Die Zuneigung des Monsters - S.E. Smith - E-Book

Die Zuneigung des Monsters E-Book

S.E. Smith

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Beschreibung

Eine Sieben Königreiche Erzählung 8

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DIE ZUNEIGUNG DES MONSTERS

S.E. SMITH

DANKSAGUNG

Ich danke meinem Mann Steve dafür, dass er an mich geglaubt hat und so stolz auf mich war, dass ich den Mut hatte, meinem Traum zu folgen. Ein besonderer Dank gilt außerdem meiner Schwester und besten Freundin Linda, die mich nicht nur zum Schreiben ermutigt, sondern auch das Manuskript gelesen hat; und auch meinen anderen Freundinnen, die an mich glauben: Maria, Jennifer, Jasmin, Rebecca, Julie, Jackie, Lisa, Sally, Elizabeth (Beth), Laurelle, und Narelle. Diese Mädels geben mir Kraft!

Und ein ganz besonderes Dankeschön an Paul Heitsch, David Brenin, Samantha Cook, Suzanne Elise Freeman, Laura Sophie, Vincent Fallow, Amandine Vincent, und PJ Ochlan – die wunderbaren Stimmen meiner Hörbücher!

—S.E. Smith

Die Zuneigung des Monsters

Eine Sieben Königreiche Erzählung 8

Copyright © 2022 bei Susan E. Smith

Erstveröffentlichung des E-Books auf Englisch September 2020

Erstveröffentlichung des E-Books auf DeutschApril2022

Umschlaggestaltung von: Melody Simmons und Montana Publishing

ALLE RECHTE VORBEHALTEN: Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Autorin auf irgendeine Art und Weise vervielfältigt werden, dazu zählen auch vollständige oder teilweise elektronische oder fotografische Vervielfältigungen.

Alle Charaktere und Ereignisse in diesem Buch rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder tatsächlichen Ereignissen oder Organisationen sind rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.

Zusammenfassung: Nachdem sein Großvater ihm von seiner faszinierenden Reise in eine andere Welt erzählt hat, macht sich ein CIA-Agent auf die Suche nach den geheimnisvollen Sieben Königreichen und der bezaubernden Kaiserin der Monster.

ISBN: 9781956052534 (eBook)

ISBN: 9781956052541 (Taschenbuch)

Romantik | Fantasy | Zeitgenössisch | Action Abenteuer | Paranormal

Veröffentlicht von Montana Publishing, LLC

und SE Smith von Florida Inc. www.sesmithfl.com

INHALTSVERZEICHNIS

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Anmerkung der Autorin

Weitere Bücher und Informationen

Über die Autorin

ÜBERSICHT

Als der CIA-Agent Asahi Tanaka noch ein Kind war, erzählte sein Großvater ihm Geschichten über ein geheimnisvolles Reich, in dem es Magie und Monster wirklich gibt. Seine Suche nach Antworten führt ihn zurück nach Yachats, Oregon, dem Ort, an dem er aufgewachsen ist. Als er auf eigene Faust Nachforschungen über eine Reihe von verschwundenen Personen anstellt, gelingt ihm ein Durchbruch in dem Fall, und er findet sich in einer seltsamen und dennoch unheimlich vertrauten Welt wieder.

Nali, die Kaiserin der Monster, tut alles, um die Kreaturen unter ihrer Obhut zu schützen. Als einer ihrer sagenumwobenen Seehirsche schwer verletzt an Land gespült wird, wird ihr klar, dass die außerirdische Kreatur in ihr Reich vorgedrungen ist. Als sie sich auf die Suche nach dem Außerirdischen begibt, macht sie eine unerwartete Entdeckung – es ist noch ein Besucher auf der Monsterinsel, diesmal von der Erde!

Eine riskante Reise auf der Suche nach dem bösartigen Außerirdischen führt Nali und Asahi quer über die Insel der Monster, wo sie eine Entdeckung machen, die ihre Wahrnehmung verändert und sie ihren Platz im Universum neu überdenken lässt. Wird die Magie, die zwischen den beiden Kriegern aus zwei unterschiedlichen Welten entfacht wird, ausreichen, um die Bedrohung zu vernichten? Oder muss sich einer von ihnen opfern, um nicht nur die Sieben Königreiche, sondern auch die Erde zu retten?

Die weltberühmte Autorin S.E. Smith präsentiert ein neues aufregendes Buch voller Leidenschaft und Abenteuer. Durch ihren einzigartigen Humor, die lebhaften Landschaften und die beliebten Charaktere wird dieses Buch garantiert ein weiterer Fan-Favorit!

DIE SIEBEN KÖNIGREICHE ÜBERSICHT

Insel der Elementargeister – als erste geschaffen

König Ruger und Königin Adrina

•Beherrschen Erde, Wind, Feuer, Wasser und Luft. Außerhalb ihrer Insel ist ihre Macht etwas schwächer.

•Geschenk der Göttin: Das Juwel der Macht.

Insel der Drachen– als zweite geschaffen

König Drago

•Herrscht über die Drachen

•Geschenk der Göttin: Drachenherz.

Insel der Meeresschlange – als dritte geschaffen

König Orion

•Herrscht über die Ozeane und Meeresgeschöpfe

•Geschenk der Göttin: Die Augen der Meeresschlange.

Zauberinsel – als vierte geschaffen

König Oray und Königin Magika

•Ihre Zauberkräfte sind extrem mächtig, werden jedoch etwas schwächer, wenn sie nicht auf ihrer Insel sind.

•Geschenk der Göttin: Der Reichsapfel des ewigen Lichts.

Insel der Monster – als fünfte geschaffen, für alle, die zu gefährlich oder selten sind, um auf den anderen Inseln zu leben.

Kaiserin Nali kann die Zukunft sehen.

•Geschenk der Göttin: Der Spiegel der Göttin

Insel der Riesen – als sechste geschaffen

König Koorgan

•Riesen können gigantische Ausmaße annehmen, wenn sie bedroht werden – allerdings nur, wenn sie sich nicht auf ihrer Insel befinden

•Geschenk der Göttin: Der Baum des Lebens.

Pirateninsel – als letzte geschaffen, für alle, die von den anderen Inseln verstoßen wurden.

Der Piratenkönig Ashure Waves, Hüter der verlorenen Seelen

•Sammler der schönen Dinge. Die wilden und cleveren Piraten durchstreifen die Inseln, handeln, feilschen und bedienen sich gelegentlich an interessanten Gegenständen.

•Geschenk der Göttin: Der Geisterkessel.

Berühmtes Zitat

„Die Art und Weise, wie wir mit dem umgehen, was uns gegeben wurde, bestimmt, wer wir sind und wer wir werden sollen.“

~König Ashure Waves~

PROLOG

Die Insel der Monster:

Einige Jahrhunderte zuvor

Die kleinen Rosenfeen flatterten aufgeregt umher. In der Nähe der alten Weide war ein Portal aufgetaucht, durch das sie einen Blick in die Tiefen des Weltraums werfen konnten, bevor sich eine anmutige goldene Frau in der Öffnung materialisierte. Es war die Göttin!

Die Feen klammerten sich an den Ästen des prächtigen alten Weidenbaums fest, kauerten sich hinter seine vielen Blätter und blickten neugierig auf sie hinab. Die mutigste der schlanken grünen Feen wagte sich näher heran, als die Frau sich hinkniete und vorsichtig ein buntes Stoffbündel auf den Boden legte. Als die kleine Fee hin und her flatterte, um einen besseren Blick darauf zu erhaschen, sah die goldene Frau auf und lächelte.

„Passt auf sie auf“, befahl die Göttin mit melodischer Stimme.

„Das werden wir“, versprach die Fee und landete neben dem bunten Bündel auf dem Boden.

