Die Shannara-Chroniken: Die Großen Kriege 1 - Kinder der Apokalypse - Terry Brooks - E-Book

Die Shannara-Chroniken: Die Großen Kriege 1 - Kinder der Apokalypse E-Book

Terry Brooks

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Beschreibung

Die moderne Zivilisation liegt in Trümmern, die Umwelt ist verseucht. Wer es nicht geschafft hat, sich rechtzeitig in einen Zufluchtsorte zu retten, muss versuchen in einer Welt zu überleben, in der nur das Recht des Stärkeren zählt. Mutanten und Veränderte machen den Menschen ihren Platz streitig. Doch es gibt Hoffnung: Mit dem Schrecken der Vergangenheit sind auch uralte Kräfte des Guten wieder zum Leben erwacht, die den Kindern der Apokalypse bei ihrem letzten Kampf beistehen könnten …

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Terry Brooks

Die Shannara-Chroniken

Kinder der Apokalypse

Roman

Deutsch von Michael Nagula

Buch

Die moderne Zivilisation liegt in Trümmern. Die Umwelt ist verseucht. Wer es nicht geschafft hat, sich rechtzeitig in einen Zufluchtsorte zu retten, muss versuchen in einer Welt zu überleben, in der nur das Recht des Stärkeren zählt. Mutanten und Veränderte machen den Menschen ihren Platz streitig. Doch es gibt auch Hoffnung, denn zugleich mit diesen Schrecken der Vergangenheit sind auch uralte Kräfte des Guten wieder zum Leben erwacht, die den Kindern der Apokalypse bei ihrem letzten Kampf beistehen könnten …

Autor

Im Jahr 1977 veränderte sich das Leben des Rechtsanwalts Terry Brooks, geboren 1944 in Illinois, USA, grundlegend: Gleich der erste Roman des begeisterten Tolkien-Fans eroberte die Bestsellerlisten und hielt sich dort monatelang. Doch „Das Schwert von Shannara“ war nur der Beginn einer atemberaubenden Karriere, denn bislang sind mehr als zwanzig Bände seiner Shannara-Saga erschienen.

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Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel »Genesis of Shannara 1: Armageddon’s Children« bei Ballantine Books, New York.

Der vorliegende Roman ist bereits 2008 im Goldmann Verlag und im Blanvalet Verlag unter dem Titel „Die Großen Kriege 1 – Kinder der Apokalypse“ erschienen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage Copyright der Originalausgabe © 2006 by Terry Brooks Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2016 by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkterstr. 28, 81673 München Redaktion: Waltraud Horbas Covergestaltung und Artwork: Melanie Miklitza, Inkcraft HK • Herstellung: at

eISBN 978-3-641-18125-3V001

www.blanvalet.de

www.randomhouse.de

Für Judine,meiner Freundin –auf allen Wegen nur das Beste.

Inhaltsverzeichnis

Buch und AutorCopyrightWidmungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29

1

In der Nacht, in der der Dämon und die Einst-Menschen seine Familie angreifen, liegt er in seinem Bett und schläft. Sie haben das Lager seit Tagen beobachtet, die Mauern und die Routine der Wachen. Sie haben geduldig auf diese Gelegenheit gewartet, und nun ist es soweit. Ein Voraustrupp hat die Mauern schon überklettert und sich an den Wachen vorbeigeschlichen. Sie haben die Tore von innen geöffnet, um die anderen hineinzulassen, und jetzt strömen sie ins Lager. In weniger als fünf Minuten ist alles verloren.

Er ahnt es nicht, als sein Vater ihn wachrüttelt, doch er weiß, dass etwas nicht stimmt.

»Logan, steh auf!« Dringlichkeit und Angst liegen in der Stimme seines Vaters.

Logan blinzelt gegen den Lichtstrahl der Taschenlampe an, die sein Vater in der Hand hält, eine der beiden Lampen, die sie noch haben. Er sieht, dass sein Bruder sich schon anzieht, Hemd und Hose, mit schnellen, verängstigten Bewegungen. Tyler beschwert sich nicht, er sagt nichts, er sieht ihn nicht einmal an.

Sein Vater beugt sich zu ihm vor, die ausgeprägten Züge flach und kantig am Rand des Lichtstrahls. Er hat seine große Hand auf Logans Schulter gelegt und drückt sanft zu. »Es ist Zeit aufzubrechen, Logan. Zieh dich an, nimm deinen Rucksack und warte an der Falltür mit Tyler. Deine Mutter und ich holen Megan.«

Seine Schwester. Er sieht sich um, kann sie aber nicht entdecken. Draußen gellt Geschrei und peitschen Schüsse. Ein Kampf findet statt. Er weiß jetzt, was los ist, ohne es auch nur zu sehen. Er hat sein Leben lang gehört, wie darüber gesprochen wurde, über diesen Tag, an dem die Feinde eine Möglichkeit finden würden durchzubrechen, an diesem Tag, an dem die Mauern und Tore und anderen Verteidigungsmaßnahmen sie nicht mehr aufhalten würden. Es ist überall in den Vereinigten Staaten geschehen. Überall auf der Welt. Niemand ist mehr sicher. Vielleicht wird niemand je wieder sicher sein.

Schnell steht er auf und zieht sich an. Sein Bruder hat sich schon den Rucksack auf den Rücken geschnallt und wirft Logan seinen zu. Die Rucksäcke lagen in einer Ecke seines Schlafzimmers, solange er zurückdenken konnte. Jeden Monat wurden sie ausgepackt, überprüft und neu gepackt. Sein Vater ist ein vorsichtiger Mann, einer, der vorausplant und überlebt. Er war immer davon ausgegangen, dass dieser Tag einmal kommen würde, obwohl er seiner Familie versicherte, dass es nicht geschieht. Logan hatte sich nicht täuschen lassen. Sein Vater sprach es nicht aus, aber zwischen den ermutigenden Worten lagen stille Warnungen. Sie waren Logan nicht entgangen, er hatte die Andeutungen nicht überhört.

»Beeil dich, du Schnecke«, zischt Tyler ihm zu und läuft zur Tür hinaus.

Logan zieht seine Stiefel an, wirft sich den Rucksack über die Schulter und rennt hinter seinem Bruder her. Die Rufe draußen werden lauter, panischer. Es gibt auch Schreie. Er fühlt sich merkwürdig distanziert, als würde das alles Menschen widerfahren, mit denen er nichts zu tun hat. Dabei weiß er, dass es seine Freunde und Nachbarn sind. Ihm ist schwindlig, und in seinen Ohren rauscht es. Vielleicht ist er zu schnell aufgestanden, hat sich gehetzt, wie er es manchmal macht, ohne seinem Körper zu erlauben, sich an die plötzliche Veränderung zu gewöhnen.

Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass dies die erste von vielen Veränderungen ist, die er in seinem Leben vornehmen muss.

Er weiß, was jetzt geschehen wird. Sein Vater hat es ihnen gesagt, hat darauf geachtet, es durch das Wort ›falls‹ zu umschreiben und nicht ›wenn‹ zu verwenden … Sie werden durch die Tunnel ins offene Land fliehen. Sie werden von zu Hause weggehen und all ihren Besitz zurücklassen, weil man sie sonst gefangen nehmen und umbringen wird. Die Dämonen und die Einst-Menschen haben von Anfang an klargemacht, dass auch die, die sich in den Lagern einschließen, nicht verschont werden. Das ist die Strafe für ihren Widerstand, aber es soll auch als Warnung dienen.

Wenn ihr überleben wollt, gebt euch in unsere Hände.

Selbstverständlich glaubt niemand ernsthaft, dass das der Wahrheit entspricht. Niemand kann außerhalb der Lager überleben. Nicht als freier Mann oder freie Frau. Nicht angesichts der Seuchen und Gifte in der Luft, im Wasser und Boden. Nicht angesichts der Sklavenlager, in denen sie untergehen werden. Nicht angesichts der Freaks und Ungeheuer, die in den Städten und Siedlungen überall Amok laufen.

Nicht angesichts der Dämonen und Einst-Menschen, die die Menschheit vertilgen wollen.

Nicht in dieser schönen neuen Welt.

Logan weiß das, obwohl er erst acht Jahre alt ist. Er weiß es, weil er es träumt und zwanzig Jahre später noch einmal erlebt. Er versteht, wie die Wahrheit Zeit und Ort überwindet, er heißt das Wissen in Form von Erinnerungen willkommen. Er weiß es genauso, wie er weiß, wie diese Sache enden wird.

Er steht mit Tyler vor der Falltür, als sein Vater zu ihnen kommt und seine Mutter und seine Schwester mitbringt. »Bleibt zusammen«, sagt er und sieht einen nach dem anderen an. »Passt aufeinander auf.«

Er hat eine Tyson 33 Flechette mit kurzem Lauf in der Hand, eine gemein aussehende schwarze Metallwaffe, die ein Loch durch eine halbmeterdicke Steinmauer schlagen kann. Logan hat nur einmal gesehen, wie sie abgefeuert wurde, vor Jahren, als sein Vater sie überprüfte. Der Knall des Schusses war ohrenbetäubend gewesen. Es roch nach Verbranntem, und nachher dröhnten ihm die Ohren. Die Erinnerung hat ihn bis heute nicht verlassen. Er fürchtet diese Waffe. Wenn sein Vater sie dabeihat, kann die Lage kaum schlechter sein.

