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Als der NASA-Angestellte Cliff Conroy im Hauptcomputer der Raumfahrtbehörde auf die Datei »GhostRider« stößt, ahnt er noch nicht, wie sehr dies sein Leben verändern soll. Es scheint sich um eine Sammlung von UFO-Sichtungen und anderen unerklärlichen Phänomenen zu handeln. Doch die Zeit, sich näher mit diesen Dokumenten zu befassen, hat Cliff nicht, denn sein Zugriff wird entdeckt.
Nur wenig später befindet er sich zusammen mit der Polizeipsychologin Judy Davenport auf der Flucht vor den Geheimdiensten...
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Seitenzahl: 148
Cover
Projekt »GhostRider«
UFO-Archiv
Vorschau
Impressum
Marten Veit
Projekt »GhostRider«
Als der NASA-Angestellte Cliff Conroy im Hauptcomputer der Raumfahrtbehörde auf die Datei »GhostRider« stößt, ahnt er noch nicht, wie sehr dies sein Leben verändern soll. Es scheint sich um eine Sammlung von UFO-Sichtungen und anderen unerklärlichen Phänomenen zu handeln. Doch die Zeit, sich näher mit diesen Dokumenten zu befassen, hat Cliff nicht, denn sein Zugriff wird entdeckt.
Nur wenig später befindet er sich zusammen mit der Polizeipsychologin Judy Davenport auf der Flucht vor den Geheimdiensten...
Frenchman Flat
Nevada, 10. September 2021, 13:17 Uhr
Die Düse fauchte, und eine Flammenzunge fuhr durch die kreisrunde Öffnung in den Heißluftballon. Nach fünf Sekunden schloss Jeff Fougherty das Ventil wieder, wartete zwanzig Sekunden und wiederholte den Vorgang. Conny Milton spürte, wie der Ballon langsam stieg. Aus gut 700 Fuß Höhe war die Bewegung mit bloßem Auge nicht zu erkennen, aber ihr Magen meldete ihr jede Steigung wie ein empfindliches Messgerät.
Sie kuschelte sich dichter an Francis heran. Nicht, dass ihr schlecht war. Sie genoss den Flug. Die Aussicht war grandios, das Wetter herrlich, die Luft klar, und mit etwas Glück würden sie sogar das Death Valley sehen können. Jeff hatte angekündigt, mindestens auf 1500 Fuß über Grund zu steigen.
Francis legte ihr den Arm um die Taille. Seine Hand streichelte ihren Rücken. »War das nicht eine gute Idee, Schatz?«, fragte er. »Ist doch mal was anderes, als immer nur zum Lake Tahoe zu fahren.«
Conny nickte. Es war ihr siebter Hochzeitstag, und anfangs war sie von der Idee ihres Mannes gar nicht begeistert gewesen. Sie litt zwar nicht unter ausgesprochener Flugangst, aber sie flog auch nicht gerade gern. Allerdings, das hatte Jeff ihr noch vor dem Start klargemacht, flog man mit einem Ballon auch nicht, man fuhr. Er hatte ihr mit seiner freundlichen ruhigen Art sofort die Angst genommen, und nach den ersten Minuten der Beklommenheit hatte Conny begonnen, den Flug – nein, die Fahrt –zu genießen. Jetzt wünschte sie sich, dass sie nie zu Ende gehen würde.
Die Luft war warm und scheinbar windstill, da der Ballon in der gleichmäßigen Strömung trieb. Das ausgedörrte Land breitete sich im hellen Sonnenlicht unter ihnen von Horizont zu Horizont aus und leuchtete in den unterschiedlichsten Braun- und Gelbtönen, mit grünen und roten Farbtupfern durchsetzt. Ein paar Schäfchenwolken zogen über den tiefblauen Himmel. Weit im Westen über der Sierra Nevada türmten sich Kumuluswolken auf, aber Fougherty hatte versichert, dass das Wetter halten würde, und mittlerweile war Conny bereit, ihm alles zu glauben. Jeff Fougherty arbeitete seit mehr als zwanzig Jahren als Ballonfahrer und hatte in dieser Zeit nicht einen einzigen Unfall gehabt.