Die Göttin lächelte. „Wie heißt du?“, fragte sie.

„Rosewood, Eure Majestät“, antwortete die Fee mit einer kleinen Verbeugung.

„Danke, Rosewood“, erwiderte die Göttin, bevor sie verschwand.

Rosewood starrte auf die leere Stelle, wo vor einem Moment noch die Göttin gestanden hatte. Dann flog sie in die Luft und landete auf dem Bündel. Sie kicherte, als sich die darin eingewickelte Kreatur bewegte. Ein Keuchen ertönte von den leicht schwankenden Ästen.

„Sei vorsichtig, Rosewood“, rief eine Fee.

„Du weißt nicht, was es ist“, mahnte eine andere.

Rosewood winkte die Bedenken der Feen ungeduldig ab. Die Göttin hatte ihr eine Aufgabe erteilt, und sie würde nicht versagen.

Das Wesen bewegte sich erneut, und der Stoff rutschte zur Seite und enthüllte das dunkle, runde Gesicht eines Säuglings, der ihr mit großen braunen Augen mit goldenen Flecken entgegenblickte. Schwarze Locken lugten unter der Decke hervor. Dann verzog die Kleine das Gesicht und schloss die Augen. Einen Moment lang dachte Rosewood, das Baby würde zu schreien anfangen. Stattdessen nieste das Kind laut und gurrte dann fröhlich.

Rosenholz lächelte und verriet den anderen: „Ich habe im Rosengarten des Palastes gehört, dass sich die Kaiserin und der Kaiser ein Baby wünschen, ein kleines Mädchen, das sie Nali nennen wollen. Das muss sie sein. Die Göttin hat ihre Bitten erhört“, verkündete sie ehrfürchtig.

„Was für ein Monster ist sie, Rosewood?“, fragte eine andere Fee, die über dem Baby herumflatterte.

Rosewood musterte die Kreatur mit schiefgelegtem Kopf, bevor sie mit den Schultern zuckte. „Ist das wichtig? Sie ist Nali – unsere zukünftige Kaiserin.“ Rosewood grinste, als sie die wachsende Zahl von Feen sah, die sich neugierig um das Baby drängten, das eines Tages die Kaiserin der Monsterinsel sein würde.

Yachats, Oregon:

Vor sechsundzwanzig Jahren

Der siebenjährige Asahi Tanaka lugte neugierig hinter dem langen Sofa hervor und zuckte zusammen, als sein Vater beim Verlassen des Hauses die Haustür hinter sich zuschlug. Asahi hatte sich versteckt, um das Gespräch zwischen seinem Vater und dem Mann zu belauschen, der sich als Aiko, sein Großvater, vorgestellt hatte.

Sie waren gerade von Babas Beerdigung zurückgekehrt, deshalb war der heutige Tag schon schwer genug, auch ohne dass der Zorn seines Vaters überkochte. Doch kaum hatte Hinata Tanaka das Haus betreten, hatte er Aiko angeschrien. Ihr Gespräch war schnell hitzig geworden – vor allem, weil sein Vater sich weigerte, Aikos Erklärung darüber anzuhören, wo er gewesen war.

Asahi legte den Kopf schief, als er das Quietschen der Reifen des Sportwagens seines Vaters hörte. Wieder einmal hatte sein Vater ihn vergessen. Baba, Asahis Großmutter, wäre wütend gewesen, wenn sie noch am Leben wäre. Sie hatte sich immer darüber beschwert, dass sein Vater auf den engen, kurvenreichen Straßen hier zu schnell fuhr.

Bei dem Gedanken an seine Großmutter brannten Tränen in seinen Augen. Als sich eine aus dem Augenwinkel löste und über seine Wange kullerte, hob er die Hand und wischte sie weg. Baba hätte ihn dafür gescholten, dass er um sie weinte.

„Asahi, ich weiß, dass du da bist. Bitte komm raus“, sagte der Mann, der auf dem Sessel saß.

Asahi kroch langsam hinter dem Sofa hervor und stand auf. Er blickte den Mann an, der aussah, als wäre er genauso alt wie sein Vater. Sie sahen sich so ähnlich, dass man Aiko und seinen Vater für Zwillinge hätte halten können.

„Komm, setz dich, damit wir reden können“, bat Aiko Tanaka sanft.

Asahi straffte seine schmalen Schultern und hob den Kopf. Schweigend ging er zum Lieblingssessel seiner Großmutter und setzte sich. Die makellosen weißen Deckchen, die sie gehäkelt hatte, waren über alle Armlehnen des grünen, blumengemusterten Polstermöbels drapiert. Er schluckte und wartete, während sein Großvater ihn musterte.

Aiko seufzte und betrachtete das Bild, das er in der Hand hielt. Asahi sah sich das Foto ebenfalls an. Es war ein altes Bild von Baba, seinem Vater als Kind, und Aiko – Aiko sah genauso aus wie jetzt.

„Wie … wie kann das sein?“, fragte Asahi mit stockender Stimme.

Aiko lächelte ihn an. „Das ist eine lange Geschichte. Eine, die ich gerne mit deiner Baba geteilt hätte und die ich deinem Vater in allen Einzelheiten erzählen werde, wenn er es erlaubt. Ich würde sie auch dir gerne erzählen, wenn du sie hören möchtest“, sagte er.

Asahi nickte eifrig. „Ja. Ich liebe Geschichten. Baba hat mir viele Geschichten erzählt“, antwortete er schüchtern.

Aiko gluckste. „Deine Großmutter war eine begnadete Geschichtenerzählerin. Diese hier hätte ihr gefallen. Meine Geschichte beginnt an einem nebligen Morgen vor vierzig Jahren …“, fing er an und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

Asahi hörte gebannt zu, als sein Großvater von seiner unglaublichen Reise in eine andere Welt erzählte, einer Welt voller Magie, Drachen, Riesen, Hexen, Piraten – und Monster. Die Wunder der Sieben Königreiche regten Asahis Fantasie an.

Während sie zu Abend aßen, brach die Dunkelheit herein. Sein Großvater hielt inne und starrte ihn schweigend an, dann drehte er sich in seinem Sessel um, öffnete eine Tasche, die daran hing, und zog einen verzierten Dolch heraus. Oben auf dem Griff befand sich ein kleiner geflügelter Löwe aus Gold. Aiko hielt ihn behutsam in seinen Händen.

Fasziniert betrachtete Asahi die seltsamen Symbole, die in die dicke Lederscheide eingeprägt waren. Sein Großvater legte den Dolch vor ihm auf den Tisch und nickte ihm zu. Asahis Blick blieb auf dem aufwändig verzierten Löwen haften.

„Dieser Dolch war das Geschenk eines guten Freundes. Jahrelang hegte ich den Wunsch, ihn deinem Vater zu geben, aber ich war mir nicht sicher, ob ich jemals nach Yachats zurückkehren würde“, erklärte Aiko leise.

Asahi legte den Kopf schief. „Baba sagte, dass Vater Dinge, die er bekommt, nicht immer so zu schätzen weiß, wie er es sollte. Sie hat dich vermisst. Ich fand es immer schön, wenn sie mir Geschichten über dich erzählt hat“, gestand er.

Aiko lächelte und schob ihm den Dolch hin. „Dann werde ich diesen magischen Dolch dir schenken“, sagte er.

Ein Klopfen an der Haustür hinderte Asahi daran zu sagen, was er sagen wollte. Er wartete, bis Aiko im Wohnzimmer war, bevor er mit den Fingern über den Griff des Dolches strich. Überrascht stellte er fest, dass der mit roten Juwelen besetzte Griff aufleuchtete. Er zog seine Hand weg.