»Jack.« Seine Mutter spricht den Namen des Vaters leise aus. Dann dreht sie sich um und umarmt ihn, vergräbt ihr Gesicht an seiner Schulter. Die Schreie, Rufe und Schüsse erklingen jetzt direkt vor der Tür.

Sein Vater lässt sich kurz umarmen, dann schiebt er sie zur Seite, greift nach unten und öffnet die Falltür. »Geht!«, flüstert er und bedeutet ihnen hinunterzusteigen.

Tyler zögert nicht, er hat die zweite Taschenlampe und verschwindet durch die Öffnung. Megan folgt ihm, die grünen Augen groß und tränenfeucht.

»Logan«, sagt sein Vater, als er sieht, wie sein Jüngster zögert.

Im nächsten Moment bricht die Tür in einer feurigen Lohe auf, die seine Mutter wie auch seinen Vater verschlingt und ihn Hals über Kopf die Treppe hinabstürzen lässt, bis er in einem Knäuel von Körpern landet. Seine Schwester schreit wie am Spieß, und etwas Schweres fällt neben Logan zu Boden und verfehlt nur knapp seinen Kopf. Im wabernden Licht von Tylers Taschenlampe schaut er hinab und sieht die Tyson Flechette. Er starrt die Waffe an, bis sein Bruder ihn auf die Beine reißt und die Waffe selbst aufhebt.

Ihre Blicke begegnen sich; sie wissen es beide. »Lauf!«, grollt Tyler.

Gemeinsam stürmen die drei Kinder den langen Tunnel entlang, folgen dem Strahl der Taschenlampe. In der Dunkelheit vor ihnen tauchen die Strahlen weiterer Lampen auf und flackernde Kerzen aus anderen Tunneln, die sich mit ihrem Licht verbinden. Das Stimmengewirr wird lauter. Er weiß, dass diese Menschen alle aus Häusern in der Nähe seines Hauses kommen. Der Tunnel war das Gemeinschaftsprojekt vieler Familien, angeführt von seinem Vater und ein paar Männern aus der Nachbarschaft, ein Fluchttunnel, für den Fall, dass das Unaussprechliche wahr werden sollte.

Rasch sind die Tunnel voll, und die Leute drängen und schieben sich hindurch. Tyler umklammert Megans Hand, während er mit der anderen weiter die Taschenlampe hält. Er ruft den Namen seines Bruders und schiebt ihm die Tyson Flechette zu.

Logan nimmt sie ohne nachzudenken entgegen. Seine Hände schließen sich um das kühle, glatte Metall des Laufs und gleiten dann abwärts zu dem in Leder gebundenen Griff. Seltsamerweise fühlt sich die Waffe in seinen Händen richtig an, als gehörte sie dorthin. Seine Angst vor ihr schwindet, als er sie an sich presst.

Vor ihnen drängen sich die umherzuckenden Lichtbahnen, und eine Holztreppe führt nach oben. Leute steigen aus dem Tunnel und die Treppe hinauf in eine Nacht, die erfüllt ist von Lichtblitzen und Explosionen und den Geräuschen von Tod und Verhängnis. Er kann die Hitze eines gewaltigen Feuers spüren, als er die Öffnung erreicht. Hastig atmet er die Nachtluft ein und riecht den ätzenden Geruch nach Rauch und verbrannten Balken.

Er bleibt stehen, um sich umzusehen, keine drei Schritte von Tyler und Megan entfernt, als eine Explosion das Erdreich unter ihm zerfetzt und ihn rückwärts in die Nacht davonschleudert. Unheimliches Schweigen senkt sich über seine Umgebung. Alles, was er jetzt noch hört, ist weiter entfernt und seltsam gedämpft. Er kann nichts mehr sehen, sich nicht einmal bewegen, liegt auf dem Boden und umklammert die Flechette, als wäre sie eine Rettungsleine.

Dann steht er mühsam auf, betäubt und unter Schock. Überall liegen rings um die Tunnelöffnung Menschen, Dutzende und Aberdutzende verkrümmter Gestalten. Er taumelt hinüber zu Tyler und Megan, die still und blutend daliegen, die Augen weit aufgerissen und starr. Er spürt, wie sich seine Brust zusammenzieht und seine Kraft ihn verlässt. Sie sind tot. Seine ganze Familie ist tot. Es ist so schnell gegangen.

Er bemerkt eine jähe Bewegung, als einige düstere Wesen sich aus der Dunkelheit nähern. Einst-Menschen, wild und mit grimmigem Blick; die Gesichter sind Gesichter von Tieren. Ohne nachzudenken, ohne auch nur zu wissen, woher er überhaupt weiß, was er zu tun hat, löst er die Sicherung an der Tyson Flechette, reißt den Lauf nach oben und schießt in ihre Mitte. Sie verschwinden zu Dutzenden, werden nach hinten in die Nacht gerissen. Er schwingt den Lauf nach rechts und schießt erneut. Wieder fliegen Dutzende auseinander. Er ist begeistert, wird ebenso irre wie sie, ebenso von Blutgier erfasst. Er hasst sie für das, was sie getan haben. Er will sie alle vernichten.

Dann sieht er eine andere Gestalt, einen Mann, der an der Seite steht, hoch gewachsen und gebeugt, geisterhaft grau in einem Umhang, der fast bis zum Boden reicht. Sein Blick ist unter der Krempe seines Schlapphuts auf Logan gerichtet, und in seinen Augen steht eine kalte Anerkennung, die den Jungen erschreckt. Er versteht nicht, was der Alte anerkennt, aber eines weiß er mit Gewissheit: Obwohl er bisher noch nie einen gesehen hat, versteht er sofort, dass er einem Dämon gegenübersteht.

Der Dämon lächelt ihn an und nickt.

Eine Hand reißt ihn abrupt herum und schlägt ihm die Flechette aus den Händen. Augen so hart und schwarz wie Obsidian starren ihn aus einem faltigen, verschwitzten Gesicht an. »Das reicht erst einmal, Junge, jetzt wird es Zeit, dass wir verschwinden. Wir wollen leben, damit wir morgen auch noch kämpfen können!«

Er packt Logan am Arm und rennt mit ihm ins Dunkel. Andere, deren Gesichter ebenso bemalt sind, schließen sich ihm an, scheuchen die Verbliebenen vor sich her, die sie aus den Trümmern des Lagers zusammengetrieben haben. Eine Nachhut bildet sich, um ihren Rückzug zu decken, Waffen feuern auf Gruppen von Einst-Menschen, die versuchen, sie einzuholen.

»Lauf, Junge.« Der Mann, der ihn festgehalten hat, stößt ihn jetzt von sich.

Logan kämpft gegen den Krampf in seinem Bauch an, gegen die Tränen, und läuft. Er schaut nicht zurück.

Das Sonnenlicht des Vormittags blendete Logan Tom, als er die Augen öffnete, und er blinzelte angestrengt, um die Schläfrigkeit loszuwerden, während er durch die Windschutzscheibe des Lightning-150-Geländefahrzeugs blickte. Die Landschaft von Indiana breitete sich leblos zu beiden Seiten des kleinen Ulmenhains aus, in dem er die Nacht verbracht hatte. Die Straße, der er westlich Richtung Chicago gefolgt war, erstreckte sich hinter ihm und vor ihm, aufgerissen, von Unkraut überwuchert und mit Schutt bedeckt. Er sah sich um. Bleiche Felder, ausgedörrt von Wochen ohne Regen, bildeten im Süden ein gebrochenes braunes Flickwerk. Im Norden stand etwa eine halbe Meile entfernt ein Bauernhof mit Scheune verlassen in einem kleinen Eichenhain, der schon nach Winter und Tod aussah.

Nirgendwo am Horizont regte sich etwas. Nicht einmal Fresser, und Fresser waren überall, wo es Menschen gab.

Er griff nach dem Stab, umklammerte ihn einen Moment lang fest, dann fuhr er über die polierte schwarze Länge, spürte die tröstliche Präsenz der Runen, die in die Oberfläche des Holzes eingeschnitzt waren.

Ein weiterer Tag in der Welt.

Er überprüfte die Anzeigen des Geländefahrzeugs, warf einen flüchtigen Blick auf die Lichtreihen, die in der Helligkeit des Tages alle grün blinkten. Die roten Lichter waren dunkel und versicherten ihm, dass sich niemand während der Nacht dem Fahrzeug genähert hatte. Er hätte ihren Warnton ohnehin nicht verschlafen, aber es schadete nichts, sich zu überzeugen. Das gepanzerte Geländefahrzeug war seine Lieblingswaffe gegen die Monster, die ihn jagten, und er verließ sich darauf, wie man sich auf seinen besten Freund verließ. Nicht, dass er je einen besten Freund gehabt hätte. Michael war sein letzter wahrer Freund gewesen, aber vor allem war er Logans Lehrer gewesen. Michael, ein technisches Genie, hatte das Geländefahrzeug erworben und umgebaut. Nach seinem Tod war der Lightning an Logan gefallen, das kleine Erbe eines überlebensgroßen Mannes.

Er dachte einen Moment an seinen Traum von der letzten Nacht, in dem es um seine Familie und seine Kindheit gegangen war. Das alles war nun zwanzig Jahre her, aber es schien eine Ewigkeit zu sein.

