Die Shannara-Chroniken: Die dunkle Gabe von Shannara 1 - Elfenwächter - Terry Brooks - E-Book

Die Shannara-Chroniken: Die dunkle Gabe von Shannara 1 - Elfenwächter E-Book

Terry Brooks

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Beste heroische Fantasy aus der Feder von New-York-Times-Bestsellerautor Terry Brooks – erstmals in deutscher Sprache!

In den Vier Landen kämpfen die Nutzer von Magie gegen die Anhänger der Wissenschaft. Der Druidenorden steht vor der Auslöschung, und ein skrupelloser Politiker bahnt sich seinen Weg an die Spitze der Föderation. Doch von alldem bekommt Aphenglow Elessedil nur wenig mit. Die Druidin ist von einem alten Tagebuch in den Bann gezogen. Zwischen den Zeilen verborgen befindet sich das Geheimnis um die verschwundenen Elfensteine, die einst das Land vor den Dämonen bewahrten. Aber nicht jeder wünscht sich eine Erneuerung der Magie, und beinahe zu spät erkennt Aphenglow, wer ihre Feinde sind.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 652

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

In den Vier Landen kämpfen die Nutzer von Magie gegen die Anhänger der Wissenschaft. Der Druidenorden steht vor der Auslöschung, und ein skrupelloser Politiker bahnt sich seinen Weg an die Spitze der Föderation. Doch von alldem bekommt Aphenglow Elessedil nur wenig mit. Die Druidin ist von einem alten Tagebuch in den Bann gezogen. Zwischen den Zeilen verborgen befindet sich das Geheimnis um die verschwundenen Elfensteine, die einst das Land vor den Dämonen bewahrten. Aber nicht jeder wünscht sich eine Erneuerung der Magie, und beinahe zu spät erkennt Aphenglow, wer ihre Feinde sind.

Autor

Im Jahr 1977 veränderte sich das Leben des Rechtsanwalts Terry Brooks, geboren 1944 in Illinois, USA, grundlegend: Gleich der erste Roman des begeisterten Tolkien-Fans eroberte die Bestsellerlisten und hielt sich dort monatelang. Doch Das Schwert der Elfen war nur der Beginn einer atemberaubenden Karriere, denn bislang sind mehr als zwanzig Bände seiner Shannara-Saga erschienen.

Die Shannara-Chroniken bei Blanvalet:

1. Das Schwert der Elfen2. Elfensteine3. Das Lied der Elfen

Die Erben von Shannara bei Blanvalet:

1. Heldensuche2. Druidengeist3. Elfenkönigin4. Schattenreiter

Die Reise der Jerle Shannara bei Blanvalet:

1. Die Elfenhexe2. Das Labyrinth der Elfen (in Vorbereitung)3. Die Offenbarung der Elfen (in Vorbereitung)

Die dunkle Gabe von Shannara bei Blanvalet:

1. Elfenwächter2. Blutfeuer3. Hexenzorn

Weitere Bände in Vorbereitung

Besuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvalet und www.twitter.com/BlanvaletVerlag

Terry Brooks

DIE SHANNARA-CHRONIKEN

Die dunkle Gabe von Shannara 1

Elfenwächter

Roman

Deutsch von Andreas Helweg

Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel »Wards of Faerie« bei Del Rey, New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

1. Auflage

Copyright der Originalausgabe © 2012 by Terry Brooks

This translation published by arrangement with Del Rey,

an imprint of Random House, a division of Random House LLC.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2019 by Blanvalet

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Waltraud Horbas

Umschlaggestaltung und -illustration: Max Meinzold, München

DN · Herstellung: sam

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-24109-4V002

www.blanvalet.de

Für Judine

Auf ewig in meinem Herzen

Kapitel 1

Fast genau auf den Tag ein Jahr, nachdem Aphenglow Elessedil in den Elfenchroniken zu suchen begonnen hatte, entdeckte sie das Tagebuch.

Sie befand sich tief in den unterirdischen Stockwerken des Palastes, allein an dem Tisch, an dem sie jeden Tag saß. Um sich vor der Kälte zu schützen, hatte sie sich in ihren schweren Mantel eingehüllt und war umgeben von Kerzen, die einen verzweifelten Kampf gegen die Dunkelheit führten. Aufmerksam las sie jedes Dokument, jeden Brief und alle aufgezeichneten Erinnerungen. Inzwischen kam es ihr vor wie eine nicht enden wollende Schinderei. Es war spät, ihre Augen brannten von der Müdigkeit und vom Staub, und während die Sehnsucht nach einem Bett immer größer wurde, ließ ihre Konzentration mehr und mehr nach. Sie hatte jeden Tag gelesen, und zwar den ganzen Tag, so lange, dass sie manchmal befürchtete, sie würde Paranor und die anderen Druiden niemals wiedersehen.

Es war dunkel, wenn sie mit der Arbeit begann, und dunkel war es, wenn sie damit aufhörte, und abgesehen von einem gelegentlichen Besuch ihrer Schwester oder ihres Onkels sah sie eigentlich niemanden. Sie hatte die Chroniken vollständig gelesen, auch die Anhänge, und im Anschluss hatte sie sich den unzähligen Kisten anderer Schriftstücke gewidmet, die im Laufe der Jahre von prominenten Familien gestiftet worden waren. Diese Papiere sollten die offiziellen Chroniken, die Tausende von Jahren zurückreichten, ergänzen, ausschmücken und berichtigen. Bislang hatte sie wenig entdeckt, das sie noch nicht kannte oder das in irgendeiner Hinsicht nützlich gewesen wäre, aber dennoch hatte sie unbeirrt ihre Arbeit fortgesetzt, einfach, weil das ihre Art war. Wenn sie einmal mit einer Sache angefangen hatte, gab sie nicht auf, bis die Angelegenheit beendet war.

Und dieser Augenblick war jetzt vielleicht gekommen. Das Tagebuch einer jungen Frau, einer Prinzessin des Reiches, die im Zeitalter der Feen gelebt hatte, war ihr genau in dem Moment aufgefallen, als sie ins Bett gehen wollte. Das Büchlein war am Boden einer Kiste vergraben, die sie geleert hatte, klein und abgewetzt und vom Alter steif. Sie hatte sich die ersten Seiten angesehen. Ihr war die mädchenhafte Schrift und die Art der Einträge aufgefallen, und eigentlich wollte sie das Tagebuch schon wieder weglegen. Doch irgendetwas hatte sie davon abgehalten – Neugier, eine Vorahnung, die Art, wie es geschrieben war. Deshalb hatte sie bis zu den letzten Einträgen vorgeblättert und etwas Unerwartetes entdeckt.

23. im Monat 5

Mir ist etwas Schreckliches und zugleich Wundervolles widerfahren, und ich kann es niemandem erzählen.

Heute habe ich einen Jungen kennengelernt. Er gehört nicht zu unserem Volk und vertritt nicht unsere moralischen und ethischen Überzeugungen. Er ist ein Dunkeling der Leere, aber er ist der schönste Junge, den ich je gesehen habe. Ich habe mich hoffnungslos in ihn verliebt, und obwohl ich weiß, dass es falsch ist und sich nichts Gutes daraus entwickeln kann, möchte ich doch so gerne das Gegenteil glauben.

Ich war unten am Silberfaden, tief im Wald, wo ich Straußlilien und Ardkrautsamen sammelte, als er auf einmal vor mir auftauchte. Er kam zwischen den Bäumen hervor, als wäre er aus ihnen geboren worden, eine zauberhafte Illusion, die Gestalt und Substanz bekommen hatte. Alles an ihm ist so umwerfend, so vollkommen. Blaue Haut (nie zuvor habe ich ein so tiefes Blau gesehen), goldene Augen, Haar wie ein mitternächtlicher Sternenhimmel, und eine Stimme, die so sanft war wie das Ende eines Sommerregens. Von dem Augenblick an, als er mich begrüßte, liebte ich ihn. Ich konnte gar nicht anders.

Obwohl ich wusste, was er war und dass mir der Umgang mit ihm verboten war, konnte ich mich nicht von ihm abwenden. Ich möchte gerne glauben, dass es mehr als körperliche Anziehung war, die ich fühlte. Ich hatte genug Geistesgegenwart, um noch auf die Stimme in meinem Inneren zu hören, die mich vor dem warnte, was ich im Begriff stand zu tun. Aber nachdem wir geredet hatten und ich mir angehört hatte, was er mir über sich und sein Volk erzählte, wusste ich, dass es nicht in meiner Macht lag, den Lauf der Dinge zu ändern. Es heißt, die ältesten unseres Volkes hätten die Liebe häufig auf den ersten Blick und seltener durch lange Überlegung gefunden. Vielleicht bin ich eine Rückentwicklung, denn genau das geschah auch zwischen diesem Jungen und mir.

Wir saßen auf einer stillen Lichtung und redeten stundenlang; ich weiß nicht mehr genau, wie lange. Als unsere Begegnung endete, dämmerte es bereits. Beim Abschied versprach ich ihm, dass wir uns wiedersehen würden. Ohne Verabredung, ohne Einzelheiten, und trotzdem weiß ich, dass es passieren wird.

Denn ich will, dass es passiert.

