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Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Tag, mein Schatz«, begrüßte Dr. Daniel Norden seine Frau, die ihm schon bis zum Gartentor entgegengekommen war, mit strahlender Miene. »Du bist aber gut gelaunt«, freute sich Fee. »Frau Triebels Baby ist da, gesund und munter, und ihr geht es auch gut«, erzählte er rasch, bevor er von seinen drei lebhaften Kindern bestürmt wurde. Ja, da konnte auch Fee froh sein, denn Frau Triebel hatte ihnen große Sorgen bereitet. Herr Triebel hatte einen Betriebsunfall gehabt und mit schweren Quetschungen lange in der Klinik liegen müssen, und die junge werdende Mutter hatte so darunter gelitten, dass auch das Baby in Gefahr hätte kommen können. Nun konnte man sich wieder freuen, und an diesem Tag schmeckte Daniel das Essen wieder mal besonders gut. »Nun kann Schorsch endlich auch mal mit seiner Frau Urlaub machen«, sagte er. »Das freut mich am meisten. Ruthart macht sich bestens.« Auch das freute Fee. Dr. Horst Ruthart war erst acht Wochen an der Frauenklinik Dr. Leitner, aber diesmal schien Schorsch, wie Dr. Leitner von den Freunden genannt wurde, einen sehr guten Fang gemacht zu haben. Urlaub brauchte der geplagte Gynäkologe schon lange, aber er hatte sich einfach nicht weggetraut, da er sehr auf den guten Ruf seiner Klinik bedacht war.
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Seitenzahl: 153
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»Tag, mein Schatz«, begrüßte Dr. Daniel Norden seine Frau, die ihm schon bis zum Gartentor entgegengekommen war, mit strahlender Miene.
»Du bist aber gut gelaunt«, freute sich Fee.
»Frau Triebels Baby ist da, gesund und munter, und ihr geht es auch gut«, erzählte er rasch, bevor er von seinen drei lebhaften Kindern bestürmt wurde.
Ja, da konnte auch Fee froh sein, denn Frau Triebel hatte ihnen große Sorgen bereitet. Herr Triebel hatte einen Betriebsunfall gehabt und mit schweren Quetschungen lange in der Klinik liegen müssen, und die junge werdende Mutter hatte so darunter gelitten, dass auch das Baby in Gefahr hätte kommen können.
Nun konnte man sich wieder freuen, und an diesem Tag schmeckte Daniel das Essen wieder mal besonders gut.
»Nun kann Schorsch endlich auch mal mit seiner Frau Urlaub machen«, sagte er. »Das freut mich am meisten. Ruthart macht sich bestens.«
Auch das freute Fee. Dr. Horst Ruthart war erst acht Wochen an der Frauenklinik Dr. Leitner, aber diesmal schien Schorsch, wie Dr. Leitner von den Freunden genannt wurde, einen sehr guten Fang gemacht zu haben. Urlaub brauchte der geplagte Gynäkologe schon lange, aber er hatte sich einfach nicht weggetraut, da er sehr auf den guten Ruf seiner Klinik bedacht war.
»Hoffentlich bleibt Ruthart ihm lange erhalten«, meinte Fee.
»Ich denke schon. Ein sympathischer Mensch. Still und zuverlässig, wie Schorsch. Ganz seine Linie.«
»Und es ist ein großer Vertrauensbeweis, wenn Schorsch ihm die Klinik überlässt. Wohin wollen sie denn fahren?«
»Bestimmt nicht weit, wie ich Schorsch und Claudia kenne. Irgendwohin, wo es ganz ruhig ist. Wenn hier Not am Mann ist, werde ich mit einspringen, das habe ich Schorsch versprochen. Nächste Woche starten sie.«
»Wenn nur nichts dazwischenkommt«, meinte Fee, die den Freunden den wohlverdienten Urlaub von Herzen gönnte. Bei ihnen machte es zwar auch immer Schwierigkeiten, bis sie mal wegkamen, aber hin und wieder gelang es ihnen doch, während Dr. Leitner aus seiner Klinik überhaupt noch nicht länger als einen Tag herausgekommen war.
Claudia Leitner glaubte es allerdings auch erst dann, als sie tatsächlich unterwegs waren.