»Sehen Sie, da drüben!« Er deutete mit einer sonnengebräunten Hand nach Norden. Conny folgte dem ausgestreckten Zeigefinger mit den Augen und entdeckte schließlich zwei glitzernde Punkte, die in rund einer Meile Entfernung etwa in ihrer Höhe schräg auf sie zurasten.
»F-16, Abfangjäger der Air Force«, erklärte Fougherty. »Ungewöhnlich, dass sie hier in dieser Höhe fliegen. Ich habe mich vor dem Start erkundigt, aber nichts von irgendeinem Flugmanöver erfahren. Und sie sind verdammt schnell.«
Das waren sie. Conny krallte unbewusst die Finger in den Arm ihres Mannes, als die Jets keine 300 Fuß entfernt an ihnen vorbeischossen. Erst jetzt erreichte sie das Brüllen der Triebwerke. Die Jäger mussten mit nahezu Schallgeschwindigkeit fliegen.
Jeff Fougherty drehte sich so schnell herum, um ihnen mit den Blicken zu folgen, dass die Gondel zu pendeln begann. Conny sah sein sonst so gutmütiges und ruhiges Gesicht im Profil. Es hatte sich angespannt und wirkte plötzlich scharf. »Was, zum Geier ...«, murmelte er. »Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Luftfahrtbestimmungen. Hier finden keine angemeldeten Flugmanöver statt.«
Conny lockerte ihren Griff. Francis rieb sich demonstrativ den Arm, starrte aber wie seine Frau den Jets hinterher, die in der Ferne zusammenschrumpften. Das Trommelfell zerreißende Kreischen verwandelte sich in ein dumpfes Dröhnen, das noch lange nachhallte. Die Jäger drehten nach Osten ab und verschmolzen mit dem Blau des Himmels.
Das plötzliche Fauchen des Gasbrenners ließ Conny zusammenfahren, als Fougherty die Luft in der Ballonhülle wieder aufheizte. Er murmelte immer noch verärgert vor sich hin und starrte nach Osten, als befürchtete er, die F-16 könnten zurückkommen. Dann drehte er sich zu seinen Kunden um und deutete auf die Fotokamera, die vor Francis' Brust baumelte. »Können Sie mit dem Ding vernünftig umgehen? Ich meine, taugt der Apparat dazu, schnell fliegende Objekte aus nächster Nähe scharf aufzunehmen?«
Francis nickte. »Ich glaube schon. Meinen Sie, die kommen noch mal zurück?«
Fougherty überprüfte kurz den Höhenmesser und schickte einen weiteren Feuerstoß in den Ballon. »Wahrscheinlich nicht mehr so nahe. Wenn aber doch, dann möchte ich ein Bild der Vögel mit ihrer Kennung haben. Dann werden die Bastarde von mir hören.«
»Haben Sie Streit mit der Air Force?«, erkundigte sich Conny.
Der Ballonführer spuckte über den Rand der Gondel. »Die Burschen halten sich für etwas Besonderes. Für die Könige der Lüfte. Dabei sind sie nur laut, verpesten die Luft und kosten die Steuerzahler eine Menge Geld.« Unvermittelt grinste er wieder. »Obwohl es bestimmt verdammt viel Spaß macht, so eine Rakete durch den Himmel zu reiten.«
»Da kommen sie wieder!«, rief Francis und deutete nach Osten.
Die Jets hielten direkt auf sie zu, flogen diesmal aber deutlich höher und drehten auch früher ab, mindestens eine halbe Meile entfernt. Sie verschwanden in südlicher Richtung. Francis, der die Kamera bereitgehalten hatte, ließ sie wieder sinken. Fougherty wirkte beinahe enttäuscht.
