Dr. Norden Bestseller 118 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 118 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Dr. Norden tat es leid, seiner jungen Patientin sagen zu müssen, dass es mit dem Tennissport für die nächste Zeit für sie vorbei wäre, denn Cornelia Pöschel spielte nicht zu ihrem Vergnügen, sondern verdiente sich damit ihren Lebensunterhalt. Ihr erging es wie so vielen jungen Lehrern. Die ­Examen waren bestanden, aber eine Anstellung hatte sie nicht bekommen. Nun hatte sie sich auch noch eine Schulterprellung zugezogen, die nicht nur schmerzhaft war, sondern auch langwierig. »Ich bin schon so ein Pechvogel«, sagte sie deprimiert. »Es hatte sich so gut angelassen, und dummerweise habe ich nun auch das größere Appartement gemietet, das teurer ist als mein altes. Na, irgendetwas wird sich schon finden, damit ich über die Runden komme.« Es war reiner Zweckoptimismus. Zuversichtlich war Cornelia keineswegs, als sie dann die Praxis von Dr. Norden verließ. Was sollte sie denn machen? Die verletzte Schulter war schon ein großes Handicap. Maschineschreiben konnte sie auch nicht, also fiel auch eine Aushilfsstellung in einem Büro flach. Aber eine Freude hatte sie wenigstens zu erwarten, denn morgen würde Lutz kommen. Schon seit einem Jahr war sie mit dem Piloten Lutz Wartenburg befreundet, und früher hatten sie sich öfter sehen können. Aber dann hatte er zu einer ausländischen Fluggesellschaft gewechselt, weil er dort besser verdiente, und nun kam er nur noch selten nach München. Von Heirat war zwar nicht die Rede, denn beide waren nicht für eine übereilte Bindung, aber sie liebten sich. Cornelia war jedenfalls überzeugt, dass Lutz sie genauso liebte wie sie ihn.

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Dr. Norden Bestseller – 118 –

Sie glaubte sich betrogen

Patricia Vandenberg

Dr. Norden tat es leid, seiner jungen Patientin sagen zu müssen, dass es mit dem Tennissport für die nächste Zeit für sie vorbei wäre, denn Cornelia Pöschel spielte nicht zu ihrem Vergnügen, sondern verdiente sich damit ihren Lebensunterhalt. Ihr erging es wie so vielen jungen Lehrern. Die ­Examen waren bestanden, aber eine Anstellung hatte sie nicht bekommen.

Nun hatte sie sich auch noch eine Schulterprellung zugezogen, die nicht nur schmerzhaft war, sondern auch langwierig.

»Ich bin schon so ein Pechvogel«, sagte sie deprimiert. »Es hatte sich so gut angelassen, und dummerweise habe ich nun auch das größere Appartement gemietet, das teurer ist als mein altes. Na, irgendetwas wird sich schon finden, damit ich über die Runden komme.«

Es war reiner Zweckoptimismus. Zuversichtlich war Cornelia keineswegs, als sie dann die Praxis von Dr. Norden verließ. Was sollte sie denn machen? Die verletzte Schulter war schon ein großes Handicap. Maschineschreiben konnte sie auch nicht, also fiel auch eine Aushilfsstellung in einem Büro flach.

Aber eine Freude hatte sie wenigstens zu erwarten, denn morgen würde Lutz kommen.

Schon seit einem Jahr war sie mit dem Piloten Lutz Wartenburg befreundet, und früher hatten sie sich öfter sehen können. Aber dann hatte er zu einer ausländischen Fluggesellschaft gewechselt, weil er dort besser verdiente, und nun kam er nur noch selten nach München.

Von Heirat war zwar nicht die Rede, denn beide waren nicht für eine übereilte Bindung, aber sie liebten sich.

Cornelia war jedenfalls überzeugt, dass Lutz sie genauso liebte wie sie ihn. Sie fuhr jetzt zur Tennisanlage, um dort Bescheid zu sagen, dass sie ihren Job aufgeben müsse. Besonders leid tat es ihr deshalb, weil ein Turnier bevorstand und sie den zwölfjährigen, überaus talentierten Jochen Trabert trainierte, aber dazu gehörte eben auch, dass sie selbst spielte.

Jochen und seine Schwester Dorothee warteten schon auf sie. Es waren nette Kinder. Von ihrem Vater maßlos verwöhnt, hatten sie sich dennoch ihre Natürlichkeit und Unbekümmertheit bewahrt.

Dorle war neun und ein besonders reizendes Mädchen. Nun aber waren sie beide maßlos enttäuscht, als ihnen Cornelia die Hiobsbotschaft verkündete.

»Ihr müsst es verstehen«, sagte sie traurig. »Ich werde nicht fürs Kommandieren bezahlt. Ich werde dafür sorgen, dass du einen guten Lehrer bekommst, Jochen.«

»Die sind ja alle ausgebucht«, sagte der Junge. »Können Sie mir nicht wenigstens Tipps geben, was ich noch falsch mache?«

»Wenn Papa Sie privat engagiert, kann doch keiner was dagegen haben«, meinte Dorle. »Wir reden gleich mit ihm. Er wollte sowieso zuschauen.«

Cornelia hatte Walter Trabert bisher nur einmal flüchtig kennengelernt. Er war ein verschlossener Mann, ein bekannter Bauunternehmer, sehr vermögend, sehr clever und als sehr rücksichtslos bezeichnet. Aber für seine Kinder tat er alles. Eine Frau Trabert schien es schon längere Zeit nicht zu geben. Die Kinder sprachen nicht über ihre Mutter.