»Welch ein Glück, dass wir Ruthart gefunden haben«, sagte Claudia mit einem erleichterten Seufzer.
Welch ein Glück, dass ich diese Stelle bekommen habe, dachte Dr. Horst Ruthart zur gleichen Zeit. Er war ein Mann von Anfang dreißig, mittelblond, unauffällig und doch irgendwie ungemein anziehend. Er hatte ein kluges schmales Gesicht, warme graue Augen und einen schöngeschnittenen, sensiblen Mund. Aber das Schönste an ihm waren seine Hände, das jedenfalls hatte Schwester Angela längst festgestellt, obgleich sie Dr. Ruthart mit dem größten Misstrauen begegnet war. Nicht grundlos! Allerdings wusste Dr. Ruthart nichts von diesem Misstrauen, und er kannte sie nur als Schwester Angela.
Schwester Angela wusste, dass Dr. Ruthart vorher in der Privatklinik Dr. Christmann tätig gewesen war. Sie wusste es, weil ihre Schwester Irene dort ebenfalls Assistenzärztin war. Sie behielt ihr Wissen für sich.
Freilich wusste auch Dr. Leitner von dieser Stellung. Auf Verdacht hin hätte er keinen Mitarbeiter engagiert. Er wusste auch, warum Dr. Ruthart die Christmann-Klinik verlassen hatte. Auch er bewahrte Stillschweigen. Allerdings konnte Dr. Leitner nicht ahnen, dass Schwester Angela eine andere Version über die Entlassungsursache zu Ohren gekommen war.
Sie hatte den jungen Arzt während der acht Wochen, die er nun hier tätig war, kritisch beobachtet, und sie hatte nichts feststellen können, was an ihm auszusetzen wäre. Er war äußerst gewissenhaft, manchmal eher übervorsichtig.
Er war freundlich zu den Schwestern, aber zurückhaltend. Bei den Patientinnen war er schnell sehr beliebt, und das konnte man auch von Schwester Angela sagen, die man als Engel im weißen Kittel bezeichnete, weil sie so sanft, so verständnisvoll und geduldig war.
Man fragte an diesem Tag immer wieder nach ihr, aber Schwester Angela hatte ihren freien Tag.
*
Angela traf sich mit ihrer Schwester Irene, die acht Jahre älter war als sie, und eine attraktive Frau. Sie war Angela gegenüber stets in jeder Beziehung im Vorteil gewesen. Auch Angela hätte gern Medizin studiert, aber als sie so weit war, starb ihr Vater, dem es zeitlebens nicht gelungen war, ein finanzielles Rückenpolster zu schaffen. Er hatte gern und gut gelebt und auch einige Ambitionen gehabt, die allerhand Geld verschlangen. Irene war noch nicht so weit gewesen, ihre jüngere Schwester unterstützen zu können. So war Angela dann Krankenschwester geworden. Das Verhältnis zwischen den beiden Schwestern war zwar nicht ausgesprochen innig, aber doch recht gut. Äußerlich waren sie so verschieden, dass man sie kaum für Schwestern halten konnte. Irene war groß und blond und ein durchaus sportlicher Typ. Angela war mittelgroß, dunkel und zierlich.
Sie trafen sich auf halbem Wege an den Osterseen. Es war ein schöner, klarer Maientag, und sie konnte ihre Mittagsmahlzeit auf der Terrasse einnehmen.
»Wie geht es bei euch?«, fragte Irene beiläufig, aber mit einem drängenden Unterton, den Angela stutzig machte.
»Gut«, erwiderte sie. »Dr. Leitner ist mit seiner Frau in Urlaub gefahren.«
Irenes Augenbrauen ruckten empor. »Er hat Ruthart das Feld allein überlassen?«, fragte sie erstaunt.
»Er ist sehr zuverlässig«, sagte Angela. »Ich weiß nicht, was du gegen ihn hast. Könnte es nicht sein, dass ihm jemand bewusst Schaden zufügen wollte?«
»Ich möchte mich dazu nicht äußern«, erwiderte Irene, »vielleicht waren es auch ganz persönliche Dinge, die seine Trennung von der Christmann-Klinik bewirkten. Margot Christmann kann einem Mann schon zusetzen, wie sich jetzt bei dem neuen Assistenten auch herausstellt.«
Das klang sehr willig, und Angela musterte ihre Schwester mit einem forschenden Blick, unter dem Irene verlegen wurde.