26. im Monat 5

Heute konnte ich einfach nicht widerstehen und bin in den Wald zurückgekehrt, um ihn zu suchen. Ich war kaum länger als eine halbe Stunde auf der Lichtung, als er dazukam. Wieder saßen wir da und sprachen über unser Leben und unsere Hoffnungen für die Zukunft. Bei ihm fühle ich mich so frei, bei ihm kann ich mich öffnen. Ihm geht es mit mir ebenso, und ich bin sicher, dass die Liebe, die ich für ihn empfinde, nicht auf falschen Erwartungen gegründet ist, sondern auf tatsächlichen Möglichkeiten. Man kann die Verbote nicht ändern, aber ich sehe keinen Grund, weshalb man sie nicht für eine Weile ignorieren könnte. Das rede ich mir ein. So überzeuge ich mich selbst.

28. im Monat 5

Heute haben wir uns wiedergesehen. Wir haben über uns gesprochen, aber auch über den Zwist zwischen unseren Völkern und die schrecklichen Auswirkungen auf unser aller Leben. In seinen Augen ist es nicht so einfach; nicht alle aus unserem Volk sind gut und nicht alle aus seinem schlecht. Ich stimmte ihm rasch zu. Der Krieg dauert an, seit Jahrhunderten, ein Kampf, der seine Wurzeln in den Anfängen der Welt selbst hat, und wir werden sein Ende nicht mehr erleben. Wir sind seine Kinder, doch der Krieg rückt in weite Ferne, wenn wir zusammen und allein sind. Wenn es nur so bleiben könnte. Wenn wir nur das, was wir füreinander empfinden, bewahren könnten, damit es niemand je zerstören kann.

Bevor wir uns verabschiedeten, erzählte er mir, wie er mich entdeckt hatte. Er war von seinen Ältesten losgeschickt worden, um die Stadt von dem Aussichtspunkt auszuspionieren, an dem ich zufällig aufgetaucht war. Er sollte nichts unternehmen, nur beobachten und berichten. Diese Aufgabe gefiel ihm zwar nicht, aber es war seine Pflicht, und seine Eltern würden sich schämen, wenn er sie nicht erfüllte. Doch als er mich sah, war ihm plötzlich alles andere gleichgültig. Er musste sich mir zeigen, mit mir reden.

Inzwischen denke ich nur noch daran, wie ich ihn halten und für alle Zeit mit ihm zusammenbleiben kann.

2. im Monat 6

Als er heute zu mir kam, an unserem ersten Treffen im neuen Monat, gab ich mich ihm hin. Ich tat es aus freien Stücken und mit großer Freude. Wir sprachen nicht, während es geschah, wir dachten auch nicht darüber nach. Im Grunde machten wir einfach das, wonach es uns vom ersten Augenblick an gedrängt hatte. Es war so unglaublich schön. Die Gefühle, die ich in seinen Armen erlebte, beseelen mich noch immer, und so wird es ewig bleiben. Es war mein erstes Mal, und er ist meine erste wahre Liebe. Ich hätte mir nichts Schöneres vorstellen können. Das Glück, das ich empfinde, übertrifft meine kühnsten Erwartungen. Nachdem ich jetzt diesen letzten und unwiderruflichen Schritt getan habe, gibt es kein Zurück und nichts mehr zu bedenken.

Ich gehöre ihm.

3. im Monat 6

Wir haben uns heute wieder getroffen. Ich konnte nicht anders. Und er auch nicht, glaube ich. Wir sind so verliebt. Wir sind so glücklich.

5. im Monat 6

Wieder. Wieder so eine verzückende Zeit.

12. im Monat 6

Wie schrecklich! Mutter hat mich die ganze Woche mit Lernen und Hausarbeit beschäftigt gehalten, und ich konnte ihn kein einziges Mal treffen. Heute waren wir zum ersten Mal seit einer Woche wieder zusammen. Er sagt, er habe Verständnis, aber für ihn ist es auch schwer. Eine solche Trennung werde ich nicht noch einmal ertragen.

15. im Monat 6

Schon drei Tage sind zu lang. Ich war so verzweifelt, und er hat sich Sorgen gemacht und sich nach mir verzehrt. Das erzählte er mir, als wir uns getroffen haben. Oh, wie ich ihn liebe!

17. im Monat 6

Gerade, als ich hoffte, es würde alles wieder normal laufen und wir könnten uns wie gewohnt treffen, kommt etwas anderes dazwischen. Ich muss meine Großeltern in der Stadt Parsoprey auf der anderen Seite der Drachenzähne auf der Sarain-Ebene besuchen und werde zwei ganze Wochen unterwegs sein. Ich kann es ihm nicht einmal sagen – wir brechen sofort auf! Ich sterbe!

2. im Monat 7

Endlich wieder zu Hause. Ich bin sofort zur Lichtung gerannt und habe ihn in unser Haus und in mein Bett geholt. Es fühlt sich so gut an, ihn dort zu haben. Dann habe ich ihm alles erzählt: wo ich gewesen bin und was ich durchmachen musste, und er, der süße Junge, hatte Verständnis und hat mir verziehen. Er hatte sich schon Sorgen gemacht, dass ich ihn verlassen hätte und nicht mehr zu ihm kommen würde. Aber das würde ich niemals tun. Das habe ich ihm auch gesagt. Ich werde ihn lieben, bis ich sterbe.

22. im Monat 7

Ich nehme ihn bei jeder Gelegenheit mit in mein Bett. Die Zeit auf der Lichtung genügt mir nicht mehr. Ich möchte ihn in meiner Nähe haben. Er soll mich immer und ständig begleiten, aber leider muss ich mich mit dem zufriedengeben, was ich habe. Ich passe die Zeiten ab, wenn das Haus verlassen ist. Ich lebe nur noch auf diese Stunden hin. Mein Verlangen nach ihm verzehrt mich. Ich wünschte, diese Zeit würde niemals enden.

10. im Monat 8

Heute habe ich vielleicht etwas Dummes angestellt. Ich habe über die Magie geredet, die für die Sicherheit der Elfen sorgt. Um ihn zu beeindrucken, habe ich zu viel verraten – allerdings erst, nachdem er mir von der Magie erzählt hatte, die sein Volk beschützt. Wir haben ganz allgemein darüber geredet, nicht über spezielle Dinge, trotzdem mache ich mir Sorgen. Die Magie kam nur am Rande vor, als wir wie so oft darüber diskutiert haben, auf welche Weise man den Krieg zwischen unseren Völkern beenden könnte. Ohne Magie gäbe es weniger Grund zum Kämpfen, haben wir uns überlegt. Er sieht das genauso wie ich, und wir sprechen ganz offen darüber. Natürlich ist das nur Gerede, und es wird zu nichts führen. Außerdem, welche Rolle spielt Gerede über Magie und Beschwörung und endlose Konflikte schon, wenn wir zusammen sind? Nichts zählt, außer dass wir zusammen sind.

Ein bisschen habe ich jedoch meine Zweifel. Obwohl wir eigentlich ganz allgemein darüber gesprochen haben, bin ich an einer Stelle etwas genauer geworden.

Ich habe ihm von den Elfensteinen erzählt.

»Aphen, bist du noch immer hier unten?«

Sie sah von dem Tagebuch auf. Ihr Onkel. »Ja«, antwortete sie.

Rasch schob sie das Tagebuch unter einen Stapel Papiere und nahm sich etwas anderes, als habe sie darin gelesen. Das tat sie rein aus Gewohnheit und Instinkt, denn sie war sich bewusst, dass sie nichts aus den Archiven mitnehmen durfte und dass sie beim Kommen und Gehen überwacht wurde. Allerdings war sie nie sicher, wer sie gerade beobachtete. Meistens übernahm das die Leibgarde, die oben an der Kellertreppe postiert war, doch es konnte auch jeder andere sein. Sie mochte ihren Onkel und stand ihm nahe, doch für die Elfengemeinschaft galt sie schon so lange als Ausgestoßene, dass sie sich auf ihn nicht verlassen konnte.

Das schwache Licht einer Kerze kam schwankend aus dem Stockwerk über ihr die Stufen hinunter, und ihr Onkel trat aus der Dunkelheit. »Es ist schon fast lächerlich, wie viele Stunden du hier unten verbringst, meine liebe junge Dame.«

Ellich Elessedil war der jüngere von zwei Brüdern, die vor vielen Jahren in der Thronfolge gestanden hatten, und in Aphens Augen der für die Aufgabe am besten geeignete. Aber sein älterer Bruder, ihr Großvater, war beim Tod der Urgroßeltern zum Herrscher über die Elfen geworden. Jetzt galt der Sohn ihres Großvaters, Phaedon, als Thronfolger, und da die Folgen einer chronischen Herz- und Lungenkrankheit ihren Großvater mehr und mehr schwächten, würde er vermutlich bald König sein. Aphenglows Mutter war Phaedons sehr viel jüngere Schwester, und ihre Weigerung, sich mit den Angelegenheiten des Hofes zu beschäftigen, hatte es Aphenglow ebenfalls erlaubt, Familie und Staatspolitik auf Abstand zu halten.

Allerdings war der Abstand nicht so groß, wie sie es sich gewünscht hätte, seit sie sich dazu entschlossen hatte, sich dem Druidenorden anzuschließen.

