger.«
Fast hätte Amity lachen müssen. Eben noch hatte McCrea behauptet, sie würde das Dinner gleich wieder vergessen, und nun sah sie so aus, als könnte sie einen ganzen Ochsen verschlingen.
»Die Küche hat vor einer halben Stunde geöffnet«, gab Bridget Auskunft. »Bitte folgen Sie mir.« Sie nahm zwei Menükarten von dem Stapel an der Tür und ging ihnen voraus in das Restaurant hinein.
McCrea und Amity folgten ihr, versuchten jedoch, dabei ein wenig Abstand zu halten. Amity hatte das Gefühl, als würden heiße Finger nach ihr greifen, und vermutlich ging es McCrea genauso.
Nachdem sie sich gesetzt und ihre Getränke bestellt hatten, entfernte Bridget sich wieder, und sie saßen vor ihren geöffneten Karten, ohne sie anzuschauen. Dafür betrachtete McCrea Amity sehr eingehend.
Nach einer Weile fiel Amity das auf, und ihre Mundwinkel begannen ganz von selbst zu zucken. »Ich stehe nicht auf der Karte«, sagte sie. »Mich kannst du nicht bestellen.«
Es schien beinah, als zuckte McCrea zusammen. »Entschuldige«, erwiderte sie dann lächelnd. »Aber nichts auf der Karte könnte mich so fesseln wie du.«
Amity hob die Hände. »Dich zu fesseln, liegt mir fern. Du bist doch kein Kalb, das ich beim Rodeo einfangen muss.«
»Rodeo reitest du auch?« Überrascht hob McCrea die Augenbrauen.
»Früher mal«, sagte Amity. »Wenn wir auf der Ranch ein Fest hatten und eins veranstaltet haben. Nur so zum Spaß.«
»Du bist eine Frau mit vielen Fähigkeiten«, stellte McCrea mit einem anerkennenden Blick fest.
Lässig zuckte Amity die Schultern. »Auf einer Ranch muss man das sein. Da gibt es immer wieder neue Herausforderungen, denen man sich stellen muss. Das Wetter, die Tiere, die Menschen.« Sie holte tief Luft. »Das Wasser. Wir haben nicht sehr viel davon, und das kann manchmal knapp werden.«
»Klingt wie ein anstrengender Job.« McCrea sah sie nachdenklich an. »Wird dir das nicht manchmal zu viel?«
»Niemals.« Überzeugt schüttelte Amity den Kopf. »Es ist genau das, was ich tun will. Wo ich sein will. Ein Leben in der Stadt könnte ich mir nicht vorstellen.«
»Das heißt, es wäre sehr schlimm für dich, wenn du die Ranch verlassen müsstest?«, fragte McCrea.
Im selben Moment erschien Bridget wieder an ihrem Tisch und stellte die Getränke vor sie hin. »Was darf ich euch zu essen bringen?«, fragte sie fast gleichzeitig.
Etwas schuldbewusst zuckte Amitys Blick auf die Karte, die sie noch gar nicht beachtet hatte.
»Ein Steak«, antwortete McCrea jedoch praktisch ohne Verzögerung. Sie hatte gar nicht versucht, die Karte jetzt noch zu studieren.
»Ach, warum nicht?«, schloss Amity sich an. »Für mich auch ein Steak.« Sie schlug die Karte zu.
»Okay«, sagte Bridget nur und verschwand unverzüglich von ihrem Tisch.
»Sind die Steaks hier von deinen Rindern?« Neugierig sah McCrea Amity an.
»Weiß ich nicht.« Amity schüttelte den Kopf. »Ich verkaufe nicht direkt an Endkunden, nur an Viehhändler.«
»Ja sicher.« Mit einer sehr sympathischen Selbstironie in den Augen lachte McCrea sie an. »Du verkaufst deine Rinder nicht einzeln. Daran habe ich gar nicht gedacht. Ich kenne mich mit so etwas einfach nicht aus.«
»Musst du ja auch nicht«, erwiderte Amity lächelnd. »Dafür habe ich wenig Erfahrung im Kurierdienst.«
»Da muss man nur Termine einhalten.« McCrea zuckte die Schultern. »Kann ein bisschen stressig werden manchmal, ist sonst aber sicher nicht so anspruchsvoll wie sich um Menschen, Tiere und Wetter zu kümmern.« Kurz hob sie die Augenbrauen. »Na ja, das Wetter kann schon mal eine Rolle spielen«, schränkte sie ein.
»Jeder Job ist anspruchsvoll, wenn man ihn richtig machen will«, meinte Amity freundlich.
Sie fand McCreas Bescheidenheit überraschend. Zuerst hatte sie sie mehr für den Hoppla-jetzt-komm-ich-Typ gehalten. Was sie durchaus angezogen hatte. Denn sie mochte Frauen, die wussten, was sie wollten.
»Ist schon wahr«, stimmte McCrea ihr zu und nickte. »Aber es gibt anspruchsvoll und anspruchsvoll. Du hast viel Verantwortung.«
»Das ja«, bestätigte Amity. »Aber genau das ist es auch, was mich reizt. Ein Job ohne Verantwortung wäre nichts für mich.«
»Die geborene Führungskraft.« McCrea lachte.
Obwohl in ihr immer noch die Wellen der vergangenen Stunden nachschwangen, hob Amity missbilligend die Augenbrauen. »Traust du mir das nicht zu?«
»Doch, natürlich«, beeilte McCrea sich sofort, ihr zu versichern. »Du bist nur sehr jung. Und die Ranch ist sehr groß. Wahrscheinlich«, fügte sie an. »Ich weiß ja nicht genau, wie groß sie ist.«