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Der 16-jährige Gymnasiast Sebastian Brandner wird von einem erfahrenen Trainer als viel versprechendes Hammerwurftalent entdeckt. Nach anfänglichen Rückschlägen stellen sich schnell die ersten Erfolge ein. Sebastian wird Deutscher Jugendmeister und Mitglied der Nationalmannschaft. Sein großes Ziel ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1980 in Moskau. Doch bald wird er mit der Frage konfrontiert, ob es möglich ist, ohne Anabolika in der Weltspitze mithalten zu können. Der Autor zeigt in seiner autobiographisch gefärbten Geschichte eindrucksvoll, wie ein außergewöhnlicher, junger Sportler zwischen ehrgeizigen Trainern und skrupellosen Funktionären zerrieben wird und der Mensch schließlich auf der Strecke bleibt.
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Seitenzahl: 245
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Inhaltsangabe
Der 16-jährige Gymnasiast Sebastian Brandner wird von einem erfahrenen Trainer als viel versprechendes Hammerwurftalent entdeckt. Nach anfänglichen Rückschlägen stellen sich schnell die ersten Erfolge ein. Sebastian wird Deutscher Jugendmeister und Mitglied der Nationalmannschaft. Sein großes Ziel ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1980 in Moskau.
Doch bald wird er mit der Frage konfrontiert, ob es möglich ist, ohne Anabolika in die Weltspitze mithalten zu können. Der Autor zeigt in seiner autobiographisch gefärbten Geschichte eindrucksvoll, wie ein außergewöhnlicher, junger Sportler zwischen ehrgeizigen Trainern und skrupellosen Funktionären zerrieben wird und der Mensch schließlich auf der Strecke bleibt
„Ein bisschen nervös bin ich schon“, antwortete Sebastian seiner Mutter, als sie ihn nach seiner Stimmung kurz vor dem Tanzkursabschlussabend fragte. Er hatte sich auf leichtes Drängen seiner Eltern vor sechs Wochen bei einem Tanzkurs, den die Oberstufe seines Gymnasiums veranstaltete, mit einigen Bedenken angemeldet. In zahlreichen Gesprächen hatten Marianne und Lothar ihrem Sohn beizubringen versucht, wie wichtig ein Tanzkurs für einen Heranwachsenden in der heutigen Zeit sei. Neben einer soliden Schulausbildung sollte man das gesellschaftliche Rahmenprogramm als Beigabe für seine Persönlichkeitsbildung nicht unterschätzen. Parallel dazu und schon früh von seinen Eltern gefördert, spielte Sebastian seit seinem achten Lebensjahr Klavier. Sebastian war ein zurückhaltender Junge, der seine Talente und Fähigkeiten eher im musischen Bereich finden sollte.
Die Familie Brandner lebte in einer bayerischen Kleinstadt. Neben dem Mercedes, den Sebastians Vater als Sparkassen-Geschäftsstellenleiter fuhr, stand noch ein Kleinwagen für die Mutter in der Garage. Sebastian, der vor einer Woche seinen sechzehnten Geburtstag gefeiert hatte, besaß ein Dreigangfahrrad, das ihm seine Eltern vor Jahren zum Bestehen der Aufnahmeprüfung für das Gymnasium geschenkt hatten. Da die Schule und auch der Klavierunterricht, den er privat bei einem pensionierten Musikprofessor seit ein paar Jahren nahm, unweit vom Elternhaus entfernt waren, gab es bei Brandners kein Transportproblem.
Frisch geduscht, nur mit einer Unterhose und einem Hemd bekleidet, stand der Tanzkursdebütant vor dem großen Spiegel in der Diele seines Elternhauses. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, seine neue, mit goldenen Trompeten bestickte dunkelblaue Krawatte zu binden, kam bei ihm ein leichtes Unbehagen auf. „Mist, ich habe es mir doch mehrmals von meinem Vater zeigen lassen“, sprach Sebastian zu sich in den Spiegel und gab dann sein Vorhaben entnervt auf. Den Blick hielt er auf sein Spiegelbild gerichtet. Er betrachtete sich noch einmal.
Wie würde sie reagieren, fragte er sich, wenn sie mich so in Unterhosen sehen würde? Gemeint war Christina, eine Mitschülerin aus der Parallelklasse, die in den letzten Wochen seine Tanzpartnerin gewesen war. Sie kannten sich flüchtig von den Pausen auf dem Schulgelände. Zusammengebracht hatte sie ihr Musiklehrer Herr Matt, der den Tanzkurs organisiert und abgehalten hatte. Ausschlaggebend für die Partnerwahl war ausschließlich die Körpergröße gewesen.
Da Sebastian mit seinen sechzehn Jahren bereits über einen Meter fünfundachtzig groß war, konnte er sich auf seiner Ebene keine Partnerin aussuchen. Von den fünfzehn angemeldeten Paaren waren achtundzwanzig Schüler und Schülerinnen etwa gleich groß. Da auch Christina einen halben Kopf größer war als ihre Freundinnen, war klar, dass sie mit Sebastian den Kurs absolvieren sollte.