»Na, ja«, sagte er ein paar Minuten später, nachdem wieder vollkommene Stille eingekehrt war. »Dann haben die Burschen eben Glück gehabt. Ich schätze, wir sind sie endgültig los.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach Conny. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt und spähte aus zusammengekniffenen Augen schräg nach oben in den Himmel, fast in die gleißend helle Sonne. »Jetzt kommen sie von da oben. Zumindest einer von ihnen.«
Die beiden Männer folgten ihrer Blickrichtung. Es dauerte eine Weile, bevor auch Fougherty einen hellen Lichtpunkt direkt vor einem dünnen Dunstschleier entdeckte.
»Das ist kein Jet«, murmelte er. »Zu statisch. Vielleicht ein anderer Ballon, oder ein Ultraleicht-Gleiter.« Er griff nach seinem Fernglas und richtete es auf das funkelnde Objekt, aber es stand zu nah bei der Sonne. Fougherty fluchte, ließ das Fernglas wieder sinken, rieb sich die Augen und drückte die Sprechtaste seines Funkgeräts. »Hier Ballon LH-Y-012«, sagte er laut und deutlich in das Mikrofon, gefolgt von der genauen Positionsbestimmung und Flughöhe. »Unbekanntes Flugobjekt, Südsüdost, auf etwa 4000 Fuß, bitte melden.«
Er ließ die Taste los, aber aus dem Funkgerät klang nur ein leises Rauschen. Dann krachte es einmal vernehmlich und verstummte völlig.
Statt sich zu ärgern, grinste Fougherty breit und betätigte den Brenner fast zehn Sekunden lang. Er wirkte plötzlich hellwach und ungeduldig und starrte immer wieder zu dem schimmernden Punkt empor, der wie festgenagelt am Himmel zu stehen schien, wie ein heller Stern mitten am Tag.
»Ähm, Jeff ...«, meldete sich Francis zu Wort. »Ihre Meldung, dieser Ausdruck ›unbekanntes Flugobjekt‹ ... Sie meinen damit doch nicht etwa ...?« Er ließ den Rest des Satzes offen.
»Was Sie meinen, ist ein ›unidentifiziertes Flugobjekt‹«, erwiderte Fougherty und feuerte den Ballon erneut an. »Das ist ein gewaltiger Unterschied. Aber um die Wahrheit zu sagen, ich hoffe, dass Sie recht haben. Der Ausfall des Funkgeräts ist ein typisches Symptom.«
Conny verspürte wieder diesen leichten Druck im Magen, der das Steigen des Ballons anzeigte, aber diesmal rührte das Gefühl nicht allein von der Aufwärtsbewegung her.
»Sie hoffen es?«, fragte sie verblüfft. »Wollten Sie nicht eher sagen, Sie befürchten es?«
Fougherty schüttelte mit Nachdruck den Kopf. Sein Blick huschte zwischen dem kleinen Armaturenbrett mit den Kontrollanzeigen und dem hellen Punkt, der scheinbar tiefer gesunken war, hin und her. Wie er ihnen vorhin erklärt hatte, durfte man die Luft im Ballon nicht über einen bestimmten Punkt aufheizen, um nicht Gefahr zu laufen, die Hülle zu beschädigen, und er war schon an die äußerste Grenze gegangen.
Conny fühlte sich schwindlig, verängstigt und gleichzeitig aufgeregt. Die Luft schien an Substanz zu gewinnen, irgendwie plastisch zu werden, und Conny verspürte den verrückten Drang, über den Rand der Gondel springen zu müssen, um wie ein Fisch durch die warme klare Luft zu schwimmen.
Francis hatte die Kamera gehoben und richtete sie auf den glitzernden Punkt, der allmählich zu einer schief am Himmel hängenden Scheibe heranwuchs. »Verrückt«, flüsterte er immer wieder, »das ist völlig verrückt. Das muss ein anderer Ballon sein. Oder eine Luftspieglung. Oder ein Zeppelin.«
»Was auch immer es ist«, sagte Conny, »vielleicht ist es das, wonach die Jets gesucht haben.«
»Gut möglich«, erwiderte Jeff Fougherty. Die Gelassenheit war von ihm abgefallen. Er wirkte aufgeregt wie ein kleiner Junge unter dem Weihnachtsbaum, aber seltsamerweise vertraute ihm Conny immer noch bedingungslos. »Wäre nicht das erste Mal.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Francis.
