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"mal was anderes": Auszug aus einer Rezension v. 02.02.2013 auf Neobooks: "In der Tat ein universelles Werk, was wiss. und phil. Grenzbereiche tangiert. ... Da Erkenntnis bekanntlich die unendliche Annäherung des Denkens an das Objekt ausmacht, bleibt sie im Abschluss unmöglich. Im Umkehrschluss wäre ein Erkenntnisende auch katastrophal, da es gleichbedeutend mit einem Geistesende wäre. Wie ist das also mit den Gedanken? Am Anfang war das Wort, nein die Tat, wie im Faust heißt. Aber wenn man bedenkt, dass die ganze Welt voller Informationen steckt, welche die Dinge treiben und sein lässt, wie sie sind, - ihnen ihre Sinnbestimmung verleiht, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Worin liegt nun der Sinn allen Seins, vielleicht nur darin, dass sich das 'Etwas' vom 'Nichts' unterscheiden muss. Während das 'Etwas' durch Widersprüche, Polarisationen (positiv/ negativ/ männlich/ weiblich) gekennzeichnet wird, ist das 'Nichts' nicht zu definieren. Selbst ein Vakuum, bildet einen luftleeren Raum und die Abwesenheit von Etwas hinterlässt noch immer eine Lücke, was ja auch wieder was ist. Hm… eine solch harmonische, widerspruchsfreie und vor alle 'sinnlose' Singularität bereitet Probleme --- Dass die Welt zu komplex ist, um sie in Gänze zu verstehen, ist bekannt, und daran wird auch dieses Büchlein gewiss nichts ändern. Dennoch ist es überaus interessant, dem Autor in seiner Argumentationslinie zu folgen, wobei sich zweifellos eine beispiellose Vielschichtigkeit von Anregungen und Ideen auf diesem Gebiet auftut.".
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Seitenzahl: 632
Veröffentlichungsjahr: 2013
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Günter Laube
Die W-Formel oder das Spiel des Lebens
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Einleitung
I. Was?
II. Welche?
III. Wer?
IV. Warum?
V. Wen?
VI. Welches?
VII. Wie?
VIII. Wann?
IX. Wohin?
X. Wo?
Nachwort
Quellenverzeichnis
Weitere Werke
Impressum neobooks
»Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.«
(Albert Einstein)Wer beim Anblick des Titels befürchtet, dieses Buch erinnert an eine Formelsammlung aus der Schulzeit oder dem Studium oder an eine mehr oder weniger unverständliche wissenschaftliche Abhandlung, der kann beruhigt werden: Es dominieren eindeutig die Buchstaben gegenüber den Zahlen.
Das W im Titel soll dabei selbstverständlich Assoziationen auslösen. Fußballer mögen an eine Weltmeister-Formel denken, Meteorologen an eine Wetter-Formel, Schüler und Studenten an eine Weisheits-Formel. Für viele Philosophen und Wissenschaftler dürfte der Begriff der seit längerem gesuchten Welt-Formel naheliegend sein, während es für die Allgemeinheit eine ganz offensichtliche Bedeutung haben kann: die Weiblichkeits-Formel.
Nun, all diese Aspekte sollen in vorliegendem Werk Berücksichtigung finden. Bei der W-Formel handelt es sich allerdings um keine Formel im herkömmlichen Sinne, sondern »vielmehr um ein physikalisches Prinzip«, wie der Physik-Nobelpreisträger Steven Weinberg anlässlich einer Wissenschaftler-Tagung in Potsdam 1999 in einem Spiegel-Interview vermutete. Und da die Menschen vor allem in frühen Jahren das Leben spielerisch entdecken, kann man es von einer gewissen Seite auch als das Spiel des Lebens betrachten. Also lassen Sie uns ein wenig neugierig sein und Fragen stellen. So wie Kinder ihre Eltern fragen: Wer? Wie? Was? Wieso? Weshalb? Warum?
»Ich möchte über Dinge schreiben, die ich nicht verstehe. Wer schuf die Erde und die Meere und alles? Was macht die Sonne heiß? Wo war ich, ehe ich zur Mutter kam? Wie groß ist der Weltenraum? Wer hat ihn erschaffen?«
(Helen Keller)Stille. Langsam hebe ich den Kopf. Mein Blick erfasst die Lehrerin, die anderen Schüler, die Tische, die Tür, die Tafel. Heute steht eine Klausur auf dem Programm. Zwei Stunden. Grundkurs. Übermorgen soll dann die nächste Klausur bewältigt werden, in einem weiteren Fach. Und in den anderen Fächern werden in den nächsten Wochen ebenfalls Klausuren auf dem Stundenplan stehen. Einige unseres Kurses sind fleißig dabei und schreiben und schreiben. Sie scheinen die Aufgabe verstanden und die richtigen Gedanken gefasst zu haben. Hat die Lehrerin beim Ausarbeiten der Aufgaben für die Klausur dieselben Gedanken gehabt? Auf welchen Wegen kommen die in die Gehirne von uns Schülern? Wenn die Lehrerin mit uns allen in einem Raum sitzt, müssten dann nicht alle die gleichen Gedanken haben und die Antworten wissen? Fragen über Fragen.
Zurück zum Thema: Wer sich mit der W-Formel auseinander setzen will, landet früher oder später unvermeidlich bei zwei einander scheinbar widersprechenden Thesen. Sowohl zur allgemeinen als auch zur speziellen Erklärung der Welt und aller damit verbundenen Dinge wie Weiblichkeit oder Weisheit herrscht in der (natur-)wissenschaftlich geprägten Anschauung die Meinung vor, dass sich der Mensch über einen langen Zeitraum von Jahrmillionen über verschiedene Formen eines einfachen Organismus, mehrzellige Lebewesen, niedere und höhere Tiere schließlich aus einem Affen entwickelt habe. Der andere Pol wird von religiös eingestellten Personen vertreten, die der Ansicht sind, dass Gott die Welt und den Menschen geschaffen habe. Ende der Durchsage.
Bei beiden Meinungen existieren diverse Nuancen und Abstufungen, und in gewisser Weise sind sie sogar berufsbedingt per Definition geistiges Eigentum nicht weniger Menschen. Ein Angehöriger des Vatikans, einer Kirche etc. wird in der Regel ein Anhänger der Gottes-Variante sein, während ein (Natur-)Wissenschaftler zumeist die Theorie der Entwicklung des Menschen aus untergeordneten Tieren vertreten wird. Doch beide Seiten scheinen den wahren Schlüssel für das Verständnis der Zusammenhänge in der Welt bzw. das Grundprinzip noch nicht gefunden zu haben. So berichtete das Hamburger Abendblatt im August 2011 genauso wie Die Welt im März 2010 von Wirtschafts-, Politik- und Finanzproblemen mit regionalem und überregionalem, ja globalem Charakter. Im März 2010 wurden Gewalt und Missbrauch in der Katholischen Kirche offenbar, und im September 2010 gab es zwischen Israelis und Palästinensern einen »neuen Anlauf im Jahrhundertkonflikt« (Stuttgarter Zeitung). Doch schon im Mai 2011 gab es wieder »Tote bei Protesten gegen Israel« (FAZ).
Eine einseitige Betrachtung der Welt ist also in dieser Beziehung nicht erstrebenswert, weder die religiöse Seite noch die wissenschaftliche scheinen im Laufe der Menschheitsevolution alle Teilprinzipien für die W-Formel erarbeitet zu haben. Für den Hochschulbereich formulierte im November 2000 der Präsident der Berliner Humboldt-Universität, Prof. Dr. Jürgen Mlynek, in einem Interview mit Spektrum der Wissenschaft Leitlinien für eine zukünftige Entwicklung der Universitäten: »Hochschulen müssten der Pflege der Gesamtheit der Wissenschaften dienen«, und »Forschungsarbeiten auf zukunftsträchtigen Wissensgebieten setzen interdisziplinäres Arbeiten voraus«.
Auf die W-Formel angewandt bedeutet das, dass man sich also grundsätzlich mit beiden Glaubensrichtungen auseinander setzen muss und zu keiner der beiden Theorien uneingeschränkt ja und Amen sagen, sondern eine Art Mittelweg gehen sollte. Um diesen Weg verfolgen zu können, muss man sich konsequenterweise mit beiden Denkrichtungen vertraut machen, gewissermaßen beide Seiten zu Wort kommen lassen. Nur muss man dann das richtige Maß finden, denn sonst geht es einem wie Faust, den Goethe sagen ließ:
»Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh' ich nun, ich armer Tor,
Und bin so klug als wie zuvor!«
Was die Welt im Innersten zusammenhält, beschäftigte nicht nur Goethe, sondern mittlerweile immer mehr Menschen - und auch Wissenschaftler: »Gott oder Physik« titelte GEO im Juni 2008, »Theologen und Wissenschaftler suchen nach dem Ursprung der Welt«, berichtete das Hamburger Abendblatt fünf Monate später, und Universitäten wie zum Beispiel die Uni Köln bieten zur individuellen Qualifizierung zahlreiche Studiengänge in verschiedenen Fakultäten an.
Auch Old Shatterhand hatte studiert, bevor er in den Wilden Westen reiste und Winnetou kennen lernte, aber rückblickend erkannte er: »Ein Greenhorn ist eben ein Greenhorn - und ein solches Greenhorn war damals auch ich. ... Ich glaubte im Gegenteil, ein außerordentlich kluger und erfahrener Mensch zu sein, hatte ich doch, wie man so zu sagen pflegt, studiert und nie vor einer Prüfung Angst gehabt. Daß dann das Leben die eigentliche und richtige Hochschule ist, deren Schüler täglich und stündlich geprüft werden und vor der Vorsehung bestehen müssen, das begriff mein jugendlicher Sinn damals noch nicht.«
Da kommt mir die Lebensweisheit meiner Eltern in den Sinn: »Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.« Es reicht also nicht, nur ein guter Theoretiker zu sein, man muss diese Kenntnisse dann auch in der Praxis anwenden und üben. Schließlich machte auch erst die Praxis und somit das Leben Old Shatterhand zu dem, der er war.