Begeistert war ich eigentlich nicht, dachte er und erinnerte sich noch sehr gut daran, dass ihn seine gleichaltrigen Kumpels einen „Bohnenstangenverführer“ genannt hatten. Christina hatte an den Stellen, auf denen die meisten Blicke der pubertierenden Jungen lagen, einfach noch zu wenige Erhebungen.
Immer noch in derselben Haltung vor dem Spiegel stehend, doch bereits leicht frierend, projizierte er seine Partnerin an seinen im Spiegel zu sehenden Körper. Plötzlich fand eine Art „Götterdämmerung“ statt! Von oben nach unten verwandelte sich sein Körper in den seiner Tanzpartnerin. Nicht nur das Verschwinden seines eigenen Ichs brachte ein Lächeln auf sein Gesicht. Nein, das, was er jetzt vor sich sah, war etwas ganz Wunderbares und in dem Moment erkannte er das erste Mal mehr in seiner Partnerin. Er wurde von einem wunderbaren Mädchen angestrahlt und ließ seiner Vorstellung einfach freien Lauf und versank in eine wunderbare Traumwelt.
Das Geräusch der Türglocke riss ihn aus seinem Schwebezustand, und durch das Erkennen des eigenen Spiegelbilds war er mit einem Schlag wieder hellwach. Der Mann von Fleurop stand vor der Tür und brachte für seine Tanzpartnerin einen Blumenstrauß, den er ihr vor der Veranstaltung überreichen wollte. Etwas befremdet schaute er auf Sebastian, der immer noch in Unterhose und Hemd etwas verwirrt an der Tür stand.
“Entschuldigen Sie“, entgegnete Sebastian seinem Gegenüber, „ich bin gerade bei der Anprobe.“
Schmunzelnd nahm der Fleurop-Lieferant das Geld entgegen, übergab Sebastian den Strauß und verabschiedete sich. Nachdem dieser das Präsent in eine Blumenvase gestellt hatte, vollendete er seine Anprobe und kleidete sich bis auf die Krawatte fertig an.
Kurze Zeit später kam die Mutter des Tanzdebütanten vom Friseur zurück und stellte mit ihrer aufwändigen Frisur ihren Sohn fast in den Schatten. Sie tauschten gegenseitig Komplimente aus und verschwanden anschließend in ihren Zimmern.
Als Herr Brandner gegen 19 Uhr aus der Sparkasse nach Hause kam, waren seine Frau und sein Sohn bereits festlich gekleidet. Lothar Brandner war beruflich bedingt ohnehin immer gut gekleidet und so konnte er sich den beiden ohne großen Aufwand gleich anschließen.
Das nahe gelegene Schulgelände erreichten die drei nach einem kurzen Fußweg. Sebastians Eltern schlenderten Händchen haltend hinter ihrem Sohn drein und stellten lächelnd fest, dass dieser noch keine große Erfahrung im Tragen von Blumensträußen hatte. Zuerst in der Linken, dann in der Rechten. Dann ließ er den Strauß hängen, später drehte er ihn um und am Schluss zupfte er am Papier herum.
Nachdem sie die farbenfroh geschmückte Schulcafeteria erreicht hatten, verschafften sie sich zuerst einmal einen Überblick. Sebastian suchte nach einem runden Tisch, auf dem ein Kärtchen mit der Nummer sechzehn stand. In der ersten Reihe, etwas links von der Mitte, erspähte er einen festlich dekorierten Tisch. Christina, seine Tanzpartnerin, war noch nicht erschienen, und so stieg seine leichte Nervosität noch etwas an. Durch flapsige Gespräche mit vorbeikommenden Klassenkameraden löste sich seine Spannung etwas auf und so war er dann bei der Begrüßung von Christina und ihren Eltern lockerer.
Zuerst begrüßte er Christinas Mutter mit einer kleinen Verbeugung, indem er die linke Hand hinter seinen Rücken hielt. Diese Haltung behielt er bei, als er Herrn Wagner mit einem festen Händedruck tief in die Augen sah. Christina hatte ein dunkelrotes Abendkleid an, das auf der rechten Seite bis zum Knie geschlitzt war. Die schwarzen Lackschuhe mit den hohen Absätzen ließen Sebastians Tanzpartnerin noch größer und festlicher aussehen. Heute hatte sie zum ersten Mal die Konturen ihres Gesichts mit einem leichten Make-up betont. Christinas langes blondes Haar war mit einem Lockenstab so eingedreht worden, dass es ihr ein wahres Engelsgesicht bescherte. Ihr Blick durchdrang Sebastian mit einer bis dahin nicht gekannten Klarheit, dass es ihm fast die Sprache verschlug.