Als er den heiseren Schrei seines Großvaters hörte, stand er auf. Asahi ging zu dem Durchgang zwischen Küche und Wohnzimmer. Er spähte um die Ecke, um zu sehen, wer an der Tür war. Sein Herz hämmerte in seiner Brust, als er sah, dass ein Polizist mit Aiko sprach.

„Wo ist es passiert?“, fragte sein Großvater mit zittriger Stimme.

„Auf dem Highway 101. Anscheinend hat er in der Kurve die Kontrolle verloren und ist gegen die Leitplanke geprallt. Sein Auto ist über die Böschung und die Klippe hinuntergestürzt. Jemand hat gemeldet, dass er das Auto unten in der Schlucht gesehen hat. Er ist bei dem Aufprall gestorben. Es tut mir leid“, erklärte der Polizeibeamte.

„Nein“, flüsterte Asahi. Tränen liefen ihm und seinem Großvater über das Gesicht. Wut durchflutete seinen Körper.

„Asahi“, begann sein Großvater.

„Es ist alles ihre Schuld“, flüsterte Asahi.

Der Polizist sah ihn an und runzelte die Stirn. „Wessen Schuld, Kleiner?“, fragte er.

Asahi sah seinen Großvater an. „Die der Monster. Wenn sie dich nicht entführt hätten, wärst du für Baba und Vater da gewesen. Sie hätten dich nicht mitnehmen dürfen. Die Monster sind der Grund, warum Baba und Vater tot sind“, murmelte er grimmig.

Er wartete nicht, bis der Polizist oder sein Großvater antworteten. Nichts, was sie sagten, würde seine Großmutter oder seinen Vater zurückbringen. Er eilte zurück in die Küche, schnappte sich den Dolch vom Tisch und ein Geschirrtuch von der Theke und verließ die Küche durch die Hintertür.

Die Tränen, die ihm übers Gesicht liefen, vermischten sich mit dem feuchten Nebel, als er den unebenen Weg in den Wald hinter ihrem Haus entlangeilte. Nach etwa hundert Metern blieb er stehen und atmete mehrmals zitternd die kühle Luft ein. Er wischte sich mit dem Ärmel seines Hemdes über das Gesicht.

Neben dem Weg befand sich ein Felsvorsprung, auf dem er oft gespielt hatte. Er ließ sich daneben auf den Boden sinken und legte den Dolch seines Großvaters und das Geschirrtuch neben sich ab.

Es dauerte ein paar Minuten, bis er die Erde, die er an einer Seite der Felsen aufgehäuft hatte, weggeschafft hatte. Er suchte den Boden ab, bis er den großen, losen Stein fand, der sein geheimes Versteck bedeckte. Er löste den Stein, legte ihn beiseite und griff in den kleinen Spalt. Darin befanden sich die Schätze, die er im Laufe des letzten Jahres gesammelt hatte. Er kramte die Steine, Muscheln und eine Reihe von Spielsachen hervor, die er in dem Hohlraum versteckt hatte, und warf sie beiseite.

Vorsichtig wickelte Asahi das Geschirrtuch um den Dolch, bevor er ihn in den Hohlraum schob. Anschließend legte er den Stein wieder über den Hohlraum und versteckte ihn, indem er ihn mit noch mehr Steinen und Erde bedeckte.

Als er sicher war, dass niemand den Dolch finden würde, kehrte er auf den Weg zurück. Der schwere Nebel ging in einen leichten Regen über, der das Hemd und die Hose, die er noch von der Beerdigung trug, durchnässte. Seine Kleidung war mit dunklen Schmutzflecken übersät, aber das war ihm egal.

Asahi ging langsam zum Haus zurück, zitternd vor Kälte und Schock. Sein Großvater stand in der Tür und wartete auf ihn. Er blieb stehen, und sie starrten sich eine Weile schweigend an, bevor Aiko aus dem Haus trat, durch den Regen ging und vor ihm stehenblieb.

Er zitterte, als Aiko ihm eine warme Hand auf die Schulter legte. „Wir werden neu anfangen, Asahi. Yachats birgt zu viele Erinnerungen für uns beide“, verkündete sein Großvater leise.

„Ich habe dein magisches Messer versteckt“, gestand Asahi.

Aiko nickte verständnisvoll. „Dann weißt du, wo es ist, wenn du bereit bist“, antwortete er.

Asahi warf sich in Aikos ausgebreitete Arme und umklammerte die Taille seines Großvaters. Leise Schluchzer erschütterten seinen Körper. Er konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob es sich bei dem Regen um Babas Tränen handelte, und sie mit ihm weinte.

KAPITEL1

Die Insel der Monster:

Heute

Abrupt erwachte Asahi aus seiner Bewusstlosigkeit. Er runzelte die Stirn, als er über sich ein Blätterdach unbekannter Bäume sah und nicht wie erwartet den Himmel Oregons. Er krümmte seine Finger und stellte fest, dass er statt Sand weiches Moos berührte. Helle, fremdartige Farben erfüllten seine Sicht.

Nachdem er die Umgebung inspiziert hatte, zwang er seinen Körper, sich zu bewegen. Schnell stellte Asahi jedoch fest, dass es nicht einfach war, sich aufzusetzen, da sich die Welt um ihn herum drehte. Er stützte seine Stirn auf die Knie, während schwarze Punkte an seinen Augen vorbeischwammen.

Er atmete mehrmals tief durch, bis er sicher war, dass er nicht erneut ohnmächtig werden würde. Als er den Kopf hob und sich umschaute, dauerte es nicht lange, bis sich sein Verdacht bestätigte, dass er nicht mehr am Strand im Yachats State Park war – oder auf der Erde.

„Ruth“, rief er leise.

Er stieß sich vom Boden ab und schwankte, als ihm erneut schwindelig wurde. Er beugte sich vor, stützte die Hände auf seinen Oberschenkeln ab und wartete, bis der Schwindel nachließ. Erst nach mehreren Minuten tiefen Durchatmens konnte er sich wieder aufrichten.

Der Zauberspruch hatte funktioniert. Er stand mitten in einem seltsamen Wald. Hohe Bäume, viele davon so groß wie die Redwoods und Sequoias auf der Erde, ragten über ihm empor. Im Gegensatz zu den Bäumen zu Hause hatten diese Bäume lange, spiralförmige Äste mit dunklen, blutroten Blättern, die nach oben wuchsen und sich in riesigen Abschnitten verzweigten. Ihre dunkelroten Stämme sahen aus, als hätten sich Dutzende von kleineren Bäumen im Laufe ihres Wachstums umeinander gewunden. Der Gesamteindruck war atemberaubend – und definitiv fremdartig.

Er hatte es in die Welt der Sieben Königreiche geschafft. Allerdings schien Ruth nicht bei ihm zu sein. Magna, eine ehemalige Bewohnerin der Sieben Königreiche, hatte Ruth den Zauber gegeben, und sie hatte ihn ausgesprochen, aber es war unbestreitbar, dass Asahi allein hierstand.

Blaue, grüne und gelbe Ranken hingen von den Bäumen, einige trugen Früchte. Er stolperte rückwärts, als er sah, wie ein kleines, haariges, bläulich-violettes Säugetier aus einem Loch im Stamm hervorkroch und mit zwei seiner sechs Gliedmaßen eine gelbe Frucht packte. Dann drehte sich das pelzige Wesen um und musterte ihn misstrauisch. Es blinzelte abwechselnd mit seinen sechs Augen, bevor es die Frucht näher an seine Brust heranführte. Das Tier wedelte mit seinem langen, dünnen Schwanz, der mit flauschigen violetten Haarbüscheln bedeckt war, und kehrte dann in seinen Unterschlupf zurück. Asahi lächelte, als er sich an den Namen des Säugetiers erinnerte.

„Eine Purpurschwanz-Baummaus“, murmelte er.