Also lassen Sie uns Fragen stellen! Seit über 40 Jahren begleiten uns »Wer? Wie? Was?« auf unserem Weg, oder wie es Thomas Osterkorn, Chefredakteur des stern, im April 2009 etwas konkreter formulierte: »Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das weiß, dass es sterben muss. Das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit macht Angst und wirft Fragen auf: Warum leben wir überhaupt? Was kommt danach? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Und wenn ja, wie sieht es aus?«
Um diesen Dingen auf den Grund zu gehen, lade ich Sie zu einer Reise ein. Und zwar sowohl im räumlichen als auch im zeitlichen Sinne. Aber wir nutzen dazu kein Raumschiff und auch kein Auto oder eine sonstige Maschine, sondern vollführen die Reise in Gedanken. Das hat den Vorteil, dass alle Leser mitkommen können, denn die Plätze selbst in einem großen Schiff wären sonst schnell belegt. Außerdem kostet es keinen Sprit, ist somit umweltschonend und damit zeitgemäß. Wir werden unterwegs auch mal Pause machen, um die Dinge Revue passieren zu lassen, und einen Blick auf die Karte werfen, um uns nicht zu verfahren; denn wie schon Daliah Lavi wusste: »Die Welt ist groß und kompliziert, so wie ein Labyrinth«.
Und da wir auf unserer Reise auch kein Gepäck brauchen, können wir uns schnurstracks auf den Weg machen. Die erste Frage lautet: Wen soll man fragen, wenn man etwas nicht weiß?
Bei der inwischen über zehn Jahre alten Spielshow »Wer wird Millionär?« mit Günther Jauch gibt es mehrere Joker für diese Zwecke, und auch wir werden ohne weitere Quellen nicht auskommen. Versetzen wir uns also kurz in unsere Schulzeit zurück: Der erste Schultag eines jeden Schuljahres diente nicht selten der Quellenbeschaffung; als Schüler musste man sich mit einem Haufen neuer Bücher eindecken, die im Idealfall aus der Schulbücherei zu entleihen waren. Andernfalls gab es dann abends ein Gespräch mit den Eltern, denen feierlich eine Liste überreicht wurde.
Die ersten Lehrer eines Kindes sind in der Regel die Eltern, die Großeltern oder ältere Geschwister. Mein Vater wurde so zugleich mein erstes Vorbild, denn er wusste viel, und aus meiner Kinder-Perspektive fast alles. Egal ob Mathe oder Deutsch, Geschichte oder Erdkunde, Englisch oder Französisch, ja sogar Sport - ich genoss eine umfangreiche (Aus-)Bildung, ergänzend zur Schule. Später fand ich heraus, dass er soviel wusste, weil er es selber einmal gelernt hatte, sei es in der Schule, in der Ausbildung, im Beruf oder im Laufe des Lebens. Historisches, Geographisches und Technisches vertiefte er durch Briefmarken sammeln, einem seiner Hobbys. Es ist ganz erstaunlich, was für Geschichten sich hinter so einer kleinen Marke verbergen. So war es naheliegend ihm nachzueifern, ich würde schließlich auch einmal ein Mann werden. Allerdings war das in den jungen Jahren eher unbewusst. Denn er war ja einfach da. Und so nahm ich es ganz natürlich hin. Später sollte es anders werden, als das Selbstbewusstsein anfing sich zu entwickeln. Aber dahin kommen wir auf unserer Reise noch früh genug.
Zurück zu den Quellen und deren Beschaffung: Nicht jeder, der etwas zu erzählen oder mitzuteilen hat, verarbeitet seine Gedanken in einem wissenschaftlich aufgemachten Buch oder Artikel in einer Zeitschrift. Heutzutage gibt es weitere Möglichkeiten: Zunächst wäre hier das Buch zu nennen, in dem die Geschichte in Romanform dargestellt wird. Eine andere Möglichkeit ist die der Verfilmung, denn Filme wirken nachhaltig. Wem ist zum Beispiel ein Spruch wie »Ich schau dir in die Augen, Kleines?« nicht geläufig?
»Der Film ist ein Spiegel der menschlichen Seele«, so Dirk Blothner, Professor für Psychologie an der Uni Köln, denn »er führt Zusammenhänge anschaulich vor Augen«, wenn auch vielleicht nicht immer so unmittelbar wie im bildgewaltigen »Jenseits von Afrika«. Das Prinzip jedoch wird auch in der Slapstick-Komödie »Is' was, Doc?« verdeutlicht: »Ist das nun Zufall?«, fragte (sich) Howard Bannister, als er Barbra Streisand auf dem Klavier fand. Sie hatte Politische Wissenschaften, Geologie, Musikkunde, Literaturwissenschaften, Archäologie und Semantik studiert.
»Was wolltest du überhaupt werden?«
»Ein kluges Kind«. Und während des Studiums galt: »Ich hab' 'nen ganzen Schwung Bücher gelesen und war ziemlich oft im Kino.«
Im Film werden Bild und Ton verarbeitet, doch eine der wohl ältesten Möglichkeiten der Menschheit zu kommunizieren, ist nur der Ton, die Musik: eine der direktesten Arten, seinen Gegenüber zu erreichen. Man muss sich nur an die Szenerie in einer Disco oder auf einem Konzert erinnern. Das gilt Generationen-übergreifend, etwa bei Klängen von John Miles und »Music was my first love«. Ebenso werden viele beim Hören des Songs »Mrs. Robinson« von Simon & Garfunkel an den Film denken, oder beim Lesen des Buches an das Lied. Wem würde bei der Titelmelodie vom »Weißen Hai« nicht ein gewisses Bild im Geiste aufsteigen? Wer hätte nie bei einem Sport-Event den Queen-Klassiker »We are the Champions« gehört und eventuell sogar mitgesungen? Und was wäre ein Film wie »Dirty Dancing« ohne Musik? Undenkbar!
Oder wie die Queen of Pop es ausdrückte: »Music makes the people come together, yeah!« (Madonna, Music)
Speziell seit den späten 1990er Jahren stellt das Internet eine mehr als umfangreiche Quelle dar, Zeitschriften und Zeitungen runden das Angebot weitestgehend ab. So baut sich also das für dieses Buch verwendete Quellenverzeichnis zunächst aus sechs Kategorien auf: Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Filme, Musik und Internet-Artikel. Des Weiteren kommen Quellen persönlicher Natur hinzu, so das Tagebuch von meiner Großmutter mit Erinnerungen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Da es nicht öffentlich zugänglich ist, werde ich es im entsprechenden Kapitel im Original wiedergeben. Eine weitere Quelle stellt das sich vor allem in jüngerer Vergangenheit verstärkt etablierende Public Viewing, eine andere das Radio dar. Dazu gesellen sich Erfahrungen aus meinem Studium, die Lebensweisheit meiner Eltern, die sie mir in den 1980er Jahren beigebracht haben: »Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir!«, und meine eigene Lebenserfahrung, die ich im Laufe von vier Jahrzehnten gesammelt habe. Wie ich inzwischen herausgefunden habe, gilt die Weisheit meiner Eltern nicht nur für die Schulzeit, sondern für das ganze Leben. Da jeder sein eigenes, individuelles Leben und somit auch seine eigenen Erfahrungen macht, werde ich meine jeweils an einem allgemein verständlichen Beispiel erläutern.
Da auch die interessanteste Reise mit ein wenig Esprit angenehmer gestaltet werden kann, werden wir Anekdoten des »Grandseigneur des deutschen Humors«, Loriot, (Stuttgarter Zeitung) genauso begegnen wie Autobiografien, zum Beispiel der von dem »Geheimagenten wider Willen« Thomas Lieven, die Johannes Mario Simmel zu Papier brachte. Lieven war nicht sein richtiger Name, aber aus gewissen Gründen war die Nutzung dieses Namens unumgänglich. Daher werde ich, wenn ich auf dieses Buch bzw. diese Geschichte eingehe, auch bei diesem Namen bleiben. Lieven hatte zwei Schwächen: Frauen und Kochen, und während seiner unfreiwilligen Agententätigkeit lernte er in Frankreich auch Josephine Baker kennen. Von dieser Szene leitet sich auch der Titel des Buches »Es muss nicht immer Kaviar sein« ab. Es kam 1960 auf den Markt, fand sich im Bücherschrank meiner Eltern und hat mir gewisse Einblicke in die Geschehnisse während des Zweiten Weltkriegs aus der Perspektive eines »Augenzeugen« ermöglicht. Es ist eine Autobiografie in Romanform und gehört damit zu meinen bevorzugten Büchern. Denn »je näher man am Ball ist, um so besser« (Helmut Schön).
Eine Erfahrung, die auch die fernab der Zivilisation im indonesischen Urwald aufgewachsene Sabine Kuegler in ihrer Autobiografie »Dschungelkind« beschreibt: Sie las zahlreiche Zeitschriften, um ihre Kenntnisse auf den »westlichen Stand« zu bringen, nachdem sie als Siebzehnjährige zurück nach Europa kam und somit auf eine Schule nach westlichem Modell gelangte. Diese Zeitschriften entstammten allen Sparten unserer mehr als vielfältigen Kulturlandschaft. Immerhin hatte sie aus den Zeitschriften und aus Gesprächen mit (Schul-)Freundinnen genug gelernt, um im europäischen Großstadt-Dschungel zu überleben. Dieses Prinzip werden wir auf unserer Reise auch verfolgen.