Dem stummen „Wow“ folgte ein etwas stockendes Hallo, als er ihr schnell den Strauß übergab und gleichzeitig ihre Wange mit einem leichten Kuss streifte.
Nach der offiziellen Begrüßung, die ebenfalls Bestandteil des Kurses gewesen war, nahmen beide Familien am für sie reservierten Tisch Platz. Nachdem die Getränke gereicht worden waren, eröffnete Herr Matt, der Musiklehrer, den glanzvollen Abend.
Man konnte der Körpersprache der beiden Debütanten das leichte Unbehagen ansehen. Und so verfolgten sie eher ungeduldig die Ausführungen ihres Tanzlehrers. Erleichtert und von Spannung geprägt hörten die jungen Menschen den Beifall, der nach dem Vortrag von Herrn Matt in der Cafeteria erklang.
Das Klatschen war noch gar nicht ganz verklungen, als die Paare auf die Tanzfläche gebeten wurden. Als Eröffnungstanz wurde der Wiener Walzer von Johann Strauß vom Streichquartett des Gymnasiums gespielt. Es war schön anzusehen, wie sich die Paare auf dem Parkett bewegten. Im großen Bogen drehten sich die Debütanten immer weiter nach innen und bescherten so den anwesenden Eltern einen wahren Augenschmaus.
Nachdem die erste Nervosität verflogen war, genossen Sebastian und Christina die rhythmischen Bewegungen und wurden immer selbstbewusster.
Nach drei Tänzen gingen die Paare an ihre Tische zurück. Begleitet wurden sie von einem tosenden Beifall, der fast nicht enden wollte. Richtig aufgekratzt erzählten die Jugendlichen ihre Eindrücke, und so kamen die Eltern, denen es hervorragend gefallen hatte, gar nicht dazu, sie zu dem gelungenen Eröffnungstanz zu beglückwünschen. Sebastians Mutter Marianne zupfte ihren Mann leicht am Jackett, als dieser seinen Sohn, der immer noch sehr leidenschaftlich erzählte, unterbrechen wollte.
„Lass ihn“, sprach sie leise auf ihn ein, „du siehst doch, wie glücklich er gerade ist.“
Die Zeit zwischen den Tanzrunden war viel zu kurz, um alle Eindrücke zu beschreiben. Schon waren sie wieder auf der Tanzfläche und zeigten den begeisterten Zuschauern nun einige Runden Beatfox. Auch diese Art des Tanzes gelang den jungen Tänzerinnen und Tänzern ausgezeichnet.
Der Abend verlief in der gleichen Art und Weise weiter und am Tisch Nummer sechzehn unterhielten sich die Eltern der beiden immer intensiver. Christinas Eltern arbeiteten beide im Schuldienst. Paula unterrichtete am Gymnasium Geschichte und Biologie. Herr Wagner war Sport- und Kunstlehrer. Privat engagierte er sich als Verbandstrainer in der Leichtathletik mit dem Schwerpunkt Werfen. Er war derjenige, der sich den rhythmischen Bewegungen seiner Tochter und ihres Begleiters am intensivsten widmete und sich deshalb nicht so aktiv am Tischgespräch beteiligte. Franz, wie Herr Wagner mit Vornamen hieß, hatte ein gutes Auge und so erkannte er sehr schnell, dass Christinas Tanzpartner wesentlich talentierter war als seine Tochter.
Vor allem das schnelle Umsetzen von Schrittkombinationen und die Tempowechsel imponierten dem Verbandstrainer sehr. Ihm kam da gleich eine Idee, die er aber an diesem Abend noch nicht zu Ende denken wollte.
Der kurzweilige Abend neigte sich langsam dem Ende zu und alle Anwesenden hatten die rauschende Ballnacht bis in den frühen Morgen hinein genossen. Gegen 2 Uhr verabschiedeten sich das Paar und dessen Eltern voneinander. Sebastian hätte seine Christina in dieser Nacht sehr gerne nach Hause gebracht, aber das war nicht möglich, da seine Tanzpartnerin von ihren Eltern im Auto mitgenommen wurde.
Im Auto sprach Christinas Vater ganz begeistert von Sebastian und dessen toller Tanztechnik. Er spann den Faden noch weiter und konnte sich durchaus vorstellen, ihn einmal zu einem Hammerwurftraining einzuladen. Mutter und Tochter hatten nichts dagegen, denn dadurch konnte der Kontakt zu Sebastian und dessen Familie weiter aufrechterhalten werden. Etwas übermüdet, aber gut gelaunt gingen die Wagners gegen 3 Uhr schlafen.
In der Nacht konnte Franz Wagner erst nicht einschlafen. Er war noch viel zu aufgekratzt und die Idee, aus Sebastian einen Hammerwerfer zu formen, hielt ihn wach. Er hatte natürlich noch ein großes Problem zu lösen. Sein potenzieller Athlet wusste noch nichts von seiner verwegenen Idee. Da seine Gedankengänge den Kampf gegen die Müdigkeit dann letztlich doch verloren, genoss er noch ein paar Stunden tiefen Schlaf.