Er griff in die Seitentasche seiner schwarzen Cargohose und zog sein Tagebuch heraus. Es enthielt alle Informationen, die sein Großvater ihm im Laufe der Jahre weitergegeben hatte. Als er auf den Boden blickte, atmete er erleichtert auf, als er die schwarze Reisetasche sah, die er dabeigehabt hatte, bevor er hier gelandet war. Er war sich nicht sicher gewesen, ob sie die Reise überstehen würde.

Er kniete sich hin und öffnete den Reißverschluss. Eine schnelle Bestandsaufnahme ergab, dass alles, was er eingepackt hatte, noch da war. Zuerst holte er seine 9-mm-Handfeuerwaffe und das Schulterholster heraus. Er schnallte sich das Holster um und vergewisserte sich, dass das Magazin voll und die Waffe gesichert war, bevor er sie in das Holster steckte und den Riemen schloss.

Anschließend holte er einen weißen Plastikmüllsack heraus. In der Tüte befand sich der Dolch, den er vor sechsundzwanzig Jahren versteckt hatte und der noch immer in das schmutzige Geschirrtuch eingewickelt war. Er wickelte den Dolch aus und betrachtete ihn. Er sah noch genauso makellos aus wie an dem Tag, als er ihn versteckt hatte.

Ein schnatterndes Geräusch lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Baum. Fast ein Dutzend der Purpurschwanz-Baummäuse labten sich dort gerade an den gelben Früchten.

Wieder ließ er seinen Blick umherschweifen, um nach einem Zeichen von Ruth Ausschau zu halten. Er konnte keine Fußabdrücke entdecken. Selbst nach der kurzen Zeit, die er Ruth kannte, war er sich sicher, dass sie in der Nähe geblieben wäre, wenn sie hier wäre.

Er behielt den Dolch in der Hand, stopfte das Tuch und die Plastiktüte wieder in die Reisetasche, schloss den Reißverschluss und stand auf.

Das Wichtigste zuerst – er musste einen Unterschlupf finden, sich einen Überblick über die Umgebung verschaffen, und sich entscheiden, was er als Nächstes tun sollte. Wenn er recht hatte und es sich bei den Kreaturen im Baum um Purpurschwanz-Baummäuse handelte, dann war er auf der Insel der Monster. In seinem Tagebuch befand sich eine grobe Karte der Insel. Sein Großvater hatte das Königreich einmal besucht, sich allerdings nie weiter als in die Hauptstadt vorgewagt.

Asahi bückte sich, hob die Reisetasche auf und zog sich den Gurt über den Kopf, sodass sie quer über seinem Körper hing. Aufgrund des Lichteinfalls der Sonne, die durch das obere Blätterdach schien, vermutete er, dass es kurz nach Mittag war. Er hatte also noch ein paar Stunden Zeit, um sich einen sicheren Platz für die Nacht zu suchen. Die Temperatur war zwar im Moment noch moderat, doch er vermutete, dass es kälter werden würde, wenn die Sonne unterging.

„Ich denke, heute werden die Bäume als Nachtlager herhalten“, sinnierte er und schüttelte den Kopf, als er an die Kolonie der winzigen violetten Kreaturen dachte.

Er schloss die Augen und lauschte aufmerksam den Geräuschen der Umgebung. Das Zwitschern der Vögel mischte sich mit dem Summen der Insekten und dem Geschnatter der Purpurschwanz-Baummäuse. Doch von rechts war noch ein anderes Geräusch zu hören – das Rauschen von Wasser.

Asahi öffnete die Augen und drehte sich in diese Richtung. Wasser bedeutete einen Fluss oder See, der ihn entweder in ein Dorf oder an die Küste führen konnte. Er öffnete seinen Gürtel und schob das Ende durch die Schlaufe der Dolchscheide. Dann schloss er die Schnalle wieder und rollte seine Schultern nach hinten, um die Anspannung zu lösen, bevor er sich auf den Weg in die Richtung machte, aus der das Plätschern des Wassers kam. Wenn Ruth irgendwo in der Nähe war, hoffte er, dass sie das Gleiche tun würde.

Nalis Palast:

Unterirdische Kammern

„Behaltet sie hier. Niemand außer den Gargoyles soll in ihre Nähe kommen. Sieh nach, ob Denae etwas tun kann, um ihre Schmerzen zu lindern“, befahl Nali, als sie aus dem Hochsicherheitsraum heraustrat.

„Ja, Kaiserin“, antwortete Di.

Nali schaute durch das dicke Diamantscheibenfenster. Der Raum war abgesichert und versiegelt worden, damit der Außerirdische nicht entkommen konnte. Sie legte ihre Hand auf die dreißig Zentimeter dicke Stahltür und betrachtete die leidende Seehirschstute im Wassertank, die von zwei Gargoyles überwacht wurde.

„Kaiserin, kann ich irgendetwas tun?“, fragte ihr alter Wächter.

Nali schüttelte den Kopf. „Nein, Pai. Ich muss das alleine machen“, murmelte sie.

Der Hippogreif schüttelte den Kopf und klapperte mit dem Schnabel. Sie sah ihn an und lächelte über seine offensichtliche Missbilligung.

„Eure Eltern …“, begann er, bevor er seinen Schnabel wieder zuklappte.

„… hätten darauf bestanden, dass du mich begleitest. Ich verstehe deine Besorgnis, Pai, aber meine Eltern haben so etwas noch nie erlebt“, sagte sie und schaute wieder durch das Fenster. „Sie wird von dem Außerirdischen in ihr gequält.“

Pai trat näher, die langen Krallen an seinen Vorderbeinen klackerten auf dem polierten Steinboden. Nali hob ihre Hand und streichelte sanft das Gefieder an seinem Hals. Pai war schon ihr ganzes Leben lang ihr Beschützer, und sie schätzte seine jahrelange, unerschütterliche Freundschaft und Loyalität.

„Ich kann mich um die Hinrichtung der Seehirschstute kümmern. Ich sorge dafür, dass sie nicht leiden muss“, bot Pai an. „Das wäre barmherziger.“

Sie schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Vielleicht kann Denae den Außerirdischen aus der armen Kreatur herauslocken, ohne sie zu töten“, murmelte sie.

Mit diesen Worten machte sich Nali auf den Weg in die oberen Stockwerke des Palastes. Pai folgte ihr. Gargoyle-Soldaten standen stramm, als sie vorbeiging. Sie verbeugte sich vor jedem von ihnen, während sie in Gedanken ganz bei dem Problem war.

„Nali, wenn es noch einen Außerirdischen gibt, ist es das Beste, wenn ich dir bei der Suche helfe. Du brauchst meine scharfen Augen“, drängte Pai.

Nali gluckste und seufzte. „Du wirst doch nicht etwa aufgeben, oder?“, fragte sie, als sie stehenblieb und sich ihm zuwandte.

Pai legte den Kopf schief, als würde er über ihre Frage nachdenken, bevor er ihn schüttelte. „Nein“, antwortete er neckisch.

Ihre Gesichtszüge entspannten sich, als sie die Sorge sah, die er nicht zu verbergen versuchte. Auch die silberne Färbung seines Gefieders und sein leicht hinkender Gang waren ihr nicht entgangen. Pais Fachkenntnisse wären zwar nützlich, aber sie machte sich Sorgen um seine Gesundheit. Er war nicht mehr der rüstige junge Hippogreif, der er noch vor einem Jahrhundert gewesen war.

„Du weißt, was der Außerirdische anrichten kann. Du hast gesehen, was passiert, wenn er in deinen Körper eindringt. Wir wissen immer noch nicht, wie er das anstellt. Ich hoffe, Denae wird es uns sagen können. Außerdem weißt du, dass du nicht über den gleichen Schutz verfügst wie ich, Pai“, warnte Nali, obwohl sie bereits wusste, dass sie Pais Wunsch, sie zu begleiten, nachgeben würde.

