Spiegel und ihre Geheimnisse in der Malerei - Sibylla Vee - E-Book

Spiegel und ihre Geheimnisse in der Malerei E-Book

Sibylla Vee

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Beschreibung

Maler und Malerinnen lieben Spiegel runde, konvexe und flache, rechteckige, kleine Hand- und große Wandspiegel, Spiegel als Zeugen, Solisten und Psychologen, und vor allem lieben sie die unsichtbaren. Viele spannende Geschichten um das Bildmotiv Spiegel.

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Maler und Malerinnen lieben Spiegel …

runde, konvexe und flache, rechteckige, kleine Hand- und große Wandspiegel,

Spiegel als Zeugen, Solisten und Psychologen, und vor allem lieben sie die unsichtbaren.

Viele spannende Geschichten um das Bildmotiv Spiegel.

Sibylla Vee ist das Pseudonym einer Autorin, die sich zunächst in Praxis und Theorie ganz der Bildenden Kunst widmete.

2016 wechselt sie vom Pinsel zur Feder und beginnt zwei Serien:

KLEINE KULTURGESCHICHTEN erzählen Kurzbiographien, – von Entdeckern, Kulturschaffenden und Künstlern, Männern wie Frauen, die es wert sind, aus dem Schatten der »sehr Berühmten« herauszutreten.

KLEINE BILDERGESCHICHTEN erzählen von Lieblingsmotiven in Grafik und Malerei, von sehr berühmten wie auch kaum bekannten Künstlern und Werken.

Inhaltsverzeichnis

Spiegel über Spiegel

Vermeintlich Intimes

Im Rücken

Der Zeuge

Der Königliche

Solisten

Die Psychologen

Die Unsichtbaren

Künstler- und Bildinformationen

Personenverzeichnis

Ortsverzeichnis

Spiegel über Spiegel

Auf dem Titelbild dieses Buches sehen wir eine Frau mit einem kleinen runden Handspiegel. Was sieht sie im Spiegel? Wissen wir es, auch wenn wir es nicht sehen können? Ja, wir sind uns sofort sicher – aufgrund unserer eigenen Erfahrungen – sie schaut ihr eigenes Gesicht an.

Das Titelbild ist jedoch Teil eines größeren Bildes. Betrachten wir das ganze Gemälde (s. S. 9), erkennen wir, dass die Frau ihren Blick nicht nur nach vorne, sondern auch nach hinten richtet: »Wie sieht der Hut von hinten aus? Wie fallen die blauen Federn?« Dieses kleine Beispiel zeigt, wie komplex die Aufgaben und die Aussagen von Spiegeln als Bildmotiv sein können.

Frederick Carl Frieseke liebte es, Frauen zu malen und er liebte es, Spiegel zu malen. Kein Oeuvre eines anderen Malers umfasst so viele Gemälde, in denen ein Spiegel zu sehen ist: kleine und große, runde und eckige, unauffällige und solche, die das ganze Bildformat ausfüllen. Sogar bei seinem Selbstporträt zeigt er sich uns nur in einem Spiegel. (B 7)

1874 in Owosso, Michigan, geboren, verließ Frieseke nach dem Studium in Chicago und New York seine Heimat, um für immer in Frankreich zu leben.

Im Winter wohnte er in Paris, im Sommer in Giverny, in dem bei französischen und amerikanischen Künstlern so beliebten Ort, etwa 70 km nordwestlich von Paris. Im Nachbarhaus wohnte Claude Monet, der bedeutendste französische Impressionist. Diese Stilrichtung faszinierte Frieseke, der schnelle leichte Pinselstrich, die hellen Farben und das Einfangen von Licht und Atmosphäre. Als künstlerisches Vorbild war ihm Pierre Auguste Renoir dennoch näher als Monet, da Renoir als einziger unter den Impressionisten lieber Menschen als Landschaften malte.

