Die Stille zwischen den Welten - Vera Hallström - E-Book
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Die Stille zwischen den Welten E-Book

Vera Hallström

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Beschreibung

Für Linda könnte es im Leben kaum besser laufen. Sie liebt ihren Beruf, ist erfolgreich darin und glücklich verlobt. Doch nachdem sie in einen Autounfall verwickelt wird, ändert sich alles. Sie findet sich plötzlich im alten Haus ihrer Kindheit wieder. Die Spuren des Unfalls an ihrem Körper sind verschwunden und nichts, was sie umgibt, scheint real zu sein. Unfähig, das Haus auch nur zu verlassen, ist sie von absoluter Stille umgeben und selbst die Zeit scheint still zu stehen.   Bei diesem eBook handelt es sich um die erweiterte Neuauflage der Kurzgeschichte "Die stille Welt", die sich aber inhaltlich deutlich davon unterscheidet und eine eigenständige Geschichte bildet.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 108

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Vera Hallström

Die Stille zwischen den Welten

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Hinweise zum Urheberrecht

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin untersagt. 

Anmerkungen

Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen und Ereignissen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog

Manchmal passiert es ganz plötzlich. In dem einen Moment scheint noch alles in Ordnung zu sein und im nächsten hast du das Gefühl, alles entgleitet dir. Genauso erging es auch mir. Wobei ich wohl eher selbst entgleitet bin. Dem Leben entgleitet. Ich kann mich noch an ein paar Dinge erinnern: Grelles Licht, das mich blendet, das laute Quietschen von Bremsen und das von Reifen auf Asphalt. Und das schlagartige Gefühl von hartem Metall, welches mich trifft, mitreißt, mir einen unglaublichen Schmerz durch den gesamten Körper jagt. Dann wird alles in Schwärze getaucht. Wäre ich doch nur vorsichtiger gewesen. Oder hätte ich einfach das getan, was er wollte. Aber ich sollte wohl erstmal von vorne anfangen. Bevor ich dummerweise vor dieses Auto gelaufen bin.

An diesem Tag war ich bis spätabends in meinem Studio, wieder einmal. Doch ich konnte nicht anders, denn ich hatte mir einen großen Auftrag gesichert und dafür gab es noch zu viel zu tun. Mehr als ich und meine zwei Assistenten in der vorgegebenen Zeit bewältigen konnten, doch das hatte ich mir nicht eingestehen wollen. Mein Verlobter Stephen war deswegen natürlich alles andere als begeistert. Im Nachhinein weiß ich, dass er nur zu sehr Recht hatte. Aber ich liebe meine Arbeit einfach zu sehr, die daraus besteht, in Räumen und Häusern kreativ zu sein, denn ich bin Raumausstatterin, müsst ihr wissen. Schon seit Anfang an liebe ich es, für meine Kunden die richtigen Stoffe für Möbel oder Gardinen auszuwählen, die ich dann für sie anfertigen lasse. Früher habe ich diese noch selbst genäht. Selbst den Geruch von frischer Farbe, neuer Tapete oder eingeölten Holzpaneelen liebe ich nach wie vor. Nichts fühlt sich schöner an, als wenn meine Ideen von der reinen Vorstellung und den Entwürfen in die Realität übergehen und sich schlussendlich zu einem zusammenfügen. Jedes Projekt ist verschieden, doch ich habe jedes vollendet und nicht nur ich war danach zufrieden. Egal, welchen Ort ich eingerichtet habe, ich war die Beste auf meinem Gebiet, weshalb ich mit der Zeit mehr als genug Kunden hatte und die Aufträge immer anspruchsvoller wurden. Ich glaubte, nur ich wäre in der Lage, selbst die extravagantesten Wünsche umzusetzen.  Natürlich musste ich mir all das erst erarbeiten. Die Ausbildung, Weiterbildungen und Kurse absolvieren, mein eigenes Studio aufbauen und genug Geld erwirtschaften, um auch schon im Voraus genügend Materialien für die Kunden bereitstellen zu können. Und zuerst musste ich alles alleine stemmen, erst später konnte ich es mir leisten, Assistenten einzustellen, eine davon war sogar Stephens Schwester. Irgendwann war es wie eine Sucht für mich, ich war ein Workaholic durch und durch. Keinen Auftrag konnte ich ablehnen, egal wie speziell oder aufwendig er war. Scheinbar musste erst das Schlimmste passieren, damit ich begriff, dass ich mir damit eigentlich mehr schadete als alles andere.

