Doppelporträts und ihre Geheimnisse in der Malerei - Sibylla Vee - E-Book

Doppelporträts und ihre Geheimnisse in der Malerei E-Book

Sibylla Vee

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Beschreibung

Wer ist das Künstlerpaar, das sich auf seiner Hochzeitsreise auf einer gemeinsamen Leinwand gegenseitig porträtiert? Wer ist das echte Paar und wer das falsche Paar? Warum ist das Ehepaar aus dem Biedermeier so revolutionär? Und wer wagt es, seine Ehefrau von dem Gemälde abzuschneiden? Geschichten und Geheimnisse über 13 Doppelporträts.

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Wer ist das Künstlerpaar, das sich auf seiner Hochzeitsreise auf einer gemeinsamen Leinwand gegenseitig porträtiert?

Wer ist das echte Paar und wer das falsche Paar?

Warum ist das Ehepaar aus dem Biedermeier so revolutionär?

Und wer wagt es, seine Ehefrau von dem Gemälde abzuschneiden?

Geschichten und Geheimnisse über 13 Doppelporträts.

Sibylla Vee ist das Pseudonym einer Autorin, die sich zunächst in Praxis und Theorie ganz der Bildenden Kunst widmete.

2016 wechselt sie vom Pinsel zur Feder und beginnt zwei Serien:

KLEINE KULTURGESCHICHTEN erzählen Kurzbiographien, – von Entdeckern, Kulturschaffenden und Künstlern, Männern wie Frauen, die es wert sind, aus dem Schatten der »sehr Berühmten« herauszutreten.

KLEINE BILDERGESCHICHTEN erzählen von Lieblingsmotiven in Grafik und Malerei, von sehr berühmten wie auch kaum bekannten Künstler*innen und ihren Werken.

Inhaltsverzeichnis

Die Arnolfini-Hochzeit

Das Gothaer Liebespaar

Zwei Paare aus Bergamo

Mr. und Mrs. Andrews

Ein außergewöhnliches Paar in Wien

Das echte und das falsche Paar

Künstlerehepaardoppelporträt

Drei distanzierte Ehepaare

Gemalte Psychogramme

Künstler- und Bildinformationen

Personenverzeichnis

Ortsverzeichnis

Die Arnolfini-Hochzeit

Nach Porträts und Familienbildnissen widmet sich dieser Band porträtierten Paaren. Einzelporträts von Paaren sollen hier nicht berücksichtig werden, denn nur auf einem Doppelporträt lässt sich die Beziehung zwischen einem Paar erspüren. Diese Art von Paar-Porträts taucht erst ab dem späten Mittelalter auf.

1434 malte ein Flame das Porträt eines stehenden Paares, eines Brautpaares, wie uns der Titel Die Arnolfini-Hochzeit sagt. (B 2) Der Maler war Jan van Eyck, der bedeutendste Vertreter der niederländischen Malerei des frühen 15. Jhs.

Betrachten wir das Gemälde in den Details. Der Bräutigam ist von Kopf bis Fuß dunkel gekleidet. Über dem schwarzen Untergewand trägt er einen Mantel, der an Kragen und Saum mit Pelz besetzt ist, auf dem Kopf einen hohen breitkrempigen Hut. Vor ihm liegen ein Paar Trippen. So nannte man im Mittelalter die Holzpantinen, die reiche Bürger über ihre dünnen Lederschuhe anzogen, (B 1), um sich vor dem Dreck auf den ungepflasterten Straßen zu schützen.

Die Braut trägt einen weißen, mit Spitzen gesäumten Schleier über einem grünen Gewand, das schon von der Stoffmenge her prachtvoll ist. An Kragen, Saum und Ärmeln ist es mit Hermelin besetzt. Unter einem goldfarbenen Gürtel hält sie das Gewand mit ihrer linken Hand hochgerafft. (B 2 unten) Ein Betrachter des 21. Jhs. könnte denken, sie sei schwanger, doch 1434 hätte niemand eine schwangere Braut gemalt, auch wenn im Übergang zur Frührenaissance viele revolutionäre Neuheiten aufkamen.

B 1 – die Trippen

Die Braut trägt eine Goldkette und an ihrer linken Hand zwei Goldringe. Ihre rechte hat sie in die linke Hand des Mannes gelegt. (B 2 unten) Er hat seine Rechte erhoben, als würde er einen Eid schwören.