Ihr Onkel räumte Notizen, die sie auf einem Hocker gestapelt hatte, kommentarlos zur Seite und nahm Platz. Eigentlich war er ja ihr Großonkel, aber Aphen fand die Anrede umständlich und nannte ihn daher einfach Onkel, vor allem auch, weil sie ihn gern mochte und weil sie sich nahestanden. Er war groß und schlank und blond wie sie, allerdings nahm sein Haar bereits einen grauen Schimmer an. »Es ist schon fast Mitternacht! Warum auch immer du dich noch hier unten herumtreibst, es kann sicherlich bis morgen warten.«

Sie lächelte. »Stimmt schon, es ist nichts Wichtiges. Ich habe lediglich die Zeit vergessen. Danke, dass du mich erlöst hast.«

Er erwiderte das Lächeln. »Hast du heute etwas Interessantes gefunden?«

»Nichts.« Die Lüge ging ihr glatt über die Lippen. »So wie immer. Jeden Morgen denke ich, heute werde ich ein großes Geheimnis über die Magie aufdecken, irgendeinen Hinweis auf einen verlorenen Talisman oder eine vergessene Beschwörung finden. Und jeden Abend gehe ich enttäuscht zu Bett.«

Er blickte sich um, betrachtete die Regale mit Büchern und die Kisten, die Papierstapel in ihren Metallhaltern, das Chaos aus Dokumenten und Notizen. »Vielleicht gibt es gar nichts zu entdecken. Vielleicht sortierst du hier am Ende nur Dokumente, die außer dir niemand je lesen wird.« Er sah sie wieder an. »Ich will dich nicht entmutigen, nicht nach all der Arbeit, die du in diese Sache gesteckt hast. Ich frage mich nur, ob es nicht vergebliche Mühe ist.«

»Vergebliche Mühe?«, wiederholte sie. Ihre blauen Augen blitzten. »Glaubst du wirklich, ich hätte die letzten dreihundertvierundsechzig Tage für nichts verschwendet?«

Beschwichtigend hob er die Hände. »Ich habe mich wohl missverständlich ausgedrückt. Bitte, vergiss meinen Einwand. Im Grunde weiß ich nicht genug über das, was du hier machst, um es in Zweifel ziehen zu können. Ich habe nur gefragt, weil ich mir Sorgen um dich mache.«

»Du weißt, warum ich hier bin, Onkel«, sagte sie leise. »Du weißt auch, wie wichtig es ist.«

»Ich weiß, dass du es für wichtig hältst. Aber wenn es nichts zu finden, wenn es keine Magie und keinen Talisman zu entdecken gibt, was hättest du dann erreicht?«

»Ich hätte eindeutig festgestellt, was du nur vermutest«, antwortete sie. »Ich schließe damit die Möglichkeit aus, dass etwas übersehen wurde. Viel Zeit ist vergangen, und eine Menge Geschichte wurde vergessen oder ist verloren gegangen. Schließlich sind wir ein altes Volk.«

Er zuckte mit den Schultern und lehnte sich auf dem Hocker zurück. »Alt genug, um nicht mehr das Volk zu sein, das wir einst waren, und vermutlich werden wir es auch nie wieder werden. Seit dem Zeitalter der Feen haben wir uns weiterentwickelt. Wir verlassen uns nicht mehr wie früher auf Magie – zumindest nicht mehr auf die gleichen Formen von Magie. Mittlerweile teilen wir die Welt mit anderen und unterschiedlichen Arten. Die Feenwesen, die der Leere dienten, sind in der Verfemung eingesperrt. Jetzt müssen wir uns stattdessen mit Menschen befassen, einem weniger einfallsreichen Volk, und die Notwendigkeit einer Schutzmagie besteht nicht mehr.«

Sie warf ihm einen Blick zu. »Mancher würde das bezweifeln. Grianne Ohmsford zum Beispiel, falls sie noch lebte.«

»Ja, wahrscheinlich. Schließlich war sie die Ilse-Hexe.«

»Sie war danach auch Ard Rhys in unserem Orden, und sie hat uns vor genau den Menschen gerettet, von denen du scheinbar annimmst, dass sie keine Bedrohung mehr für uns darstellen.« Sie seufzte. »Ach, wozu soll ich mich mit meinem Lieblingsonkel streiten? Was soll das einbringen? Lassen wir es einfach. Ich habe eine Aufgabe zu erledigen, und genau das beabsichtige ich zu tun. Vielleicht finden wir nichts. Trotzdem werde ich mich vergewissern, ehe ich nach Paranor zurückkehre.«

Ihr Onkel nickte und erhob sich. »Nichts anderes hätte ich von dir erwartet. Würdest du morgen Abend zu uns zum Essen kommen? Zur Abwechslung könntest du mal etwas Richtiges essen. Außerdem vermissen wir dich, Jera und ich.«

Ihre Tante und ihr Onkel lebten in einem kleinen Landhaus gleich außerhalb des Palastgeländes, denn sie hielten ihr Privatleben gern von seiner Stellung als Mitglied des Hohen Elfenrates und Berater seines Bruders getrennt. Solange sie sich erinnern konnte, hatten sie auf die Vorteile verzichtet, die ihnen als Angehörige der königlichen Familie zustanden.

Sie lächelte ihn herzlich an und stand mit ihm auf. »Natürlich komme ich. Ich vermisse euch auch. Und diesmal vergesse ich es auch bestimmt nicht, versprochen.«

Er streckte die Hände aus und ergriff die ihren. »Was die anderen auch sagen mögen, ich bin stolz auf die Arbeit, die du beim Druidenorden leistest. Meiner Meinung nach hast du niemanden verraten, als du das Angebot angenommen hast, bei ihnen zu studieren. Im Gegenteil, du hättest dein eigenes Gefühl für Richtig und Falsch verraten, wenn du abgelehnt hättest. Trotzdem schlage ich vor, du solltest noch einmal darüber nachdenken, ob du nicht in Arborlon bleiben möchtest, wenn du mit deiner Arbeit hier fertig bist.«

Er drückte ihre Hände, drehte sich um, nahm die Kerze und ging zur Treppe. »Gute Nacht, Aphen. Und schlaf ein bisschen.«

Sie schaute ihm hinterher, bis der letzte Kerzenschein verschwunden war, dann setzte sie sich rasch wieder. Unter den Papieren holte sie das versteckte Tagebuch hervor, schlug es auf und las weiter.

14. im Monat 8

Es ist etwas Schreckliches geschehen, etwas, das alles über den Haufen wirft. Er hat mir gesagt, bis zum Wochenende soll er nach Rajanhof zurückkehren, nach Hause. Seine Dienstzeit als Beobachter sei vorbei. Ich soll ihn begleiten. Das müsse sein, wenn wir zusammenbleiben wollen. Mein Volk würde ihn niemals akzeptieren, aber seines wird mich aufnehmen. Sein Dunkeling-Clan hat nicht so viel gegen andere Völker, und ich könnte seine Braut werden. Noch während ich ihm zuhörte, versetzte mich der Gedanke, Arborlon und die Elfen zu verlassen, in schreckliche Panik, sodass ich kaum atmen konnte. Ich bat ihn, nie wieder darüber zu sprechen; wir müssen einen anderen Weg finden.

17. im Monat 8

Offensichtlich kenne ich ihn doch weniger gut, als ich dachte. Er ist stolz und beharrlich und will seine Meinung einfach nicht ändern. Ich müsse mit ihm gehen, sagt er ständig. Das sei unsere einzige Chance auf Glück, der einzige Weg, wie wir ein gemeinsames Leben aufbauen können. Wir könnten uns nicht ewig heimlich treffen, selbst wenn er hierbleiben dürfte. Irgendwann würde es jemand bemerken. Und weil sie ihn jetzt zurückgerufen haben, müssen wir eben einfach früher handeln als beabsichtigt. Ich dürfe nicht zögern, sondern müsse mit ihm gehen.

Zu meiner Überraschung und Verwunderung konnte ich dem nicht zustimmen. Ich möchte mit ihm zusammen sein, aber ich kann mein Zuhause und mein Volk nicht verlassen. Das habe ich ihm auch so gesagt. Dann habe ich ihn gebeten, noch einmal über die Sache nachzudenken. Ich habe ihn angefleht. Wenn wir nicht so oft zusammen sein können, dann eben nur dann, wenn es möglich ist. Aber noch während ich sprach, sah ich in seiner Miene die Weigerung, dies zu akzeptieren, und ich wusste, er würde nicht eher Ruhe geben, bis er mich mitgenommen hätte.

Was soll ich nur tun? Ich weiß, ich werde ihn verlieren, und den Gedanken kann ich nicht ertragen. Bitte, möge er doch ein Einsehen haben!

18. im Monat 8

Ich bin am Ende. Ich bin das unglücklichste Wesen auf dieser Welt. Durch mein dummes, selbstsüchtiges Verhalten habe ich uns alle verraten, und ich will mir gar nicht ausdenken, welchen Preis die anderen dafür zahlen werden.

Mein Liebster ist fort. Mein schöner, wundervoller Liebster und Freund hat mich verlassen und vielleicht sogar Schlimmeres getan. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Mir bleibt nichts anderes übrig, als aufzuschreiben, was geschehen ist, um es überhaupt erst einmal zu begreifen. Aber vielleicht zögere ich nur die unausweichliche Erkenntnis heraus, dass sich nichts mehr ändern lässt.