„Und was passiert, wenn er Euch überrumpelt, bevor Ihr Euch verwandeln könnt? Wer wäre dann da, um Euch zu beschützen?“, fragte er.

„Du, natürlich! Glaubst du wirklich, ich merke nicht, wenn du mir folgst – auch entgegen meinen Anweisungen?“, antwortete sie mit einer mahnenden Handbewegung.

Pai gluckste. „Ich muss wohl Krallen verlieren“, antwortete er stattdessen. „Wo fangen wir an?“, fragte er.

„Wir beginnen dort, wo der Seehirsch angespült wurde“, erwiderte sie.

Ihre langen Flügel weit ausgebreitet, flog Nali durch eine Wolke und zog einen schwachen Kondensstreifen aus wirbelndem Nebel hinter sich her. Pai, der neben ihr herflog, suchte mit seinen scharfen Augen die Küste ab. Sie befanden sich in der Nähe der Stelle, an der die verletzte Seehirschkuh an Land gespült worden war.

„Kaiserin, da bewegt sich etwas in der Nähe der Felsen, eine halbe Meile nördlich von hier“, rief Pai.

Nali drehte sich nach Norden und schwebte langsam nach unten, bis sie eine bessere Sicht hatte. Eine Reihe von Felsen ragte aus dem Wasser heraus und schützte einen der vielen schwarzen Sandstrände, die diesen Teil der Küste säumten. In der Nähe der Felsen entdeckte sie einen Seehirsch, der in der Brandung zappelte.

„Warte hier, Pai“, befahl sie, bevor sie ihre Flügel fest an ihren Körper zog und zum Strand hinabtauchte.

In letzter Sekunde drehte sie sich und landete auf ihren Füßen. Sie verwandelte sich und ihre Haut und ihre Kleidung verhärteten sich zu glattem schwarzem Marmor. Ihre Füße versanken in den feinen, schwarzen Sandkörnern, und ihre Fußspuren verschwanden hinter ihr, als sie auf den Seehirsch zuging. Er lag am Strand und die untere Hälfte seines Körpers ragte ins Wasser hinein.

Sie schürzte die Lippen, um den empörten Schrei zu unterdrücken, der Pai sofort dazu veranlassen würde, zu ihr zu eilen. Der Seehirsch war von seiner Vorderflosse bis zur Schwanzspitze aufgeschlitzt. Die große klaffende Wunde gab den Blick auf Knochen und innere Organe frei. Es war ein Wunder, dass der Hirsch es bis ans Ufer geschafft hatte.

Nali gurrte dem Hirsch leise zu, als sie sich ihm näherte, und versetzte das schöne Tier in Trance. Die normalerweise hellroten Schuppen waren blass und matt, da die Lebenskraft des Tieres dahinschwand. Der Hirsch drehte seinen Kopf in ihre Richtung und gab ein kaum hörbares Röhren von sich. Sie kniete sich neben ihn in den feuchten Sand und bettete seinen Kopf sanft auf ihren Schoß.

„Es tut mir so leid, dass ich dich nicht beschützen konnte“, murmelte sie und streichelte seinen schlanken Kopf.

Die Augenlider des Hirsches senkten sich, und er zitterte. Seltene Tränen sickerten aus Nalis Augenwinkeln, als sie die sterbende Kreatur festhielt. Nur große Tragödien und Kummer konnten einem Gargoyle Tränen in die Augen treiben. Sie beugte sich vor und lehnte ihren Kopf an den Hirsch.

„Bitte, ich muss wissen, was mit dir geschehen ist, bevor ich dich gehen lassen kann“, flüsterte sie.

Auf ihre Bitte hin durchfuhr den Hirsch ein weiterer Schauer. Sie schloss die Augen, während in ihrem Kopf Bilder von den letzten Minuten des Hirsches auftauchten. Als sie die Angst des Tiers spürte, holte sie tief Luft und strich sanft über die Flosse zwischen den Ohren des Hirsches.

Die lebende schwarze Flüssigkeit war aus den Tiefen des Ozeans aufgestiegen. Lange Tentakel hatten die Jungtiere angegriffen, bevor sie sich losgerissen hatten und geflohen waren. Der Außerirdische hatte zuerst das Weibchen angegriffen. Als das Männchen herbeigeeilt war, um sie zu verteidigen, hatte der zweite Außerirdische zugeschlagen.

Die Bilder verblassten, bevor sie sehen konnte, was als nächstes geschah. Die Verletzungen des Hirsches waren zu schwer, und sie spürte, wie er ihr entglitt. Sie hob den Kopf und blickte in den Himmel. Über ihr hielt Pai Wache.

Nali senkte ihren Kopf und streichelte den jungen Hengst zärtlich, bevor sie eine einfache Beschwörungsformel flüsterte. Ihre Magie umgab den Seehirsch und hüllte den Körper der einst so majestätischen Kreatur in ein strahlend weißes Licht. Als das Licht verblasste, blieb nur ein funkelnder Edelstein übrig, und sie war allein am Strand.

Nali hob den Edelstein auf und hielt ihn an ihr Herz. Dann richtete sie sich auf und blickte auf den Ozean hinaus. Pai landete neben ihr.

„Habt Ihr etwas erfahren?“, erkundigte er sich leise.

„Es waren zwei Außerirdische. Einen haben wir. Der zweite ist entkommen. Der Hengst – der Hengst ist gestorben, bevor er mir alles zeigen konnte“, antwortete sie mit leiser Stimme.

„Ich habe Spuren bemerkt, die in den Wald führen. Sie stammen von einem Troll“, sagte Pai.

Nali biss die Zähne zusammen. Die beiden, die den ersten Hirsch gefunden hatten, hatten glücklicherweise Abstand gehalten und den Palast benachrichtigt, aber der hier war wohl nicht so vorsichtig gewesen.

„Es wird bald Nacht. Wir müssen zum Trolldorf und herausfinden, wer hier war. Wir können dort übernachten und unsere Reise am Morgen fortsetzen“, sagte sie.

„Ein paar Meilen landeinwärts steigt Rauch aus den Schornsteinen entlang des Flusses auf“, antwortete Pai.

Nali nickte. Sie drehte ihre Hand um und betrachtete den roten Edelstein, der die Essenz des Seehirsches enthielt. Pai stand schweigend daneben, als sie an den Rand des Wassers trat und darauf wartete, dass eine Welle an Land rollte. Sie kniete nieder und warf den Edelstein in das zurückweichende Wasser. Dann sah sie zu, wie die Welle den Edelstein zurück ins Meer trug. Mit einem tiefen traurigen Seufzer richtete sie sich auf und sah Pai an.

„Lass uns gehen. Ich muss einen Außerirdischen vernichten“, erklärte sie. Ihr Tonfall war ebenso hart wie ihre tiefschwarze Haut.

KAPITEL2

Asahi saß auf einem Felsvorsprung über dem Fluss und beobachtete, wie der erste Mond über den Bäumen aufging, kurz darauf folgte der zweite. Ein Gefühl des Friedens durchströmte ihn, und er konzentrierte sich darauf, so wie es ihm sein Großvater beigebracht hatte. Die einfache Meditation half ihm, die verbleibenden Wellen des Schwindels in den Griff zu bekommen.

Er holte seine Jacke aus der Reisetasche, schlüpfte hinein und zog den Reißverschluss zu. Seine Gedanken kehrten zu Ruth Hallbrook zurück. Er hoffte inständig, dass sie ihre Reise durch das Portal überlebt hatte, falls sie überhaupt durch das Portal gekommen war. Den ganzen Tag über hatte er vergeblich nach Spuren von ihr gesucht.