Bleib nicht daran hängen. Gib der Vergangenheit keine Macht über dich.

Zufrieden, dass keine Gefahr bestand, warf er einen Blick auf die Anzeige der Solarbatterie. Full Power. Er konnte aufbrechen. Sonnenenergie hatte in einer Welt, in der das Klima so drastisch verändert war, dass die Sonne an 350 Tagen im Jahr schien, überall ihre Vorteile, vom Äquator bis nach Kanada. Wenn man den Mississippi überquerte, gab es nichts als Wüste, bis man zu den Bergen kam, und dann noch mehr, bis man fast die Küste erreichte. Die Ozonschicht war überwiegend weggebrannt, die Polareiskappen hatten sich so gut wie aufgelöst. Die Temperaturen waren allerorten gestiegen, und das Land, das einmal die Mitte der Vereinigten Staaten gebildet hatte, war verkrüppelt und ausgedorrt. Aber das war alles längst Geschichte, es hatte sich vor mehr als dreißig Jahren zugetragen. Und auch an diesem Tag würde es wieder viel Sonne geben, und morgen und in den nächsten paar Jahrhunderten.

Regen? Sechs bis acht Zoll im Jahr in den feuchten Gegenden.

Logan Tom fragte sich, ob irgendein Mensch jemals wieder etwas sehen würde, das an die alte Welt erinnerte. Vielleicht seine Nachfahren, Menschen, die durch die rauen Bedingungen der Gegenwart verändert worden waren. Aber die Welt seiner Eltern und Großeltern war ein für alle Mal verschwunden, so tot wie die Moral und die gesellschaftlichen Strukturen, die nicht im Stande gewesen waren, sie zusammenzuhalten. Niemand hätte das für möglich gehalten. Niemand hatte geglaubt, dass es passieren könnte.

Niemand außer den Rittern des Wortes, die erfolglos versucht hatten, diesen Alptraum zu verhindern. Männer und Frauen, die sich dem Ziel verschrieben hatten, die Magie zu bewahren, die alles im Gleichgewicht hielt, niemand außer diesen Helden und Heldinnen und einigen anderen, denen das wichtig war.

Es gab nämlich wirklich so etwas wie Magie in der Welt, noch aus der Zeit vor der Menschheit, aus der Zeit des Feenvolks, einer älteren Zivilisation. Magie, die alles durchdrang, die überall war, die über das hinausging, was man sehen oder auch nur verstehen konnte, die alles Leben symbiotisch miteinander verband.

Magie, die das Wort und die Leere gleichermaßen in ihre Gewalt zu bekommen versuchte.

Es war ein uralter Kampf, einer, der bis zum Ursprung der Menschheit zurückreichte. Es war ein Kampf um die Herrschaft zwischen Schattierungen von Licht und Dunkelheit, zwischen Ausprägungen von Gut und Böse. Logan Tom behauptete nicht, all diese Nuancen zu verstehen. Es genügte ihm zu wissen, dass es einen Unterschied gab zwischen dem Wunsch zu erhalten und der Entschlossenheit zu vernichten. Die Ritter, die Diener der Welt, versuchten, das Gleichgewicht der Magie in Schach zu halten; die Dämonen als Geschöpfe der Leere wollten es verändern. Es war eine schlichte Idee, eine, die man leicht akzeptieren konnte, wenn man an Gut und Böse glaubte – wie die meisten Menschen. Sie hatten schon immer daran geglaubt. Sie hatten aber auch immer wieder verdrängen wollen, dass das Gute und Böse auf der Welt aus ihnen selbst kam und nicht aus einer abstrakten Quelle. Es war leichter, beides Dingen zuzuschreiben, die größer waren als man selbst. Und genau diese Weigerung zu akzeptieren, dass es aus einem selbst kam, hatte schließlich zum Untergang ihrer Welt geführt.

Die Ritter und Dämonen verstanden diese Wahrheit und versuchten sie auf ihre Weise umzusetzen und zu nutzen. Beide entstammten der Menschheit, standen aber im Begriff, sich weiterzuentwickeln als ihre Ahnen. Bis zum Anfang vom Ende hatten die Menschen nicht einmal von ihrer Existenz gewusst. Viele wussten immer noch nichts von ihnen. Ritter und Dämonen waren der Stoff, aus dem Legenden und radikale Religionen entstanden. Niemand hatte je ihr Wirken erlebt; niemand hatte je den Unterschied zwischen ihnen und anderen Menschen erkannt. Erst als sie begonnen hatten, sich zu zeigen und für ihre Sache einzutreten, erst als das Gleichgewicht gekippt und die stetige, zielgerichtete Vernichtung der Menschheit Wirklichkeit geworden war, hatte man Kenntnis von ihnen genommen.

Wie schwer es ihnen doch selbst dann noch gefallen war, die Wahrheit zu erkennen, als sie ihnen von allen Seiten ins Gesicht starrte.

Selbst, als Seuchen schon eine halbe Milliarde Menschen getötet hatten, hatte es noch niemand geglaubt. Selbst, als die Luft schon so verschmutzt und das Wasser so verdorben gewesen war, dass man kaum mehr atmen oder trinken konnte, hatte es noch niemand geglaubt. Sie hatten es erst zu glauben begonnen, als die ersten Atomwaffen abgeschossen und ganze Städte im Nu ausgelöscht worden waren. Sie hatten es erst zu glauben begonnen, als Regierungen zusammengebrochen oder gestürzt worden waren, als chemische Kriegsführung ganze Bevölkerungen beinahe ausgelöscht hatte. Dann hatten sie es immerhin so weit geglaubt, dass sie begannen, die Überreste ihrer Städte in ummauerte Anwesen zu verwandeln, dass sie begannen, sich auf eine Belagerungsmentalität zurückzuziehen, an der sich seit dreißig Jahren nichts geändert hatte.

Natürlich war es noch schlimmer geworden. Als die Lebensmittel und das Wasser ausgingen, hing das Überleben davon ab, dass darüber entschieden wurde, welche Vorräte unangetastet blieben, und davon, dass neue angelegt wurden. Aber nur wenige wussten, wie sich in einer vergifteten und verseuchten Welt, in der einen sogar das Erdreich töten konnte, Lebensmittel beschaffen ließen. Man hatte ein gewisses Widerstreben entwickelt, mit denen zu teilen, die weniger glücklich dran waren, und die Lager entwickelten sich zu Symbolen von Tyrannei und Egoismus. Ihre Bewohner waren durchaus privilegiert, waren weniger bedroht von Hunger, Durst und Seuchen. Jene draußen, von denen einige bereits begonnen hatten, sich zu verändern, weil ihre Körper sich an die Gifte und die Krankheiten anpassten, wurden schon allein deshalb als Feinde betrachtet, weil sie sich von allen anderen unterschieden.

»Freaks« nannten die gewöhnlichen Menschen sie. Die Straßenkinder hatten ihnen andere Namen gegeben – Echsen, Krächzer, Spinnen, Maulwürfe. Mutanten. Abscheulichkeiten. Und es gab noch schlimmere Namen. Viel stärker den Strahlen und Chemikalien ausgesetzt, waren sie die Ungeheuer ihres Zeitalters, verbannt in das verwüstete Land vor den Mauern der Lager und ihrem Schicksal überlassen.

Logan Tom spähte über die Ebenen von Indiana, griff nach der Zündung und ließ den Motor an. Die Maschine begann zu schnurren, und er spürte das Surren der metallenen Abdeckung unter seinem Sitz. Einen Augenblick später legte er einen Gang ein und lenkte das Fahrzeug unter den Bäumen hervor in westlicher Richtung auf die von Rissen überzogene Straße.

Die wahren Feinde waren die Einst-Menschen. Menschen, die nicht von Strahlung und Chemikalien geschädigt, sondern von falschen Versprechungen und Lügen verführt worden waren, die sich in etwa so anhörten: »Wollt ihr wissen, was ihr zum Überleben braucht? Ihr müsst bereit sein zu tun, was notwendig ist. Die Welt hat immer den Stärksten gehört. Die Schwachen hätten sie niemals erben dürfen. Ihr entscheidet, was ihr mit diesem Leben anfangen wollt. Durch eure Entscheidung seid ihr entweder mit uns oder gegen uns. Also entscheidet euch.«

Dämonen hatten solche Lügen und falschen Versprechungen natürlich schon seit Jahrhunderten von sich gegeben. Aber jene, denen die Einflüsterungen der Dämonen galten, hörten jetzt bereitwilliger hin. Die Welt war nach der Vernichtung der Zivilisation ein primitiver Ort, man lebte entweder in den Lagern oder außerhalb davon. Die draußen glaubten, dass die drinnen schwach und ängstlich seien, und instinktiv verstanden sie deren Schwäche und Angst. Sie entstammten den Überresten zerschlagener Armeen und versprengter Einheiten von Gesetzeshütern, erfolglosen Milizen und paramilitärischen Organisationen, einer Kultur bestehend aus Waffen und Kampf, einer Haltung, die Hass, Misstrauen und gnadenlose Entschlossenheit belohnte. Sobald sie die Propaganda der Dämonen akzeptierten, verfielen sie schnell dem finstersten Wahnsinn. Sie veränderten sich erst gefühlsmäßig und psychisch, dann auch geistig und körperlich. Schicht um Schicht streiften sie ihre menschliche Haut ab und nahmen das Aussehen und Empfinden von Ungeheuern an.