Das Paar steht in einem engen Innenraum. Auf der rechten Seite ist ein rotes Bett mit Baldachin zu sehen. Auf der linken Seite können wir durch einen schmalen Spalt eines geöffneten Fensters mit Butzenscheiben etwas Himmel über einem Baum erkennen. Auf dem Fensterbrett und auf der Truhe darunter liegen Orangen. Zwischen dem Paar – in der Mittelachse des Bildes – hängt ein Kronleuchter von der Balkendecke, darunter ein konvexer Rundspiegel, links daneben ein Rosenkranz. Zwischen Leuchter und Spiegel ist eine Schrift an der Wand zu lesen. Unter den Händen des Paares sehen wir eine Bank und einen Stuhl mit rotem Bezug, am Boden ein Paar rote Frauenschuhe, einen Teppich und ganz vorne einen kleinen Hund.

Ein hohes Bett mit Baldachin stand zu van Eycks Zeiten im Hauptraum reicher flämischer Häuser. Untertags wurde der Stoff zusammengerafft und nach oben in einen tropfenförmigen Knoten gebunden. Man saß auf der Bettkante und konnte so auch Besuch empfangen. Für die Nacht wurden die Vorhänge geschlossen, sodass ein kleiner Raum im großen entstand. Doch warum fand die Hochzeitszeremonie in einem privaten Raum statt?

B 2 – »Die Arnolfini-Hochzeit«, 1434, Jan van Eyck, mit Auss.

Das war nicht so ungewöhnlich, wie es uns heute erscheint. Trauungen mit einem Priester in der Kirche sollte es erst gut hundert Jahre später geben, Trauungen in einem Standesamt erst nach Napoleon, und weiße Brautkleider erst ab Ende des 19. Jhs.

Zu Zeiten Jan van Eycks gingen einfache Bürger zu einem Notar, ein reicher Mann konnte einen Notar auch zu sich in sein Haus kommen lassen. Den Reichtum des Bräutigams zeigt der Maler im Schmuck und in der mit Pelz besetzten, stoffreichen Kleidung des Paares. Die Orangen kamen aus Italien und waren nördlich der Alpen ein Luxus. Ebenso war ein echter Spiegel eine außergewöhnliche Kostbarkeit. Zuvor hatte man eine Metallplatte auf Hochglanz poliert. Im 15. Jh. trug man dann flüssiges Metall auf eine Glasplatte auf, doch diese zersprang fast immer. Schließlich fanden Augsburger Glasbläser heraus, dass es einfacher war, das flüssige Metall in eine Glaskugel zu füllen und diese dann zu halbieren. So wurden die gewölbten Spiegel auch für reiche Bürger erschwinglich. Jan van Eyck ist der erste Künstler, der einen solchen konvexen Rundspiegel mit der Spiegelung malte.

Die Arnolfini-Hochzeit scheint also ein klassisches Hochzeitsbild zu sein, und dies nicht nur in Raum und Kleidung, sondern auch in den Attributen. Seine Schuhe, die Trippen, und das offene Fenster vermitteln, dass der Bräutigam sich in der Außenwelt bewegte und für den wirtschaftlichen Wohlstand verantwortlich war. Der kleine Besen am Bettpfosten, die Schuhe vor dem Bett und das Bett selbst stehen für die Aufgaben der Braut, die Haushaltsführung und die Geburt von Kindern.

Auf dem Möbel hinter dem Bett ist eine geschnitzte Figur mit einem Drachen erkennbar. (B 3). Der Drache ist das Attribut der Heiligen Margaretha, der Schutzpatronin der Geburten und Gebärenden.

B 3 – Die Hl. Margaretha, Detail aus B 8

Einem flämischen Brauch entsprechend wurde bei der Heirat eine Kerze entzündet, im Kronleuchter brennt eine. (B 5) Die Flamme symbolisierte die Liebe, der Rosenkranz links neben dem Spiegel ein Leben im christlichen Glauben und der Hund die eheliche Treue.

Den kostbaren Spiegel platzierte Jan van Eyck zwischen den Armen des Brautpaares. Ein konvexer Spiegel zeigt, ähnlich einem starken Weitwinkelobjektiv im Fotoapparat, mehr vom Raum als ein ebener. So erkennen wir in dem Spiegel (B 5) eine größere Fläche von der Balkendecke, die andere Seite des Zimmers mit dem Lichteinfall durch eine Tür, das Brautpaar von hinten und zwei Personen, die ihm gegenüberstehen, eine rot und eine blau gekleidete. Diese zwei Personen waren also bei der Vermählung im Raum anwesend. Eine muss schlüssigerweise der Notar gewesen sein, und die zweite? Es war der Maler, Jan van Eyck. Er selbst gibt uns im Gemälde den Beweis, in der Inschrift an der Wand.

B 4 – Die Inschrift über dem Spiegel, Detail aus B 8

Johannes de eyck fuit hic 1434

Statt dem Satz Johannes van Eyck war hier, würde man von dem Maler ein »fecit« erwarten, ein er machte es. Jan van Eyck vermittelt uns also mit dieser Inschrift, dass er im doppelten Sinne ein Zeuge war, ein Augenzeuge der Hochzeitszeremonie, sodass er sie malen konnte, und ein juristischer Zeuge.