Er nahm die Umgebung in Augenschein. Er war dem Wasserlauf gefolgt, der sich in Richtung Süden schlängelte, in der Hoffnung, dass er irgendwann zur Küste führen würde.

Als aus dem Nachmittag früher Abend wurde, hatte Asahi begonnen, einen geeigneten Platz für sein Lager zu suchen. Schließlich hatte er sich auf einer Felsplattform niedergelassen, wo er sich nun ausruhte. Um dorthin zu gelangen, hatte er den Fluss überqueren müssen, was dank der natürlichen Brücke aus einer Anhäufung von Felsen und Geröll, die flussabwärts geschwemmt worden waren, jedoch kein Problem gewesen war.

Er blickte über den Fluss, als er eine Bewegung wahrnahm. Ein Dutzend kleiner zotteliger Tiere tauchte aus dem Wald auf.

Diese Stelle wäre gut, um ein Nachtlager aufzuschlagen, dachte er.

Die gelb und braun gestreiften Tiere hatten etwa die Größe und den Körperbau eines Wombats, aber das Muster eines Zebras. Mehrere Jungtiere grunzten vergnügt und stürzten sich vor den erwachsenen Tieren ins Wasser. Schmunzelnd sah er zu, wie sie anfingen, sich gegenseitig zu bespritzen.

Er rutschte zurück und lehnte sich gegen den Felsen. Ein Stechen in der Seite erinnerte ihn an den Dolch an seiner Hüfte. Er rückte die Scheide in eine bequemere Position und entspannte sich. Das Geräusch von knackendem Holz und die warnenden Laut der gelbgestreiften Tiere, lenkten seine Aufmerksamkeit wieder auf die andere Seite des Flusses.

Ein bärenähnliches Wesen von der Größe eines Elefanten tauchte aus dem Wald auf, etwa hundert Meter von den wombatähnlichen Säugetieren entfernt. Das tiefe Knurren des Bären ließ die Jungtiere mit einem erschreckten Kreischen aus dem Wasser und zurück in den Schutz des Waldes flüchten. Die erwachsenen Tiere gingen in Verteidigungsstellung, doch der Bär schüttelte nur den Kopf und spazierte zum Fluss hinüber. Das riesige Tier watete hinein, tauchte in das sanft plätschernde Wasser ein und legte seinen Kopf mit einem zufriedenen Seufzer auf einen Stein.

Asahi lachte leise. Nach ein paar Minuten entspannten sich die erwachsenen gestreiften Tiere. Danach kehrten die Jungtiere zum Fluss zurück, wobei sie ihren Enthusiasmus mit mehr Vorsicht dämpften.

„Diese Welt ist erstaunlich, Großvater“, murmelte Asahi.

So ungewöhnlich der Wald tagsüber auch aussah, nachts war er noch spektakulärer. Im Laufe des Abends tauchten biolumineszierende Pflanzen und Insekten auf. Er machte aus mehreren Gründen kein Feuer. Das Letzte, was er wollte, war Aufmerksamkeit auf seinen Standort zu lenken. Außerdem wollte er nicht, dass seine Nachtsicht beeinträchtigt wurde.

Jetzt, wo die Sonne tief am Himmel stand, kühlte die Luft ab. Mit einem müden Seufzer griff er erneut in den Seesack und holte diesmal eine dünne Thermodecke heraus. Er schloss den Reißverschluss der Tasche und positionierte sie als Kopfkissen, bevor er sich hinlegte und zudeckte. Er hatte einen leichten Schlaf, eine Angewohnheit, die ihm zugutekam, da er in absehbarer Zeit wachsam sein musste.

Auf dem Rücken liegend, schaute er zu den Monden hinauf und fragte sich, ob es klug war, den letzten Wunsch seines Großvaters zu erfüllen. Schließlich gab es keine Garantie, dass er es zurück zur Erde schaffen würde, und wenn doch, wusste er nicht, in welchem Jahr das sein würde. Er hatte Vorkehrungen getroffen und dafür gesorgt, dass bestimmte Dinge vererbt werden würden. Aber würde er überhaupt in einer Welt zurechtzukommen, die sich in einem Zeitraum von vierzig oder mehr Jahren verändert haben würde? Er wusste nur zu gut, mit welchen Schwierigkeiten sein Großvater zu kämpfen gehabt hatte.

Er berührte den Griff seines Dolches, aus dem er Trost schöpfte. Intensive Müdigkeit zerrte an seinem Bewusstsein. Ihm fielen die Augenlider zu und schon bald wiegten ihn das Plätschern des Flusses unter ihm und das Zirpen der Insekten in einen leichten, aber erholsamen Schlaf.

Das Trolldorf

Nali und Pai landeten inmitten von kreisförmig angeordneten massiven Hütten mit Strohdach. Die kleine Gemeinschaft war vor ein paar Minuten offensichtlich noch sehr aktiv gewesen, aber die Trolle hatten ihre Arbeit unterbrochen, um ihre Ankunft zu beobachten. Sie ließ ihren Blick über die Gruppe schweifen. Sie waren um ein Vielfaches größer als sie selbst.

„Kaiserin, was führt Euch in unser bescheidenes Dorf?“, fragte Zenma, die Älteste der Trollgemeinschaft und trat vor. Sie trug eine lange Tunika mit wunderschönen Stickereien und hatte einen langen, geschnitzten Stab bei sich.

Nali verwandelte sich in ihre weichere Gestalt und begrüßte die Älteste. „Ich fürchte, es geht um eine höchst bedeutende Angelegenheit, Zenma“, sagte sie.

Zenma blickte besorgt auf sie hinab. „Natürlich, Kaiserin. Bitte folgt mir“, erwiderte sie.

„Pai, sieh dich im Dorf um. Wenn du etwas entdeckst, tu nichts“, mahnte sie leise.

„Ja, Kaiserin“, antwortete Pai.

Nali folgte Zenma zu einem zentralen Langhaus. Während sie die Stufen hinaufstieg, nahm sie die Umgebung in Augenschein. Zenma schritt durch die geöffneten Türen in das fröhliche Innere. Drei lange Tischreihen, von denen die meisten so hoch waren wie Nali, waren senkrecht zu einem vierten Tisch angeordnet, der vorne auf einer niedrigen Plattform stand. Während die Tische in der Mitte des Raumes mit Sitzbänken ausgestattet waren, befanden sich neben dem Tisch auf dem Podest einzelne Stühle.

Zenma hielt inne und warf einen besorgten Blick auf die Bänke und Stühle, bevor sie wieder Nali ansah. Es war leicht zu erkennen, was die alte Trollfrau dachte. Nali schenkte Zenma ein beruhigendes Lächeln und bedeutete ihr, sich zu setzen.

„Wenn du dich setzt, sind wir ein wenig mehr auf Augenhöhe“, schlug Nali vor.

„Ja, danke, Kaiserin“, erwiderte Zenma mit einem Seufzer und ließ sich langsam auf die Bank sinken. „Ich fürchte, die Jahre holen mich langsam ein.“

„Wie geht es der Trollgemeinschaft? Braucht ihr etwas?“, erkundigte sich Nali höflich.

Zenma lächelte sie an. „Den Trollen geht es gut, danke der Nachfrage, Kaiserin. Aber ich glaube, Euerem Besuch liegt ein dringenderes Anliegen zugrunde. Hat es etwas mit Elderberry und Dew zu tun? Die beiden haben den Seehirsch gefunden“, fragte die Älteste.

Nali nickte. „Ja. Ich würde gerne mit ihnen sprechen, und ich glaube, da war noch ein dritter Troll. Wir haben einen weiteren Seehirsch entdeckt. Er wurde tödlich verwundet. Pai hat in der Nähe Trollspuren gesehen“, erklärte sie.