Äußerlich wirkten sie immer noch überwiegend menschlich – wenn man einmal von ihren ausdruckslosen, toten Augen und ihren leeren Mienen absah. Innerlich waren sie etwas vollkommen anderes geworden, ihre Menschlichkeit ausgelöscht, ihre Identität erneuert. Sie waren gierig, bestialisch und wollten alles töten, was sich bewegte.

Sie waren die Einst-Menschen. Logan Tom kannte diese Geschöpfe genau. Er hatte gute Männer gesehen, die sich verändert hatten, um zu solchen Wesen zu werden. Einige von ihnen waren seine Freunde gewesen. Er hatte es immer wieder erlebt. Er hatte es nie verstanden, aber gewusst, was zu tun war. Er hatte sie gnadenlos gejagt und mit unerschütterlicher Entschlossenheit getötet, und er würde sie und die Dämonen, die sie schufen, jagen und töten, bis alle vernichtet waren oder es ihn selbst das Leben kostete.

Der Mittag kam und ging. Er verließ Indiana und erreichte Illinois, als die Sonne sich langsam auf den westlichen Horizont zubewegte, bis der Himmel eine leuchtende Mischung aus Gold und Scharlachrot wurde. Das war das Schöne an der Luftverschmutzung: Sie lieferte unglaublich farbenprächtige Sonnenuntergänge. Wenn man schon in einer vergifteten Welt leben musste, konnte man wenigstens die Ausblicke genießen.

Er hielt den Lightning mitten auf der Straße an und stieg aus, um zuzusehen, wie die Farben sich ausdehnten und dunkler wurden. Er hatte den schwarzen Stab mitgenommen. Er streckte sich, versuchte, die Schmerzen und die Steifheit loszuwerden, die er sich von der Nacht im Fahrzeug geholt hatte. Er war groß und schlank geworden wie sein Vater und strahlte Zähigkeit und Kraft aus. Narben überzogen seine Hände und Arme, weißes Aufblitzen vor dunklerer Haut. Er hatte noch schlimmeren Schaden genommen, aber das war ihm nicht anzusehen. Das meiste davon betraf seine Gefühle. Er war abgehärtet von Jahren des Dienstes an der Welt, von dem Schmerz und dem Leid, das er gesehen hatte, und von dem Gefühl des Alleinseins, das er ständig empfand. Sein Gesicht schien wie das seines Vaters nur aus Ecken und Kanten zu bestehen, das Gesicht eines Kriegers. Aber die sanften blauen Augen seiner Mutter halfen, die Grobheit zu mildern. Mitgefühl stand in diesen Augen, aber Mitgefühl war ein Luxus, den er sich nicht oft leisten konnte. Die Dämonen und andere Wesen dieser Art gestatteten das nicht.

Er starrte in die Ferne, vorbei an einer gebrochenen Linie krummer Zaunpfähle, dorthin, wo die Dunkelheit begann, sich über die Landschaft zu senken. Der Horizont im Osten war bereits in trübes Licht getaucht. Während er das Band neu knüpfte, das sein langes schwarzes Haar zurückhielt, beobachtete er, wie die Schatten, die von den Pfosten ausgingen, wie Schlangen länger wurden.

Dann veränderte sich der Nachmittagswind plötzlich und trug den Gestank von Tod heran.

Er folgte seinem Geruchssinn zum Straßenrand, bis zu einer Stelle, an der sich Aasvögel in einer dunklen Wolke aus dem Graben erhoben, der sie bis dahin verborgen hatte, und er die Überreste der Leichen sehen konnte, an denen sie gefressen hatten. Er spähte auf sie hinab, versuchte zu erkennen, was geschehen war. Mehrere Familien waren zu Fuß unterwegs gewesen, nahm er an. Jedenfalls waren sie schon einige Tage tot. Hatten sich hier draußen erwischen lassen, waren gepackt und dann hierhergezerrt worden. Schwer zu sagen, was sie erledigt hatte.

Etwas Großes und Schnelles. Etwas, dem ich jetzt nicht begegnen will.

Er kehrte zum Lightning zurück, stieg wieder ein und fuhr weiter, immer auf das trüber werdende Licht zu. Der Himmel im Westen war klar und immer noch hell, also schaltete er die Lampen noch nicht ein. Nach einer Weile ging der Mond auf, eine schmale Sichel im Nordosten, tief und silbrig. Einmal zeigte das Licht etwas, das sich durch die verwüstete Landschaft bewegte, geduckt und tief, auf allen vieren. Es hätte alles sein können. Er warf einen Blick auf die Anzeigen des Fahrzeugs, aber sie zeigten nichts, nur grüne Lichter, die ihn anstrahlten.

Er brauchte weniger als eine Stunde, um die Siedlung zu erreichen. Er hatte Illinois fast vollkommen durchquert und einen Ort erreicht, an dem er nie zuvor gewesen war. Aber die Herrin hatte klargemacht, dass sie ihn hier wünschte. Sie war in seinen Träumen zu ihm gekommen, hatte ihm Richtung und Anleitung gegeben und die ununterbrochenen Alpträume seiner Vergangenheit etwas gelindert. Früher, hatte ein anderer Ritter ihm erzählt, hatten sie von einer Zukunft geträumt, die eintreten würde, wenn ihre Bemühungen, sie zu verhindern, scheiterten. Nun gab es keinen Grund mehr, von dieser Zukunft zu träumen; sie lebten sie alle. Dafür träumte er von den düsteren Momenten seiner Vergangenheit, von Versagen und verpassten Gelegenheiten, von Verlusten, die zu schmerzlich waren, um sie noch einmal zu erleben, es sei denn in Träumen, und von Entscheidungen, die ihm Narben eingebracht hatten, die nie wieder verschwinden würden.

Er hoffte, wenn seine Aufgabe hier beendet war und er wieder schlief, dass die Träume ihn zumindest eine Nacht lang in Ruhe ließen.

Häuser erschienen in der Ferne, dunkle Umrisse vor der flachen Landschaft. Es gab keine Lichter, keine Feuer oder Kerzen, keinerlei Anzeichen von Leben. Aber es gab Leben, das wusste er. In Städten dieser Größe gab es überall Leben. Nur nicht die Art, der man begegnen wollte.

Er lenkte den Wagen den schuttübersäten Highway entlang auf die Stadt zu, vorbei an zerbrochenen Schildern und Gebäuden, deren Dächer durchsackten und deren Wände eingestürzt waren. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass sich etwas bewegte. Fresser. Wo es Fresser gab, gab es auch andere Geschöpfe. Er warf einen Blick auf die Energieanzeige des Lightning und fuhr weiter.

Am Straßenrand stand ein kleines grünes Schild, dessen Beschriftung verblasst und abgewetzt wirkte:

WILLKOMMEN IN Hopewell, IllinoisBevölkerung 25 501

Fünfundzwanzigtausendfünfhundertundeins, wiederholte er lautlos. Früher einmal vielleicht. Vor hundert Jahren. Vor mehreren Leben, als die Welt noch in einem Stück war.

Er fuhr auf sein Ziel zu und versuchte, nicht mehr daran zu denken, was er für immer verloren hatte.

2

Hawk ging an der Spitze, als die Ghosts aus ihrer unterirdischen Höhle kamen, die unter dem ehemaligen Pioneer Square lag, und sich auf den Weg zur Stadtmitte von Seattle machten. Es war eine Stunde vor Mittag, die übliche Zeit für Handelsvereinbarungen und Austausch, aber er ließ sich gern ein wenig Zeit, um für die Möglichkeit einer Begegnung mit Freaks gewappnet zu sein. Normalerweise sah man bei Tag nicht viel von ihnen, aber man wusste ja nie. Es war nicht gut, Risiken einzugehen. Als Anführer war er für die Sicherheit der anderen verantwortlich.

Es war still in der Stadt, die mit Schutt übersäten Straßen wirkten öde und leer, die Läden und Wohnungen ruhig und verlassen. Ihre Glasfenster waren herausgebrochen, die Türen hingen schlaff in den Angeln. Verrostete Wracks von Autos und Lastwagen standen dort herum, wo ihre Besitzer sie vor Jahrzehnten hatten stehen lassen, nur wenige noch ganz, die meisten schon lange ausgeschlachtet und in leere Hüllen verwandelt. Hawk fragte sich bei ihrem Anblick, wie die Stadt wohl ausgesehen hatte, als Fahrzeuge noch Räder hatten und sich in einem stetigen, gleichmäßigen Verkehrsfluss von einem Ende zum anderen bewegten. Er fragte sich, wie er es immer tat, wie die Stadt wohl ausgesehen haben mochte, als sie noch voller Menschen und Leben war. Heutzutage lebte in der Stadt niemand mehr, jedenfalls nicht außerhalb der Mauern der Lager. Es sei denn, man zählte die Freaks und Straßenkinder mit, und das tat niemand.