Ebenfalls ganz nah am Ball war Albert Schweitzer, der Theologie, Philosophie und Medizin studierte. Mehrere Jahrzehnte lebte er in Lambarene, im heutigen Gabun, in Westafrika, so auch von 1939 bis 1948, während des Zweiten Weltkrieges. Als er im August 1948 nach Europa kam, machte er die Erfahrung, »daß durch den Krieg und seine Greuel die Menschen für die Idee der Ehrfurcht vor dem Leben noch empfänglicher geworden waren.« Eine Beobachtung, die er im darauf folgenden Jahr in den USA bestätigt fand. Hier machte er die Bekanntschaft von Ärzten, die ihn 1942 mit einer großen Medikamentenlieferung just zu dem Zeitpunkt unterstützten, als er im - von der Welt, die mit dem Weltkrieg beschäftigt war - nahezu abgeschnittenen Lambarene diesen Nachschub dringend brauchte.
Alle angesprochenen Quellen gehören zum Kulturgut der Menschheit. Also sollte man darauf auch zurückgreifen, um etwas derart Umfassendes wie die W-Formel darzustellen. Denn die Welt ist groß und kompliziert!
»Möchtest du sehen, wo die Zeit herkommt?«, fragte Meister Hora Momo.
(Michael Ende, Momo)Anlässlich des Einstein-Jahres 2005 wurden im April-Heft von Bild der Wissenschaft die »7 Rätsel der Physik« präsentiert. Neben den altbekannten Fragen nach Materie, Masse und Zeit lautete die siebte Frage: Gibt es die Weltformel? Eine einzige, alles erklärende Formel, ein alter Traum der Physiker. Doch wie es in dem Artikel heißt, scheint der Weg zu dieser Formel noch weit zu sein, auch rund sechs Jahre nachdem sich die Physiker-Elite im Jahre 1999 in Potsdam zu einer Konferenz über die Weltformel getroffen hatte. Fast 400 theoretische Physiker haben es damals nicht geschafft, und im Mai 2006 schrieben die Kieler Nachrichten: »Irrte Charles Darwin? Neue Debatte um moderne Evolutionstheorie«.
Das legt die Vermutung nahe, dass hier in der Tat ein interdisziplinärer Ansatz hilfreich sein könnte. So wie es Erwin Schrödinger verfolgte, der sich fragte »Was ist Leben?« und als Physiker die Welt der Biologie betrachtete, oder aus Sicht eines Universalgelehrten wie Alexander von Humboldt. Es sei denn, wir würden ein kleines Mädchen von acht oder zwölf Jahren mit einem wilden, pechschwarzen Lockenkopf, das nichts besitzt als das, was es findet oder geschenkt erhält, und eine Schildkröte treffen, die uns den Weg zu Meister Secundus Minutius Hora, dem Meister der Zeit, und seiner Allsichtbrille zeigen könnten. Denn mit dieser Brille könnten wir alles sehen.
Michael Endes »Momo«, das Kind, das den Menschen die von den Zeit-Dieben, den grauen Herren, gestohlene Zeit zurückbrachte, begegnete mir zum ersten Mal in der Schule, in Form eines Hörspiels. Gewisse Elemente werden uns auch auf unserer Reise begegnen, aber so lange wir Momo und Kassiopeia am südlichen Rand einer großen Stadt, in der Ruine eines alten Amphitheaters, nicht treffen, werden wir auch den Weg zum Nirgend-Haus in der Niemals-Gasse nicht finden. Und somit auch nicht die kleine goldene Allsichtbrille. Insofern gilt es, ein weiteres Prinzip anzuwenden, das Momo verfolgte: Sie konnte zuhören. Mit Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Und den Leuten kamen auf einmal Gedanken, die ihnen bei ihren Problemen weiterhalfen. So wollen auch wir zuhören und uns dann weiterführende Gedanken machen. So wie früher, als wir Kinder waren.
Vertrauen wir nun gleich am Anfang unserer Reise auf die Erfahrung von Momos Freund Beppo Straßenkehrer: »Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich«.
Und damit kommen wir zurück zu meiner Klausur. Trotzdem ich jetzt theoretisch gerüstet bin und mir eine Menge Quellenmaterial zur Verfügung steht, finde ich in die erste Frage nicht rein. Mein Nachbar hingegen scheint die richtigen Gedanken gefunden zu haben. Er beschreibt Seite um Seite. Andere im Raum schreiben ebenfalls. Ich kann nicht lesen, was mein Nachbar schreibt, jeder hat seinen eigenen Tisch. Er sitzt einen Meter von mir entfernt. Ich muss mir also meine eigenen Gedanken machen. Irgendwie komisch, immerhin scheinen die Gedanken mit den Lösungen für die Aufgaben ja in diesem Raum zu sein. Aber egal, ob zehn oder einen Meter entfernt, mein Gehirn steht irgendwie nicht auf Empfang. Vielleicht liegt das daran, dass die anderen mehr gelernt haben? Im Idealfall genau das, was heute abgefragt wird? Das ist es, genau! Ich habe einfach nur das Falsche gelernt.
Aber wie ist das allgemein mit den Gedanken? Immerhin sind wir nicht die Einzigen, die diese Klausur schreiben, im Nachbarkurs gibt's die nächste Woche, in anderen Schulen der Stadt ebenfalls in diesen Tagen, und in den anderen Schulen im Land, in Europa, ach was, überall in der Welt sicherlich auch! Ja, im Prinzip kann die Gedanken doch jeder haben, unabhängig davon, wo er ist. Und in zeitlicher Hinsicht gibt es auch keine Beschränkung. Mein jüngerer Bruder wird Ähnliches denken und verarbeiten müssen, wenn er in ein paar Jahren in dieser Klasse ist. Gedanken existieren also jenseits von Raum und Zeit, würde ein Physiker wohl sagen. Haben sie denn auch elektromagnetischen Charakter, breiten sich wie Wellen aus? Ein Physiker wäre wohl auch der geeignetste, um Gedanken zu beschreiben. Denn gleich müssen sie sein, der Mensch übersetzt sie gewissermaßen nur in seine Sprache. Aber Form, Farbe und Klang bleiben immer gleich. Nur dass der Engländer blue, der Franzose bleue und der Deutsche blau sagt. Aber zeigt man allen eine blaue Wand, meint jeder das gleiche.
Andererseits scheint es auch vollkommen individuelle Gedanken zu geben, wie im Falle von Albert Einstein, denn nur er hat die Relativitätstheorie formuliert und die Gedanken dafür entwickelt. Oder wie bei Newton, dem der Gedanke der Schwerkraft fast in den Schoß fiel. In Form eines Apfels.
Die Lehrerin hatte den Gedanken schon, als sie uns die Aufgabe gestellt hat. Aber wozu hat sie die Aufgabe erstellt? Wenn wir mal davon absehen, dass die Aufgabe ein Teil der Klausur ist, die ihrerseits wiederum ein Teil der Gesamtnote im Zeugnis ausmacht, dann doch aus dem Grund, dass wir unseren Geist entwickeln, dass wir lernen, oder vereinfacht ausgedrückt: Damit wir schlauer werden. Oder intelligenter. Dies könnte ein Grundprinzip sein, denn sowohl Newton als auch Einstein hatten Lehrer und sind zur Schule gegangen, aber die Gedanken, die sie nachher ausformulierten, hatten eben sie, und nicht ihre Lehrer. Offenbar gibt es also Gedanken, die von vielen verarbeitet werden können, einige, die von einer kleinen Anzahl an Menschen, und äußerst wenige Gedanken, die nur von einzelnen Menschen verarbeitet werden können. Woher kommen aber diese Gedanken? Was genau sind Gedanken?