♦ ♦ ♦
Gegen 10 Uhr kam er zu sich und aus der Essecke in der Diele hörte er bereits Stimmen. Seine Frau und seine Tochter unterhielten sich sehr rege über den gestrigen Festabend. Man sollte die Stimmung ausnutzen, dachte er amüsiert und gesellte sich zu den beiden.
„Willst du nicht deinen Kavalier anrufen und dich für den netten Abend bedanken?“
„Das solltest du unbedingt machen“, bestärkte Christinas Mutter den Vorschlag ihres Mannes.
„Soll ich wirklich?“
„Na klar, nach dem Frühstück meldest du dich bei ihm.“ Mit diesen Worten bekräftigte Herr Wagner noch einmal seinen Vorschlag. Da Christina in der letzten Nacht ebenfalls ihre Sympathie für ihren Tanzpartner entdeckt hatte, war sie schnell für die Idee zu begeistern. Alle fanden es gut. Nur: Alle drei hatten unterschiedliche Motive.
Franz konnte seine Sportpläne weiter vorantreiben, Christina hatte sich ein wenig in ihren Partner verguckt, und ihre Mutter konnte mit Sebastians Mutter wunderbar über den Garten plaudern.
Im Hause Brandner verlief der Morgen etwas anders. Sebastians Vater Lothar hatte Kopfschmerzen, weil er entgegen dem Ratschlag seiner Frau am gestrigen Abend wohl ein Bierchen zu viel getrunken hatte. Marianne hatte keine Kopfschmerzen, doch der Blick in den Spiegel, der ihr ein ungeschminktes Gesicht zeigte, löste nicht gerade Begeisterung aus. Sebastian selbst lag noch im Bett, und so konnten sich die Erwachsenen schweigend dem Frühstück widmen.
Das schrille Klingeln des Telefons und das damit verbundene Aufstehen vom Frühstückstisch verbesserte nicht unbedingt die Stimmung im Hause Brandner.
„Ja bitte“, meldete sich Sebastians Mutter am Telefon.
„Hallo, hier ist die Christina“, schallte es ihr entgegen.
„Wer bitte?“, fragte Marianne nach, ohne sich einen Reim auf die Stimme am anderen Ende der Leitung machen zu können.
„Hier ist die Christina von gestern Abend, die Tanzpartnerin Ihres Sohnes!“
„Ja sicher, warum bin ich denn nicht gleich darauf gekommen“, entschuldigte Marianne sich schnell bei ihrer Gesprächspartnerin. Sie bemühte sich jetzt sehr, sich ihre schlechte Stimmung am Telefon nicht anmerken zu lassen.
Fast überfreundlich beantwortete sie nun Christinas Fragen, musste ihr aber leider mitteilen, dass ihr Sohnemann noch im Bett lag und somit nicht zu sprechen sei. Sie versprach dem Mädchen aber, Sebastian sofort über ihren Anruf zu informieren, sobald er aufgestanden war.
Und so verlief der Samstagmorgen ohne weitere Vorkommnisse. Als gegen 12 Uhr Mittag Sebastian seinen Rückruf getätigt hatte, waren die Gemüter in beiden Häusern wieder etwas beruhigt. Christina hatte die Brandners für den nächsten Tag zum Kaffeetrinken eingeladen. Sebastians Eltern konnten den Termin leider nicht wahrnehmen, und so besuchte ihr Sohn das Haus seiner Tanzpartnerin allein.
Frau Wagner war natürlich enttäuscht, doch ihr Mann und ihre Tochter freuten sich schon sehr auf den angekündigten Besuch. Franz Wagner, der Stratege, spielte immer noch intensiv mit dem Gedanken, aus Sebastian Brandner einen Hammerwerfer zu formen.
Eigentlich ist es verrückt, dachte er, aber mein Gefühl hat mich noch nie im Stich gelassen.
Christinas Gedanken und Gefühle waren ganz andere. Sie konnte sich durchaus vorstellen, in Sebastian mehr als ihren Tanzpartner zu sehen.
Pünktlich um 15 Uhr stand dieser vor der Tür. Sebastian hatte sich einen entspannten Nachmittag mit Christina vorgestellt, bei dem man sich über den Abschlussball, über den Schulalltag und über Hobbys unterhalten konnte. Und zwar auf ihrem Zimmer. So war der Schüler richtig überrascht, als das komplette Begrüßungskomitee an der Tür erschien: Vater, Mutter und Tochter! Mit einem Händedruck und zwei Küsschen auf die Wangen der Damen hatte er sofort einen guten Einstand bei der Familie Wagner. Nach einer halben Stunde – er hatte seine Kaffeetasse bereits geleert – kam bei dem jungen Besucher ein leicht beklemmendes Gefühl auf. Sebastian fühlte sich schon ein bisschen eingeengt, da alle drei auf jeden seiner Wünsche sofort reagierten, ihn mit Fragen löcherten und sein Handeln und Sprechen genau beobachteten. Christinas Mutter erkannte als erste die zu kippen drohende Situation, nahm ihren redseligen Mann zur Seite und erklärte nach einem kurzen, aber heftigen Dialog mit ihm, dass sich das Ehepaar zu einem Spaziergang entschlossen hatte.
