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Für Peter von Matt ist Europa ein Raum der Inspiration, dem aber stets ein anderes Europa, ein Raum der Macht und des Krieges, gegenübersteht. In diesem Essay folgt er den Spuren Don Quijotes, der seit vierhundert Jahren über alle Grenzen in Raum und Zeit hinwegreitet und in der Literatur wieder verbindet, was die Politik an Gräben aufreißt. Wer aus dem europäischen Raum der Inspiration schöpft, macht ihn unerschöpflich. Große Literatur achtet die Grenzen und kennt keine. Peter von Matt zählt zu denen, die an der europäischen Polis bauen. (Aus dem Vorwort von Roger de Weck)
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Seitenzahl: 29
Copyright © 2017 Schwabe Verlag, Schwabe AG, Basel
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Das Werk einschließlich seiner Teile darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in keiner Form reproduziert oder elektronisch verarbeitet, vervielfältigt, zugänglich gemacht oder verarbeitet werden.
Umschlaggestaltung: icona basel gmbh, unter Verwendung einer Zeichnung von Honoré Daumier, Don Quixote and Sancho Panza, The Metropolitan Museum of Art, New York.
Gesamtherstellung: Schwabe AG, Basel
ISBN Printausgabe 978-3-7965-3737-0
eISBN (ePUB) 978-3-7965-3739-4
eISBN (mobi) 978-3-7965-3763-9
E-Book: Schwabe AG, www.schwabe.ch
www.schwabeverlag.ch
von Roger de Weck
Als Intellektueller ist er zum Glück nicht einzuordnen, dank seiner nachgerade sinnlichen Neugierde, die ihn von Doktrinen und Systemen fernhält. Der emeritierte Professor hat nie einen Roman vorgelegt, er bietet mehr als das. Seine große Literatur schöpft aus der großen Literatur, die jenseits der unterschiedlichen Kulturen nach der menschlichen Natur forscht. Im Zug seiner Studien und literarischen Arbeiten hat er sich mit dem Gesicht des Menschen auseinandergesetzt, mit dem Liebesverrat, der Theorie und Praxis der Intrige im Spiegel der Weltliteratur, mit Familiendesastern, mit dem Glück und Unglück, mit der Fantasie. Wenn des Künstlers Sensibilität und des Wissenschaftlers Substanz die Intelligenz des Essayisten beflügeln! Peter von Matt, jenseits der Kategorien, zählt zu den bedeutenden Autoren der Zeit.
Er vermengt und ordnet die Welten, nicht selten dort, wo die der Sprache und die der Macht einander treffen, denn «die Wörter, die ein Politiker braucht oder vermeidet, sind aufschlussreicher als das, was er mit ihnen behauptet, fordert oder bekämpft», wie er es hier formuliert. Er präzisiert: «Aber wo die Politik überall Gräben aufreißt, da verbindet die Literatur.» In diesem Essay bringt der Autor Don Quijote und Hamlet, Spanien und Dänemark, den Süden und den Norden, Ost und West, Dostojewski und die Dadaisten zusammen. So führt er uns das zersplitterte, wenn nicht gespaltene, hin- und hergerissene Europa als Raum der Inspiration vor Augen, der immer wieder in einen Raum der Zerstörung umschlägt.
Manchmal hilft es, Schweizer und Bergler zu sein wie Peter von Matt, um über nationale Perspektiven hinwegzuschauen und den abwegigen «Kampf der Kulturen» zwischen lateinischem, germanischem und slawischem Europa regelrecht zu übersehen. Die Geschichte der Eidgenossenschaft war eine Abfolge von Bürgerkriegen – bis zur Schaffung des Bundesstaats, der von 1848 an die Interessen der Kantone so ineinander verwob, dass sie alles Interesse verloren, einander zu schaden. Ein Jahrhundert später gingen die Westeuropäer einen ähnlichen Weg. Nach zwei Weltkriegen, die zudem europäische Bürgerkriege waren, vergemeinschafteten sie das, was man braucht, um Waffen herzustellen und sprechen zu lassen: Stahl und – die damalige Energiequelle – Kohle. Die Einigung unseres Kontinents begann 1951 mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, dem Embryo der Brüsseler Institutionen, die seit sieben Jahrzehnten für Dialog, möglichst Gleichgewicht, jedenfalls Kompromisse und Frieden unter den Europäern bürgen.
Das ist der Weg des Europäers von Matt: die Literatur zu lieben und die Institutionen zu schätzen, beide zur Geltung zu bringen, denn beide entfalten viel Kraft, den Kontinent zusammenzuführen, Nationen füreinander zu öffnen. In der Natur gilt das Gesetz des Stärkeren, Kultur sucht nach Balance und schafft also Zivilisation. «In der Weltgeschichte gibt es nur die Alternative von Gewalt oder Vernunft. Wo das eine schwindet, wächst das andere.»