Hawk ließ die anderen an der Kreuzung Halt machen, die die Nordgrenze des Pioneer Square bildete, und warf Candle einen fragenden Blick zu. Ihre klaren blauen Augen leuchteten, und sie nickte. Es war sicher weiterzugehen. Sie war erst zehn Jahre alt, aber sie sah Dinge, die sonst niemand sehen konnte. Schon mehr als einmal hatten ihre Visionen ihnen das Leben gerettet. Er wusste nicht, wie sie das machte, aber die Ghosts konnten froh sein, sie bei sich zu haben. Er hatte ihr einen treffenden Namen gegeben: Sie war ihr Licht in der Dunkelheit.

Er warf einen kurzen Blick auf die anderen, einen wilden Haufen in Jeans, Sweatshirts und Turnschuhen. Er hatte ihnen allen Namen gegeben. Er hatte ihre alten Namen abgeschafft und sie mit neuen versehen, solchen, die sich auf ihr Wesen und Temperament bezogen. Sie würden ein neues Leben beginnen, hatte er ihnen gesagt. Keiner sollte seine Vergangenheit in die Zukunft tragen müssen. Sie waren die Ghosts und suchten die Ruinen der Zivilisation heim, die ihre Eltern vernichtet hatten. Eines Tages, wenn sie keine Straßenkinder und Ausgestoßenen mehr waren und anderswo leben könnten, würde er einen besseren Namen für sie finden.

Candle lächelte, als sie einander ansahen. Es war dieses strahlende Lächeln, das alles rings umher aufhellte. Er spürte plötzlich, was sie dachte, und wandte sich schnell ab.

»Gehen wir«, raunte er.

Sie gingen die First Avenue entlang, vorbei an ausgeschlachteten Autos und Müllhaufen, nach Norden zur Mitte der Stadt. Er wusste, dass es die First Avenue war, weil es immer noch auf Augenhöhe mit den kunstvollen Straßenlampen Schilder an den Gebäuden gab. Die Schilder funktionierten nach wie vor, auch wenn die Lichter es nicht mehr taten. Hawk hatte noch nie funktionierende Straßenlampen gesehen, keiner von ihnen hatte das. Panther behauptete, es gäbe Lichter in San Francisco, aber Hawk war sich sicher, dass er das nur erfunden hatte. Die Kraftwerke, die Strom lieferten, hatten schon vor seiner Geburt nicht mehr funktioniert, und er war der Älteste von ihnen, wenn man von Owl einmal absah. Elektrizität war ein Luxus, den sich nur wenige außerhalb der Lager leisten konnten, wo es viele Solargeneratoren gab. Also benutzten sie vor allem Kerzen und Feuer und ein paar Glühstäbe.

Sie blieben in der Straßenmitte, hielten sich von den dunklen Gebäudeöffnungen zu beiden Seiten fern und nahmen die Flügel-T-Formation ein, die Hawk bevorzugte. Hawk ging an der Spitze, Panther und Bear bildeten die Flügelspitzen, und die beiden Mädchen, Candle und River, schleppten in der Mitte in straff zugeschnürten Säcken ihre Sachen. Owl hatte in einem Buch von der Flügel-T-Formation gelesen und Hawk erzählt, wie sie funktionierte. Hawk konnte lesen, wenn auch nicht besonders gut. Keiner von ihnen war besonders gut darin, erst recht nicht die Kleinsten. Owl konnte richtig gut lesen. Sie hatte es im Lager gelernt, bevor sie es verlassen und sich ihnen angeschlossen hatte. Sie versuchte es ihnen immer beizubringen, aber meistens zogen die anderen es vor, dass sie ihnen vorlas. Sie waren nicht sehr geduldig, und ihre Pflichten als Mitglieder der Ghosts nahmen den größten Teil ihrer Zeit in Anspruch. Lesen war für das Überleben nicht notwendig, sagten sie immer wieder.

Dabei war es das. Sogar Hawk wusste das.

Über ihnen zogen sich wogende Wolkenberge am Himmel zusammen, die immer finsterer wurden, während die Ghosts auf den Pioneer Square hinausschritten und weiter zum Hammering Man. Bald fiel weicher, ständiger Nieselregen und verwandelte den Beton der Straßen und Gebäude in ein glitzerndes Schiefergrau. Der Regen fühlte sich für Hawk sauber und erfrischend an, und er reckte sein eckiges Gesicht dem kühlenden Nass entgegen. Manchmal wünschte er sich, dass er wieder schwimmen gehen könnte, wie er es als kleiner Junge in Oregon immer getan hatte. Aber man konnte dem Wasser nicht mehr trauen. Man konnte sich nicht sicher sein, was darin lauerte, und wenn etwas Falsches in den Körper gelangte, starb man. Wenigstens hatten sie den Regen, was die restliche Welt so gut wie nie von sich behaupten konnte.

Nicht, dass er viel von der Welt gesehen hätte. Mit achtzehn hatte er erst an zwei Orten gelebt – in Oregon, bis er fünf gewesen war, und seitdem in Seattle. Aber die Ghosts hatten ein Radio, dem sie lauschen konnten, und manchmal erzählte es ihnen Geschichten. Heutzutage nicht mehr so oft, weil die Sender einer nach dem anderen ausfielen. Von den Heerscharen der Einst-Menschen überrannt, nahm er an.

Einst-Menschen. Wahnsinnige!

Manchmal erfuhren sie auch etwas von anderen Straßenkindern. Wenn ein neues Kind auftauchte, kam es gewöhnlich aus einer anderen Gegend des Landes, schloss sich einem der Stämme an und versorgte sie mit frischen Neuigkeiten. Aber egal woher sie kamen, ihre Geschichten ähnelten einander sehr. Alle saßen sie im gleichen Boot und versuchten zu überleben. Alle wurden von den gleichen Gefahren bedroht, und man konnte sich lediglich entscheiden, wie man leben wollte: entweder wie ein gefangenes Tier in den Lagern oder wie eine Beute draußen auf den Straßen.

Oder man lebte, wie die Ghosts, unter der Erde und versuchte sich von allem fernzuhalten.

Owl kannte die Geschichte, die der unterirdischen Stadt zugrunde lag. Sie hatte in einem Buch darüber gelesen. Vor langer Zeit war das alte Seattle niedergebrannt, und die Menschen hatten es begraben und auf seinen Überresten eine neue Stadt errichtet. Die alte Stadt war ignoriert worden, bis es teilweise für unterirdische Touren wieder erschlossen worden war. Nach den Großen Kriegen und der Zerstörung der neuen Stadt war es dann wieder vollkommen in Vergessenheit geraten.

Aber Hawk hatte es neu entdeckt, und nun gehörte es den Ghosts. Nun ja, wenigstens größtenteils. Da unten gab es noch andere Wesen, wenn auch keine weiteren Straßenkinder, denn die anderen Straßenkinder respektierten ihr Territorium. Es waren Freaks der unterschiedlichsten Art. Vorwiegend Echsen, Maulwürfe und Spinnen – nicht von der gefährlichen Sorte, obwohl man sie seiner Meinung nach wohl alle für gefährlich halten konnte. Doch diese Mutanten ignorierten sie, hielten sich von ihrem unterirdischen Reich fern und trieben manchmal sogar mit ihnen Handel. Sie waren nicht sehr klug und sehr scheu. Sie konnten sich übel aufführen und manchmal recht furchteinflößend sein, aber man konnte mit ihnen leben.

Vor den Krächzern musste man sich in Acht nehmen. Sie konnten einen arg verletzen.

Metall klirrte in der Ferne, und die Ghosts erstarrten. Lange Minuten verstrichen, während das Echo in der Stille verklang. Hawk schaute kurz zu seinen Flügelmännern Panther und Bear, Ersterer schlank und sehnig und mit einer Haut wie schwarze Asche, Letzterer hünenhaft und mit watschelndem Gang und so blass wie Schnee. Sie waren die Starken, die, auf die er sich verließ, wenn es darum ging, die anderen zu beschützen, die Kämpfer. Sie trugen die Solarstäbe, deren Stromstoß schon bei der leichtesten Berührung selbst eine Echse das Bewusstsein kosten konnte.

Panther begegnete Hawks Blick, und seine feinen Züge blieben ausdruckslos. Er machte eine ausschweifende Geste mit dem Arm, die sämtliche Gebäude in der Umgebung einschloss, und schüttelte den Kopf. Von seinem jetzigen Standort aus sah er nichts. Bear reagierte ähnlich. Hawk wartete noch einige Minuten lang, dann sorgte er dafür, dass der kleine Trupp sich wieder in Bewegung setzte.

Als sie die Kreuzung Erste und Seneca erreichten, blieb Hawk stehen, weil er eine Bewegung bemerkt hatte. Eine riesige Echse schob sich aus der dunklen Öffnung eines Parkhauses heraus, den Kopf zurückgelegt. Sie stöhnte, als sie sich ihnen auf der Straße näherte, wobei sie sich wie unter Qualen und ruckartig bewegte. Als sie sich näherte, konnte Hawk erkennen, dass man ihr die Augen ausgestochen hatte.

Sie sah aus, als wäre sie durch einen Fleischwolf gedreht worden.

Echsen, Maulwürfe und Spinnen waren Mutanten, Menschen, deren Äußeres durch die lange Einwirkung von Strahlung oder Chemikalien verändert worden war. Maulwürfe lebten tief unter der Erde, und die Veränderungen an ihnen hatten vor allem mit der Knochenstruktur zu tun. Spinnen lebten in den Gebäuden, waren schnell und klein, mit flachen Körpern und langen Gliedern. Nur die Echsen lebten draußen, mit schuppiger Haut und stumpfen oder vollkommen unkenntlichen Zügen. Echsen waren eigentlich sehr stark und gefährlich. Hawk konnte sich nichts vorstellen, was einer Echse so etwas hätte antun können.