„Mir war nicht bewusst, dass noch ein dritter unterwegs war“, antwortete Zenma.

Die Trollälteste hob ihren Stab und ließ ihn zweimal hintereinander auf den harten Boden fallen. Sofort erschien eine Wache.

„Finde Dew und Elderberry und sag ihnen, dass ich mit ihnen zu sprechen wünsche. Außerdem will ich, dass du herausfindest, wer in letzter Zeit sonst noch gejagt hat“, befahl Zenma.

„Ja, Älteste“, antwortete die Wache und senkte den Kopf.

Zenma richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Nali. „Sind meine Trolle in Gefahr, Kaiserin?“, fragte Zenma leise.

Nali streckte ihre Hand aus und legte sie auf Zenmas. Sie würde die Älteste der Trollgemeinschaft nicht anlügen. Die Hand der Trollfrau zitterte unter ihrer.

„Unsere Insel ist in großer Gefahr. Ich glaube, die Außerirdischen, die die Meerhexe und die Zauberinsel angegriffen haben, sind jetzt auf der Insel der Monster. Die Trolle waren die ersten, die der Kreatur hier begegnet sind. Ich muss unbedingt mit ihnen sprechen“, erklärte sie.

Zenma nickte. „Die Trolle werden alles tun, was ihr verlangt, Kaiserin.“

„Älteste, Dew und Elderberry sind hier“, verkündete die Wache.

Nali verwandelte ihre Haut zurück in das steinerne Äußere eines Gargoyles, als sie sich zu den beiden Trollen umdrehte, die hereinkamen. Sie suchte in den Augen der beiden Trolle nach Anzeichen für die schwarzen, wirbelnden Schatten, die sie in Magnas Augen bemerkt hatte. Zwei klare blaue Augenpaare beobachteten sie mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Nervosität, dann senkte Dew den Kopf.

„Ihr wolltet mit uns sprechen, Älteste?“, erkundigte sich Elderberry.

„Nicht ich, sondern Kaiserin Nali“, antwortete Zenma mit einer Handbewegung.

„Ihr habt den ersten Hirsch entdeckt, richtig?“, fragte Nali.

„Ja, Kaiserin. Wir wollten in der Bucht fischen. Dew hat den Hirsch als Erster bemerkt. Er lag zappelnd in der Brandung. Wir haben noch nie einen Hirsch so weit im Norden gesehen und auch nicht so nah am Ufer. Dew spürte, dass mit ihm etwas nicht stimmte und riet uns, den Palast zu benachrichtigen“, antwortete Elderberry.

Nali betrachtete Dew. Er war jung, und daran, wie er immer wieder auf den Boden schaute, erkannte sie, dass er schüchtern war. Sie trat näher an ihn heran, streckte sanft die Hand aus und berührte sein Kinn, um ihn dazu zu bringen, ihr in die Augen zu schauen. Als sie sah, dass seine Augen klar waren, war sie sich sicher, dass keine Gefahr von ihm ausging.

„Was hast du gespürt, Dew?“, fragte Nali sanft.

Dew sah Elderberry mit einem gequälten, fast flehenden Blick an. Nali unterdrückte einen ungeduldigen Seufzer. Sie wusste, dass Trolle Leuten gegenüber, die nicht ihrer Sippe angehörten, sehr verschlossen waren. Doch dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um Geheimnisse vor Außenstehenden zu haben, und so war sie dankbar, als Elderberry Dew mit einer Handbewegung zum Sprechen ermutigte. Dew sah sie mit einem Ausdruck der Resignation an.

„Ich … ich … k-k-kann D-Dinge spüren, wie G-G-Gefahr. Der Hirsch hatte eine bl-blutrote Aura“, stotterte Dew.

„Dew ist einer unserer begabtesten Trolle. Seine Fähigkeit, Gefahren zu erkennen, hat viele von uns vor Verletzungen oder dem Tod bewahrt“, fügte Zenma hinzu.

Nali nickte. „Ein Stück weiter nördlich ist ein weiterer verletzter Hirsch aufgetaucht. Meine Wache hat Trollspuren entdeckt, die von ihm wegführten. War noch ein Troll bei euch?“, erkundigte sie sich.

Elderberry runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Nein, es waren nur Dew und ich“, sagte er.

Dew schüttelte den Kopf. „Ich habe … Med-Medjuline vorhin … im Wald gesehen“, antwortete er.

Nali sah Zenma an. „Wo ist Medjuline?“, fragte sie.

Zenma wollte gerade antworten, als Pai und ein weiterer Wächter das Langhaus betraten. Pai warf Nali einen scharfen Blick zu, um ihr zu verstehen zu geben, dass er etwas gefunden hatte. Die Wache machte eine tiefe Verbeugung, bevor er sich an seine Kaiserin und Zenma wandte.

„Kaiserin, Älteste, Medjuline ist verschwunden. Ihre Eltern haben sie seit zwei Tagen nicht mehr gesehen“, sagte der Wächter.

„Finde sie“, befahl Zenma und stand langsam auf.

Doch Nali hob gebieterisch die Hand. „Nein, Pai und ich werden sie suchen. Es ist zu gefährlich, sich ihr zu nähern, bis wir sicher wissen, was passiert ist. Ich werde einige meiner Gargoyle-Wachen ins Dorf beordern, falls sie wieder auftaucht. Lasst niemanden in ihre Nähe. Ich kann das gar nicht oft genug betonen“, befahl Nali mit Nachdruck.

„Wir werden Eurem Befehl Folge leisten, Kaiserin“, versicherte Zenma.

„Wir werden morgen früh mit der Suche beginnen. Zenma, hast du eine Unterkunft, die du uns für heute Nacht zur Verffügung stellen könntest?“, fragte Nali.

„Es wäre uns eine Ehre, Euch zu Gast zu haben, Kaiserin. Bitte folgt mir“, sagte Zenma.

KAPITEL3

Asahi kniete hinter einem Baum und sah, wie ein vorbeilaufendes Trollmädchen stolperte und stöhnte. Sie fasste sich an den Kopf und schüttelte ihn, als ob sie Schmerzen hätte. Dann wirbelte sie unerwartet herum und rannte mit dem Kopf voran gegen einen Baum. Asahi hielt sich mit einer Hand an dem Baumstamm fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, als der Boden bebte.

Ungläubig sah er zu, wie sie sich in einem schwindelerregenden Kreis drehte, bevor ihre Augen in ihrem Kopf zurückrollten. Mit einem markerschütternden Aufprall fiel sie rückwärts um. Irgendetwas stimmte definitiv nicht mit ihr. Er stand langsam auf, blieb aber im Verborgenen. Er war froh über seine Vorsicht, als er einen Moment später sah, wie sich der bewusstlose Körper des Trollmädchens plötzlich nach oben wölbte und eine schwarze, flüssige Masse aus ihrem Mund sickerte.

Die Masse verdichtete sich und wurde immer größer, bis sie etwa die Größe eines englischen Mastiffs von der Erde hatte. Der flüssige Klumpen drehte und wendete sich, als wäre er auf der Suche nach einem anderen Lebewesen, das er bewohnen könnte. Ein unbehaglicher Schauer durchlief Asahi, als sich die teerartige Masse plötzlich in seine Richtung drehte. Er erstarrte.

Etwas Großes, das über ihm vorbeizog, warf einen Schatten auf den Boden, und er blickte nach oben. Durch das dichte Blätterdach sah er zwei Kreaturen über sich hinwegfliegen. Plötzlich stieß der Klumpen einen Schrei aus, wirbelte herum und verschwand in der entgegengesetzten Richtung im Wald.

Ihm stockte der Atem, als er die feinen ebenholzfarbenen Züge der Frau sah. Ihre Haut war wie eine glänzende Rüstung, als wäre sie eine wunderschöne Statue aus reinstem schwarzen Marmor. Sie landete anmutig und vollkommen geräuschlos.