Heute haben wir uns zum letzten Mal getroffen. Ich habe ihn mit in mein Zimmer genommen, in mein Bett, und dort habe ich Worte gesagt, die ich mir nie hätte träumen lassen. Ich könnte mein Volk niemals verlassen, und wir müssten unsere Treffen beenden und unsere Hoffnungen auf ein gemeinsames Leben in der Zukunft beenden. Das, was er verlangte, hatte ich bereits abgelehnt. Das, was ich wollte, würde er niemals akzeptieren. Welchen Sinn hätte es also, an etwas festzuhalten, das von vornherein zum Scheitern verurteilt war?

Ich habe es getan, weil ich ihn umstimmen wollte, in der Hoffnung, die Aussicht, mich zu verlieren, wäre für ihn genauso schmerzlich wie für mich. Ich habe es aus Verzweiflung getan, aber ich wusste auch gleichzeitig, dass ich mein Zuhause und mein Volk nicht verlassen könnte und dass ich ihm damit die Wahrheit sagte.

Unter Tränen und voller Schmerzen, von denen ich glaubte, sie würden niemals vergehen, liebten wir uns ein letztes Mal, dann ließ er mich in meinem Bett zurück, zufrieden und schlafend und mit dem Gedanken, ich hätte vielleicht doch den Sieg davongetragen und er würde bleiben.

Ich habe mich geirrt. Ich habe nichts gewonnen. Er verließ nicht gleich das Haus, als er mein Bett verließ. Was er stattdessen tat, ist der Grund für meine Schmach und meine Verzweiflung. Da er ein Dunkeling ist, ist er der Magie mächtig, das wusste ich. Weil ich ihn liebte, habe ich indessen nie nach deren Wesen gefragt. Es schien mir nicht wichtig für unsere Beziehung und unsere Liebe. Ich wusste über die Magie Bescheid, habe mir aber keine Gedanken darüber gemacht.

Doch als ich später am Nachmittag aufwachte, fand ich eine Nachricht neben meinem Bett. Darin stand geschrieben:

Ich kann dich nicht aufgeben, du musst mit mir kommen.

Benutze diese Elfensteine, um mich zu finden

und um die anderen Steine wiederzuholen,

die ich als Pfand mitgenommen habe.

So sehr liebe ich dich.

Unter der Nachricht lagen die drei blauen Elfensteine, die Suchsteine unter den fünf unersetzlichen Sätzen.

Sofort lief ich dorthin, wo mein Vater die Elfensteine versteckt hielt, und fürchtete mich vor dem, was ich vorfinden könnte. Nachdem ich die Worte der Magie gesprochen hatte, um das Versteck zu öffnen, entdeckte ich zu meinem Schrecken, dass mein junger Dunkeling nicht gelogen hatte. Die Elfensteine waren verschwunden – alle bis auf die drei, die er mir dagelassen hatte.

Zuerst verstand ich nicht, warum er es getan hatte. Sicherlich, er war gegangen und bat mich, ihm nachzukommen, das war klar, aber der Rest nicht. Die unterschwelligen Andeutungen in seinen Worten klangen düster und gefährlich; ich war nicht sicher, zu welchem Schluss ich kommen sollte. Hatte er die Elfensteine nur mitgenommen, um mich zu überreden, ihm zu folgen, oder hatte er sie aus einem ganz anderen Grund gestohlen – um seinem Volk zu helfen und ihm die Magie zu bringen, die den Dienern der Leere fehlte? Die erste Möglichkeit klang wie eine überhastete und verzweifelte Tat. Die zweite wie eine vorsätzlich böse Handlung, und das konnte ich mir bei ihm einfach nicht vorstellen. Aber wenn ich falsch lag, was dann? Was wusste er über die Elfensteine? Wusste er, dass er sie nicht benutzen konnte – dass überhaupt kein Dunkeling imstande war, ihre Macht einzusetzen? War ihm bewusst, dass die Magie nur durch einen wahren Elfen zum Leben erweckt werden konnte? Und dass die Elfensteine nur dann dem Besitzer dienten, wenn sie aus freien Stücken geschenkt worden waren?

Aus welchem Grund hatte er sie mitgenommen?

Ich hatte ihm nicht gesagt, wo er die Steine finden oder wie er sie an sich nehmen konnte. Dessen war ich immerhin sicher. Trotzdem hatte er es gewusst. Wie viel mehr wusste er noch, ohne dass ich eine Ahnung davon hatte? Wie vieles von dem, was ich von ihm zu kennen glaubte, war falsch?

Meine Verunsicherung treibt mich fast zur Hysterie. Ich sehe keinen Weg, wie ich dieses Problem auf zufriedenstellende Weise lösen könnte. Ohne seine wahren Absichten zu kennen, kann ich nicht zu ihm gehen. Wie kann ich wissen, was er tatsächlich plant? Hat er mich betrogen, oder glaubt er wirklich, durch diesen Diebstahl könne er mich zu sich locken?

Wenn er der Junge ist, für den ich ihn halte – derjenige, in den ich mich verliebt habe –, dann würde Letzteres gelten. Aber warum hat er sich mir nicht anvertraut, wenn er alles nur getan hat, damit wir zusammen sein können? Warum hat er sich zu dieser Verzweiflungstat hinreißen lassen? Glaubt er, auf diese Weise könnte ich der Schmach entkommen, die mit seinem Diebstahl für mich einhergeht, oder bedeute ich ihm einfach nichts mehr?

Was soll ich tun?

25. im Monat 8

Ich habe hier schon einige Tage lang nichts geschrieben, denn meine Gedanken sind zu verderblich, um sie niederzulegen. Bislang habe ich niemandem erzählt, was vorgefallen ist. Diejenigen, die es wissen müssen, werden es schon bald herausfinden. Aber bisher offensichtlich noch nicht, denn ich habe nichts über den Diebstahl gehört. Ich weiß, wohin er die Elfensteine mitgenommen hat, doch ich habe keine Ahnung, wie ich sie zurückbekommen kann.

Also warte ich. Ich sitze stundenlang da und denke darüber nach, was ich tun könnte. Doch je länger ich überlege, desto schleierhafter ist mir, wie ich vorgehen soll. Ungeachtet meiner Gefühle für ihn kann ich mich nicht von meiner Intuition leiten lassen. Ich muss einen Weg finden, wie ich alles wieder in Ordnung bringen kann, und dafür muss ich zunächst einmal sicherstellen, dass mein Mangel an Urteilsfähigkeit meinem Volk keinen Schaden zufügt. Schlimm genug, wenn meine Eltern unter meinem Vergehen leiden müssen; unerträglich wäre es, wenn das Elfenvolk auch noch für meine Dummheit zahlen müsste.

Vielleicht sogar mit dem Leben.

Das könnte ich nicht ertragen.

28. im Monat 8

Ich weiß jetzt, was ich tun muss, schließlich habe ich lange genug darüber nachgedacht. Ich muss alles riskieren und die blauen Elfensteine benutzen, um die anderen und meinen jungen Dunkeling zu suchen. Denn ich muss die Wahrheit über ihn herausfinden und meinen Fehler wiedergutmachen. Morgen breche ich mit einer kleinen Gruppe Elfenjäger auf. Zuvor werde ich meinem Vater eine unwahre Geschichte über mein Vorhaben auftischen – noch ein Vergehen. Aber was bedeutet das jetzt schon noch?

24. im Monat 9

Ich bin mit leeren Händen zurückgekehrt. Auf meiner Reise habe ich weder die Elfensteine noch den Jungen gefunden. Keine Mühen und keine Magie haben mir geholfen, unsere Schätze zurückzubekommen. Es ist, als wären sie vom Antlitz der Erde verschwunden. Irgendjemand weiß vielleicht, was mit ihnen passiert ist, aber niemand hat es uns gesagt. Ich habe die blauen Steine zurückgegeben und alles gestanden. Damit bin ich bloßgestellt und erledigt.

Doch die Ereignisse räumen mir vielleicht die Möglichkeit ein, alles wiedergutzumachen, und diese Chance werde ich mir nicht entgehen lassen. Vielleicht erinnert sich die Geschichte daran, dass ich das Richtige getan habe, und geht gnädig mit mir ins Gericht.

Ich bitte Euch um Verzeihung, teuerste Mutter, teuerster Vater. Niemand soll Meresch und Pathke Omarosian vorwerfen, sie hätten ihre missratene Tochter nicht genug geliebt. Hier, auf diesen Seiten, tue ich kund, dass ich das Leben, das ich mit Euch geteilt habe, für immer in meinem Herzen bewahren werde. Falls Ihr dies eines Tages lest, wie ich hoffe, seid meinetwegen nicht traurig. Seid glücklich, dass ich Frieden gefunden habe. Ich habe meine zweite Chance erkannt und mache mich nun fröhlich auf, sie zu ergreifen.

Mit allergrößtem Respekt, Eure Tochter Aleia

Kapitel 2

Aphenglow verließ den Palast und nickte der Wache freundlich zu, die an der Tür vor den Archiven stand. Mit langen, gemessenen Schritten überquerte sie das Palastgelände zu den Wegen, die in die eigentliche Stadt führten. Früher einmal, als sie noch ein Mädchen gewesen war, hatte sie eine Ausbildung zur Fährtenleserin absolviert. Doch ihre wahren Fähigkeiten waren durch ihre starken Instinkte und ihre ungewöhnliche Verbindung zur Magie der Elemente in Erde, Luft, Wasser und Feuer geprägt – deshalb war sie von den Druiden nach Paranor eingeladen worden. Sie hatte die Einladung ohne Zögern angenommen, weil sie von der Aussicht begeistert war, die Grenzen der Magie zu erkunden, neue Möglichkeiten für die Heilkunst zu finden und das Leben der Völker besser zu machen.