Dann stand Panther neben ihm. »Also, was machen wir? Warten wir, bis dieses Vieh nahe genug kommt, um uns zu umarmen? Schießen wir in den Wind, Vogelmann.«

Hawk hasste es, wenn man ihn Vogelmann nannte, aber Panther ließ sich davon natürlich nicht abhalten. Der Trotz war ihm zu tief eingegraben.

»Komm schon!«, fauchte Panther, als er nicht schnell genug reagierte. »Gehen wir.«

»Wir können ihn nicht einfach so zurücklassen. Er hat Schmerzen. Er stirbt.«

»Nicht unser Problem.«

Hawk sah ihn an.

»Er ist ein Freak, Mann«, zischte Panther.

Bear und die anderen umringten sie. Ihre Gesichter waren feucht, und in ihrem Haar glitzerten Wassertröpfchen. Ihr Atem bildete in der kühlen, nebligen Luft wabernden Niederschlag. Regen fiel in einer trüben Wolke, die die Stadt schimmern ließ wie einen Traum. Niemand sagte etwas.

»Wartet hier«, meinte er schließlich.

»Mann«, stöhnte Panther.

Hawk ließ sie in der Straßenmitte stehen und ging auf die Echse zu. Sie war groß, fast zwei Meter lang, und muskulös. Hawk war schlank und nicht sehr groß, und gegen die Echse wirkte er wie ein Zwerg. Normalerweise verwundete eine Echse einen nicht absichtlich, aber diese hier hatte solche Schmerzen, dass sie vielleicht nicht erkannte, was er vorhatte, bevor es zu spät war. Er würde schnell handeln müssen.

Er griff in die Tasche und holte den Vipernzahn heraus. Er riss die Verpackung auf und schob ihn dorthin, wo die Echse kroch und schlurfte, den Kopf von einer Seite zur anderen drehend. Aus der Nähe konnte Hawk das ganze Ausmaß ihrer Wunden erkennen und fragte sich, wieso sie sich überhaupt noch bewegte.

Es gab kein Zögern, als er sich unter den riesigen Arm duckte und ihr den Vipernzahn in den Hals rammte. Die Echse warf sich erschrocken zurück, erstarrte einen Moment, dann brach sie reglos zusammen. Hawk wartete, versetzte ihr einen Schubs mit dem Zeh. Keine Reaktion. Er schaute noch kurz auf sie hinab, dann drehte er sich um und ging wieder zu den anderen.

»Du hast gerade wertvolle Vorräte an einen Freak verschwendet«, fauchte Panther. Sein Tonfall sagte alles.

»Stimmt nicht«, warf River ruhig ein. »Jedes Wesen verdient unsere Hilfe, besonders, wenn es Schmerzen hat. Hawk hat nur getan, was getan werden musste, mehr nicht.«

Sie war ein kleines, dunkelhaariges, zwölfjähriges Kind mit großen Augen und einem noch größeren Herzen. Sie war auf einem Skiff den Duwamish heraufgekommen, einzige Überlebende einer Seuche, die alle anderen an Bord getötet hatte. Die wilde kleine Sparrow hatte sie gefunden, als sie unten an den Piers nach Essbarem suchte, und sie ins Nest mitgebracht. Hawk hatte sie erst nicht bleiben lassen wollen. Sie hatte schwach und unentschlossen gewirkt, leichte Beute für die gefährlicheren Freaks. Aber dann hatte er schnell herausgefunden, dass das, was er für Schwäche und Unentschlossenheit gehalten hatte, eher auf ihre nachdenkliche Art und ihre komplexen Ideen zurückzuführen war. River handelte und sprach nicht voreilig. Das Tempo ihres Lebens war bedächtig und vorsichtig. Sie ist wie ein tiefer Fluss, voller Geheimnisse, hatte Owl ihm gesagt, und er hatte ihr den entsprechenden Namen gegeben.

Panther ließ sich nicht beeindrucken. »Schöne Worte, aber sie haben nichts zu bedeuten. Wir leben nicht in der Art von Welt, von der du immer wieder redest, River. Die meisten dieser Geschöpfe, denen du helfen willst, würden uns umbringen, wenn sie könnten. Sie sind nichts weiter als Tiere.«

Bear beugte sich vor. Regen tropfte von seinen stumpfen Zügen. »Ich glaube nicht, dass wir hier so im Offenen stehen bleiben sollten.«

Hawk nickte und führte sie weiter. Sie fächerten zu einem Keil aus, ohne dass sie einen Befehl brauchten, diszipliniert genug, um zu wissen, was zu tun war. Panther murmelte immer noch vor sich hin, aber Hawk achtete nicht mehr darauf, sondern dachte an die tote Echse. Wenn es etwas in der Stadt gab, das sich einer Echse dieser Größe entgegenstellen und sie beinahe umbringen konnte, mussten sie besonders vorsichtig sein. Bisher hatte es hier nichts so Gefährliches gegeben, wenn man die Krächzer nicht zählte. Er fragte sich plötzlich, ob ein Rudel von ihnen für die Wunden der Echse verantwortlich sein könnte, tat den Gedanken aber schnell wieder ab. Krächzer taten so etwas nicht. Nein, es musste etwas anderes sein – etwas, das entweder aus dem tieferen Untergrund gekommen oder aus einem anderen Ort in die Stadt gezogen war.

Er würde Owl fragen, wenn sie wieder zu Hause waren. Owl konnte vielleicht in einem ihrer Bücher etwas finden.

Sie erreichten den Hammering Man und blieben stehen, um sich schnell umzusehen, wie sie es immer taten. Der Hammering Man stand erstarrt da, eine riesige Metallstatue mit einem erhobenen Arm, den anderen vor sich ausgestreckt. In der erhobenen Hand trug er einen Hammer, in der ausgestreckten einen kleinen Amboss. Es war ein Kunstwerk, sagte Owl. Das Gebäude dahinter war einmal ein Museum gewesen. Keiner der Ghosts hatte je ein Museum gesehen, außer auf Bildern. Das hier war schon lange geplündert und zerstört, das Innere verbrannt, die Fenster zerbrochen. Nur der Hammering Man war übrig geblieben.

Hawk führte sie weiter und hügelaufwärts zur Stadtmitte. Die Straßen waren glitschig von Schlamm und Feuchtigkeit. Sich auf den Bürgersteigen zu bewegen, konnte gefährlich sein. Candle stürzte zweimal, und Bear einmal. Panther sah sie stirnrunzelnd an und ging weiter. Er stand über solchen Dingen. Er trug seine Wanderstiefel, um sich sicher bewegen zu können. Panther trug immer, was gerade gebraucht wurde. Er war stets vorbereitet.

An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit, wäre er vielleicht der Anführer der Ghosts gewesen. Er war größer und stärker als Hawk, und nur zwei Jahre jünger. Er war waghalsiger, bereiter, sich Gefahren zu stellen. Aber Hawk hatte die Vision, und sie glaubten alle, dass sie ohne die Vision verloren wären. Owl war weise, Candle mit makellosen Instinkten gesegnet und Bear beständig und stark. Panther war mutig. Chalk war begabt, Sparrow leidenschaftlich und Fixit erfindungsreich. Alle Ghosts hatten etwas, was Hawk fehlte, aber Hawk hatte das, was sie alle brauchten, also folgten sie ihm.

Zwei Straßen weiter stießen sie auf die Cats, zehn Personen, die sich am vereinbarten Treffpunkt, der Kreuzung University und Third, eingefunden hatten. Die Cats lebten in einem der verlassenen Wohnhäuser irgendwo am Nordrand der Stadt, obwohl Hawk nicht sicher war in welchem. Hier befanden sie sich auf neutralem Gelände, unbewohnt von den Stämmen, ein Sammelort für alle, die Geschäfte machen wollten. Viele verdienten ihren Lebensunterhalt durch Handel, indem sie immer wieder etwas mitbrachten, was die anderen benötigten. Die Cats hatten eine Quelle für Äpfel und Pflaumen entdeckt. Frische Lebensmittel jeder Art waren selten und die Nachfrage hoch. Wie die Cats darauf gestoßen waren, war ein Geheimnis. Owl nahm an, dass sie einen kleinen Dachgarten mit Apfel- und Pflaumenbäumen gefunden hatten und das einfach ausnutzten.

Wie auch immer, man brauchte frisches Obst, um gesund zu bleiben. Owl hatte darüber gelesen und es ihnen gesagt. Viel von dem, wovon sich ihre Zivilisation ernährt hatte, gab es nicht mehr – beinahe alles, was auf Bauernhöfen gewachsen war. Die Lager züchteten immer noch ihre eigenen Lebensmittel, aber nur mit mittlerem Erfolg und überwiegend, indem sie Wasser und Wärme einsetzten. Die Straßenkinder aßen meistens, was vorgepackt war und mit Wasser und Hitze zubereitet wurde. Es gab Dosenessen, das man immer noch zu sich nehmen konnte, und Getränke in Flaschen, aber sie verschwanden schnell. Vorräte aller Art waren schon lange geplündert, und der Standort der wenigen übrigen nützlichen Dinge wurde strengstens geheim gehalten. Die Ghosts hatten vor ein paar Jahren etwas gefunden und nutzten diese Vorräte immer noch, wenn es notwendig wurde.