Kurze Zeit später lockerte sich die Stimmung der Teenager wieder und so kam es doch noch zu einem gelungenen und heiteren Nachmittag bei den Wagners. Entgegen der positiven Tendenz der Jugendlichen entwickelte sich der angeordnete Spaziergang der Eltern zu einem schwierigeren Unterfangen. Paula Wagner erinnerte ihren Gatten an die Zeit, als sie jung verliebt gewesen waren. Da wären sie auch froh gewesen, wenn sie von niemandem gestört wurden.
Franz ließ die Ansprache auf sich wirken und so spazierten die beiden über eine halbe Stunde fast wortlos nebeneinander her. Franz' innere Stimme ließ ihm aber keine Ruhe und betonte noch einmal, dass man ein Talent wie Sebastian Brandner nicht einfach ignorieren sollte. Und dann machte Christinas Vater einen großen Fehler.
Er erzählte seiner Frau erneut von der noch unausgereiften Idee, den Tanzpartner ihrer Tochter zu einem Hammerwurftraining einzuladen. Durch Paulas lautes Auflachen lenkte das Ehepaar Wagner auf einmal die ganze Aufmerksamkeit des gut besuchten Stadtparks auf sich.
„Du bist doch verrückt“, diese Worte schob sie gleich noch hinterher und auch ihr Lachen begleitete die beiden noch ein ganzes Stück.
„Schlag dir den Gedanken bitte aus dem Kopf, du kannst doch nicht alle jungen Menschen in unserer Umgebung zu Hammerwerfern ausbilden.“
Die Reaktion seiner Frau bremste Franz' forsches Vorhaben fürs erste und sie unterhielten sich wieder über etwas anderes.
Als die beiden gegen 16 Uhr zurückkehrten, war der Gast schon verschwunden und ihre Tochter hatte ein versonnenes Lächeln auf dem Gesicht, was natürlich von der Mutter sofort wahrgenommen wurde.
„Na, dann habt ihr euch also noch gut amüsiert, ihr beiden“, stellte Paula gleich fest. Christina nickte, schloss kurz ihre Augen und ließ die Haustür wieder ins Schloss fallen. „Stell dir vor, was dein Vater für eine Schnapsidee hat!“
Verständnislos schaute Christina ihre Mutter an. Kurz bevor Paula ihrer Tochter die Geschichte erzählen wollte, fing sie wieder lauthals zu lachen an und brachte deshalb in den nächsten Minuten kein Wort heraus.
Franz, er kannte ja seine Frau, hatte sich wohlweislich schon in sein Zimmer zurückgezogen und so hörte er die eher spöttische Schilderung seiner Ehefrau nur gedämpft. Die beiden finden die Idee zumindest sehr lustig, dachte Franz, denn in letzter Zeit hatte er keine der beiden so herzhaft lachen gehört. Und so endete dieser Tag zumindest für die Tochter der Wagners schön und amüsant. Beim Abendessen war wieder alles beim Alten und andere Themen konnte nun besprochen werden.
Von alledem hatte Sebastian natürlich nichts mitbekommen. Auf dem Heimweg dachte er über den angenehmen Tag bei seiner Schulfreundin nach, wobei er das Ganze eher kameradschaftlich einstufte und momentan noch nicht vorhatte, sich auf eine feste Beziehung einzulassen. Ein bisschen egoistisch fand er es schon von sich, als ihm der Gedanke kam, dass sie ihn in Latein, wo er auf einer schlechten Vier stand, etwas unterstützen könnte. Die nächsten Wochen verliefen ohne größere Ereignisse. Die Beziehung der beiden jungen Menschen hatte sich stabilisiert, ohne dass es groß gefunkt hatte. Gemeinsame Kino- und Discobesuche genossen die jungen Menschen sehr.
Der einzige, der keine Ruhe fand, war Christinas Vater Franz, der nach wie vor seinem Bauchgefühl sehr viel Bedeutung beimaß.
Sebastian ist ein Jahrhunderttalent und nur ich sehe diese verborgenen Fähigkeiten in dem Jungen, dachte er.
Nach Wochen der Unruhe fasste er an einem verregneten Samstagnachmittag endlich den Entschluss, Sebastian auf sein verborgenes Talent hinzuweisen. Die Gelegenheit war günstig, da seine Frau und Tochter beim Einkaufen in der Stadt waren.
„Sebastian Brandner, hallo“, hörte Franz Wagner durch den Hörer, nachdem er die Nummer der Familie Brandner gewählt hatte.