Rückblickend musste sie sich eingestehen, dass sie ohne ausreichende Voraussicht gehandelt und sich nicht darum gekümmert hatte, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf ihr Leben haben würde. Die Druiden standen bei den Elfen nicht gerade in hohem Ansehen, und wer sich ihnen anschloss, galt als jemand mit wenig gesundem Menschenverstand oder moralischem Gleichgewicht. Sobald man sich auf die Seite der Druiden stellte, wurde man automatisch behandelt, als hätte man sich gegen die Elfen gewendet. Diese Ansicht war zu ihrer Zeit weit verbreitet, und wenn Aphen angenommen hatte, als Enkelin des Königs anders behandelt zu werden, so hatte sie sich damit allzu großem Optimismus hingegeben. Wenn es überhaupt einen Unterschied gab, dann den, dass die Elfen noch wütender waren.

Jetzt, sechs Jahre später, war sie nach Arborlon zurückgekehrt und hatte enttäuscht feststellen müssen, dass sich an der Einstellung des Volkes ihr gegenüber wenig geändert hatte. So langsam die Elfen zu verärgern waren, so langsam verziehen sie auch, und Aphenglows Rückkehr hatte nicht dazu beigetragen, die Vorbehalte abzuschwächen. Noch nicht einmal ihre Familie – abgesehen von ihrer Schwester und ihrem Onkel – hatte sich gefreut, sie zu sehen. Aber sie war mit einem bestimmten Ziel gekommen, und daran hielt sie fest. Sie wurde von den anderen Druiden unterstützt, die den Wert ihrer Bemühungen sofort erkannten, doch alle anderen hielten ihr Vorhaben für Zeitverschwendung. Der König, ihr Großvater, hatte ihr die erbetene Erlaubnis erteilt, doch erst, nachdem er ihr erklärt hatte, dass diese Suche im Laufe der Jahre bereits wiederholt von anderen durchgeführt worden war und dass alles, was sie möglicherweise Nützliches entdeckte, ausschließlich den Elfen allein gehörte – und auf gar keinen Fall dem Druidenorden.

Den Grund für dieses Verbot verstand sie sehr wohl. Der Unmut rührte aus der Zeit, als Grianne Ohmsford als Ard Rhys gedient hatte und die Elfennation durch das Südland und die Föderationsarmeen bedroht worden war. Zwar hatte Grianne diese Bedrohung beendet, doch mehrere Angehörige ihres Ordens hatten sich mit dem Premierminister der Föderation, Sen Dunsidan, verbündet, und sowohl sie als auch der Orden waren durch den Verrat ins Zwielicht geraten. Königin Arling Elessedil, die längst tiefe Abneigung und starkes Misstrauen gegen die Druiden hegte, hatte alle Verbindungen zum Orden gekappt.

Es spielte auch keine Rolle, dass Grianne Ohmsford seit über hundert Jahren verschwunden war oder dass ihre Nachfolgerin als Ard Rhys selbst der Familie Elessedil entstammte. Der alte König, Arlings Sohn, hatte sich, was die Druiden betraf, den Ansichten seiner Mutter angeschlossen, und nur weil Aphenglow eine Elfin war und seine Enkelin, hatte man ihr ausnahmsweise gestattet, diese Suche in den Chroniken durchzuführen.

Viele andere fanden jedoch, sie sollte ihre Forschungen anderswo fortsetzen, wenn sie sich nicht daran erinnerte, wem sie Loyalität schuldete.

Mit erhobenem Kopf schweifte ihr Blick wachsam über die Landschaft, dann ließ sie das Palastgelände hinter sich. Sie ging den Pfad hinunter zu dem Landhaus, das sie sich mit ihrer jüngeren Schwester teilte. Überall in Arborlon, wo auch immer sie war, achtete sie stets darauf, was in ihrer Umgebung vor sich ging. Auch wenn die Stadt früher ihre Heimat gewesen war und eines Tages auch wieder dazu werden würde, war sie im Augenblick nicht besser als ein Besucher aus einem fremden Land. Es gab genug Elfen, die ihr misstrauten, und deshalb konnte sie sich nicht unbedingt auf ihre Sicherheit verlassen.

Besonders heute Nacht nicht, denn sie trug etwas bei sich, das mitzunehmen man ihr ausdrücklich verboten hatte. Eine der Bedingungen, denen sie zugestimmt hatte, lautete, dass sie nichts aus den Archiven mitnehmen würde. Zu keiner Zeit. Aus keinem Grund. Doch tief in ihrem Rucksack verborgen unter ihrer Sammlung von Notizen und Papier trug sie das Tagebuch.

Und wenn man sie damit erwischte …

Den Gedanken tat sie mit einem Schulterzucken ab. Sie hatte getan, was sie tun musste. Das Tagebuch war wichtig – vielleicht die wichtigste Information, die seit dem Ersten Druidenrat aufgedeckt worden war.

Alle wussten natürlich über die vermissten Elfensteine Bescheid. Aber niemand kannte die genaueren Umstände. Die meisten hatten vor allem von den blauen Steinen gehört, den Suchsteinen, die ja noch vorhanden waren, während die anderen Sätze verschollen waren. Zu jedem Satz gehörten drei Steine – jeweils einer, um die Stärke von Herz, Verstand und Körper des Anwenders widerzuspiegeln. Niemand wusste, was aus den anderen Sätzen geworden war. Niemand kannte ihre Farben oder ihren Zweck. Über ihre Geschichte gab es keine Berichte, nur vage Hinweise auf eine Zeit der alten Feen, als alle Elfensteine erschaffen worden waren – gerade genug, um anzudeuten, dass es einst fünf Sätze gegeben hatte, und da heute nur noch einer vorhanden war, mussten demnach vier verloren gegangen sein. Und hierbei handelte es sich um das große Geheimnis der Elfenmagie.

Nachdem praktisch jedermann die verschollenen Elfensteine für alle Zeiten aufgegeben hatte, tauchte nun dies auf – das Tagebuch eines Mädchens namens Aleia, in dem möglicherweise die Lösung des Geheimnisses verborgen lag.

Aphen mochte ihr Glück kaum fassen. Man stelle sich vor, wenn man die Steine finden würde! Bei dem Gedanken lächelte sie. Jedermann kannte die Macht der blauen Steine. Aber niemand wusste auch nur das Geringste über die vier anderen Sätze; nicht einmal die Farben waren überliefert worden. Es gab keine Aufzeichnungen, die sie beschrieben. Oder zumindest waren bisher noch keine ans Tageslicht gekommen. Das alles lag so lange zurück, hatte sich vor ewigen Zeiten zugetragen. Es war, wie Ellich gesagt hatte. Die Elfen waren damals ein anderes Volk gewesen. Die Welt war eine andere gewesen. Die anderen Völker waren noch nicht entstanden. Nur die Völker der Feenzeit existierten und waren mit verschiedenen Formen der Magie ausgestattet – von denen sie manche mit Wesen teilten, die heutzutage entweder der Mythologie oder aufgrund ihrer mächtigen Magie der dunklen Welt der Verfemung zugerechnet wurden.

An dieser Stelle zögerte sie. Alle, die der Leere gefolgt oder sich ihr verschworen hatten, waren in der Verfemung eingesperrt – Dunkelinge, Furien, Harpyien, Drachen, Kobolde und andere. Doch die Verfasserin des Tagebuchs hatte sich in einen von ihnen verliebt. Sie hatte ihn schön und bezaubernd gefunden, sich ihm freiwillig hingegeben und sich sogar ein gemeinsames Leben mit ihm ausgemalt.

Mit einem Wesen der Leere.

Das erschien unmöglich, aber manchmal fragte sich Aphen, ob diejenigen, die als böse betrachtet wurden, nicht eigentlich nur den Krieg verloren hatten und von den Siegern in Verruf gebracht worden waren. Die Wirklichkeit war nicht so einfach, wie alle glauben wollten, nicht so unkompliziert und leicht zu erklären. Weder schwarz noch weiß, sondern überwiegend grau.

Sie erreichte das Haus, das leer und scheinbar verlassen dastand. Vielleicht war ihre Schwester schon im Bett oder gar nicht zu Hause. Ihre Aufgabe als Erwählte des Ellcrys war schwierig und anstrengend, und manchmal musste sie achtzehn Stunden am Stück arbeiten. Aphenglow hätte diese Anforderung niemals erfüllen können, fand sie selbst. Aber es gab ohne Frage auch andere, die glaubten, niemand könne ihre Aufgabe erledigen und das verkörpern, was sie darstellte.

Sie öffnete die Tür, trat ein und wartete kurz, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Stille umschloss sie, und sie suchte in dieser Stille nach Hinweisen, ob ihre Schwester zu Hause war oder nicht. Rasch bekam sie Gewissheit: Leiser Atem, eine Bewegung unter Laken, das Rascheln von Bettwäsche drangen von oben aus dem Schlafzimmer, das sie sich teilten, wann immer sie zu Hause schlief, was in letzter Zeit nicht häufig der Fall war. Aphen seufzte und setzte sich, während ihre Gedanken weiter um die Einträge in dem Tagebuch und um das Schicksal der verschollenen Elfensteine kreisten.