Fougherty grinste wie ein Klavier. »Dies ist Nevada«, erklärte er, »der Staat, in dem buchstäblich jeder schon einmal ein UFO gesehen hat.«
»Sie auch schon?«, wollte Conny wissen. Sie hatte die rechte Hand um den Rand der Gondel gekrallt, die linke um den Gürtel ihres Mannes.
»Ich habe einiges am Himmel gesehen, das ich nicht eindeutig identifizieren konnte«, wiegelte Fougherty ab. »Und ist nicht genau das die Definition eines UFOs? Ein unidentifiziertes Flugobjekt. Was noch lange nicht heißt, dass es eine Fliegende Untertasse sein muss.«
»Sieht aber ganz danach aus«, murmelte Francis. Das Objekt hatte mittlerweile die Größe einer Fünfcentmünze angenommen. Wie groß es wirklich und wie weit es entfernt war, ließ sich nur ungenau abschätzen. Es hatte die klassische Untertassenform und schien aus einem nahtlosen Stück zu bestehen. Ob es nur das Sonnenlicht reflektierte oder von selbst leuchtete, ließ sich unmöglich feststellen.
»1800 Fuß über Grund, 4300 über Meereshöhe«, sagte Fougherty. »Achtung, wir stoßen gleich in eine andere Luftströmung!« Er zog an der Reißleine, die eine Klappe in der Kuppel des Ballons öffnete und etwas heiße Luft entweichen ließ. Fast im gleichen Augenblick begann der Ballon zu schaukeln, und Conny spürte einen kühlen Luftzug in ihrem erhitzten Gesicht. Ihre rechte Hand krallte sich fester um den Rand der Gondel.
Fougherty ließ die Reißleine los und schnappte sich wieder das Fernglas. Sie befanden sich jetzt fast auf gleicher Höhe mit dem silbern schimmernden Objekt, und der Ballon stieg immer noch. »Der Wind kommt jetzt aus Nordwesten«, stieß Fougherty zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Mit etwas Glück kommen wir noch näher heran ... Bei Gott! Das Ding sieht phantastisch aus! Los, Francis, schießen Sie ein Foto!«
»Ich glaube kaum, dass ich bei diesem Gegenlicht ein brauchbares Bild hinkriege«, keuchte Francis, schoss aber trotzdem zwei Bilder.
»Geben Sie mir das Fernglas«, bat Conny.
Fougherty reichte es ihr und checkte hastig die Kontrollanzeigen und das Funkgerät, das noch immer tot war. Conny hatte ein wenig Mühe, das Objekt durch das Fernglas zu finden, und erschrak, als es plötzlich stark vergrößert vor ihr erschien. Obwohl es keine erkennbaren Strukturen aufwies, hatte sie den Eindruck, dass es wie ein Frisbee rotierte. Durch das Zittern ihrer Hände und das Schwanken der Ballongondel schien es einen verrückten Tanz aufzuführen, aber als Conny das Fernglas sinken ließ, sah sie, dass das UFO noch immer reglos an der gleichen Stelle verharrte. Sie trieben langsam seitlich an ihm vorbei, höchstens 500 Fuß entfernt.
Francis schoss ein weiteres Foto, ließ die Kamera vor seiner Brust baumeln und streckte die Hände aus. »Los, gib mir den Feldstecher!«, forderte er seine Frau ungeduldig auf, aber dann verharrten seine Hände auf halber Strecke.
Das silbrige Schimmern erlosch übergangslos und ging in ein sanftes Rosa über, das – zuerst unmerklich, dann immer stärker – zu pulsieren begann. Es gab keine bestimmte Quelle für das Licht, das ganze Objekt strahlte gleichmäßig, als würde es von innen heraus beleuchtet. Mit jedem Pulsieren wurde das Leuchten intensiver und dunkler, verwandelte sich schließlich in ein Kirschrot.