»Deterling lässt sich nicht aufs Kreuz legen«, entfuhr es ihr. »Es herrscht schon eine ziemlich gespannte Stimmung. Christmann ist ja manchmal auch unberechenbar.«
Das waren Töne, die Angela von ihrer Schwester bisher noch nicht vernommen hatte. Anfangs war sie hellauf begeistert von Dr. Christmann gewesen. Geradezu geschwärmt hatte sie von ihm. Das schien nun auch abgekühlt zu sein.
Angela spielte mit ihrer Serviette. »Willst du mir nicht sagen, was sich zugetragen hat, bevor Ruthart die Stellung wechselte, Irene?«, fragte sie leise. »Wenn etwas mit ihm nicht stimmt, sollte man es doch wissen. Gerade jetzt, wo Dr. Leitner nicht da ist, könnte ich Dr. Norden einen Hinweis geben, wenn er sich nicht korrekt benimmt.«
»Es waren bestimmt keine persönlichen Dinge«, sagte Irene. »Nichts mit einer Patientin oder so, wenn du das denken solltest. Es war ein plötzlicher, unerwarteter Todesfall nach einer an sich harmlosen Operation. Es hat da eine heftige Auseinandersetzung zwischen Christmann und Ruthart gegeben, über die ich aber nicht viel weiß. Jedenfalls scheint Ruthart etwas versiebt zu haben.«
Angela wurde blass. »Das kann ich nicht glauben«, stieß sie hervor.
Irene runzelte die Stirn. »Du scheinst viel für ihn übrig zu haben«, sagte sie anzüglich.
»Das hat damit nichts zu tun«, erwiderte Angela heftig. »Ich kenne ihn als einen sehr tüchtigen und sehr gewissenhaften Arzt.«
»Hoffentlich wirst du nicht enttäuscht«, sagte Irene kühl.
Angela legte den Kopf in den Nacken. »Anscheinend bist du von Christmann aber auch enttäuscht worden«, bemerkte sie ruhig und bewies, dass sie auch kontern konnte, wenn es sein musste.
»Ich bin älter und klüger geworden«, erwiderte Irene ruhig. »Bitte, mach aber keinen Gebrauch von dem, was ich dir gesagt habe. Christmann hat mich zu Stillschweigen verpflichtet. Wenn ich es mir recht überlege, mag es ausschlaggebend gewesen sein, dass Ruthart nichts von Margot wissen wollte. Sie ist ein Biest.«
Angela kannte Irene besser, als diese dachte. Irene ist eifersüchtig, ging es ihr durch den Sinn. Ihr scheint dieser Deterling zu gefallen.
Nach einer Weile erkundigte sie sich ganz harmlos nach diesem, aber Irene gab ausweichende Antworten. Nach dem Kaffee trennten sie sich. Irene fuhr mit ihrem flotten Sportflitzer davon, Angela in ihrem alten Kleinwagen. Sie fuhr langsam und auf stillen Straßen und dachte über Dr. Horst Ruthart nach.
*
Die Christmann-Klinik war ein prächtiger Bau. Man sagte dem Chefarzt nach, dass er ganz schön abgesahnt hätte, aber allzu laut wurden solche Bemerkungen nicht. Jedenfalls war auch für Ärzte und Schwestern gut gesorgt.
Irene hatte eine sehr hübsche Wohnung im Parterre des Schwesternhauses. Dr. Ruthart hatte eine kleine Zweizimmerwohnung gemietet, solange er hier tätig war. Dr. Deterling hatte man eine Wohnung in der Privatvilla des Chefarztes eingeräumt. Das allein wurmte Irene schon. Ihr hatte man das zwar auch angeboten, aber sie hatte davon Abstand genommen. Dr. Jürgen Deterling schien sich dahingegen überhaupt nichts gedacht zu haben, als er die Wohnung in der Villa bezog.
Als Irene in ihrer Wohnung anlangte, geplagt von widersprüchlichen Gedanken, kam Schwester Anne die Treppe heruntergestürzt.