Mit dreißig Jahren gelang Frederick Carl Frieseke, der heute in Deutschland kaum mehr bekannt ist, der künstlerische Durchbruch. Er gewann bei internationalen Ausstellungen Medaillen, in St. Louis eine Silber-, in München eine Goldmedaille. Das erste Gemälde, das der französische Staat von ihm für das Musée du Luxembourg ankaufte, trägt den Titel Vor dem Spiegel (B 2). Nach zahlreichen Auszeichnungen in Europa und in den Vereinigten Staaten bekam 1912 sein Gemälde mit dem Titel Frau mit einem Spiegel seinen Platz im bedeutenden Metropolitan Museum of Art in New York. (B 3)

Für seine Gemälde saß dem Maler häufig seine Ehefrau Modell, Sarah Ann O’ Bryan, eine Amerikanerin, die er in Paris kennengelernt und 1905 geheiratet hatte. Durch ein Gemälde mit dem Titel Mrs. Frieseke am Fenster, können wir sie in anderen Werken wiedererkennen. Zu diesen gehören zwei Bilder, in denen Sarah einen neuen Hut mit blauen Federn trägt und sich in einem Handspiegel betrachtet. Frieseke malte wie seine französischen Künstlerkollegen gerne ein Motiv öfters, in verschiedenen Lichtstimmungen. In dem kleineren Gemälde von 1908 wird Sarah von einem warmen, goldenen Nachmittagslicht von rechts beleuchtet. (B 4) Die warmen Gelbtöne ihrer Haut finden sich auch im Hintergrund, in Tapete, Bilderrahmen und Sofaleiste, und etwas dunkler im Strohhut wieder. Einen Kontrast bildet das teils ins Türkis gehende Blau ihres Kleides, das nochmals in den Hutfedern erscheint.

B 1 – »Lady trying on a hat«, 1909, von Frederick Carl Frieseke

B 2 – »Before the Mirror«, 1903, von F. C. Frieseke

B 3 – »Woman with a mirror«, 1911, von Frieseke

Denselben Hut mit denselben Blumen und den blauen Federn trägt Sarah auf dem größeren Gemälde, das ein Jahr später entstand (B 1). Die warmen Ockertöne finden sich jetzt nur noch an wenigen Stellen. Das Blau der Hutfedern wiederholt sich in Sarahs langer Kette, in einem Kissen unter ihren Füßen und vor allem in der offen stehenden Hutschachtel. Den Großteil des Bildes dominieren die Pastelltöne ihres Kleides. Der rückwärtige Spiegel ist Teil eines Möbelstücks, das vor 100 Jahren noch weit verbreitet war, ein Toilettentisch. Frieseke malte hier seine Frau in Lebensgröße im häuslichen Ambiente. Der Titel Lady trying on a hat ist etwas irreführend, denn Sarah brauchte den Hut nicht mehr zu probieren, sie hatte ihn bereits gekauft. Das kleinere Gemälde von 1908 könnte genau diese Kaufsituation in einem Pariser Geschäft zeigen. Der englische Titel Reflections ist hier sehr zutreffend und hat die selbe Doppelbedeutung wie im Deutschen. Der Maler war fasziniert von den Lichtreflektionen auf der Haut und machte sich eine kleine Skizze, – und seine Frau überlegte, ob sie den Hut kaufen solle. Doch vielleicht ist der Titel für das größere Gemälde, das ein Jahr später entstand, ebenso treffend. Mrs. Frieseke liebte diesen Hut, probierte ihn öfters zuhause auf und betrachtete sich mit Hilfe von zwei Spiegeln von hinten, denn nur so konnte sie die besondere Wirkung der blauen Federn sehen. Und Mr. Frieseke liebte es, seine Frau zu beobachten, wenn sie den Hut probierte und das Spiel der blauen Federn betrachtete.