Was sie diesmal zum Handeln mitgebracht hatten, war so kostbar und so schwer zu finden wie frisches Essen und der einzige Grund, weshalb die Cats vielleicht etwas von ihren Sachen hergeben würden.

»Du bist spät dran, Hawk«, rief Tiger, der große, muskulöse Anführer der Cats.

Selbstverständlich war das nicht der Fall, aber Hawk widersprach nicht. Tiger markierte einfach nur sein Territorium. »Bereit zu verhandeln?«

Tiger trug sein übliches orange-schwarz-gestreiftes T-Shirt unter dem Regenmantel. Alle Cats hatten ein Stück Kleidung, das auf die Art von Katze hindeutete, von der sie ihren Namen hatten, obwohl einige nur schwer zu deuten waren. Einer hatte eine Hose mit vertikalen blauen und roten Streifen. Was sollte das wohl sein? Panther lachte gerne über sie, weil sie sich so bemühten, etwas zu sein, was sie eindeutig nicht waren. Echte Katzen waren klein und schlank und wieselflink. Diese Cats waren ein Durcheinander an Größen und Formen und hätten sich ebenso gut auch Elefanten oder Kamele nennen können. Panther war eine bessere Katze als sie und sagte das auch gerne. Sie hatten nicht einmal einen »Panther« in ihrem Stamm. Außerdem hatten sie erst angefangen, sich Cats zu nennen und Katzennamen anzunehmen, nachdem sie mehr über die Ghosts erfahren hatten.

»Nichts als ein Haufen Nachäffer«, erklärte er höhnisch.

Hawk traf sich mit Tiger allein in der Mitte der Kreuzung, und die anderen blieben auf beiden Seiten stehen. Verhandlungen waren Rituale, gekennzeichnet von Protokoll und Tradition. Die Anführer begegneten sich zunächst allein und sprachen über die Einzelheiten des Handels, wurden sich schließlich einig und legten dann Ort und Zeit für den eigentlichen Austausch fest. Da sie schon so oft miteinander zu tun hatten, dass sie genau wussten, was die anderen brauchten, waren beide Seiten darauf vorbereitet, sofort in Verhandlungen einzutreten. Die Cats brachten immer ihre Äpfel und Pflaumen mit und die Ghosts andere wertvolle Dinge, um sie dagegen einzutauschen.

»Was habt ihr für uns?«, kam Tiger sofort aufs Thema. Hawk ließ sich nicht gerne drängen. Er schob das zerzauste, kurz geschnittene Haar zurück, schaute zum Wasser und zum Hammering Man hinunter und musste an die tote Echse denken. »Hängt davon ab. Wie viel habt ihr?«

»Zwei Kisten. Eine von jedem. Reif und bereit. An einem kühlen Ort dürften sie sich einige Zeit halten. Ihr hattet es schon öfter.« Tiger zog die Schultern hoch. »Also?«

»Vier Taschenlampen und Solarzellen dafür. Die Zellen halten angeblich dreißig Jahre. Diese hier datieren keine zwanzig Jahre zurück.« Er lächelte. »Es war nicht leicht, sie zu finden.«

»Sie haben vor zwanzig Jahren noch welche hergestellt?«, fragte sein Gegenüber misstrauisch.

Hawk zuckte mit den Achseln. »Das steht drauf. Sie funktionieren. Ich habe sie selbst getestet.«

Tiger sah sich um, vielleicht suchend, vielleicht wollte er auch nur Zeit schinden. »Ich brauche noch etwas.«

»Noch etwas?« Hawk erstarrte. »Was redest du da, Mann? Das ist ein faires Angebot, was ich dir hier mache.«

Tiger wirkte unbehaglich. »Ich meine, ich brauche mehr. Ich brauche Pleneten.«

Hawk starrte ihn an. Pleneten war eine starke Arznei, die vor allem gegen Seuchenviren wirkte. Keiner außerhalb der Lager konnte sie besorgen, es sei denn, jemand stieß zufällig auf verborgene Vorräte. Selbst dann hatte man gewöhnlich damit Pech, weil die Arznei kühl gelagert werden musste, damit sie ihre Heilkräfte nicht verlor. Ungekühlt hielt sie vielleicht zehn Tage. Er hatte in seiner gesamten Zeit als Ghost noch kein Pleneten zu sehen bekommen.

Außer einmal, als Candle den Roten Fleck hatte, und da hatte er Tessa fragen müssen.

»Es ist für Persia«, sagte Tiger leise und starrte auf seine Füße. »Sie hat die Flecken.«

Der Rote Fleck. Wie Candle. Persia war Tigers kleine Schwester. Die einzige Verwandte, die ihm geblieben war. Sonst hätte er wohl nicht gefragt. Hawk konnte spüren, wie die Verzweiflung in seinem Gegenüber aufstieg und ausstrahlte, wie Dampf durch Metallplatten fließt, weißglühend und kaum mehr zu bremsen.

Hawk schaute zurück zu den anderen Ghosts. Alle erwarteten einen Handel und würden enttäuscht sein, wenn er nicht zustande kam. Das Obst war ein Luxus, auf den sich alle gefreut hatten. Einige von ihnen würden es verstehen, andere nicht.

»Wir schließen den Handel ab«, sagte Hawk zu Tiger. »Und ich werde sehen, was ich tun kann.«

Tiger schüttelte den Kopf. »Nein. Ich will das Pleneten vorher.«

Hawk sah ihn an. »Es wird dich erheblich mehr kosten, wenn du den Handel jetzt nicht machst. Erheblich mehr.«

»Das ist mir egal. Ich will, dass es Persia wieder gut geht.«

Es war nicht zu ändern. Aber Hawk würde das Gesicht verlieren, wenn er bei etwas nachgab, das im Grunde auf Erpressung hinauslief.

»Wir schließen den Handel jetzt ab«, sagte er. »Und ich gebe dir das Pleneten umsonst.«

Tiger starrte ihn an. »Meinst du das ernst?«

Hawk nickte und fragte sich gleichzeitig, ob er den Verstand verloren hatte.

»Du kannst es wirklich kriegen? Du gibst mir dein Wort?«

»Du weißt, dass du mein Wort hast und was es wert ist. Schließ den Handel ab, sonst kannst du die ganze Sache vergessen. Dann kannst du dir einen anderen suchen, der dir dein Pleneten besorgt.«

Tiger sah ihn noch einen Moment an, dann nickte er. »In Ordnung.«

Sie berührten sich an den Fäusten, und der Handel war geschlossen. Beide gaben ihren Leuten Zeichen, die Vorräte zu bringen, die Cats die Kisten mit Obst, kleiner, als es Hawk gefiel, aber immer noch genügend, und Candle und River Säcke mit den Zellen und den Taschenlampen. Was sie hatten, wurde getauscht, dann kehrten die Träger zu ihren alten Positionen zurück und ließen die Anführer stehen.

Hawk blickte zum Himmel auf. Der Regen hatte aufgehört, und die Wolken rissen auf. Schon bald würde es wieder heiß werden. Er schob die Hände in die Hosentaschen und sah Tiger an.

»Bin auf dem Weg hierher hinter dem Hammering Man über eine Echse gestolpert«, sagte er. »Ziemlich groß. Völlig zerfetzt. Ist gestorben. Was, glaubst du, könnte eine Echse so zurichten?«

Tiger schüttelte den Kopf. »Eine Echse? Keine Ahnung. Was glaubst du?«

»Etwas Neues, etwas, was wir noch nicht kennen. Etwas echt Gefährliches. Pass lieber gut auf.«

Der größere Junge zog den Rand seines Regenmantels zurück und zeigte eine Flechette mit kurzem Lauf, die er am Gürtel hängen hatte. »Die habe ich vor ein paar Wochen gefunden. An der kommt nichts vorbei.«

Hawk nickte. »Ich an deiner Stelle wäre trotzdem vorsichtig.«

»Bring mir einfach nur das Pleneten«, knurrte der andere und ließ den Regenmantel wieder fallen. »Morgen, gleicher Ort, gleiche Zeit.«

»Ich brauche drei Tage.«

Tiger sah ihn wütend an. »Vielleicht hat Persia diese drei Tage nicht.«

»Vielleicht ist das alles, was ich für sie tun kann.«

Tiger starrte ihn noch einen Moment an, dann fuhr er herum und ging wieder zu den anderen Cats. Sie stapften die Straße hinunter davon, in einer dicht formierten Gruppe, und keiner schaute zurück.

Hawk sah ihnen nach, bis sie außer Sichtweite waren, und dachte an den Handel, den er gerade abgeschlossen hatte. Er fragte sich, wie er es rechtfertigen konnte, Tessa wieder in Gefahr zu bringen, wenn er das Risiko doch kannte.