»Drüben ist wieder was los«, stieß sie hervor. »Wir scheinen Pech mit unseren Assistenten zu haben.«
Irene erstarrte. Zwar wusste sie, dass für Schwester Anna Dr. Christmann das A und O war und sie ihn vergötterte, aber es schien auf Dr. Deterling gemünzt zu sein.
Sie eilte Schwester Anna nach. Es fiel niemandem auf, dass sie plötzlich wieder in der Klinik war, denn es herrschte eine Hektik und Aufregung ohnegleichen.
Und aus dem Chefzimmer vernahm sie Dr. Deterlings dröhnende Stimme. »Das ist ja wohl nicht möglich«, sagte er, »mit mir können Sie das nicht machen, mit mir nicht! Ich verlange eine Untersuchung!«
Jetzt mahnte Christmanns Stimme zur Ruhe und Besinnung, aber gleich darauf kam Deterling aus dem Chefzimmer gestürmt. Er nahm Irene gar nicht wahr, sondern stürzte an ihr vorbei.
Irene stand wie angewurzelt. Ihre Gedanken überstürzten sich. Dann hörte sie gedämpfte Stimmen, und bald darauf kam ein schlanker blasser Mann. Irene erkannte ihn. Es war Alfred Seibert, dessen Frau am Morgen operiert worden war.
Irene blieb fast das Herz stehen, als Dr. Christmann sagte: »Sie dürfen versichert sein, dass wir alles getan haben, was in unserer Macht stand. Dr. Deterlings Erregung ist mir unbegreiflich, Herr Seibert. Aber wenn Sie auf einer Obduktion bestehen …«
Herr Seibert schien das schon nicht mehr zu hören. Er wankte hinaus. Und dann gewahrte Dr. Christmann Irene.
Seine Augenbrauen schoben sich zusammen. »Komm doch bitte mal herein, wenn du schon da bist«, sagte er mit äußerster Beherrschung.
Sie folgte ihm mechanisch und starrte ihn so durchdringend an, dass er den Blick abwandte. Er war ein interessanter Mann, Mitte Fünfzig, mit schmalem Kopf und dickem graumeliertem Haar. Er trug eine goldgeränderte Brille, hinter der die sehr hellen Augen bedeutend größer schienen als normal.
»Ja, Frau Seibert hat den Eingriff leider nicht überlebt«, sagte er. »Mit ihrem Blut ist etwas nicht in Ordnung gewesen, das Deterling übersehen haben muss. Ich werde das noch genau nachprüfen. Vielleicht lag es auch an der Narkose. Sie ist nicht mehr aufgewacht. Eine unangenehme Geschichte. Wärest du nur hier gewesen, Irene.«
»Dann würde es jetzt vielleicht an mir hängen«, stieß sie hervor.
»Wie kannst du so etwas sagen, Irene. Lässt du mich jetzt auch im Stich?«
Hätte ich mich doch nie mit ihm eingelassen, ging es ihr durch den Sinn. Könnte ich Vertraulichkeit doch nur rückgängig machen.
»Es war doch eine ganz einfache Eierstockoperation«, sagte sie tonlos.
»Manches sieht zuerst so einfach aus und ist dann doch kompliziert. Deterling führt sich auf, als ginge es um Leben und Tod.«
»Frau Seibert ist doch tot«, sagte Irene mit bebender Stimme.
»Wir sind auch nur Menschen«, erwiderte er. »Du warst nicht zugegen, du kannst dir kein Urteil erlauben.«
Sie drehte sich um und ging, aber er holte sie an der Tür ein.
»Warum bist du so abweisend, Irene? Warum zeigst du mir plötzlich die kalte Schulter? Ich biete dir alles, was ich habe, wenn du meine Frau wirst, wie oft muss ich das noch sagen?«
»Nie mehr«, sagte sie kühl. »Ich sage nein, auch wenn du mich vor die Tür setzt.«
*
Dr. Deterling betrat im Sturmschritt die Villa Christmann, und schon kam ihm Margot mit einem Lächeln auf den vollen Lippen entgegengetänzelt.