„Schön, dass ich dich erreiche, hier ist Franz Wagner, der Vater von Christina.“ Etwas unsicher war Franz schon, denn er wusste nicht genau, wie er Sebastian sein Angebot unterbreiten sollte, und so war sein Redefluss anfangs etwas gehemmt.
Gott sei Dank konnte Christinas Vater seinen Gesprächspartner nicht sehen. Dieser verdrehte mehrmals die Augen und schnitt Grimassen, weil er enorme Probleme hatte, Herrn Wagner zu folgen.
Nach drei überaus verwirrenden Minuten unterbreitete Sebastian seinem Gegenüber einen Vorschlag.
„Herr Wagner, wie wäre es, wenn wir uns in zehn Minuten beim Brückenwirt zum Kaffeetrinken treffen könnten?“
„Tolle Idee“, erwiderte Franz postwendend und war froh, so aus der für ihn etwas peinlichen Situation noch herausgekommen zu sein.
Als sich die beiden gegenübersaßen, von Mann zu Mann, kam das Gespräch gut in Gang und so gestaltete sich die Unterhaltung sehr produktiv. Sebastian, der bis zu dem Zeitpunkt Sport nur aus dem Schulunterricht kannte, war geradezu überwältigt von Herrn Wagners Worten. Nur das Umsetzen in die Realität konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Aber Herr Wagner ließ nicht locker. Immer wieder kam er auf seine Beobachtungen, die er beim Abschlussball gemacht hatte, zurück und bescheinigte Sebastian mit der Zeit ein immer noch größeres Potential. Sebastian wusste, dass sein Gegenüber große Hoffnungen in ihn setzte.
Das imponierte dem jungen Mann so, dass er sich tatsächlich zu einem Probetraining überreden ließ. Nach weiteren zwanzig Minuten, in denen die beiden über Sebastians Hobby, die Musik, sprachen, verließen beide das Lokal mit recht unterschiedlichen Gedanken.
Herr Wagner war fest davon überzeugt, dass er dem Jungen im Verlauf des versprochenen Probetrainings den Sport schmackhaft machen konnte. Sebastian amüsierte sich insgeheim noch eine Weile über den abstrusen Vorschlag und hakte das Treffen schnell ab.
Die Stimmung im Hause Wagner war in den nächsten Tagen besonders entspannt. Keine der beiden Damen konnte sich einen Reim auf die gute Laune des Familienoberhaupts machen. Er erwähnte zweimal beim Essen, dass er am nächsten Freitagabend nicht zu Hause sei, ohne dass das jemanden interessiert hätte. Da die beiden Männer absolutes Stillschweigen vereinbart hatten, erfuhr auch niemand von diesem besonderen Event.
Franz war schon eine Stunde vor dem Termin auf der Hammerwurfanlage des Sportvereins, um alles so vorzubereiten, dass es seinem „Hoffnungsträger“ auch gefallen würde. Ein bisschen schmunzeln musste Franz dabei schon, konnte es aber nach kurzer Zeit unterdrücken, als er Sebastian über den Rasen schlendern sah. Im dunkelblauen Anzug und mit Lackschuhen stand dieser jetzt vor seinem künftigen Förderer. Zum Glück waren Sebastian und Franz die einzigen Menschen auf dem Sportgelände. Sebastian hatte eher an eine theoretische Einweisung gedacht. Da Franz in seinem Leben schon viel erlebt hatte, konnte er auch diese aussichtslos scheinende Situation schnell retten.
„Zieh dich schon mal um, die Sachen sind in meiner Tasche.“ Franz hatte für sich einen zweiten Satz Sportsachen mitgenommen, um sich nach dem Duschen etwas Frisches anziehen zu können. Zum Glück hatten beide etwa die gleiche Größe und so verwandelte sich Sebastian, der nach seiner Klavierstunde direkt zum Sportgelände gekommen war, rasch in einen Sportler.
Zwanzig Minuten saßen Sebastian und Franz auf dem Rasen und unterhielten sich angeregt über das, was sie in der nächsten Zeit in die Praxis umsetzen wollten.
Franz Wagner, der Hammerwurfverrückte, verglich die Technik des Hammerwerfens tatsächlich mit den Schrittkombinationen eines Walzers oder Foxtrotts. Zudem setzte er den komplexen Ablauf der Hammerwurftechnik mit der Melodie eines Liedes gleich. Da Sebastian mit seinen sechzehn Jahren der männlichen Jugend B angehören würde, müsste er eigentlich mit einem Fünf-Kilo-Hammer werfen.