1 - Linda

Bin ich tot?, ist die erste Frage, die ich mir stelle, sobald die Taubheit, die über meinem Körper liegt, zu verschwinden scheint. Sie wird durch bleierne Schwere abgelöst, während ich für eine Zeit lang überhaupt nichts mehr weiß. Ich kann noch immer nicht meinen Körper fühlen und habe nur das Gefühl, irgendetwas Schweres würde auf mir liegen. Verzweifelt versuche ich, mehr wahrzunehmen, mich zu erinnern.

Zuerst ist da nichts außer Schwärze. Aber dann verändert es sich. Kleine Lichtpunkte tauchen vor meinen geschlossenen Augenlidern auf. Tageslicht? Da ist noch mehr. Unter mir kann ich etwas Weiches spüren, wenn ich mit den Fingern darüber streiche. Angestrengt versuche ich, meine Augen zu öffnen, doch sie fühlen sich unnatürlich schwer an, noch immer.

Es dauert eine Ewigkeit, bis ich es schaffe, zu blinzeln. Das Gefühl habe ich zumindest. Anfangs blendet mich das Licht einfach nur. Dann kann ich Umrisse erkennen. Die Einzelteile kann ich dennoch nicht zu einem klaren Bild zusammensetzen. Ich bin irgendwo drinnen, in einem Zimmer, so viel kann ich erkennen. Und irgendwie kommt mir dieser Ort sogar vertraut vor. Nur warum?

Meine Glieder fühlen sich immer noch schwer an, aber mir gelingt es, mehr als nur meine Finger zu bewegen. Dann meine Hand, meinen Arm. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, bis ich es schließlich schaffe, mich aufzurichten. Das, worauf ich liege, ist ein Bett. Es steht in einem Zimmer mit einer hellgrünen Tapete, über die sich ein hübsches Blattmuster zieht. An zwei von vier Wänden stehen hohe, dunkle Holzregale voller Bücher und genau dem Bett gegenüber befinden sich zwei große Fenster, durch welche helles Licht in den Raum und auf den Schreibtisch davor fällt. Das ist mein Zimmer, schießt es mir in den Kopf. Ich bin in meinem alten Zuhause.

Dem Zuhause, das ich mit achtzehn Jahren verlassen habe und welches mir meine Eltern hinterlassen haben. Ungläubig schüttele ich den Kopf, auf dem auch ein enormes Gewicht zu lasten scheint. Wieso sollte ich hier sein? Ich hatte doch einen Unfall… Da war dieses Auto. Oder habe ich das nur geträumt? Schmerzen habe ich keine. Als ich an mir heruntersehe, ist meine Kleidung sauber und unbeschädigt. Keinerlei Schmutz, kein Blut, nicht die Spur einer Verletzung. Keine Spuren? Absolut nichts.

„Fühlt es sich so an, tot zu sein? Habe ich deshalb keine Schmerzen?“ Schock durchfährt mich. Diese Worte habe ich nicht nur gedacht, nein, ich hatte sie sagen wollen. Mein Mund hatte sich zum Sprechen bewegt, doch kein Ton ist über meine Lippen gekommen. Erneut versuche ich es. Stille. Nur meine Lippen bewegen sich, während meine Stimme unhörbar bleibt.

Dann fällt mir plötzlich noch etwas anderes auf und ich stehe unbeholfen auf und gehe, oder taumele viel mehr, zu einem der Bücherregale, auf dem eine kleine silberne Uhr steht. Die Zeiger bewegen sich, doch sie tickt nicht. Das kann nicht sein! Ich kenne diese Uhr und in meinem Kopf schwöre ich, das vertraute Ticken noch hören zu können.