B 4 – »Reflections«, 1908, von Frederick Carl Frieseke

B 5 – »Yellow tulips«, 1911, Frederick Carl. Frieseke

Als Sarah Frieseke sich vor einem großen Spiegel umdrehte und ihre gelbe, gemusterte Stola begutachtete, inspirierte sie ihren Mann zu einem seiner schönsten Gemälde mit einem Spiegel als Motiv. (B 5) Bis auf den unteren Rand nimmt der Spiegel die gesamte Bildfläche ein. Oder war es umgekehrt? Waren es die gelben, voll aufgeblühten Tulpen, die Frieseke faszinierten, die Spiegelung des Raumes mit den großen Glasfenstern und dem Blick in den Garten hinaus? Und dann erst bat er seine Frau, sich vor den Spiegel zu stellen und die gelbe Stola umzuhängen?

Frederick Carl Frieseke malte außer seiner Ehefrau Sarah auch andere Frauen, die ihm Modell saßen. Am Toilettentisch schminken sie sich, probieren Ohrringe (B 6) oder kleiden sich an (B 2). Ihr Morgengewand und die Stoffe im Raum sind jeweils in denselben Farbtönen gehalten, Immer fängt Frieseke einen atmosphärischen Moment ein, einen intimen Moment am frühen Morgen.

B 6 – »Girl with earrings«, 1917, F. C. Frieseke

Was ihn selbst betrifft, war Frederick Carl Frieseke sehr zurückhaltend. In seinem Selbstporträt (B 7), das er mit 64 Jahren malte, sieht man so gut wie nichts von seinem Gesicht, es liegt ganz im Schatten. Vielmehr thematisiert das Gemälde seine Leidenschaften, das Malen und das Motiv Spiegel. Wir sehen einen Spiegel, der etwa zwei Drittel der Bildfläche einnimmt. In dem Spiegel spiegelt sich der Maler, wie er gerade in den Spiegel schaut, um sein Selbstporträt zu malen, von dem wir aber nur die Rückseite der Leinwand auf der Staffelei sehen.

B 7 – »Selbstporträt«, 1938, Fredrick Carl Frieseke

Vermeintlich Intimes

Manches Bild, das auf den ersten Blick einen intimen Moment am Toilettentisch zu zeigen scheint, hat im Kern ein anderes Thema, wie das Gemälde (B 8) des Belgiers Gustave Léonard de Jonghe, der gerne elegante Damen der Oberschicht porträtierte. Der kleine Spiegel, überdacht von einem zitronengelben Schleier, zeigt uns das Gesicht der Frau, die in schwarzer Robe das Bild beherrscht. »Vanity«, Eitelkeit, nannte der Maler sein Werk. In der Kunstgeschichte gibt es einige Gemälde mit diesem Titel. Immer sind es Frauen mit einem kleinen Spiegel, der uns ihr Gesicht zeigt, denen diese Charaktereigenschaft zugeschrieben wird.

B 8 – »Vanity«, um 1865, Gustave Léonard de Jonghe

Keineswegs um Eitelkeit geht es in dem Gemälde, das Berthe Morisot, die einzige Frau unter den französischen Impressionisten, 1877 malte. (B 9) Es könnte sich um ein Selbstporträt handeln, denn die junge Frau hat große Ähnlichkeit mit Berthe Morisot selbst, die in ihrer künstlerischen Begabung und ihrem Erfolg ihren männlichen Kollegen in nichts nachstand und von Anfang an mit ihnen ausstellte.

Auf den zweiten Blick erkennen wir etwas Irritierendes. Die junge Frau pudert sich, obwohl sie ihr Kleid noch nicht vollständig angezogen hat. Der Titel sagt uns, sie hält eine Puderquaste in der rechten Hand. Ohne diese könnten wir denken, sie sei beim Ankleiden unterbrochen worden und blicke nachdenklich in den Spiegel. Doch welche Frau würde sich mit einem halb angezogenen Kleid pudern?