Vor allem fragte sie sich, wie die Steine verschwunden waren. Offensichtlich hatte Aleia vergeblich versucht, sie und den jungen Dunkeling zu finden. Das war seltsam, wenn man bedachte, dass ihr die blauen Elfensteine für die Suche zur Verfügung standen. Aber wenn sie sich im Umgang mit den Steinen nicht ausgekannt hatte, was wahrscheinlich war, hatte es ihr vermutlich schlicht an den notwendigen Fähigkeiten gemangelt.

Doch hatte seitdem niemand mehr versucht, die verschollenen Elfensteine zu finden? Hatten nicht andere Elfen die blauen Steine eingesetzt? Sie konnte sich kaum vorstellen, dass man in dieser Richtung keine Bemühungen unternommen hatte. Und in all den Jahren hatte niemand etwas entdeckt.

Sie ließ das Thema zunächst auf sich beruhen und dachte stattdessen darüber nach, was mit Aleia nach ihrer Rückkehr nach Arborlon geschehen war. Andeutungen in ihrem Tagebuch zufolge hatte sie eine Chance bekommen, die Sache wiedergutzumachen. Aber was für eine Chance? Das Tagebuch verriet nichts darüber.

Und was war mit dem jungen Dunkeling? Hatte er die Elfensteine nur deshalb mitgenommen, um sie zu zwingen, nach ihr zu suchen? Hatte ihn die Liebe zu ihr getrieben, wie sie verzweifelt glauben wollte? Oder hatte er die ganze Zeit über beabsichtigt, die Elfensteine oder eine andere Magie zu stehlen? War er das dunkle Geschöpf, wie sie später befürchten musste, und hatte er sie zielstrebig und ganz ohne Gefühle und Leidenschaft verführt? Hatte er ihr etwas vorgeheuchelt? Für beide Ansichten gab es Argumente. Wahrscheinlich würde die ganze Wahrheit niemals ans Licht kommen.

Und das war vielleicht das Beste. Es wäre traurig, wenn Aleia betrogen worden war und sich einem Lügner und einem Dieb hingegeben hatte.

Aphen lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schaute aus dem Fenster. Sie hatte so viele Fragen – und brauchte so viele Antworten. Antworten waren allerdings knapp. Morgen würde sie sich die Aufzeichnungen über die Könige und Königinnen der Feen ansehen, wo die Stammbäume der königlichen Geschlechter sorgfältig verzeichnet waren. Die meisten waren noch vorhanden. Irgendwo müssten Aleia und ihre Eltern aufgeführt sein. Über die bloßen Namen hinaus würde sie wenig erfahren, das jedoch wäre immerhin ein Anfang für die Suche, auf die sie sich nun begeben musste.

Sie streckte die Hand nach ihrem Rucksack aus, der neben ihr stand, und tastete darin nach der flachen Oberfläche des Tagebuchs.

»Kommst du bald ins Bett?«

Arlingfant kam ins Zimmer, klein und zart und in Seide gehüllt. Sie kniete vor ihrer Schwester, als wollte sie Aphen anflehen. Ihr vollkommenes Gesicht – von ovaler Form, mit dunklen Augen und klaren Elfenzügen – blickte zu ihr auf, und ihr Lächeln erschien wie eine Mondsichel hinter einer Wolke.

»Ich habe dich kommen hören. Meine Sinne sind genauso scharf wie deine, Aph.«

»Alles an dir ist genauso gut wie bei mir. Hast du geschlafen oder wachgelegen und auf mich gewartet?«

»Wachgelegen. Ich habe nachgedacht.« Sie strich ein paar lose Strähnen ihres dunklen Haars aus dem Gesicht. »Der Baum ist immer noch ein Geheimnis für mich, auch nach fast acht Monaten, in denen ich für ihn gesorgt habe. Er setzt sich fast nie mit mir in Verbindung, auch nicht im Geringsten. Er verlässt sich darauf, dass wir tun, was notwendig ist, und von uns wird erwartet, diese Bedürfnisse vorherzusehen. Das ist einfach nicht möglich. Selbst wenn wir unseren Dienst zu zwölft ausüben würden, könnten wir etwas übersehen. Oder wir könnten etwas, das uns auffällt, falsch deuten. Es gibt eine Reihe von Dingen, mit denen wir Schaden anrichten könnten. Aber irgendwie geschieht das nicht. Allerdings bedeutet das nicht, dass wir uns nicht jede wache Minute Sorgen um ihn machen.«

Sie wandte den Blick ab. »Heute habe ich die Rinde gereinigt und alles entfernt, was ihn krank machen oder die Oberfläche verunstalten könnte, da hatte ich ein seltsames Gefühl. Es war, als würde der Baum zu mir sprechen. Die Stimme kam aus dem Nichts, wie ein Flüstern in meinem Ohr. Ich wusste, es war keiner der anderen Erwählten, denn deren Stimme kenne ich. Ich habe mich umgesehen, niemanden entdeckt und auch die Stimme nicht wieder gehört. Doch später habe ich Freershan gegenüber erwähnt, dass ich das Gefühl gehabt hätte, einer der Äste habe mich berührt. Die Spitze eines Zweigs, der sich zu mir nach unten bog und mich an der Schulter berührte. Doch als ich mich umdrehte und nachschaute, war nichts da.«

Aphenglow legte ihrer Schwester eine Hand auf die Wange. »Der Baum ist magisch, Arling. Da wundert es nicht, wenn in seiner Gegenwart magische Dinge passieren. Sogar solche, wie du sie beschreibst. Geht es dem Baum gut?«

Arlingfant nickte. »Er sieht gut aus. Heute ist niemandem etwas aufgefallen. Es war nur … diese Stimme und die Berührung.«

Aphenglow stand auf. »Möchtest du ein Glas Milch?«

Ihre Schwester nickte, und Aphenglow ging in die Küche, öffnete den Kühlkasten, nahm den Milchkrug heraus und schenkte in zwei Gläser ein. Danach stellte sie den Krug zurück und trug die Gläser ins Wohnzimmer.

»Das wird dir beim Einschlafen helfen«, sagte sie und reichte Arlingfant ein Glas.

Sie saßen in der Dunkelheit und tranken schweigend die Milch, während das weiche Licht des Viertelmondes durch die Bäume in die Fenster des Hauses schien. Aphen dachte wieder an das Tagebuch. Einen Augenblick lang spielte sie mit dem Gedanken, ihrer Schwester von ihrem Fund zu erzählen. Es wäre gut, eine andere Meinung zu hören und die eigenen Überlegungen mit jemandem zu teilen, der vielleicht eine neue Sichtweise einbringen würde. Aber sie widerstand dem Impuls. Sie wollte ihre Schwester nicht in die Lage bringen, für sie zu lügen, falls es jemand herausfand. Geteilte Überlegungen und neue Sichtweisen mussten waren, bis sie etwas mehr in Erfahrung gebracht hatte.

»Hast du heute etwas Interessantes gefunden?«, fragte Arlingfant plötzlich, als hätte sie ihre Gedanken gelesen.

»Nichts«, log Aphen. Lügen fiel ihr immer leichter. So langsam fühlte es sich schon ganz natürlich an. »Allerdings nähert sich meine Suche dem Ende. Es sind nicht mehr viele Kisten mit Briefen und Aufzeichnungen, die ich durchgehen muss. Vor einer Woche habe ich die letzten Nachträge der Chroniken beendet. Das war eine anstrengende Arbeit.«

»Die Übersetzung muss schwierig sein. Ein großer Teil davon ist uralt. Althochelfisch. Verschiedene Dialekte. Gut, dass du darin geübt bist, sie zu lesen.«

Aphenglow nickte. Mit dem Studium der alten Elfensprachen hatte sie im Alter von zehn Jahren angefangen. Sie hatte eine Gabe dafür und einen Sinn für Bedeutungen und Verwendungsarten der Wörter, und als sie vor einem Jahr für diese Aufgabe zurückgekommen war, verfügte sie über fünfzehn Jahre Erfahrung im Entziffern der Schriften, die Elfen vor Tausenden von Jahren verfasst hatten.

»Ich sollte vielleicht für eine Weile nach Paranor zurückgehen«, sagte sie plötzlich. »Für eine Woche oder so.«

Auf diesen Gedanken war sie gerade erst gekommen, obwohl sie es vermutlich bereits geahnt hatte, als sie die ersten Einträge in dem Tagebuch gelesen hatte. Sie musste sich mit den anderen Druiden beraten. Dann wäre eine Entscheidung zu treffen, wie man mit diesen Erkenntnissen umgehen und wie die Suche fortgeführt werden sollte. Sie hatte ihrem Großvater versprochen, sie würde keine Unterlagen aus dem Archiv behalten, aber dieses Versprechen hatte sie bereits mit der Absicht gegeben, es möglicherweise zu brechen. Von vornherein hatte sie vorgehabt, alles Bedeutsame mitzunehmen, was sie fand. Sie war eine Elfin und hielt ihrem Volk die Treue, doch nicht auf Kosten der anderen Völker. In dieser Hinsicht war sie zuallererst Druidin. Magie musste geteilt werden, und genau das würden die Druiden sicherstellen.