Aber das Geräusch ist nur in meinem Kopf. Auch keine von meinen anderen Uhren, von denen ich dutzende im Zimmer habe, tickt. Schrecken überkommt mich. Langsam gehorchen mir meine Beine wieder und ich stürme fast aus meinem Zimmer, hinaus auf den Flur. Mit tonloser Stimme rufe ich nach meinem Verlobten Stephen. Keine Antwort. Wie soll er mich auch hören können, wenn ich keine Stimme mehr habe? Und wieso sollte er überhaupt hier sein, im Haus meiner Eltern?

Lautlos schluchzend lehne ich mich gegen die Wand. Seit dem Tod meiner Eltern steht das Haus eigentlich leer. Wäre das hier real, denke ich, wären hier überhaupt keine Möbel mehr. Schließlich habe ich alles ausräumen lassen, weil ich es weiterverkaufen wollte. Obwohl ich mich wie in einem Alptraum gefangen fühle, richte ich mich wieder auf. Das hier kann einfach nicht real sein, es muss einen Ausweg geben. Vielleicht muss ich wirklich irgendwie aufwachen.

Mir ist klar, dass es sich zu real für einen Traum anfühlt. Ich spüre meinen Herzschlag, spüre die Maserung der Tapete, wenn ich mit den Fingern darüber fahre… Doch es ist zu bizarr, zu unbegreiflich. Unbeschreibliche Angst keimt in mir auf, als ich von Zimmer zu Zimmer gehe und jedes einzelne durchsuche, in der Hoffnung, irgendjemanden zu finden. Doch ich finde niemanden. Es wäre lächerlich, dass ich tatsächlich in die Kleiderschränke und hinter Gardinen schaue, wenn ich nicht solche Angst hätte. Zu sehr wünsche ich mir, jemanden zu finden, der mir helfen kann. Irgendwann fangen meine Augen an zu brennen und Tränen laufen mir über die Wange, von denen ich nur die Nässe spüre.

Ich gehe die Treppe herunter und hinaus in den Garten, bis zu dem Holzzaun, der das Grundstück von der großen Wiese dahinter abgrenzt und dann wieder zurück. Ich laufe zwischen den alten Apfelbäumen im Garten auf und ab, vergrabe mein Gesicht in den Händen. Ich will nur schreien, doch ich kann es nicht. Inzwischen rinnen mir die Tränen wie eine Sturzflut aus den Augen.

Während ich darum kämpfe, nicht zusammenzubrechen, läuft mir plötzlich ein eiskalter Schauer den Rücken herunter und ich richte mich auf. Meine Atmung wird noch schneller, während ich lausche. Nichts. Die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel auf mich herab, wunderschönes Wetter, sollte man meinen. Wetter, bei dem man sich in den Garten legen und dem Gesang der Vögel lauschen will.

Vögel, die hier scheinbar nicht existieren. Die Luft ist völlig leer von Geräuschen. Es ist, als würde hier das Leben still stehen. Und ich bin völlig allein. Allein in all der Stille, in der nicht ein einziger Vogel existiert, der sein Lied singen könnte. Die Sonne am Himmel ist nur eine Illusion, denn ich spüre keinerlei Wärme auf der Haut. Es ist weder warm noch kalt, kein Regen, kein Wind. Ein lautloser Schrei kommt mir über die Lippen. Ich weiß, egal, welchen Teil des Hauses oder des Gartens ich durchsuchen werde, überall werde ich nur Leere und Stille finden, trotzdem tue ich es.

Ich bin nicht tot, das hier kann nicht das Ende sein. Wäre es das, wäre ich nicht in der Lage, irgendetwas zu sehen oder zu fühlen, ich wäre nicht in der Lage, irgendwas zu empfinden! Ich bin also nicht tot, beschließe ich für mich selbst und ein lautloses Lachen kommt aus meiner Kehle. Anders kann ich nicht reagieren, bin ich doch noch irgendwie lebendig und dann doch wieder nicht.