Die drei Menschen hielten den Atem an. Bis auf das leise Rauschen des Windes und das Knarren der Halteseile, an denen die Gondel hing, herrschte völlige Stille. Das UFO schwebte lautlos in der Luft, als wäre es an einem unsichtbaren Hintergrund festgeschweißt.
»Es ist wunderschön«, hauchte Conny und brach damit den Bann. Neben ihr hob Francis wieder die Kamera und drückte in rasender Folge auf den Auslöser.
Plötzlich schoss das UFO so blitzschnell vor, dass das Auge der Bewegung nicht mehr folgen konnte. Es war, als wäre es ohne Zeitverzögerung über eine Distanz von mindestens 300 Fuß gesprungen. Und trotzdem war noch immer kein Laut zu hören.
»Völlig unmöglich«, krächzte Fougherty. Die Scheibe schwebte jetzt keine 200 Fuß mehr von dem Ballon entfernt. »Selbst wenn der Antrieb lautlos funktioniert, müsste das Ding bei dieser Geschwindigkeit Geräusche verursachen. Und bei dieser Größe müsste uns die plötzliche Luftverdrängung gründlich durchschütteln.«
»Vielleicht ist das nur eine Halluzination«, schlug Conny wenig überzeugend vor.
»Die wir alle drei gleichzeitig erleben?«, fragte Fougherty. »Nein, das Ding ist so real wie dieser Ballon.«
»Wir werden es spätestens wissen, nachdem ich den Film entwickelt habe«, sagte Francis, der sich in seiner Freizeit leidenschaftlich gerne mit Fotografie auseinandersetzte und über eine große Sammlung an Analog- und Digitalkameras verfügte. Mit fliegenden Fingern wechselte er den Film gegen einen neuen aus. »Damit kommen wir auf die Titelseiten aller Zeitungen und Magazine. Leute, wir werden reich und berühmt!«
Conny fühlte sich von einer merkwürdigen Euphorie erfasst, die nichts mit der Aussicht auf Ruhm und Reichtum zu tun hatte. Doch in das Gefühl der Euphorie mischte sich unmerklich eine zunehmende Verwirrung und Beklemmung. Sie vernahm ein leises unangenehmes Summen, das eher durch den Schädelknochen als durch ihre Ohren zu ihrem Gehirn vorzudringen schien. Sie schüttelte den Kopf, aber das Summen blieb. Es schwoll sogar weiter an und wurde dumpfer.
Die drei sahen einander an. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zog Fougherty an der Reißleine. Der Ballon sackte mit einem spürbaren Ruck ab. Trotzdem blieb das UFO auf gleicher Höhe und in der gleichen Position. Das Summen verwandelte sich in ein Brummen.
»Wer weiß, ob die freundlich sind?«, flüsterte Conny. Sie klammerte sich an Francis fest, der die Kamera losließ und die Arme um die Schultern seiner Frau schlang, und er hätte selbst nicht sagen können, ob er sie beschützen wollte oder nur selbst einen Halt suchte.
Fougherty entließ noch etwas Luft. Der Höhenmesser begann mit beängstigender Geschwindigkeit zu fallen. Doch das UFO ließ sich nicht abschütteln. Es hing in einem Winkel von rund 45 Grad neben dem Ballon. Das Kirschrot hatte sich zu einem düsteren Purpur verdunkelt, und das Brummen fiel unter die Hörgrenze. Conny hatte das Gefühl, als würden sich ihr sämtliche Eingeweide umdrehen.
Auf einmal strahlte die Scheibe blendend hell auf und sprang genauso unvermittelt zurück, wie sie zuvor herangeschossen war. Im gleichen Moment fiel das undefinierbare Gefühl der Beklemmung und Verwirrtheit von den drei Menschen ab und machte einer ganz realen Angst Platz. Unter ihnen näherte sich die Erde mit Furcht einflößender Geschwindigkeit.