Das sind schon knifflige Fragen, doch wir wollten ja einen Schritt, Atemzug, Besenstrich nach dem anderen machen. Widmen wir uns also wieder der W-Formel: Unsere erste Station führt uns in das 19. Jahrhundert, genau ins Jahr 1881: In den USA, in Alabama, in der Stadt Tuscumbia lag das Anwesen Ivy Green. Hier wohnten die Kellers. Vater Arthur war Offizier der konföderierten Armee gewesen, Mutter Kate war Anfang zwanzig, einige Jahre jünger als ihr Mann und hatte vor zwei Jahren ihr erstes gemeinsames Kind bekommen: Helen. Im Frühling stellten die Eltern der zweijährigen Helen Keller fest, dass sie blind und taub war. Infolge einer wenige Monate zuvor erlittenen Krankheit. Mehrere Ärzte bestätigten in den folgenden Tagen die Diagnose und fügten stets hinzu, dass keine Aussicht auf Heilung bestand. In dieser Zeit wurden Taubblinde wie Geisteskranke behandelt, ein so genanntes normales Leben war für solche Menschen ausgeschlossen, ebenso für deren Angehörige - soweit sie sich denn um das kranke Kind kümmerten. Die dritte Fertigkeit, die sie schließlich verlor, war das Sprechen. Der Hausarzt von Arthur und Kate Keller erklärte ihnen, dass dies leider zu solch einer Erkrankung dazu gehöre, da sie nicht hören kann, was sie spricht. Wiederum einige Zeit später setzten sich die beiden mit Erziehungsgedanken auseinander. Ob es einen Erzieher gäbe, der trotz »dreifacher Ohnmacht« den Geist von Helen erreichen könnte. Ausschlaggebend war die Feststellung, dass Helens Tast- und Geruchssinn nicht nur funktionierten, sondern sogar - soweit möglich - die Disfunktion der übrigen Sinne kompensierten. Die Jahre zogen ins Land, und im September 1886 stießen die Kellers auf Charles Dickens' »Reisenotizen über Amerika«, in denen er von der Erziehung eines taubstummen und blinden Mädchens berichtet. Ihr Name war Laura Bridgman, ihr Erzieher Doktor Samuel Gridley Howe, Leiter der Perkinsschen Blindenanstalt in Boston. Nach entsprechenden Erkundigungen veranlassten einige weitere Punkte Arthur und seine Frau schließlich, dass er mit Helen eine Reise unternahm. Von den Südstaaten in den Norden, zunächst nach Baltimore, was im 19. Jahrhundert eine nicht unerheblich längere Reise als heutzutage war. Es ging mit der Eisenbahn, und so bekamen auch andere Menschen die kleine Helen zu Gesicht, die bisher kaum das elterliche Grundstück verlassen hatte. Nachdem Helen und ihr Vater diverse Ratschläge von fremden Mitreisenden überstanden hatten, trafen sie Doktor Chisholm, eine Kapazität auf dem Gebiet der Augenheilkunde. Eine Mitreisende gab Keller den Rat, das Kind einschläfern zu lassen, da es falsches Mitleid wäre, das Kind am Leben zu erhalten. Arthur Keller wechselte daraufhin mit seiner Tochter das Abteil und hoffte nun, dass Chisholm ihnen weiterhelfen könne. Zunächst konnte er das nicht, sondern bestätigte die Diagnose der lebenslangen Taubblindheit. Aber auf die Bemerkung Kellers, dass Helen immer weiter wie ein Tier leben müsse, empfahl er ihm, eine geeignete Lehrerin zu suchen. Und er konnte ihm einen Kontakt vermitteln: Doktor Alexander Graham Bell, den Erfinder des Telefons. Er war ursächlich Taubstummenlehrer und wohnte in Washington. Arthur und Helen fuhren also weiter. Nach Washington. Und Bell konnte weiterhelfen, er konnte von einem weiteren Beispiel berichten, einer Französin, die ebenfalls taubstumm und blind war und trotzdem erzogen worden war. Nur wusste er nicht, von wem.
Noch am Tage der Rückkehr nahm Arthur Keller Kontakt zu Michael Anagnos auf, dem Leiter der Blindenanstalt in Boston. Anagnos war Howes Schwiegersohn und antwortete per Brief, dass er sich nach einer geeigneten Lehrkraft umsehen werde. Was er auch tat. Er beriet sich mit der ersten Pflegerin des Instituts, Miss Hopkins, die dort seit 20 Jahren arbeitete. Doch diese hielt die Erzieherinnen, die in den letzten Jahren ihr Examen abgelegt hatten, für zu jung, um eine solch schwere Aufgabe zu bewältigen. Auch die in den Augen von Anagnos begabteste Pflegerin, die im Alter von 14 Jahren 1880 selbst als Patient blind und halb verhungert nach Boston gekommen war und ihr Augenlicht durch Operation wiedergewann, war nach Ansicht von Miss Hopkins der Aufgabe nicht gewachsen. Denn sie hatte noch nie mit taubstummen Kindern gearbeitet und erst im Jahr zuvor ihr Examen gemacht.
Schließlich galt es abzuwägen: Einerseits würden die Kinder und Kollegen die Zwanzigjährige hier in Boston vermissen, andererseits dürfte es so gut wie ausgeschlossen sein, irgendwo in Amerika eine geeignetere Person zu finden. Der Kompromiss lautete: Sie soll selbst entscheiden.
Als Anagnos der Zwanzigjährigen die schwierige Aufgabe wenige Tage später erläuterte, brachte er auch die Erkenntnisse von Doktor Bell zur Sprache, der dem Kind Lebendigkeit und Intelligenz in auffälligem Maße zuerkannte. Abschließend gab er ihr drei Tage Bedenkzeit, denn eine solche Entscheidung sollte nicht überstürzt gefällt werden. Von Boston nach Tuscumbia am Tennessee umzuziehen, das vom Sezessionskriege noch verwüstet war, war keine Kleinigkeit, ihr Leben würde sich sehr verändern, auch den äußeren Umständen nach. Von der Großstadt in die Provinz. Der Direktor erklärte ihr auch, dass von ihr keine Wunder erwartet würden. Sollte das Experiment scheitern und sie es gegebenenfalls abbrechen, würde ihr kein Vorwurf gemacht werden.
Die junge Pflegerin brauchte jedoch keine drei Tage, sie war eine Frau, und Frauen entscheiden Dinge gerne mal aus dem Bauch heraus. Während ihr Bauch noch im Zimmer des Direktors die Reise nach Süden antrat, beschäftigte sich ihr Kopf in den folgenden Tagen und Wochen mit den Aufzeichnungen von Doktor Howe über die Erziehung von Laura Bridgman.
Ende Februar 1887 trat sie dann ihre Reise in den Süden an, der Kopf folgte dem Bauch. Miss Hopkins, die sie wie eine Tochter behandelt hatte, erklärte ihr zum Abschied, dass sie wahrscheinlich die größte Aufgabe ihres Lebens vor sich habe, und dass sie ihr in schwerer Stunde schreiben solle. Die junge Pflegerin versprach es, stieg in den Zug und trat die Reise in ein neues Leben an. Im Gepäck hatte sie eine Puppe und einen langen Brief in Blindenschrift, mit Grüßen von den Kindern der Perkinsschen Blindenanstalt, von denen sie sich auf emotionale Weise verabschiedet hatte. Auch wenn sie sie sehr vermissen würden, fanden die Kinder es doch richtig und wichtig, dass sie das kleine Mädchen in Alabama aus ihrer stillen, dunklen, schwarzen Welt herausholen wollte.
Nach sieben Jahren in Boston kam die junge Frau am 3. März 1887 in Tuscumbia an. Sie wurde von Kate Keller erwartet, herzlich empfangen und mit einem kleinen Pferdewagen nach Ivy Green gebracht. Dort lernte sie alsbald ihren Schützling, Helen Keller, kennen. Die Erziehung der Taubblinden, die bis dahin in gewisser Weise wie ein wildes Tier gelebt hatte, konnte beginnen, und in späteren Zeiten sollte es auf der ganzen Welt keine Biografie Helen Kellers geben, die nicht auch von Anne Sullivan gehandelt hätte, der jungen Erzieherin aus Boston, die wenige Monate später in einem Brief an Miss Hopkins schrieb: »Ich weiß, daß die Erziehung dieses Kindes der Hauptinhalt meines Lebens sein wird.«
Walter Pause fasste die Biografie Helen Kellers in »Das Leben triumphiert« zusammen, einem weiteren Exemplar aus dem Bücherschrank meiner Eltern. Auch diesem Werk werden wir auf unserer Reise wiederholt begegnen, denn es bietet für die Prinzipien, die wir suchen, wertvolle Hinweise aus dem Leben.
Doch jetzt lassen Sie uns einen noch größeren Sprung in die Vergangenheit machen: Abraham, der Urvater von drei Weltreligionen, stammte aus Ur in Chaldäa, dem heutigen Irak. Vor rund 4.000 Jahren soll er dort gelebt haben. Und damit sind wir bei einem Grundthema: der Religion. Oder genauer gesagt: den Religionen. Denn es gibt derer eine ganze Menge.
»Ich könnte losziehen mit der Frage im Kopf: Gibt es Gott? Oder Jahwe, Shiva, Ganesha, Brahma, Zeus, Ram, Vishnu, Wotan, Manitu, Buddha, Allah, Krishna, Jehowa?«
(Hape Kerkeling)Abraham gilt den drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam als Stammvater. Er ist im Allgemeinen deswegen bekannt, weil er noch im hohen Alter von 100 Jahren einen Sohn mit seiner Frau Sara, die bereits 90 Jahre alt war, zeugte und diesen später auf Gottes Geheiß opfern sollte. Was er auch durchzuführen gedachte. Doch im letzten Moment erschien ihm ein Engel, und Abraham opferte statt seines Sohnes einen Widder, der sich in einem nahen Gestrüpp verfangen hatte. Der Name Abraham bedeutet »Vater der Menge«, und in der Bibel steht, dass Gott ihm sagte: »Du wirst Stammvater einer Menge von Völkern« (Genesis 17,4). Der Ausgangspunkt dieser Religionen liegt in einem geographisch sehr engen Gebiet, auf der arabischen Halbinsel, im Nahen Osten. Damit haben wir bereits drei Weltreligionen benannt, doch welche gibt es noch?
Einige Jahrhunderte vor Christus lehrten Buddha, Lao-Tse und Konfuzius in Indien und China. In Indien war der Hinduismus die dominierende Religion, die älteste polytheistische Religion der Welt. Sofern man von den Naturvölkern absieht, die Naturreligion praktizierten. Die alten Griechen wiederum hatten ihre Mythologie, in Persien gab es Zoroaster, auch Zarathustra genannt, und Manitu dürfte jedem ein Begriff sein, der jemals Indianergeschichten gehört oder gelesen hat. Es gibt also in der Tat eine Fülle von Religionen, doch »was nützt Religion?«
Mit dieser Frage provozierte das Nachrichtenmagazin Focus im Dezember 2006 seine Leserschaft. Kurz vor Weihnachten machte sich jeder so seine Gedanken ob dieses Themas. Denn grundsätzlich ist es eine berechtigte Frage. »Mal abgesehen von der Wahrheitsfrage, macht der Glaube glücklicher und gesünder? Dient er der Gesellschaft? Oder gibt es noch andere Gründe, wieso Menschen zu Beginn des dritten Jahrtausends Religion noch brauchen? Was also nützt Religion?«
Was bringt Menschen zum Beispiel dazu, von überall her nach Mekka zu pilgern, sich an Regeln zu halten, wie fünf tägliche Gebete, den Haddsch zu begehen, die Pilgerfahrt, den Weg, den jeder Muslim einmal in seinem Leben gehen muss.