Asahi betrachtete die Frau, die das bewusstlose Trollmädchen vorsichtig umkreiste. Die Augen der Frau hatten die Farbe von dunkelbraunem Goldstein und das schimmernde Licht darin weckte in ihm den Wunsch, für immer in ihre goldene Iris zu blicken. Ihr Gesicht war herzförmig mit hohen Wangenknochen, einer langen, geraden Nase und vollen, üppigen Lippen. Sie war schlank, hatte kleine Brüste und eine gebieterische Haltung, die von Macht und Selbstvertrauen zeugte.

Sie kniete sich neben das Trollmädchen und berührte vorsichtig den großen Knoten auf ihrer Stirn, bevor sie nacheinander ihre Augenlider hob. Dann erhob sich die Marmorfrau und schaute sich stirnrunzelnd um.

„Pai, siehst du etwas?“, rief sie.

„Sieht so aus, als gäbe es frische Schäden an den Farnen im Nordwesten“, antwortete der Hippogreif. „Was ist mit Medjuline?“

Der Troll stöhnte leise auf und die Frau wich zurück. Asahi erstarrte, als er das leise schmerzerfüllte Wimmern hörte. Er beobachtete, wie sich ein Schwert in der Hand der Frau materialisierte. Das Trollmädchen rollte sich stöhnend auf die Seite und fasste sich mit einer großen, zitternden Hand mit dicken, schmutzigen Nägeln an den Kopf. Die elegante geflügelte Frau machte einen Schritt auf den weiblichen Troll zu, der sich nun schwerfällig aufsetzte.

„Medjuline“, sagte die Frau mit sanfter, beruhigender Stimme.

„Helft mir, bitte. Lasst … lasst nicht zu, dass es wieder Besitz von mir ergreift“, stieß Medjuline mit zittriger Stimme hervor.

„Wer hat Besitz von dir ergriffen?“, fragte die Frau wieder mit sanfter Stimme.

Medjuline setzte sich auf und sah sich mit großen, angsterfüllten Augen um. Ihr Blick fiel auf die Frau, die mit dem gezogenen Schwert vor ihr stand. Wieder hob Medjuline eine zitternde Hand an ihre Stirn.

„Die Kreatur, die … die aus … Der Hirsch … ist explodiert … Da war ein schwarzer Klumpen …“, rief Medjuline aus, und ihre Stimme wurde lauter, als die Angst sie erneut überkam. „Er hat mich gewürgt und ich konnte ihn nicht loswerden!“

Mitleid durchflutete Asahi, als das Trollmädchen zu weinen begann. An ihren Gesichtszügen und der Art, wie sie sprach, war zu erkennen, dass sie noch jung war. Sie betrachtete ihre Hände und rieb sie aneinander, bevor sie ihr dunkelrotes Haar zurückschob, als wolle sie sicherstellen, dass keine Rückstände der schwarzen Substanz zurückgeblieben waren. Schluchzend schaukelte sie hin und her.

„Wo ist der Außerirdische hin, Medjuline? Es ist wichtig, dass ich ihn finde, bevor er noch jemandem Schaden zufügen kann“, sagte das schöne Wesen.

Medjuline wischte sich mit ihren schmutzigen Händen über das Gesicht und hinterließ Schlieren aus Schmutz auf ihrer dunkelbraunen Haut. Sie sah die Marmorfrau an, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

„Ich weiß es nicht. Er hat mir wehgetan – in meinem Kopf. Ich musste dafür sorgen, dass es aufhört. Ich wollte, dass er aus mir herauskommt. Ich … ich bin gegen einen Baum gelaufen. Ich spüre ihn nicht mehr in mir, aber mein Kopf tut immer noch weh“, gestand Medjuline.

Die Frau ließ ihr Schwert sinken und trat einen Schritt vor.

„Nali!“, knurrte der Hippogreif im Baum besorgt.

Nalis Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Es war kein amüsiertes Lächeln. Es war ein gefährliches, erwartungsvolles Lächeln – als würde sie nur darauf warten, dass jemand oder etwas sie angriff. Sie legte ihre Hand auf den Arm des jungen Trollmädchens und musterte sie eingehend. Einige angespannte Sekunden verstrichen, bevor sie so leise flüsterte, dass Asahi nicht verstehen konnte, was sie sagte.

Er holte erschrocken Luft, als die Marmorfrau sich plötzlich in eine Version ihrer selbst verwandelte, die weicher, wärmer und noch umwerfender war. Ihre glatte, hellbraune Haut schimmerte im Sonnenlicht, das durch das Blätterdach drang, sie hatte die Farbe von cremiger Milchschokolade. Ihr langes schwarzes Haar, das ihr in dichten Locken über die Schultern fiel, erinnerte ihn an die Frauen im alten Kreta.

„Pai, der Außerirdische hat Medjulines Körper verlassen. Du kannst herunterkommen“, antwortete sie.

Medjuline schniefte, während Tränen über ihre schmutzigen Wangen liefen. Ihre Augen waren jetzt mit Staunen statt mit Angst gefüllt. Sie streckte der Frau eine Hand entgegen.

Asahi zügelte sein Unbehagen. Er hatte gesehen, wie der flüssige Parasit Medjulines Körper verlassen hatte, und diese mächtige Frau war sich sicher, dass nichts davon zurückgeblieben war. Dennoch machte ihn die schreckliche Natur dessen, was er gesehen hatte, nervös. Sicherlich würde er noch tagelang Alpträume von diesem Parasiten haben.

„Nali“, mahnte Pai erneut, „der Außerirdische hat noch nie einen lebenden Wirt verlassen – nicht ohne weitaus größere Gewaltanwendung als einen Schlag auf den Kopf.“

Nalis Miene wurde weicher, als sie ihren besorgten Begleiter ansah. „Ich habe keine Ahnung, warum es diesmal anders ist, aber der Außerirdische ist weg, Pai. Da bin ich mir sicher – und Medjuline ist verletzt und verängstigt. Bitte komm runter.“

Nali drückte Medjulines Hand und sah ihr beruhigend in die Augen.

„Kaiserin, ich … Diese Kreatur will uns schaden“, schluchzte Medjuline.

„Das werde ich verhindern. Pai, bring Medjuline zurück in ihr Dorf. Sorg dafür, dass das Gebiet von ausreichend Wachen gesichert wird, falls der Außerirdische versucht, zurückzukommen“, befahl Nali.

Der Hippogreif landete und scharrte verärgert mit den Füßen auf dem Boden. Er schüttelte den Kopf. „Nali, bitte sag mir, dass du nicht vorhast, diese Kreatur allein zu jagen“, zischte Pai bestürzt.

Asahi schmunzelte amüsiert, als die Frau namens Nali die Augen verdrehte, bevor sie nickte. Seine Belustigung schlug in Besorgnis um, als Nali dem Troll beim Aufstehen half und Medjuline schwankte. Sie war doppelt so groß wie die Frau, die sie zu stützen versuchte. Dem Hippogreif muss es genauso gehen, denn er knurrte leise und stemmte sich gegen das Trollmädchen, das sich auf ihn stützte.

„Sie kann nicht allein zurückgehen, Pai. Sie ist verletzt und erschüttert von dem, was ihr widerfahren ist. Bring sie ins Dorf zurück. Nachdem du dich vergewissert hast, dass sie in Sicherheit ist und das Dorf nicht in Gefahr ist, kannst du zu mir zurückkommen“, antwortete Nali schließlich.

„Das gefällt mir nicht“, schnauzte Pai.

„Ich habe nicht gefragt, ob es dir gefällt“, erwiderte sie mit einem leicht bissigen Unterton.