Fougherty fluchte lauthals und schickte einen unverantwortlich langen Feuerstoß in die Ballonhülle. Conny hatte nicht den Eindruck, dass sich der Sturz dadurch nennenswert verlangsamte. Sie entdeckte das UFO in mindestens 1000 Fuß Entfernung. Es schimmerte jetzt wieder silbern und wandte ihnen die schmale Seite zu. Wieder klang ein lautes Fauchen auf, als Fougherty den Brenner erneut feuerte, und dann wurde das Fauchen von einem schrillen Kreischen übertönt.
»Die Jets kommen zurück!«, schrie Francis über den Lärm hinweg. »Sie haben das UFO vertrieben!«
»Halleluja«, knurrte Fougherty, den Blick auf die Temperaturanzeige und den Höhenmesser gerichtet. »Wie immer erscheint die amerikanische Kavallerie im letzten Moment, um den weißen Mann vor den Wilden zu retten.«
»Stürzen wir ab?«, fragte Conny tonlos.
»Die Landung könnte vielleicht etwas rau werden«, gab Fougherty zurück, »aber wir werden es überstehen.«
Francis hatte die Fassung wiedergewonnen, riss die Kamera hoch und schoss ein Bild nach dem anderen. Kurz bevor die Jäger es erreicht hatten, stieg das UFO mit einer wahnwitzigen Beschleunigung in einer eleganten Kurve in den Himmel und war Sekunden später verschwunden. Die Piloten zogen ihre Jets nach oben, aber im Vergleich zu der Flugscheibe schienen sie geradezu zu kriechen.
»Verdammt!«, stieß Fougherty plötzlich hervor. Conny folgte seinem Blick mit den Augen und spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte, als sie einen dünnen Riss in der Ballonhülle entdeckte. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann biss sie sich auf die Lippen.
Das Funkgerät erwachte krachend wieder zum Leben und rauschte laut. Unverständliche Wortfetzen und ein nervtötendes, auf- und abschwellendes Jaulen drangen aus dem Lautsprecher. Gleichzeitig tönte von irgendwoher ein Rattern auf, das immer lauter wurde.
»Ein Hubschrauber!«, rief Francis.
Conny drehte sich um und erblickte den Helikopter im Norden. Auch die Jets tauchten wieder auf; vielleicht waren es aber auch andere.
»... 012 ... landen Sie!«, quäkte der Lautsprecher. »Ballon LH-Y-012, landen Sie sofort!«
»Idiot!«, fauchte Fougherty, ohne sich die Mühe zu machen, den Funkspruch zu erwidern. »Wonach sieht das wohl aus, was ich hier mache?« Er starrte nach oben, schickte einen kurzen Feuerstoß in die Hülle und stellte den Brenner sofort wieder ab.
»Okay, Leute«, sagte er. »Das sieht schlimmer aus, als es in Wirklichkeit ist. Wir kommen nicht schneller runter als ein Fallschirmspringer. Haltet euch gut fest, geht etwas in die Knie und springt erst aus der Gondel, wenn ich es sage.«
Er drehte den Gashahn ab. Die kleine blaue Flamme erlosch. Dann zog er an zwei Hebeln. Conny, die über den Rand der Gondel nach unten spähte, sah zwei Säcke zu Boden fallen, Ballast für einen Notfall wie diesen. Der Sturz des Ballons verlangsamte sich merklich, die Geschwindigkeit der Gondel erschien ihr aber immer noch viel zu schnell.
Sie spürte Francis' Hand an ihrer Wange und sah kurz zu ihm hinüber.
»Keine Angst, Schatz«, sagte er. Er lächelte ihr aufmunternd zu, aber es war ein gequältes Lächeln. »Wir schaffen das schon.«
Conny nickte und strich flüchtig über seine Hand, bevor sie wieder die Brüstung der Gondel umklammerte.
»Wir sind gleich unten!«, schrie Fougherty. »Ihr müsst die Knie etwas beugen! Drei... zwei... eins... jetzt!«