Braucht man Religion manchmal oder nur in Ausnahmesituationen? In großer Not und von schwerer Krankheit heimgesucht verrichtete Robinson Crusoe sein erstes Gebet seit Jahren, nachdem er auf der Insel gestrandet war und sich bewusst wurde, dass er »die Wege der Vorsehung verkannt hatte«.
Oder braucht man Religion immer, in allen möglichen Formen und Varianten, wie zum Beispiel in Brasilien? »Im größten katholischen Land der Welt beten Millionen Menschen zu schwarzen Göttern, wächst die Anhängerschaft zahlloser Sekten und Naturreligionen«, berichtete Der Spiegel 1978. Es beteten Millionen zu heidnischen Göttern, die vor allem afrikanischen Ursprungs waren; weiße und schwarze Magie, Voodoo und Kulte herrschten unter der Bevölkerung. Althergebrachten religiösen Einstellungen und neuen Ansichten begegnen wir auch im Film »Volver - Zurückkehren« oder im Vampir-Film »From Dusk till Dawn«, in dem George Clooney Harvey Keitel, den von Zweifeln geplagten Priester, fragt: »Wie kann Gott existieren, wenn dir und deinen Kindern deine Frau weggenommen wird?«
Clooney, der den Verbrecher Seth verkörpert, wird inzwischen als Mörder von der Polizei gejagt, und er glaubte bisher nicht an Vampire. Aber angesichts der Tatsachen, mit denen er in der Spelunke konfrontiert wurde, und die in einem orgiastischen Blutbad endeten, »hatte er seine Lebensmaxime vor 30 Minuten geändert: Was immer da draußen ist und versucht zu uns zu kommen, ist das pure Böse, direkt aus der Hölle. Aber wenn es eine Hölle gibt, aus der diese Monster kommen, dann muss es auch einen Himmel geben, Jakob!«
Diese Logik entwickelte im indonesischen Urwald auch Sabine Kuegler, das »Dschungelkind«, gegenüber Bebe, einem Eingeborenen vom Stamm der Fayu: »Wer ist Tohre?«
»Er ist der böse Geist; er kommt nachts aus dem Urwald und frisst einen auf. ... Er frisst das Leben im Körper.«
»Und wie heißt dann der gute Geist?«
»Was für ein guter Geist? Es gibt keinen guten Geist!«
»Es muss doch auch einen guten Geist geben, wenn es einen bösen gibt.«
»Bebe schaute mich verdutzt an. Nein, es gab definitiv keinen guten Geist. Wie traurig, dachte ich mir. Jetzt verstand ich, warum die Fayu nachts nicht gern ins Freie gingen«, schreibt das Dschungelkind.
»Dschungelkind?«, mag sich jetzt mancher fragen, dem sind wir doch eben schon kurz begegnet? Stimmt, und das macht eine kurze Exkursion erforderlich, wir springen in die Mitte des 20. Jahrhunderts: Auf einem Vortrag eines Freundes von Albert Schweitzer entschied sich ein junges Mädchen im Alter von zwölf Jahren, später Entwicklungshelferin zu werden. Die Grundlage lieferten eine Ausbildung zur Krankenschwester und die Heirat mit einem Mann, der später ebenfalls in den Entwicklungsdienst gehen wollte. Nach einer entsprechenden Sprachausbildung und der Geburt ihrer ersten Tochter, Judith, begannen Doris und Klaus-Peter Kuegler ihre Arbeit in Nepal. Dort wurde 1972 Sabine geboren, zwei Jahre später ihr Bruder Christian. Nach einem Zwischenstopp in Deutschland ging es für die Familie am 23. April 1978 nach West-Papua, Indonesien. Hier lebten Sprachforscher, Anthropologen, Missionare und Piloten zusammen in einer kleinen Siedlung namens Danau Bira, mitten im Urwald.
Sie richteten sich ein, und eines Tages entdeckte Klaus-Peter Kuegler auf einer seiner Expeditionen einen neuen Eingeborenen-Stamm: die Fayu, die seit Generationen in einem Kreislauf des Tötens gefangen waren. Der Stamm war in vier Gruppen getrennt, die sich gegenseitig befehdeten und jede ihre eigenen Gebiete hatten. Als über eingeborene Dolmetscher mühevoll ein erster Kontakt hergestellt werden konnte, wurde der Vater des Dschungelkindes gefragt, was er hier wolle. Er antwortete, dass er überlege, ob er mit seiner Familie hierher ziehen solle, da er mit ihnen leben und ihnen eine Botschaft von Liebe und Frieden bringen wolle. Die Antwort des Fayu-Kriegers: »Ich möchte nicht mehr Krieg führen und Menschen umbringen. Bitte komm wieder!«
Sie verabredeten ein Treffen, drei Monate später. Bei diesem Treffen lernte Sabines Vater Häuptling Baou kennen, der als der gefährlichste und kaltblütigste Fayu-Krieger galt. Dieser gab sein Einverständnis, dass die Kueglers zu ihnen ziehen sollten, und er wies ihnen auch direkt einen Grund und Boden für ihr Haus zu: in der neutralen Zone zwischen allen vier Stämmen. Zur weiteren Arbeit zog 1980 die ganze Familie in das »Verlorene Tal«, in die Nähe eines Stammes, bei dem es noch Kannibalismus gab und Gewalt und Brutalität zum Alltag gehörten. Auch gegenüber den eigenen Frauen.
Sabine war sieben Jahre alt, als die Familie umzog, und viele Jahre später, als sie beurteilen konnte, wie es in Europa und in Deutschland aussah, brachte sie ihre Erinnerungen zu Papier. Der Name »Dschungelkind« ergab sich quasi von selbst: »Ich lernte den Dschungel zu respektieren und ihn auch zu beherrschen, soweit das einem Menschen möglich ist. In den Wochen und Monaten nach unserer Ankunft wurde ich wie Tuare: ein Kind des Dschungels.«
Tuare war ein Fayu und der beste Freund und Spielkamerad von Sabine. In den folgenden Jahren tauten die Fayu-Kinder allmählich auf. Sie waren seit jeher in der Spirale von Hass, Angst und Tod gefangen, kannten keine Spiele, es galt die Blutrache. »Keine Liebe, keine Vergebung, keinen Frieden und keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft«, schreibt das Dschungelkind. Die Sterblichkeitsrate lag bei 70 Prozent für Neugeborene, die Lebenserwartung betrug 30 bis 35 Jahre. Die Fayu wussten keinen Ausweg aus dem Gesetz der Blutrache - auch wenn sie eigentlich Frieden wollten und keinen Tod. Klaus-Peter Kuegler und seine Familie waren für sie die Hoffnung, aus dem Teufelskreis ausbrechen zu können.
Unsere Exkursion nach West-Papua der 1980er Jahre ist damit beendet, wir werden auf unserer Reise allerdings immer mal wieder hierher zurück kehren. Doch zunächst halten wir uns an das Prinzip. Parallelen zum Schamanismus, im Grunde eine Art Vorläufer von Religion, in der der Kontakt zur Geisterwelt hergestellt wurde, sind unübersehbar.
Im Grunde herrscht also überall auf der Welt eine Mischung von verschiedenen Glaubensrichtungen. Auch in Jerusalem, der Heiligen Stadt, herrscht eine Religionsvielfalt, und es vergeht keine Woche, ohne dass Angehörige einer der drei großen Religionen eines ihrer frommen Feste feiern. Diese Tatsache entstammt dem Marco Polo-Reiseführer »Jerusalem« und dokumentiert, welche zentrale, ja dominante Rolle diese Stadt für Gläubige unterschiedlicher Konfessionen spielt, was sich wiederum auf viele Mitmenschen auswirkt. Durch diverse Kalenderreformen und durch die Orientierung der Juden am Mondkalender haben sich zwar die Daten einzelner Feste verschoben, doch die Grundprinzipien blieben erhalten. Der Mondkalender wiederum führt uns im Grunde zurück zu den Naturreligionen, die modernen Glaubensrichtungen hingegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen Verkünder oder Lehrer oder Begründer aufzuweisen haben. Die zahlreichen Götter und Geister, die Hape Kerkeling aufzählte, entstammen verschiedenen Religionen, und jede birgt ihr eigenes Anschauungssystem, bis hin zur Wiedergeburt und dem Karma, das in den orientalischen Religionen, dem Hinduismus und dem Buddhismus eine Rolle spielt. Doch welche Religion und welche Götter stellen nun die richtige Glaubensrichtung dar bzw. welcher Gott ist der höchste Gott? Oder sind alle Religionen und alle Götter gleich?
Damit stellt sich eine weitere Frage, nämlich wie eine Religion oder Religion überhaupt zu Stande kommt? Um das zu klären, hilft eine klare Definition, was denn Religion überhaupt ist. Die Herkunft des Wortes »Religion« ist nicht endgültig geklärt, gemäß Brockhaus stammt es vom lateinischen »religio«, was »Gottesfurcht« bedeutet und laut Cicero wiederum zum Verb »relegere« in Beziehung steht: sorgsam beachten. Eine andere Variante steuern Lactantius und Augustinus bei, die »religio« vom Verb »religare« - verbinden - ableiten. Dies klingt zumindest plausibel, geht es doch darum, die Verbindung zur göttlichen oder geistigen Welt herzustellen. So wie die Naturvölker es vormachten.