»Aphen?« Ihre Schwester legte ihr die Hände auf die Schultern. »Nimm mich mit. Ich will fort von hier. Ich möchte mit dir gehen.«

Aphenglow schüttelte den Kopf. »Du weißt, das ist unmöglich.«

»Ich weiß, dass du das immer gesagt hast. Aber es gibt nichts, was du nicht tun könntest, wenn du es wirklich willst. Ein Druide verfügt über immense Kräfte, und du bist die beste. Wenn du ihnen sagst, dass du mich dort haben willst, müssen sie mich dulden.«

Darüber hatten sie schon oft gesprochen. Arlingfant hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass sie keine Erwählte, sondern eine Druidin wie ihre Schwester sein wollte. Die unausweichlichen Zurückweisungen machten ihr nichts aus. Sie war bereit, alles zu opfern, wenn Aphen sie nur mit nach Paranor nähme.

»Du kannst deine Freunde nicht im Stich lassen; sie können den Ellcrys nicht ohne dich hüten«, sagte Aphenglow eindringlich. »Sie brauchen dich. Wenn ich die beste Druidin bin, dann bist du mit Abstand die beste Erwählte. Du bist diejenige, die immer weiß, was zu tun ist. Wie oft sind dir Krankheit oder Fäule aufgefallen, die alle anderen übersehen haben? Du kannst das nicht einfach aufgeben. Vielleicht später, wenn dein Dienst zu Ende ist. Aber jetzt nicht.«

»Ich weiß, ich weiß. Du hast es oft genug gesagt. Aber ich möchte mit dir Magie studieren!«

»Was mich zu einem anderen Punkt bringt, den du fortwährend ausblendest. Ich treffe die Entscheidung, wer Druide wird, nicht allein. Alle, die dienen, müssen zustimmen, und die Ard Rhys muss wach sein, wenn es geschieht. Im Augenblick hat sie sich in den Druidenschlaf begeben und soll in den nächsten zwei Jahren nicht geweckt werden, jedenfalls nicht, solange es sich nicht um einen Notfall handelt. Und die Aufnahme eines Druiden – auch wenn es um dich geht, Arling – kann man nicht gerade als Notfall bezeichnen.«

Sie fügte noch hinzu: »Es gibt außerdem Vorbehalte dagegen, mehrere Angehörige einer Familie im Orden aufzunehmen. Das weißt du. Man macht sich ernste Sorgen darum, welche Auswirkungen Blutsbande auf die Leistungen als Druide haben würden.«

Aphen nahm ihre Schwester in die Arme. »Trotzdem werde ich, wenn dein Dienst beendet ist, deinen Namen vor alle anderen setzen und mich bemühen, einen Platz für dich zu ergattern. Glaubst du nicht, dass ich dich gern bei mir hätte? Weißt du nicht, wie sehr ich dich vermisse?«

Arlingfant erwiderte die Umarmung. »Ich weiß, Aphen. Ich will auch nicht unvernünftig sein. Aber manchmal ist es schwer für mich, dass ich so lange warten muss.«

Aphen lachte. »Ich weiß, was du meinst. Nun geh ins Bett. Ich komme gleich nach. Ich muss nur schnell noch einmal meine Notizen durchgehen, um sicherzustellen, dass ich alles aufgeschrieben habe.«

Ihre Schwester küsste sie auf die Wange, erhob sich und ging hinaus. Aphenglow lauschte dem leisen Tappen ihrer Füße auf den Stufen, dem Quietschen der Matratze und der folgenden Stille.

Dann holte sie das Tagebuch hervor und sah sich den letzten Eintrag an. Pathke, Meresch und ihre Aleia. Höchstwahrscheinlich ein König, seine Gemahlin und ihre Tochter. Sie musste ihren Platz in den Elfenchroniken finden und überprüfen, ob das bei der Suche nach den verschollenen Elfensteinen hilfreich wäre. Bestimmt hatte sich das alles vor Urzeiten ereignet; die Elfensteine wurden schon seit dem letzten Krieg zwischen Wort und Leere im Zeitalter der Feen vermisst.

Und die Stadt Rajanhof, wo der junge Dunkeling gelebt hatte, wo lag die?

Sie musste das alles herausfinden und dann die einzelnen Teile zusammensetzen. Sie musste …

Am Fenster zu ihrer Rechten glitt ein Schemen vorbei, und sie ließ den Gedanken unbeendet, während sie sofort reagierte. Um den Schatten kümmerte sie sich zunächst nicht – darin war sie geübt –, sondern schloss das Tagebuch und schob es links neben sich zwischen die Kissen. Sie versteckte es dort mit einer Bewegung, die so unauffällig war, dass sie jedem Beobachter entgehen musste.

Dann nahm sie sich kurz Zeit zum Nachdenken und wartete, ob der Beobachter wieder am Fenster auftauchte.

Als nichts geschah, stand sie auf und gab sich den Anschein, als wolle sie zu Bett gehen, während sie tatsächlich von einem Fenster zum anderen sah.

Nichts.

Und dann schlang sich eine seidene Schnur, deren starke Fäden fest verzwirbelt waren, um ihren Hals, und sie bekam keine Luft mehr.

Der Angreifer bewegte sich so geübt und geschmeidig, dass er mit Sicherheit schon früher auf diese Weise getötet hatte. Viele andere hätten in diesem Augenblick ihr Leben verloren, und sie hatte nur einen Moment Zeit, um zu verhindern, dass ihr das gleiche Schicksal widerfuhr. Sie rammte ihm ihren Kopf ins Gesicht, trat ihm vor den rechten Knöchel und stieß ihm den Ellbogen in den Brustkorb. Im Kampf Mann gegen Mann hatte sie niemand Geringeres als der überragende Bombax ausgebildet, und sie wusste genau, was sie zu tun hatte.

Das Problem war, dass ihrem Angreifer das, was andere sofort außer Gefecht gesetzt hätte, nichts auszumachen schien.

Dicht an ihn gedrückt, versuchte sie, ihn über die Schulter zu werfen, scheiterte jedoch, während die Schlinge weiter zugezogen blieb. Obwohl sie groß und stark war, kam sie nicht gegen ihn an. Sie bemühte sich, sein Gewicht gegen ihn einzusetzen, ihn zum Stolpern zu bringen und auf den Boden zu zwingen. Auch das scheiterte. Sie taumelten wild durch den Raum und krachten gegen die Wände; Möbel kippten um und zerbrachen. Aphenglow hatte eigentlich geglaubt, es mit jedem aufnehmen zu können, doch in diesem Kampf war sie unterlegen. Sie verlor zusehends an Kraft, und vor ihren Augen tanzten Punkte.

Dann kam Arlingfant die Treppe hinuntergestürmt, einen Knüppel in beiden Händen, und kreischte wie eine Todesfee. Ohne zu zögern, schlug sie auf den Angreifer ein und erwischte ihn seitlich am Kopf. Der Hieb erschütterte ihn gerade genug, damit er lockerließ und sich Aphenglow aus der tödlichen Schlinge befreien konnte.

Aber als sie sich dem Angreifer zuwandte, war dieser bereits zur Tür hinaus und in der Nacht verschwunden. Arling wollte ihn verfolgen, doch Aphenglow schüttelte den Kopf und hielt sie zurück.

Es dauerte einen Augenblick, bis sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. »Lass ihn laufen«, sagte sie, während sie noch nach Luft schnappte. »Er wäre doch nur im Vorteil, wenn wir blindlings in die Dunkelheit hinausstürzen.«

Der Angreifer war männlich gewesen, da war sie sicher – was sein Geschlecht anging, und auch, welchem Volk er angehörte. Sie hatte einen Blick auf seine Handgelenke erhascht, als er sie losgelassen hatte, genug, um anhand ihrer Größe und des Haarwuchses zu erkennen, mit wem sie es zu tun hatte.

Sie ging zur Bank am Esstisch und ließ sich vorsichtig darauf nieder. Wo die Schnur ihren Hals umspannt hatte, brannte die Haut, und noch immer bekam Aphen kaum genug Luft. »Arling, du hast mich gerettet. Er war zu stark für mich. Ich hätte mich nicht gegen ihn wehren können.«

Ihre Schwester beugte sich vor und untersuchte ihren Hals. »Hoffentlich habe ich ihm den Schädel eingeschlagen«, murmelte sie. »Bleib sitzen. Ich hole kalte Tücher und Salbe für die Wunde.«

Sie verschwand in der Küche. Aphenglow ging zu dem Stuhl, nahm das Tagebuch und schob es sich unter ihre Bluse. Sie war wütend auf sich selbst, weil sie jemandem erlaubt hatte, sich ihr so weit zu nähern. Keinem Angreifer hätte es möglich sein dürfen, sich auf diese Weise anzuschleichen; normalerweise hätten ihre verlässlichen Instinkte sie gewarnt. Und genau das bereitete ihr Sorgen.

Arlingfant kam zurück und stellte eine kleine Laterne neben ihrer Schwester auf den Tisch. Dann säuberte sie die Abdrücke der Schlinge mit kalten Tüchern und trug eine schmerzlindernde Salbe auf. Sie arbeitete zügig und bewegte die kleinen Finger geschickt.