Aus den Augenwinkeln blicke ich in Richtung der Wiese. Hier draußen gibt es keine weiteren Häuser und dahinter fängt bereits der Wald an. Das nächste richtige Dorf ist kilometerweit entfernt. Ich könnte dort nach Menschen suchen. Aber im selben Augenblick weiß ich, dass es sinnlos wäre. Je länger ich zum Wald blicke, desto düsterer scheint er zu werden, als würde ihn eine unheimliche Aura umgeben. In meiner Erinnerung ist er völlig anders. Dorthin werde ich ganz bestimmt nicht gehen.

 

Nun befinde ich mich also in dieser seltsamen Zwischenwelt. Als Nachwelt will ich es nicht bezeichnen. Ich habe nie an ein Leben nach dem Tod geglaubt, nie an den Himmel oder etwas anderes, sondern an die Wissenschaft. Und die wissenschaftliche Sicht ist weitaus ernüchternder. Schwärze, das Ende jeglicher Existenz, das Nichts, in dem man nichts mehr empfindet und alles einfach plötzlich aufhört. Daran zu denken, ermuntert mich nicht im Geringsten, das könnte schließlich immer noch auf mich zukommen. Auf eine bestimmte Weise ist diese Welt zwar auch ein „Nichts“, nur dass es noch Farben und Strukturen gibt. Das ist das Einzige. Keine Töne, keine Gerüche, keine Gefühle wie Kälte oder Schmerz, auch nicht Hunger oder Müdigkeit. Für die fehlenden körperlichen Gefühle gibt es die seelischen Schmerzen.

Es ist nur ein Tag vergangen, wenn man den Uhren glaubt, doch es fühlt sich viel länger an und die Einsamkeit wird von Minute zu Minute schlimmer. Sie mischt sich mit bitterer Sehnsucht nach der echten Welt. Die Sonne scheint ununterbrochen vom Himmel und ich hoffe zwar, dass es irgendwann Nacht wird, aber bisher hat mir Hoffnung nicht das Geringste genützt. Es ist unheimlich, wie normal diese Welt aussieht. Wenn man jedoch hinhört und fühlt hat man das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Das hier ist keine Welt für lebende Wesen. Früher habe ich mich durchaus nach Stille und Ruhe gesehnt, auch wenn ich meine Arbeit geliebt habe. Zu oft hatte ich das Gefühl, jeden Moment zusammenzubrechen. Es war wie ein Strudel, der mich immer tiefer hinab gezogen hat, bis ich ihm nicht mehr entkommen konnte. Hätte ich doch nur einmal innegehalten. Ich möchte meinen Kopf am liebsten gegen eines der Bücherregale schlagen für so viel Dummheit. Meine Augen hängen an dem Ziffernblatt der silbernen Uhr vor mir auf dem Regal. In der realen Welt würde ich schon seit Stunden hier stehen, während ich mit jeder verstreichenden Minute, die ich an der Uhr ablesen kann, bete, dass die Stille verschwindet. Sogar das Telefon im Wohnzimmer habe ich ausprobiert, mich auf die Couch gesetzt und das Telefon daneben auf dem Tisch in die Hand genommen. Ich habe wahllos Nummern gewählt, gelauscht, auf ein Zeichen gewartet, es zurückgelegt und auf einen Anruf gewartet, den es nie geben wird.

2- Stephen

Ein weiterer Tag ohne etwas Neues. Nur dieses monotone Piepen der Maschinen, die Schritte und Stimmen des Krankenhauspersonals und der Besucher, die draußen über den Flur liefen und das leise, gleichmäßige Atmen von Linda. Hätte sich ihre Brust nicht gehoben und gesenkt, hätte man meinen können, sie sei tot.

Erschöpft fuhr er sich mit den Händen übers Gesicht, wobei ihm eine Haarsträhne ins Gesicht fiel. Wach doch einfach wieder auf, bitte!