Dieser Sachverhalt würde aber den umstrittenen Versuch, aus Sebastian Brandner einen Hammerwerfer zu machen, schon vor Beginn zum Scheitern bringen. Da dem alten Trainerfuchs Wagner dies von Anfang an klar war, präparierte er speziell für seinen Schützling einen Hammer, der ein Gewicht von lediglich zwei Kilogramm hatte. Mit diesem Gewicht werfen normalerweise Mädchen im Alter bis zu zehn Jahren. Das Training baute er wie ein Tanzlehrer auf. Vor sechs Wochen führte Sebastian seine Tanzpartnerin Christina auf dem Parkett, heute wurde er von Franz Wagner in einem Betonring von kaum drei Quadratmetern geführt. Waren die Kommandos in der Tanzschule „links, rechts, tscha-tscha-tscha, links, rechts, tscha-tscha-tscha“, so änderten sie sich jetzt in „Hacke-Ballen, Hacke-Ballen“. Bei beiden Vorgängen mussten rhythmische Schrittkombinationen perfekt ausgeführt werden, um sowohl Spaß als auch Erfolg zu haben. Diese spezielle Art, einem jungen Menschen eine neue Sportart beizubringen, muss für einen Außenstehenden eher zweideutig ausgesehen haben. Wer die beiden Männer so gesehen hätte, hätte wahrscheinlich eher ein Tabledancetraining vermutet. Gott sei Dank blieb der Anblick der Öffentlichkeit verwehrt.
Franz Wagner und Sebastian Brandner befanden sich bereits seit über zwei Stunden auf dem Trainingsgelände, als sie zum ersten Mal versuchten, das theoretische Wissen und die bereits hundertmal imitierte Drehung mit dem eigentlichen Wurfgerät, dem Hammer, auszuführen. Noch einmal sprach Franz den Ablauf des ersten Trainingswurfes in allen Details durch.
„Nachdem du den Hammer zweimal über dem Kopf gedreht hast, beginnst du dann mit der Hacke des linken Fußes, wenn der Hammer vor dir sichtbar wird. Mit dem Lösen des rechten Fußes unterstützt du die Drehung. Wichtig ist, dass das rechte Bein so schnell wie möglich wieder auf der Stelle landet, wo du die Drehung begonnen hast. So, und jetzt trau dich“, sagte Franz und verschwand hinter dem grobmaschigen Netz, das um den Hammerwurfring gespannt war, um niemanden zu gefährden.
Sebastian hatte eine Gabe, über die nur sehr wenige junge Menschen verfügen: eine unwahrscheinlich rasche Auffassung. Er konnte sich in kürzester Zeit Abläufe und Vorgaben merken und diese auch umsetzen. Konzentriert ließ Sebastian den Hammer zwischen seinen Beinen durchschwingen. Kurz danach pendelte er den Hammer neben seinen rechten Fuß rüber und aus dieser Stellung heraus nahm er den Hammer hoch und brachte in so in eine Umlaufbahn über seinem Kopf, begann dann bei der zweiten Umrundung mit dem linken Bein die Drehung, setzte den rechten Fuß nach einer Drehung wieder in die Mitte und ließ anschließend den Hammer aus den Händen gleiten. Gespannt verfolgten die Blicke der beiden die zwei Kilogramm schwere Eisenkugel, an der ein Drahtseil mit einem Griff hing.
Kaum war der Hammer in das Erdreich eingedrungen, frohlockte Franz Wagner, indem er laut herausschrie: „Ich wusste es, ich wusste es, er kann es, er kann es“, lief dann spontan zu seinem Schützling in den Hammerwurfkäfig, umarmte und beglückwünschte ihn und freute sich mit ihm.
Sebastian Brandner wusste nicht so recht, wie ihm geschah. Das Gefühl, als der Hammer seine Hände verlassen hatte, war gar nicht schlecht gewesen, aber daraus gleich einen Balztanz zu inszenieren, das schien ihm doch etwas übertrieben.
Ermuntert von dem gelungenem Einstand festigte Sebastian mit weiteren Übungswürfen seinen momentanen Trainingszustand. Nach zehn Würfen, die beileibe nicht alle gelungen waren, beendeten die beiden ihre erste Trainingseinheit und verabredeten sich spontan für den nächsten Tag zu einem weiteren Versuch. Die Einschläge des Hammers wurden von Franz gemessen und notiert. Fünfunddreißig Meter beim ersten Training, darauf können wir aufbauen, dachte er sich, als er sich auf sein Fahrrad schwang und gut gelaunt das Gelände verließ.
Auf seiner Heimfahrt kamen Franz Wagner immer wieder neue Ideen in den Sinn, die dieses Experiment noch erfolgreicher machen könnten. So müsste Sebastian zum einen seine Ernährung umstellen und zum anderen seine jetzigen Hobbys etwas mehr in den Hintergrund stellen. Sebastian Brandner verließ das Sportgelände in seinem dunkelblauen Anzug und den schwarzen Lackschuhen, so, wie er gekommen war und als ob nichts geschehen wäre.
Als seine Mutter Sebastian die Haustür öffnete, konnte sie natürlich nicht ahnen, welch ungewöhnliches Erlebnis er hinter sich hatte. Das einzige, was sie wahrnahm, war, dass seine Hände etwas schmutzig waren. Dieser Tatsache maß sie aber keine große Bedeutung bei.