Um noch einmal aus dem Brockhaus zu zitieren: Bei Religion handelt es sich um »ein (Glaubens-)System, das in Lehre, Praxis und Gemeinschaftsformen die >letzten< (Sinn-)Fragen menschlicher Gesellschaft und Individuen aufgreift und zu beantworten versucht. Diese >religiöse Frage< stellt sich in verschiedenen Kulturen und zu verschiedenen Zeiten in je anderer Form.« Die verschiedenen Formen sind im Grunde entweder monotheistischer Natur, wie Judentum, Christentum und Islam, oder polytheistischer Natur, wie Naturreligionen und Hinduismus. »Religionssoziologisch lassen sich Religionen charakterisieren als Welterklärungs- und Lebensbewältigungssysteme.«
Religion bedeutet also die Verbindung oder auch die Wiederverbindung mit der geistigen Welt und soll uns dabei helfen, das Leben zu bewältigen oder zu meistern. Die meisten Religionen hatten einen Verkünder, einen Propheten, einen Lehrer, einen Begründer. Ist das so, als ob man auf die Tipps oder Ratschläge von anderen, Älteren oder Lehrern hört? Diese Frage führt uns kurz zurück in meine Kindheit:
Ein Fußballturnier steht auf dem Programm. Wir müssen zwar fahren, doch zahlreiche Eltern sind da und wollen ihre Sprößlinge anfeuern. Oder mal mit anderen Eltern schnacken. Unser Trainer, mein Vater, hat uns eingehend instruiert, wir haben eine Taktik, das Turnier ist halbwegs ausgeglichen besetzt, wir könnten bis ins Halbfinale kommen, mit etwas Glück sogar ins Finale. Als wir gegen eine Mannschaft antreten, die mit einem eher kleinen Torwart spielt, nimmt er mich kurz vor Anpfiff zur Seite, macht mich darauf aufmerksam und ermuntert mich, mal aus der Entfernung zu schießen. Er weiß, dass ich einen ganz ordentlichen Schuss habe. Während des Spiels ergibt sich tatsächlich eine Situation: Ich bekomme den Ball und bin nicht mehr weit vom gegnerischen Strafraum entfernt, so ungefähr 20 bis 18 Meter in zentraler Position. Ich schieße.
Der Torwart fliegt, doch der Ball ist zu hoch für ihn. Tor!
Im ersten Moment bin ich sprachlos. Dann brechen alle Dämme. Na gut, kein brasilianischer, aber immerhin norddeutscher Jubel, und schon ein bisschen ekstatisch, denn es ist das 1:0 für uns. Von nun an läuft es besser, man könnte sagen: Wir kommen besser ins Spiel, und bald schießt ein anderer von uns das 2:0. Beim gegnerischen Team gibt's einen leichten Knick. Doch sie kommen noch mal und schaffen den Anschlusstreffer. 2:1. Wir haben das Spiel nach vorne jedoch nicht eingestellt, keine Abwehrschlacht oder so, wir greifen an. Unsere Stürmer sind gedeckt, aber ich stehe wieder frei vor dem gegnerischen Sechzehner. Diesmal sogar noch etwas weiter, über 20 Meter. Aber als ich den Ball bekomme, schieße ich wieder. Nach den guten Erfahrungen, die ich gemacht habe, und wer weiß, was einmal klappt...
Es ist das Tor des Tages. Mindestens. Links oben in den Winkel, der Torwart hätte auch zwei Meter zehn groß sein können, er hätte ihn nicht gehalten. We are the Champions!
Doch hätte ich die Tore auch geschossen, wenn mein Vater mich nicht zum Schießen ermuntert hätte?
II.1. Wieviele?
Untrennbar verbunden mit Religion ist der Begriff von Gut und Böse. Gute Geister, böse Geister: Luzifer, Beelzebub, Satan, Teufel, Fürst der Dunkelheit, der oder das Böse, Mephistopheles, Antichrist. Die Liste ließe sich fortsetzen, und im Tierreich sind die populärsten Begriffe für diesen geistigen Widersacher Schlange und Drache. Doch die Schlange gilt auch als Symbol für die Weisheit, und im Falle des Medizinwesens sogar für eine heilige Wissenschaft. Da soll einer schlau draus werden!
Zarathustra, bei den Griechen Zoroaster genannt, hat mit der ersten großen Religion sowohl griechische Philosophen als auch Judentum und Christentum beeinflusst. Die Anfänge verlieren sich im Dunkel der Geschichte, und heutzutage zählen nur noch gut 100.000 Menschen zu den Parsen, von Iran bis Indien. Im Gegensatz zu den ebenfalls in uralten Zeiten liegenden Anfängen des indischen Hinduismus trat hier jedoch der Monotheismus in den Vordergrund - und der Kampf zwischen Gut und Böse. Geister werden ebenfalls im »Religionswandel unserer Zeit im Spiegel der Religionswissenschaft«, herausgegeben in den 1970er Jahren von Gunther Stephenson, dargestellt: Ahnenkult, Spiritismus, Medien und Schwarze und Weiße Magie spielen eine Rolle im Leben der einheimischen Bevölkerung, beispielsweise in Brasilien. So schilderte Ernst Benz eine Szene: »Was sich hier abspielte, war ein allgemeiner Gemeindegottesdienst mit Heilzwecken, der ... dem einzelnen Gemeindemitglied Gelegenheit gab, sich sozusagen auf spiritistischem Weg von schädlichen Krankheitskräften entschlacken zu lassen.« Er beobachtete, dass in Brasilien Spiritismus und afrikanische Einflüsse, Geisterbeschwörungen und -heilungen herrschen. Es ist also auch hier von mehreren Geistern die Rede, und stets finden wir die zwei Pole, gut und böse, oder positiv und negativ.
»Das Wesen des Guten ist: Leben erhalten, Leben fördern, Leben auf seinen höchsten Wert bringen. Das Wesen des Bösen ist: Leben vernichten, Leben schädigen, Leben in seiner Entwicklung hemmen«, schreibt Albert Schweitzer. Jedoch, wie konnte ein Böses überhaupt entstehen, wenn Gott doch »gut« ist? Oder ist die ganze Angelegenheit so aufzufassen, wie im Film »Die rechte und die linke Hand des Teufels«, in dem Bud Spencer und Terence Hill als böse Buben die Armen und Schwachen beschützen und also doch eigentlich die Guten sind?
Gute Geister, böse Geister, gute Menschen, böse Menschen? Sie begegnen uns in Märchen und Mythen, aber gibt es wirklich Geister? Oder glauben nur so genannte Naturvölker, Esoteriker und einige Kirchenvertreter an die Existenz von Geistern, bösen und guten? Muss man einen Geist gesehen haben, um an ihn zu glauben? So wie es der Piraten-Captain im Film »Fluch der Karibik« im Gespräch mit Keira Knightley ausdrückte: »Es ist besser, Ihr beginnt an Geistergeschichten zu glauben, Miss Turner. Ihr steckt in einer drin!«
»Gäa, Göttin alles Lebens, die Erde, Gemahlin des Uranos«, steht bei Gustav Schwab zu lesen. Deren Söhne waren die Giganten. Uranos, der Vater des Kronos, und dessen Sohn Zeus, der eine ganze Reihe von Kindern in die Welt setzte, dürften jedem ein Begriff sein. Die Kinder des Gottes mit den Blitzen tummelten sich vorrangig im Nahen Osten, schließlich ist er eine griechische Gottheit. Doch selbst auf der Osterinsel in der Südsee künden riesige Statuen von Kulten oder religiösen Momenten in vergangenen Zeiten. »Seit je versuchen die Menschen, den Sinn ihrer Existenz zu ergründen und die Natur zu verstehen. Aber mit der Kultur wandelte sich stets auch der Glaube, neue Religionen entstanden.« (National Geographic)
Hierauf aufbauend, könnte man in gewisser Weise jedem Gärtner einen Hang zur Naturreligion attestieren, da er ja den Boden, auf dem er lebt und dem alles zu Grunde liegt, bearbeitet. Eine weitere Variante steuern schließlich die orientalischen Lehren bei: Hinduismus, Buddhismus, Taoismus, Konfuzianismus. Ian Stevenson, Professor für Psychiatrie an der Universität von Virginia, untersuchte auf wissenschaftlicher Grundlage in den 1960er Jahren Reinkarnationsfälle aus drei Kontinenten inklusive ausführlicher Dokumentation. Von Indien bis Brasilien und Alaska. Das Thema der Wiedergeburt, die Erinnerung an ein früheres Leben, zieht sich wie ein roter Faden durch gewisse Kulturkreise und tritt vereinzelt auch in der westlichen Welt auf, im Okzident. Genau wie Ian Stevenson dokumentierte auch Thorwald Dethlefsen zahlreiche Fälle, in denen er Patienten per Hypnose in frühere Zeiten zurückversetzte. Er deutete es als Hilfsmittel für den Zugang zum Unbewussten des Patienten bzw. zum Unterbewusstsein. Es ist nur so eine Vermutung am Rande, aber irgendwo in meinem müssen noch ein paar Vokabeln liegen, die ich zwar irgendwann mal gelernt, aber in den Vokabeltests dann nicht mehr parat hatte. Verschüttet.
Während das Gebiet des Hinduismus im Laufe der Zeit kaum eine geographische Veränderung erfuhr, hat sich der Einflussbereich des Buddhismus örtlich gewandelt: »Der Buddhismus hat außerhalb seines Ausgangsgebietes die meisten Anhänger: drei Viertel aller Japaner, jeder zehnte Chinese zählen ebenso dazu wie über eine Million in Nordamerika und in Europa. Das hauptsächliche Verbreitungsgebiet liegt jedoch in Südostasien«, berichtete Der Spiegel 1998. Religionen sind also einem Wandel unterworfen, und zwar sowohl in geographischer als auch in zeitlicher Hinsicht. Aber kann man mit Religionen die wirklich wichtigen Fragen klären?