»Wer macht denn so etwas?«, fragte sie mit unverminderter Wut. »Warum überfällt dich jemand in deinem eigenen Haus?«

»Ich habe keine Ahnung«, log Aphenglow, die den Grund bereits vermutete, wenn sie auch nicht wusste, wer dahintersteckte.

»Hat er etwas mitgenommen?«

»Nein. Was gäbe es hier schon, das sich mitzunehmen lohnte? Es war bestimmt jemand, dem es nicht gefällt, wenn junge Frauen ihre Elfenfamilie verlassen und sich einem Druidenorden anschließen. Vielleicht jemand, der einen Groll hegt oder dem man übel mitgespielt hat.«

»Na ja, wer auch immer es war, er wird morgen eine ordentliche Beule am Kopf haben.« Ihre Schwester war mit der Behandlung fertig. »Er wollte dich umbringen, Aphen!«

»Oder mich erschrecken. Vielleicht war das nur eine Warnung. Wir wissen es nicht mit Sicherheit.«

Aber sie wusste es sehr wohl. Wer immer sie überfallen hatte, verfügte über Erfahrung und Übung. Das war kein normaler Mensch mit Groll oder fehlgeleitetem Pflichtgefühl gewesen. Und der Art der Attacke nach zu schließen hatte der Angreifer mit Macht versucht, sie schwer zu verletzen und nicht nur zu erschrecken.

Aber wer wollte sie verletzen? Wer würde daraus Vorteile ziehen? Sie konnte es nicht sagen. Ihres Wissens hatte sie keine Feinde, und sie konnte sich nicht vorstellen, wer einen so großen Groll gegen sie hegte. Daher drängte sich ihr der Gedanke auf, dass sie wegen des Tagebuchs überfallen worden war. Doch wer konnte überhaupt wissen, dass es sich in ihrem Besitz befand? Wer war ihr nahe genug gekommen, um es herauszufinden?

Nur ihr Onkel Ellich. Aber ihr Onkel liebte sie und würde niemals etwas Derartiges unternehmen. Gab es also noch jemanden, der von ihrem Tod und vom Besitz des Tagebuchs profitieren würde? Jemand, der sie beobachtet und bemerkt hatte, wie sie das Tagebuch aus den Archiven mitgenommen hatte?

Wenn man sie jedoch dabei beobachtet hatte, warum hatte die betreffende Person das Tagebuch nicht einfach zurückverlangt? Warum hatte man es nicht einfach gestohlen oder sie bedroht, damit sie es hergab? Es war doch ziemlich übertrieben, sie so heftig anzugehen, wenn der Besitz des Tagebuchs das vorrangige Ziel war.

Wie auch immer, sie würde sich davon nicht einschüchtern lassen. Der Überfall hatte ihre Entschlossenheit sogar eher gestärkt. Gleich morgen früh würde sie mit der Suche nach den Stammbäumen anfangen, so wie sie es geplant hatte.

Aber dabei würde sie äußerste Wachsamkeit walten lassen.

Kapitel 3

Als Aphenglow Elessedil am nächsten Morgen erwachte, tat ihr der ganze Körper weh. Langsam und mit steifen Gliedmaßen ging sie zum Waschbecken, ließ ihr Nachthemd nach unten gleiten und wusch sich vorsichtig. Sie war mit blauen Flecken und Kratzern übersät, und die Haut am Hals, wo sich die Schlinge eingedrückt hatte, brannte bei der leichtesten Berührung. Sie nahm sich die Zeit, die Salbe aufzutragen, die Arling in der Nacht zuvor benutzt hatte. Dann streckte sie sich, um die Verspannungen in ihrem Körper zu lockern, zog sich an und ging nach unten zum Frühstück. Sie aß im Stehen in der Küche und starrte aus dem Fenster, während sich die Schatten der Nacht auf dem Rückzug befanden und die aufgehende Sonne den Himmel im Osten erhellte.

Ihre Schwester war bereits unterwegs. Sie würde sich im Garten des Lebens mit den anderen Erwählten versammelt haben, wo sie den Ellcrys zu einem neuen Tag begrüßten und mit ihren täglichen Aufgaben begannen. Ihre Schwester behauptete vielleicht, sie wolle die Arbeit ihres Ordens aufgeben, doch Aphenglow wusste, wie stolz sie darauf war. Unter den Erwählten nahm sie eine besondere Stellung ein, denn die anderen schauten wegen ihrer Fähigkeiten und Instinkte als Heilerin und Pflegerin zu ihr auf. Ja, sie wäre gern eine Druidin gewesen, und aus mancherlei Gründen wäre sie auch eine gute geworden; sie verfügte über Talente, die ihr bei der schwierigen und anspruchsvollen Arbeit im Druidenorden helfen würden. Aber obwohl ihre Schwester darauf brannte, im Orden aufgenommen zu werden, wusste Aphenglow, dass sie bei den Erwählten besser aufgehoben war. Arling war noch jung, neun Jahre jünger als Aphen, und ihr war nicht bewusst, was es für ihr Leben bedeutete, wenn sie in die Fußstapfen ihrer älteren Schwester trat.

Aphen hatte Obst und Brot verzehrt, blieb jedoch am Fenster stehen und schaute zu, wie der Tag heller wurde. Irgendetwas beunruhigte sie, allerdings wusste sie nicht genau, was.

Nachdem sie fünf Minuten ins Leere gestarrt hatte, verließ sie die Küche und trat aus dem Haus. In der Nachbarschaft war niemand in Sicht, daher konnte sie sich nicht erkundigen, ob jemand in der Nacht etwas gehört oder gesehen hatte. Stattdessen ging sie um das kleine Haus zu dem Fenster, wo sie den Schatten bemerkt hatte. Sie besaß gute Fähigkeiten im Fährtenlesen und fand rasch Fußabdrücke, die der Größe nach zu einem Mann gehörten. Sie folgte ihnen. Die Spuren führten ein Stück zurück und lagen dann weiter auseinander, ein Hinweis darauf, dass der Mann von hier an gerannt war. Sie folgte der Fährte bis zum Ende des Gartens, wo sie auf dem Pfad verschwand, der in die Stadt führte.

Verwirrt betrachtete sie die Fußabdrücke.

Und dann begriff sie plötzlich, was sie beunruhigte.

Wie konnte der Angreifer im einen Augenblick am Fenster vorbeihuschen und im nächsten hinter ihr stehen? Die Zeit hatte dafür nicht gereicht. Demnach konnte es nicht nur ein Mann gewesen sein – der Schatten des ersten hatte sie abgelenkt, und der zweite war durch die Küchentür hereingekommen und hatte sie überfallen.

Einen Moment lang stand sie da und betrachtete den Pfad, ehe sie zurück zum Fenster ging und von dort aus zur Hintertür. Ganz eindeutig waren die größeren Abdrücke eines zweiten Mannes in der kahlen Erde der Blumenbeete zu erkennen, die Arlingfant so sorgfältig pflegte. Der zweite Mann hatte dort gewartet und war durch die Tür hineingeschlichen, um sie zu überfallen.

Oder hatte er sie schon drinnen erwartet?

Ihr lief es kalt über den Rücken. Die Angreifer hatten gewusst, was sie taten. Einer hatte sie abgelenkt, damit sie den anderen nicht bemerkte – und damit ihre normalerweise zuverlässigen Druidensinne sie nicht vor der Gefahr warnen konnten. Sie hatte gute, aber auch nicht unfehlbare Instinkte, und sie konnte nicht ständig alles aufnehmen, was um sie herum passierte.

Und was ihr außerdem bewusst wurde, war der Umstand, dass ihr Angreifer es ihr unmöglich gemacht hatte, sich mit Magie zu verteidigen. Daran hatte sie gestern Nacht nicht gedacht, als sie noch erschüttert von dem Angriff gewesen war, doch jetzt wurde es ihr klar. Indem er ihr die Luft abgeschnürt hatte, erstickte er ihre Stimme und lähmte ihre Hände, was sie daran hinderte, jedwede Magie zu beschwören. Sie hatte instinktiv ihre Körperkraft eingesetzt, um sich zu befreien. Vielleicht hatte sie unbewusst begriffen, dass sie ohne Stimme und Hände keine Magie wirken konnte.

Alle wussten, dass sie eine Druidin war und über Magie verfügte. Allerdings wusste nicht jeder, wie diese Magie funktionierte: Um sie zu beschwören, brauchte man Hände oder Stimme oder beides. Der erste Mann, der am Fenster, wäre also der Anführer gewesen, derjenige, der den Plan ausgedacht hatte. Der zweite, der Angreifer, war ein geübter Kämpfer und höchstwahrscheinlich zum Meuchelmörder ausgebildet.

Damit hatte sie nun zwei Geheimnisse zu lösen. Wer wusste das alles und wollte ihr Schaden zufügen, und wer hatte Kenntnis vom Tagebuch und wollte es stehlen?

Sie öffnete die Hintertür und ging in die Küche. Eigentlich waren es mehr als zwei Geheimnisse, die sie zu lösen hatte, wenn man alle Fragen zu dem Tagebuch und der unbekannten Geschichte ihrer Verfasserin mit einbezog. Aber nur zwei davon spielten im Hinblick auf den Überfall eine Rolle.