Sie war gerade erst zwanzig und schon ein bisschen üppig, kleidete sich gern nach der neuesten Mode und sehr auffallend. Bei ihr passte nichts zusammen, auch nicht die Frisur zu dem breitknochigen Gesicht. Ihre Augen waren klein und standen eng zusammen. Sie war ganz nach ihrer Mutter geraten, die allerdings das große Geld in die Ehe eingebracht hatte. Und auf ihr Erbe und den Namen Christmann pochte Margot. Außerdem litt sie durchaus nicht unter Hemmungen.
»Ein Tässchen Mokka, lieber Doktor?«, fragte sie mit ihrem süßesten Lächeln.
»Nein, danke vielmals«, knurrte er. »Wir hatten einen Todesfall.«
»Oh, wie peinlich«, sagte sie gleichmütig, »aber das passiert ja hin und wieder in jeder Klinik.«
Ein Gemüt wie ein Metzgerhund, dachte Jürgen Deterling. Aber von irgendjemandem muss sie es ja haben.
Warum habe ich nur diese Wohnung genommen, dachte er dann, als er durch die schönen, komfortabel eingerichteten Zimmer rannte. Ich hätte mir doch denken sollen, dass da irgendein Haken dabei ist. Was bin ich nur für ein Narr!
Längst war ihm ein Licht aufgegangen, dass Dr. Christmann nicht nur einen Assistenten gesucht hatte, sondern auch einen Mann für seine Tochter. Dass Margot mannstoll war, war Jürgen nicht lange verborgen geblieben. Das wussten sogar die Bauernburschen aus der Umgebung, mit denen er manchmal im Wirtshaus beisammensaß. Jürgen liebte das einfache Leben. Er war selbst Sohn eines Bauern, aber er hatte nie etwas anderes werden wollen als Arzt. Und er war immer bemüht gewesen, seinem Beruf im besten Sinne und nach bestem Wollen gerecht zu werden.
Ich werde die Obduktion verlangen, wenn Seibert sich hat breitschlagen lassen, dachte er. Ich lasse das nicht auf mir sitzen. Nein, mit mir kann er das nicht machen.
Er stand am Fenster und presste die Stirn gegen die Scheibe. Er sah Irene von der Klinik herüberkommen, und da hielt es ihn nicht mehr. Er stürmte hinaus, so schnell, dass Margot ihm nicht folgen konnte.
Aber sie sah, wie er auf Irene zulief, und ihr Gesicht verzerrte sich hassvoll.
Irene blieb erschrocken stehen, als eine feste Hand ihren Arm ergriff. Sie blickte in Jürgens erregtes Gesicht.
»Ich muss Sie sprechen, Irene«, sagte er heiser, »sofort!«
Sie nickte geistesabwesend. »Gehen wir in meine Wohnung«, sagte sie mit klangloser Stimme.
»Vielleicht feuert er uns dann beide«, sagte Jürgen.
»Das kann er sich wohl kaum leisten«, sagte sie kalt. »Aber mir wäre es auch egal.«
»Meinen Sie das ernst?«
»Und wie ernst«, erwiderte sie, ohne zu zögern.
»Dann ist es gut.«
*
Auch Angela war gleich wieder heimgekehrt nach ihrem Treffen mit Irene. In der Leitner-Klinik ging es jedoch ruhig zu.
Angela musste sich beschäftigen. Sie wollte sich gewaltsam auf andere Gedanken bringen. Sie ging hinüber zur Klinik.
Oberschwester Herta sah sie überrascht an. »Sie sind ja schon wieder da, Angela. Sie haben wohl gehört, wie die Patientinnen nach ihrem Engelchen verlangen?«, fragte sie gutmütig.
Angela errötete. »Ich dachte nur, dass man mich vielleicht doch brauchen könnte.«
»Ja, brauchen können wir jeden bei dem Betrieb«, sagte Schwester Herta. »Schon wieder eine neue Entbindung, die noch nicht geplant war. Aber Dr. Ruthart ist ja die Ruhe selbst.«
»Eine komplizierte Entbindung?«, fragte Angela.
»Könnte möglich sein. Der OP ist jedenfalls bereit. Schwester Hilde hat wieder ihre Migräne.«
»Dann könnte ich sie ja vertreten«, sagte Angela.