»Das menschliche Bewusstsein wirft Fragen auf, die durch Fakten, Vernunft und Beobachtung nicht zu beantworten sind. Wer bin ich? Warum bin ich auf der Welt?« (National Geographic)
Können uns die Religionen darüber wirklich eine erschöpfende und befriedigende Antwort geben? Oder ist und bleibt alles eine Frage des Glaubens? Betrachten wir die Frage mal in Anlehnung an unsere Prinzipien: Wieviele und welche Religionen gibt es überhaupt?
Dafür müssen wir konkret werden und eine Auswahl treffen, wobei wir uns an die bekanntesten Religionen halten sollten, die je nach Quelle auch als Weltreligion bezeichnet werden, und denen die größte Anhängerschaft zuerkannt wird. Diese wollen wir uns jetzt einmal im Detail anschauen, und zwar Schritt für Schritt.
II.2. Der G-Begriff
Die indische Religion zählt zu den ältesten Religionen der Welt. Je nach Quelle werden 800 Millionen bis zu einer Milliarde Menschen als Anhänger oder Bekenner des Hinduismus gezählt. In einem von Franz Hartmann übersetzten Auszug aus der Bhagavad-gita zitiert dieser Wilhelm von Humboldt, der Gott dafür dankte, dass er ihn so lange habe leben lassen, um dieses Werk kennen zu lernen.
Durch Menschen wie Mahatma Gandhi, dessen gewaltloser Kampf beispielhaft war und ist, und dem Indien die Unabhängigkeit vom englischen Empire verdankt, wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewisse Aspekte beleuchtet. Das Prinzip der Briten, Baumwolle aus Indien nach Großbritannien zu exportieren, damit die Produkte anschließend wieder importiert wurden, war ein großes Geschäft. Ein noch größeres war das Salz, das quasi vor der Haustür der Inder lag, aber die Briten hatten per Definition des Stärkeren ein Salzmonopol, und damit mussten die Inder ihr eigenes Salz kaufen. So begründet man ein Weltreich. Gandhi lebte seinen Landsleuten vor, wie man dem begegnen könnte, legendär ist seine über dreiwöchige Wanderung im Alter von 60 Jahren mit dem Stab ans Meer, um dort eine kleine Menge Salz in die Hand zu nehmen.
Auch durch Rabindranath Tagore, der 1913 als erster Nichteuropäer den Literatur-Nobelpreis erhielt, wurde die indische Philosophie im Westen populär. Tagore wurde 1921 beim Besuch in Deutschland empfangen wie heutzutage der Dalai Lama - mit spiritueller Sehnsucht, noch stärker im Grunde als heutzutage der weltbekannte Buddhist. Er galt als Philosoph und Mystiker, als »Weiser des Ostens«.
Die Veden oder der Veda, das Wissen oder Wort ist bzw. sind die ältesten religiösen Aufzeichnungen, doch: »Die erste Periode in der Geschichte der religiösen Entwicklung der Inder verliert sich im Dunkel der Legende«, schreibt Helmuth von Glasenapp. »Die Bhagavad-gita, ein philosophisches Gedicht von 700 Strophen, in welchem Krishna dem Arjuna die Lehre von der Erlösung durch Gottesliebe verkündet«, ist im Heldenepos Mahabharata enthalten. Ein Beispiel sei an dieser Stelle zitiert: »Von allen Schöpfungen bin Ich der Anfang, das Ende und auch die Mitte, o Arjuna. Von allen Wissenschaften bin Ich die spirituelle Wissenschaft des Selbst, und unter den Logikern bin Ich die schlüssige Wahrheit.« (Kapitel 10. Vers 32)
Das klingt sehr blumig, eben orientalisch, und in den Ohren eines Europäers halbwegs mystisch. Doch es wird noch unbestimmter, denn der Hinduismus und sein Götterpantheon sind legendär. Es gibt weibliche Gottheiten, Kali und Durga, und männliche, Vishnu, Brahma, Shiva, Rama, Indra, Agni, Krishna, außerdem den Dämonenkönig Ravana und Hanuman.
Da soll sich einer auskennen! Auf jeden Fall steht diese Anschauung recht deutlich im Gegensatz zu den Lehren der monotheistischen Religionen, und eine kann schließlich nur richtig sein, oder?
Der Gottesbegriff, die Göttervielfalt der Inder erinnert mich jedenfalls an die Griechen, die über ein ebenfalls recht buntes Götterbild verfügten: Uranos, Kronos und Zeus sind wir bereits begegnet. Des Weiteren gab es Apollo, Hermes, Poseidon, Aphrodite, Hephaistos ...
Stop!
Dem kundigen Leser wird bereits aufgefallen sein, dass es sich bei den griechischen Göttern um unsere Planeten handelt. Oder besser ausgedrückt: Die römische Version mancher griechischen Gottheit wurde den Planeten unseres Sonnensystems als Name beigelegt. Waren die Planeten also für die alten Griechen Götter? Oder glaubten die Römer, dass die Griechen es glaubten? Bei den Indern war es jedenfalls nicht so, auch wenn ein wesentlicher Aspekt der indischen Weltanschauung der der Vielgötterei war und ist. Es ist gewissermaßen für jeden etwas dabei, und neben den drei populärsten, Brahma, Vishnu und Shiva, dem Weltschöpfer, dem Welterhalter und dem Weltzerstörer, gibt es noch viele weitere: Ganesha, den Vernichter der Hindernisse, Indra, den Gewittergott, Skanda, den Kriegsgott, Agni, den Feuergott, Varuna, den Wassergott, Vayu, den Windgott, Surya, den Sonnengott, Soma, den Mondgott, Yama, den Todesgott, Kama, den Liebesgott.
Es ist also einiges los über dem Himmel von Indien, doch es wird noch komplexer: Das Weltall ist bevölkert von Wesen unterschiedlichster Art, neben Göttern und Dämonen sind natürlich die Menschen hier beheimatet, des Weiteren Tiere und Pflanzen. Alle haben einen vergänglichen Körper und eine unvergängliche Seele, die sich jedoch voneinander unterscheiden. Und sie alle sind wiederum an das Schicksal, an Karma gebunden, und damit an die Wiederverkörperung oder Wiedergeburt. Nur die Erlösung setzt der Seelenwanderung ein Ziel und ist deshalb der höchste Zweck alles menschlichen Strebens.
Ist diese Philosophie der heutigen westlichen Gedankenwelt ein wenig fremd, so wird es bei der Bestimmung der Zeitverhältnisse noch kurioser: Es ist die Rede von unvorstellbar großen Zahlenangaben, Jahreszahlen von Millionen von Jahren, zum Beispiel soll ein Tag Brahmas aus 1.000 Zyklen von je vier Yugas, das heißt Zeitaltern, bestehen. Das Satya-Yuga dauert 1.728.000 Jahre, das Treta-Yuga 1.296.000 Jahre, das Dvapara-Yuga 864.000 Jahre und das Kali-Yuga 432.000 Jahre.
Macht zusammen 4.320.000 Jahre. Multipliziert mit 1.000 Zyklen erhalten wir das ungefähre Alter der Erde, wie es sich die heutige Wissenschaft vorstellt: 4,3 Milliarden Jahre. Haben das die alten Inder bereits vor Tausenden von Jahren gewusst?
Hm, unwahrscheinlich, denn dies ist schließlich erst ein Tag Brahmas! Wenn wir diese Jahreszahl mit den Tagen eines Jahres und anschließend mit den 100 Jahren, die Brahma gemäß Bhagavad-gita leben soll, multiplizieren, landen wir in völlig skurrilen Dimensionen. Es scheint also doch orientalisch übertrieben zu sein, oder ist symbolisch auszulegen.
Da ich die Symbole aber nicht kenne, bleibe ich lieber auf der Erde und schaue mal kurz zum Nachbarn: Obwohl China und Indien in geographischer Hinsicht eng beieinander liegen und sich auch die Anzahl der Bevölkerung auf annähernd gleich hohem Niveau befindet, gibt es beträchtliche Unterschiede in der Kultur, Sprache und Mentalität beider Volksgruppen. Was eigentlich erstaunlich ist, denn beide zählen im Grunde zu den ältesten Kulturen der Welt. Aber so ein Massaker wie in China 1989 auf dem Tiananmen-Platz wäre in Indien kaum vorstellbar.
Ob dies mit der Lehre von der Wiederverkörperung oder Reinkarnation zusammenhängt, mit der die indische Religion und Philosophie untrennbar verbunden ist? Hier herrscht immerhin der Glaube, dass alle Handlungen, die man in einem Leben ausführt, sich in einem späteren Leben auswirken. Das Fachwort Karma ist heutzutage bis in alle Teile der westlichen Welt vorgedrungen und allgemein bekannt. So stellt sich auch bei uns manchmal die Schicksalsfrage, freilich an das westliche Denken und die heutige Zeit angepasst. So wie es Hape Kerkeling formulierte: »Auch die Reinkarnationstheorie muss man ernsthaft durchdenken. Es wäre ja durchaus vorstellbar, dass man, obwohl man sich nicht daran erinnert, schon Tausende Male gelebt hat ... Vielleicht sind wir in jedem Leben - unter Beibehaltung eines immanenten Kerns - jedes Mal ein ganz anderer respektive andere.«
Tja, wer weiß? Aber wenn die Reinkarnation in Indien gilt, müsste sie dann nicht auch in allen anderen Ländern gelten? So wie die Untersuchungen von Ian Stevenson und Thorwald Dethlefsen es gezeigt haben? Aber in anderen Ländern gibt es keine Hindus, sondern Christen, Moslems, Juden, Taoisten etc., und insofern stellt sich schon wieder eine Frage: Gibt es die Reinkarnation nur für Hindus? Das wäre nicht logisch. Gibt es sie also überhaupt?