Nach einer heißen Dusche verschwand der Sohn sofort auf sein Zimmer und durchstreifte die mit handschriftlichen Notizen ergänzten Unterlagen, die ihm der Vater seiner Freundin zum Lesen mitgegeben hatte. Der Hammerwurfdebütant las sehr aufmerksam in den Trainingsunterlagen und vergaß darüber beinahe das Abendessen.
Er war beim Essen nicht so recht bei der Sache und so mussten seine Eltern mehrfach nachhaken, wenn sie ihrem Filius eine Frage gestellt hatten. Dieses Verhalten kannten sie bei Sebastian gar nicht, und so wunderten sie sich auch ein wenig, als ihr Sohn sofort nach dem Abendbrot wortlos das Esszimmer verließ und wieder auf sein Zimmer ging. Ja, dieses neue, verwegene Hobby hat ihn voll erwischt und er konnte gar nicht genug davon bekommen.
Was Christina für sich selbst erträumt hatte, war ihrem Vater gelungen, nachdem er mit ihrem Freund drei Stunden auf einer Sportanlage verbracht, mit ihm einige Gespräche geführt und anschließend für alle Außen-stehende spaßig anmutende Leibesübungen praktiziert hatte. In den Unterlagen, die Sebastian von Franz erhalten hatte, war auch ein Buch von Herbert Bauer mit dem Titel Der Silberne Hammer dabei. Herbert Bauer hatte bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio überraschend die Silbermedaille im Hammerwerfen gewonnen.
Nur mit seiner Unterhose bekleidet legte sich Sebastian auf sein Bett und fing an, das Buch zu lesen. In der Biografie wurde der Lebensweg des erfolgreichen Athleten geschildert. Sebastians großes Interesse an dem Buch wurde nur noch von seiner Müdigkeit übertroffen. Ihm fielen nach kurzer Zeit die Augen zu, und er versank in einen tiefen Schlaf.
♦ ♦ ♦
Genau so fand Marianne Brandner ihren Sohn vor, als sie ihn am nächsten Morgen wecken wollte. „Sebastian, was ist denn mit dir los?“ Mit dieser Frage und ohne Morgengruß versuchte Marianne ihren Sohn wach zubekommen.
Durch sein rechtes, einen Spalt geöffnetes Auge erkannte Sebastian seine Mutter. Diesen Gesichtsausdruck hatte er schon lange nicht mehr gesehen.
Ein bisschen überrascht, aber auch fragend trafen die Blicke der Mutter den Sohn unvorbereitet.
„Es ist alles in Ordnung“, beschwichtigte Sebastian seine Mutter und versprach anschließend, dass er in Kürze sein Frühstück im Esszimmer einnehmen werde. Marianne Brandner schüttelte den Kopf und verließ das Zimmer ihres Sohnes. Ihrem bereits am Tisch sitzenden Ehemann schilderte sie den Vorfall, ohne dass der darauf antwortete. „Hörst du mir gar nicht zu? Findest du es normal, wenn dein Sohn in Unterhosen auf seinem Bett liegt und mit einem Buch in der Hand die ganze Nacht verbringt?“
Lothar hob kurz den Blick über seine Zeitung und antwortete seiner Frau: „Lass den Jungen doch erst einmal aufstehen, dann können wir ihn ja fragen.“
Ans Aufstehen war erst einmal nicht zu denken. Sebastians Körper hatte ihm die gestrige Strapaze noch nicht verziehen. Jeder auch noch so kleine Muskel meldete sich beim ersten Bewegungsversuch sofort, indem er seinem Besitzer viele kleine Messerstiche verpasste.
„Was ist das denn?“, fragte Sebastian sich erschrocken.
„Das kann doch nicht sein“, sagte er zu sich, als er sich an sein gestriges Training erinnerte.
Sebastian Brandner, dessen schlanker Körper kaum sichtbare Muskeln besaß, konnte es nicht fassen. Nur mit enormer Kraftanstrengung schaffte er es an diesem Tag, den normalen morgendlichen Ablauf zu meistern.
Fünfzehn Minuten später gelang es ihm tatsächlich, die Treppe runter ins Esszimmer zu gehen. Jeder Tritt auf den Stufen fühlte sich an, als bohrte sich eine Lanze immer tiefer in seinen Körper. Das schmerzverzerrte Gesicht ihres Sohnes beobachteten seine Eltern vom Frühstückstisch aus mit großem Entsetzen.
Die löchernden Fragen seiner Eltern ließen auch nicht lange auf sich warten und so geriet Sebastian immer mehr in Erklärungsnotstand. Sein Geheimnis, das er mit dem Vater seiner Freundin teilte, wollte er an diesem Tag noch nicht preisgeben.
„Gestern ist es mir gehörig in den Rücken gefahren“, hörten die besorgten Eltern aus dem Mund ihres Sohnes.