3

Cheney hatte sich in der Ecke des großen Gemeinschaftsraums zwischen der alten Ledercouch und dem Spieltisch zusammengerollt. Seine massige Gestalt erinnerte an ein großes Fellknäuel, als Owl ihren Rollstuhl durch die Küchentür und zu den Schlafzimmern rollte, um nach Squirrel zu sehen. Sie war sich bewusst, dass Cheney eines seiner hellgrauen Augen öffnete, als sie vorbeikam, und ihre Anwesenheit zur Kenntnis nahm. Es gab nichts, was Cheney nicht mitbekam. Erst hatte der wolfsähnliche Wachhund sie beunruhigt, als Hawk ihn nach Hause brachte, aber schließlich hatten sie sich an ihn gewöhnt, sie alle, selbst die Kleinen, bis auf Panther, der Cheney wirklich nicht ausstehen konnte. Es hatte etwas mit Panthers Vergangenheit zu tun, aber er wollte niemandem verraten, worum es dabei ging.

Wie auch immer, Cheney war wichtig genug für ihre Sicherheit, dass es nicht zählte, was Panther dachte. Hawk hatte das von Anfang an gewusst. Nichts kam ihrem unterirdischen Versteck nahe, ohne dass Cheney es merkte. Er konnte alles hören oder riechen, was sich näherte, auch wenn es noch ein ganzes Stück entfernt war. Selbst die Freaks lernten, sich fernzuhalten. Obwohl die Ghosts ihn jetzt akzeptierten, waren sie ihm gegenüber immer noch misstrauisch, und Cheney war einfach zu groß und furchteinflößend mit all diesem borstigen Haar und den seltsamen Flecken. Ein Schrottplatzhund aus Wegwerfteilen, aber ein sehr großer Schrottplatzhund. Nur Hawk hatte keine Angst vor ihm, und die beiden standen einander inzwischen so nahe, dass Owl manchmal glaubte, sie seien zwei Hälften eines Ganzen. Hawk hatte Cheneys Namen aus einem von Owls Geschichtsbüchern. Es war der Name eines lange verstorbenen Politikers, der gelebt hatte, als der Samen für den Großen Krieg gepflanzt worden war. Owls Buch beschrieb ihn als eine Bulldogge, die immer kämpfen wollte. Hawk hatte das Bild gefallen.

Sie fuhr mit dem Rollstuhl die Rampe hinauf, die Fixit für sie gebaut hatte, und ließ sich in das überwiegend dunkle Schlafzimmer rollen. Squirrel hatte sich auf seiner Matratze in Decken eingewickelt und schlief. Sie warf einen Blick zu Sparrow, die im Kerzenschein in der gegenüberliegenden Ecke las und auf den kleinen Jungen aufpasste. Sparrow blickte von ihrem Buch auf, und ihre blauen Augen glitzerten unter einem Mopp aus strohblondem Haar.

»Ich glaube, es geht ihm besser«, sagte sie leise.

Owl fuhr neben das Bett und berührte die Stirn des Jungen. Warm, aber nicht mehr heiß. Das Fieber hatte sich wieder gelegt. Sie atmete erleichtert aus. Sie hatte sich Sorgen um ihn gemacht. Vor zwei Tagen war seine Temperatur auf über 40,5 Grad gestiegen, gefährlich für einen Zehnjährigen. Die Seuchen schlugen ohne Vorwarnung zu, und jede von ihnen konnte tödlich sein, wenn man die notwendigen Arzneien nicht hatte. Gegen die meisten der Seuchen gab es Impfstoffe, und Hawk hatte von Tessa einige davon bekommen, aber die Straßenkinder mussten sich überwiegend auf ihr Glück verlassen und auf einen kräftigen Körper, wenn sie gesund bleiben wollten.

Die Gefahr von Krankheit oder Vergiftung war der wichtigste Grund, warum Menschen in Lagern lebten. In den Lagern konnte man die Gefahr von Infektion und Aussetzung so gering wie möglich halten. Aber die Lager hatten auch ihre Tücken, wie Owl nur zu gut wusste. In ihrer Vorstellung, wenn auch nicht in der von Tessa, war die Lebensgefahr in den Lagern größer als außerhalb.

Deshalb hatte sie sich vor fünf Jahren entschieden, das Risiko mit den Ghosts einzugehen.

Zuvor hatte sie in einem Lager in Safeco Fields gelebt, zusammen mit zweitausend anderen Menschen. Als der Große Krieg einen Punkt erreichte, an dem die Hälfte der Städte im Land ausgelöscht waren und die andere Hälfte von Terroristen, Seuchen und chemischen Giften bedroht wurde, hatte ein großer Teil der Bevölkerung sich entschieden, in befestigte Lager zu ziehen. Die meisten richteten sich in bereits bestehenden Anlagen wie Safeco ein, was vor Jahrzehnten einmal ein Baseballpark gewesen war. Sportarenen boten mehrere Vorteile. Erstens waren die Mauern dick und stark und boten guten Schutz, wenn man die Eingänge erst einmal entsprechend befestigt hatte. Zweitens boten sie Platz für Tausende von Menschen und angemessenen Lagerraum für Ausrüstung und Vorräte. Und drittens gab es darin genug Platz, der in Gärten umgewandelt werden konnte, um Pflanzen und Vieh zu kultivieren.

Anfangs klappte das recht gut. Das Ausmaß an Schutz, den ein solch befestigtes Lager bot, ließ sich nicht abstreiten. Man war sicherer unter vielen anderen Menschen. So etwas wie eine Regierung konnte eingerichtet werden. Essen und Wasser ließen sich besser beschaffen und gerechter verteilen. Eine große Anzahl Menschen bedeutete immer auch viele unterschiedliche Fähigkeiten. Wenn ein Lager voll war, schickte es neue Bewerber weiter, für gewöhnlich zu einer zweiten Sportanlage. Falls dort ebenfalls alles voll war, konnte auch ein Konferenzzentrum oder Bürogebäude genutzt werden. Obwohl sie nicht so gut geeignet waren.

Das größte Problem mit den Lagern begann sich nach dem ersten Jahrzehnt zu zeigen, als die Einst-Menschen auftauchten. Keiner schien wirklich zu wissen, woher sie kamen, man hörte nur Gerüchte von »Dämonen«, die sie aus den seelenlosen Hüllen irregeleiteter Menschen herstellten, die sie unterwandert hatten. Einige behaupteten, diese Dämonen sehen zu können, aber Owl glaubte ihnen nicht so recht. Die Existenz dieser Einst-Menschen war allerdings nicht abzustreiten. Sie formierten sich zu riesigen Armeen, zogen durchs Land, griffen die Lager an und zerstörten sie, belagerten sie, bis der Widerstand entweder gebrochen wurde oder die Lagersicherheit die Insassen befreien konnte. Angeblich kannten die Angreifer keine Gnade. Als man von den Sklavenpferchen hörte und davon, was die Einst-Menschen mit Gefangenen machten, wurde der Widerstand heftiger. Aber die Lager waren keine echten Festungen wie im Mittelalter. Sobald sie belagert wurden, verwandelten sie sich in Todesfallen, aus denen die Opfer nicht entkommen konnten. Die Einst-Menschen waren für gewöhnlich in der Übermacht. Sie brauchten kein Wasser und keine gute Nahrung. Angst vor dem Tod oder vor Gift schien ihnen nichts auszumachen. Sie fürchteten sich nicht. Zeit und Geduld standen auf Seiten der Angreifer. Sie kämpften, und die Lager fielen.

Das hätte jene, die sich in den Lagern versteckten, entmutigen und veranlassen sollen, ihr Heil woanders zu suchen. Aber die Haltung der Lagerbewohner machte eine solche Idee – die Lager zu verlegen – undenkbar. Außerhalb der Mauern lauerte der Tod durch Tausende verschiedener Feinde. Es gab die Freaks. Es gab wilde Menschen, die in den Trümmern der alten Zivilisation lebten. Es gab Heerscharen von Einst-Menschen, die das Land plünderten. Es gab Dinge, die niemand beschreiben konnte und die aus der Dunkelheit herangekrochen kamen. Ach zum Henker! Es gab Anarchie und Raserei. Für die Menschen in den Lagern war es undenkbar, sich dem zu stellen. Selbst auf das Risiko eines Angriffs und einer Belagerung durch die Einst-Menschen hin war das Leben im Lager immer noch besser als das außerhalb, wo die ganze Welt verrücktzuspielen schien. Owl hatte das selbst einmal geglaubt. Sie war in Safeco Field zur Welt gekommen, und die ersten acht Jahre ihres Lebens war das Lager alles gewesen, was sie kannte. Sie hatte das Gelände nie verlassen, nicht ein einziges Mal. Zum Teil hatte es daran gelegen, dass sie seit der Geburt verkrüppelt war und ihre Beine nicht benutzen konnte, was vermutlich etwas mit der schlechten Luft oder dem Wasser zu tun hatte, die ihre Mutter während der Schwangerschaft zu sich genommen hatte. Doch dann waren ihre Eltern an einer Seuche gestorben, die im Lager grassiert hatte, als sie neun war, und sie war verwaist und allein zurückgeblieben. Als stilles, zurückgezogenes Kind, teilweise wegen ihrer Behinderung, teilweise, weil es in ihrem Wesen lag, hatte sie nie viele Freunde gehabt. Sie begann, bei einer Familie zu wohnen, die jemanden brauchte, der sich um ihr Baby kümmerte. Aber dann war das Baby gestorben, und man hatte sie entlassen, und sie hatte wieder keine Familie gehabt.