Hm. Vielleicht sollten wir uns erstmal noch anhören, was andere Religionen zu diesem Thema sagen, denn was der Hinduismus zu sagen hat, wissen wir jetzt ansatzweise, und mit rund einer Milliarde Menschen gehören dieser Religion auch viele Gläubige an. Doch was hat es mit den anderen Religionen auf sich? Wieso braucht man dann noch andere?
Wir machen auf unserer Reise jetzt einen kleinen Sprung in geographischer und einen größeren in zeitlicher Hinsicht. Von Indien geht es nach Westen, in Richtung Mittelmeer. Über Land würden wir durch Pakistan, Afghanistan, Iran, den Irak und Syrien ziehen, zu Wasser über das Arabische Meer bis nach Oman, von dort über Saudi-Arabien nach Jordanien einreisen, um schließlich in einem kleinen Land an der Ostküste des Mittelmeers anzukommen. Eine wahrlich lange Reise. Doch gedanklich können wir sofort dort sein: im Land Kanaan.
II.3. Weshalb?
Israel, das Heilige Land der drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam, ist ebenso bekannt durch die Heilige Stadt Jerusalem wie durch die geopolitische Lage inmitten des Nahen Ostens, zwischen Afrika und Asien. Drei Meere, das Mittelmeer, das Tote Meer und das Rote Meer, Gebirge und Wüste prägen das Land, das wie selten eines von einer Geologie geprägt ist, die nahezu einzigartig ist: Der höchste Berg des Landes mit über 2.800 Metern in den Golanhöhen lädt zum Wintersport ein, während das Tote Meer mich an meine Jugend erinnert und an die Geschichte, dass man dort ohne Luftmatratze im Wasser bzw. auf dem Wasser liegen und Zeitung lesen kann. Es liegt nicht nur 400 Meter unter dem Meeresspiegel, sondern ist mit 30 Prozent Salzgehalt das salzhaltigste Gewässer der Welt. Das in alten Zeiten »Kanaan« genannte »Gelobte Land« der Israeliten ist im Laufe der Jahrtausende immer wieder Ort von bedeutsamen historischen Ereignissen gewesen. Die Wüste Sinai, wohin Moses die Flüchtlinge während des Exodus führte, bis sie schließlich in Kanaan eintrafen. Auf der Flucht vor den Ägyptern bzw. dem Pharao und seinen Heerscharen.
Ein Film, den ich eine halbe Generation später zu Studienzeiten sah, weckte Erinnerungen und Assoziationen an längst vergangene Zeiten: »Die Mumie kehrt zurück« war einer der Knaller des Jahres und kostete zehn Mark 50 Eintritt. Die sich lohnten. Abgesehen vom Unterhaltungswert frage ich mich, warum wir so fasziniert vom damaligen Ägypten sind. Mysteriöse Bräuche, eine andere - ältere - (Hoch-)Kultur, Mentalität. Ja, im Geschichtsunterricht, beginnend mit der siebten Klasse, kamen erst die Ägypter, dann die Griechen, dann die Römer.
Doch zurück in die Geschichte. Das Judentum ist die älteste monotheistische Religion der Welt, was auch in den Zehn Geboten deutlich wird, denn das erste lautet: »Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter neben mir haben.«
Dieses Gebot erörterte der englische Philosoph Thomas Hobbes in seinem Werk »Der Leviathan« im 17. Jahrhundert: »Zu behaupten, dass es mehrere Götter gebe, ist eine Verletzung der Ehre Gottes; denn es kann nur ein unendliches Wesen stattfinden.«
Die weiteren Gebote lauten:
»2. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen.
3. Gedenke des Sabbattages, daß du ihn heiligst.
4. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
5. Du sollst nicht töten.
6. Du sollst nicht ehebrechen.
7. Du sollst nicht stehlen.
8. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.
10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut.«
Bei Thomas Mann heißt es:
»Er schrieb auf die eine Tafel:
Ich, Jahwe, bin dein Gott; du sollst vor mir keine anderen Götter haben.
Du sollst dir kein Gottesbild machen.
Du sollst meinen Namen nicht liederlich führen.
Meines Tages gedenke, daß du ihn heiligst.
Ehre deinen Vater und deine Mutter.
Und auf die andere Tafel schrieb er:
Du sollst nicht morden.
Du sollst nicht ehebrechen.
Du sollst nicht stehlen.
Du sollst deinem Nächsten nicht Unglimpf tun als ein Lügenzeuge.
Du sollst kein begehrlich Auge werfen auf deines Nächsten Habe.«
Eine moderne Version liefern Monika und Udo Tworuschka in ihrem Buch »Religionen der Welt«:
»1. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.
2. Du sollst den Namen Jahwes, deines Gottes, nicht mißbrauchen.
3. Denk an den Sabbat; halte ihn heilig.
4. Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das Jahwe, dein Gott, dir gibt.
5. Du sollst nicht morden.
6. Du sollst nicht die Ehe brechen.
7. Du sollst nicht stehlen.
8. Du sollst nicht falsch Zeugnis gegen einen anderen aussagen.
9. Du sollst nicht die Frau eines anderen begehren.
10. Du sollst nicht das Haus eines anderen begehren, seinen Sklaven oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen Esel oder irgendetwas, was dem anderen gehört.
Nach dem Zweiten Buch Mose 20, 2-17«
Wie bei einem Vergleich der verschiedenen Versionen auffällt, gibt es durchaus Unterschiede. Doch im Großen und Ganzen sind die Versionen gleich - vom Sprachgebrauch, der sich bereits in wenigen Jahrzehnten verändert, einmal abgesehen.
Die Zehn Gebote sind auch über den jüdischen Religionskreis hinaus bekannt und zählen wohl zu den bekanntesten und populärsten Inhalten des jüdischen Glaubensbekenntnisses. Das achte Gebot kennen wir auch als »Du sollst nicht lügen!«, und bei den meisten Geboten handelt es sich um negative Gebote, also um Verbote. Ähnliche Gebote finden sich auch bei Buddha und Konfuzius, also im fernöstlichen, asiatischen Raum, sowie im Koran.
Das Judentum gilt gemäß Brockhaus als Mutterreligion von Christentum und Islam, und je nach Quelle gibt es weltweit zwischen 13 und 15 Millionen Juden. Der Großteil lebt außerhalb Israels, nur drei von vier der 6,6 Millionen Einwohner sind jüdischen Glaubens, 15 Prozent sind Muslime. Im Großraum New York leben zwei Millionen Juden und in den USA mit 5,7 Millionen mehr als in ganz Israel.
Über die Geschichte des Judentums und »Gottes auserwähltes Volk« (stern) hat jeder in der Schule gehört, dazu kann man sich heutzutage aus den unterschiedlichsten Quellen unterrichten und in die Materie vertiefen. Einige Stichpunkte seien hier angeführt: Im 13. Jahrhundert erfolgte unter Moses der Auszug aus Ägypten, im zehnten Jahrhundert vor Christus war die Zeit von König David und seinem Sohn Salomo. Es war eine Art Blütezeit, Jerusalem wurde Hauptstadt, und bedingt durch seine Lage zwischen Ost und West, eine Art Zentrum des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens, gekrönt vom Bau des Tempels Salomos, dessen Inneres die Bundeslade beherbergte. Nach Salomos Tod ging es jedoch bergab, Konflikte brachen auf, das Land zerfiel in zwei Reiche: Israel und Juda. Der Tempel und Jerusalem wurden 587 vor Christus durch Nebukadnezar zerstört, gefolgt vom Babylonischen Exil. Im ersten Jahrhundert vor Christus wurde Palästina römische Provinz, im siebten Jahrhundert nach Christus von den Arabern erobert. Der negative Höhepunkt der Judenverfolgungen war schließlich mit dem Beginn der Nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland und den Deportationen in Konzentrationslager erreicht, die mit der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 ihren Anfang nahmen. »Der Holocaust beschleunigte die Gründung des Staats Israel« (National Geographic), und es wanderten Juden aus aller Welt nach Palästina. Eine weitere große Flüchtlingswelle war in den 1990er Jahren zu beobachten, in denen mehr als eine Million Juden aus der ehemaligen Sowjetunion nach Israel zog. So weit einige Details zum geschichtlichen Verständnis. Etliches dürfte weitestgehend bekannt sein, doch wir wollen uns auf der Suche nach den Prinzipien für die W-Formel nun an die eigentliche Quelle dieser Religion halten: Das Alte Testament, das im Christentum ebenfalls als Quelle gilt und im Buch der Bücher, der Bibel, an erster Stelle steht.
Die Genesis und der Exodus sind zwei der fünf Bücher Mose, der jüdischen Torá - dem Gesetz -, und mit der Genesis beginnt die Erschaffung der Welt. Wenn zwei Weltreligionen diese Quelle nutzen, lohnt sich ein Blick in das erste Buch Mose, der Genesis, auf jeden Fall. Vielleicht erhalten wir daraus ein paar Ansatzpunkte für unsere Prinzipien, für die W-Formel. Denn es gibt sogar Judenchristen, Menschen, die unter Beachtung und Beibehaltung der jüdischen Gesetze des Moses Christen wurden. Schauen wir also, was das Alte Testament über »die Erschaffung der Welt« zu berichten weiß, denn so heißt das erste Kapitel.
In den Versen drei bis fünf sprach Gott: »Es werde Licht, und es wurde Licht«, und »Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.«
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