B 5 – Kronleuchter und Spiegel, Details aus B 2

An diesem Punkt scheint das Gemälde entschlüsselt zu sein. Der reiche Kaufmann Arnolfini heiratete, bestellte für die Vermählung einen Notar und einen Maler in sein Haus, und gab ein Gemälde in Auftrag, das die Hochzeitszeremonie wie seinen Reichtum dokumentieren sollte.

Doch einige Fragen sind noch unbeantwortet. Wie konnte ein reicher Kaufmann Jan van Eyck, den bedeutendsten Maler seiner Zeit, Maler am Burgundischen Hof unter Herzog Philipp dem Guten, als Zeugen und Maler gewinnen? Und woher wissen wir, dass der Bräutigam Arnolfini hieß, denn nirgends auf dem Gemälde ist dieser Name verzeichnet?

Im frühen 15. Jh. erstreckte sich Burgund von der Nordseeküste bis zu den Alpen und war für Jahrzehnte das mächtigste Land Europas. Die Hauptstadt war damals Brügge, eine äußerst reiche Hafenstadt, nördlich der Alpen der führende Handelsplatz für Waren aus aller Welt. Philipp der Gute förderte Kaufleute und Bürger, da ihre Tüchtigkeit ihm Wohlstand und Macht garantierte. Er gestattete seinem Hofmaler Jan van Eyck, Porträts auch von Kaufleuten und Bürgern auszuführen, eine Geste von großer Toleranz, denn bis zu diesem Zeitpunkt arbeiteten Maler nur im Auftrag der Kirche oder eines weltlichen Herrschers.

Im Oeuvre von Jan van Eyck lässt sich unter den vielen Porträts nur ein einziges ganzfiguriges Doppelporträt finden, zumindest ist nur eines erhalten, Die Arnolfini-Hochzeit.

Die Familie Arnolfini war in der toskanischen Stadt Lucca ansässig und dort die bedeutendste Handels- und Bankiersfamilie. Sie handelten europaweit mit den teuren, in Lucca gewebten Seidenstoffen und Wandteppichen, und gründeten dafür Zweigstellen in Paris, Brügge und London.

Der erste aus der Familie Arnolfini, der sich für immer in Brügge niederließ, war Giovanni Arnolfini. Er heiratete Costanza Trenta, die ebenfalls aus Lucca stammte. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jhs. zweifelte niemand daran, dass van Eycks Gemälde dieses Brautpaar zeigt. Zudem gibt es historische Belege, dass nicht nur der Künstler, sondern auch Giovanni Arnolfini am Hofe arbeitete. Er beriet Philipp den Guten in finanziellen Geschäften und war mit Jan van Eyck befreundet, was so die Rolle des Malers als Zeuge erklärt.

In historischen Dokumenten lässt sich der Weg des Gemäldes und des Titels verfolgen: von Burgund kam es über einen spanischen Ritter 1516 in die Hände von Margarete von Österreich, die Statthalterin der habsburgischen Niederlande war. Von ihren Kunstwerken gibt es eine französischsprachige Liste, in der ein Gemälde als »Hernoul le Fin mit seiner Frau…gemacht vom Maler Johannes« verzeichnet ist. Sieben Jahre später findet sich eine ähnliche Beschreibung, »Arnoult Fin« wird jetzt der Name geschrieben. Diese französische Form wurde als der italienische Name Arnolfini gedeutet. Wieder möchte man meinen, dass das Gemälde entschlüsselt ist.

Eines Tages jedoch entdeckte ein italienischer Historiker einen Brief der Brautmutter, geschrieben im Jahr 1433. In diesem Brief steht, dass ihre Tochter Costanza verstorben sei. Somit war ein Hochzeitsbild von 1434 nicht möglich. Wer war dann das Brautpaar?

Giovanni Arnolfini folgten weitere Familienmitglieder nach Brügge, darunter ein zweiter Giovanni, etwas jünger und ein Cousin zum ersten. Dieser jüngere Giovanni heiratete eine Giovanna Cenami. Doch nach einem französischen Historiker fand diese Heirat erst 1447 statt, das war sechs Jahre nach dem Tod des Malers.

Unter den in Brügge lebenden Arnolfinis gab es einen Michele, der in einem nicht bekannten Jahr eine Elisabeth heiratete, deren Familienname nicht bekannt ist. Für Kunsthistoriker war diese Zuordnung schlüssig, da der Bräutigam der Braut seine linke Hand reicht, und damit das Gemälde eine Eheschließung zur linken Hand