Schwester Herta lächelte gutmütig. »Ich habe noch nicht ein einziges Mal erlebt, dass Sie Ihren freien Tag ganz ausgenützt hätten.«
»Ich liebe halt nur meinen Beruf«, sagte Angela leichthin.
»Das spürt man, und das spüren auch die Patientinnen. Also, wenn wir Sie brauchen, sind wir dankbar, wenn Sie einspringen.«
Sie umfasste Angela mit einem mütterlichen Blick. An sich war Schwester Herta immer etwas distanziert, aber Angela erfreute sich ihres Wohlwollens, wenngleich sie sich dessen nicht bewusst wurde.
Angela war eben etwas Besonderes. Bei ihr gab es keine Liebeleien und keine Albernheiten. Sie war auch nicht darauf bedacht, ihre Arbeitszeit auf die Minute genau einzuhalten und zu beenden. Sie kam nie zu spät und hatte nie Launen. Sie sagte auch nie ein abfälliges Wort über eine Patientin, über die man sich durchaus ärgern konnte.
Schwester Herta, die immerhin über die goldene Fünfzig schon hinweg war, fragte sich manches Mal, woher dieses junge Ding schon die Reife nahm, über den Dingen zu stehen.
Aber ganz so war es doch nicht. Angela hatte nur sehr viel Selbstdisziplin und ließ sich nicht gern ins Herz schauen. Sie gingen zu Frau Triebel, die sie ganz besonders ins Herz geschlossen hatte, weil sie so tapfer alle Schwierigkeiten ihres Lebens zu meistern versuchte.
Angela stellte es sich unendlich schwierig vor, sich um einen Mann zu sorgen, den man sehr lieb hatte und kaum noch die Kraft zu haben, die beschwerliche Schwangerschaft durchzustehen. Bei Frau Triebel war sie sehr beschwerlich gewesen mit all den Belastungen, aber sie hatte immer nur an ihr Kind gedacht, das auch ihrem Mann neuen Lebensmut einflößen sollte.
Es war ein niedlicher kleiner Junge, nur knapp fünf Pfund leicht, aber doch recht lebhaft. Er hatte einen schwarzen Haarschopf, und wie Angela nun bemerken konnte, legte er auch einen recht guten Appetit an den Tag.
»Nun müssen Sie aber auch ein bisschen mehr essen, Frau Triebel«, sagte Angela aufmunternd.
»Jetzt bekomme ich auch wieder Appetit«, erwiderte die junge Mutter. »Mein Mann hat mich vorhin angerufen. Vielleicht darf er am Wochenende endlich die Klinik verlassen. Die Freude scheint ihm zu helfen. Ich bin so froh, Schwester Angela.«
»Das glaube ich Ihnen gern, Frau Triebel. Wir sind auch froh.«
Und dann wurde sie in den OP gerufen. Dr. Ruthart nickte ihr freundlich zu. »Es ist nett, dass Sie einspringen«, sagte er.
Die Patientin war in Narkose. Angela beobachtete Dr. Ruthart unentwegt, während sie ihm ruhig die Instrumente reichte. Wortlos, ohne das geringste Zögern, ging alles vonstatten. Mit traumwandlerischer Sicherheit durchtrennte er das Gewebe. Wenn Angela ihn über Puls und Blutdruck informierte, nickte er nur leicht. Er war ganz auf die Patientin konzentriert, und es ging alles glatt. Unbeschadet wurde das Baby aus seiner verzwickten Lage befreit, noch rechtzeitig, da es die Nabelschnur um den Hals gewickelt hatte. Es hatte sich zu schnell gedreht und gesenkt, aber nun schrie es sich ins Leben.
Als Dr. Ruthart den Schnitt vernäht hatte, blickte er Angela zum ersten Mal an. Seine Augen lächelten, und ihr wurde es warm ums Herz, als er sich dann liebevoll dem Baby widmete, es gründlich untersuchte und das kleine Herz abhörte.
»Vorsichtshalber legen wir es doch in den Inkubator«, sagte er. »Aber es wird schnell okay sein.« Er wandte sich der jungen Mutter zu. »Gut, dass sie so früh gekommen ist. In solchen Fällen weiß man nie, wie es ausgeht.«