Walter Trabert kam, etwas mehr als mittelgroß, sehr hager, aber eine recht interessante Erscheinung, und wurde von seinen Kindern gleich bestürmt.

»Nun mal langsam«, sagte er, »ich verstehe gar nichts.«

Er machte eine leichte Verbeugung vor Cornelia und musterte sie forschend.

»Es geht also um Frau Pöschel«, sagte er. »Aber gehen wir doch ins Restaurant und unterhalten uns dort. Das ist angenehmer.«

Er zeigte sich verbindlich. Seine Kinder konnten anscheinend alles von ihm verlangen.

Jochen informierte seinen Vater nochmals langsam und deutlich.

»Wo haben Sie sich die Prellung denn zugezogen, Frau Pöschel?«, fragte Walter Trabert höflich.

»Beim Umzug. Jedenfalls wird es einige Wochen dauern, bis ich wieder spielen kann.«

»Und was machen Sie während dieser Zeit?«, fragte er.

Sie war überrascht. Warum interessierte ihn das? Sie zuckte die Schultern. »Ich weiß noch nicht«, erwiderte sie.

»Die Kinder sagten mir, dass Sie eigentlich Lehrerin wären. Darf ich fragen, was Sie studiert haben?«

»Germanistik und Anglistik«, erwiderte sie.

»Und keine Stellung bekommen?«, staunte er.

»Es gibt viele Bewerber, und ich bin noch ziemlich jung. Da kommt man auf die Warteliste.«

»Aber es wäre doch gut für Sie, wenn Sie Ihre Kenntnisse verwerten könnten«, meinte er.

»Aber wo?«, meinte sie resigniert.

»Zum Beispiel bei mir«, erklärte er ruhig. »Es würde meinen Kindern zugutekommen, wenn sie ordentlich betreut würden, dazu von einem Menschen, den sie mögen.«

Cornelia war aus der Fassung gebracht, aber Jochen und Dorle brachen in Jubel aus.

»Köchin und Zugehfrau sind vorhanden«, sagte Walter Trabert. »Selbstverständlich brauchen Sie sich nur um die Kinder zu kümmern. Das Gehalt können Sie selbst bestimmen.«

Das war ein wahrhaft überraschendes und großzügiges Angebot. »Bitte, Nele«, sagte Jochen. »Es wäre einfach toll«, sagte Dorle.

Walter Trabert war sehr überrascht wegen dieser Vertrautheit, aber er sagte nichts.

»Frau Pöschel soll es sich überlegen«, meinte er.

»Und dann kann sie mir doch auch Tipps für das Turnier geben, Papa«, sagte Jochen.

»Ja, gewiss. Ich werde einen Privatplatz mieten.«

Geld spielt keine Rolle, dachte Cornelia ironisch. Bauunternehmer müsste man sein.

Doch das war nur ein flüchtiger Gedanke. Sie war niemals neidisch gewesen auf die, denen es besser ging. Sie war eigentlich immer zufrieden gewesen. Und ein großer Pechvogel schien sie doch nicht zu sein, denn ein solches Angebot konnte sie kaum ablehnen.

»Ich brauche noch ein paar Tage, um meine Angelegenheiten zu ordnen«, sagte sie nachdenklich. »Wenn es Ihnen recht ist, könnte ich am Montag anfangen, Herr Trabert.« Von Lutz Wartenburg wollte sie nicht sprechen. »Das Gehalt bestimmen selbstverständlich Sie.«

Die Freude der Kinder beglückte sie. Erst jetzt spürte sie so recht, wie die beiden an ihr hingen.

»So wird Ihr Pech uns zum Glück«, sagte Walter Trabert, und seine Stimme klang plötzlich warm. Und Jochens Augen strahlten. »Jetzt sind wir sogar froh, dass Sie sich die Schulter geprellt haben, Nele«, sagte er schwärmerisch.

Auf was habe ich mich da eingelassen, dachte sie später. Ich wollte doch immer unabhängig bleiben.

Aber als Walter Trabert beim Abschied dann fragte, ob sie mit ­tausend Euro netto einverstanden wäre, blieb ihr fast die Luft weg. Mit einem Schlage war sie aller Sorgen ledig. Da brauchte sie überhaupt nicht mehr zu überlegen, denn sie hatte auch eine recht gesunde ökonomische Einstellung, und für Walter Trabert schien Geld wirklich keine Rolle zu spielen.

*

Am nächsten Morgen fuhr sie zuerst zu Dr. Norden. Er musste ihr noch eine Spritze geben. In der Nacht hatte sie kaum schlafen können und sie wusste auch nicht, wie sie sich hinlegen sollte. Und schließlich wollte sie sich auch nicht mit Schmerzen quälen, wenn Lutz schon mal für drei Tage da war.

Mit der Neuigkeit rückte sie erst heraus, als Dr. Norden ihr die Spritze gegeben hatte.

»Na, das ist doch was«, sagte er lä­chelnd. »Sie sind doch kein Pechvogel.«

»Kennen Sie Trabert?«, fragte sie.

»Er ist nie krank«, erwiderte Dr. Norden ausweichend. »Früher war ich öfter mal in seinem Haus.«

»Ist seine Frau gestorben?«, fragte sie.

»Soviel ich weiß, ist er seit fünf Jahren geschieden. Solange war ich auch nicht mehr gefragt als Arzt.«

»Entschuldigung, ich wollte nicht neugierig sein«, sagte Cornelia verlegen.

»Nun, ein Geheimnis ist es nicht. Jedenfalls sind es sehr nette Kinder. Aber Sie müssen noch ein paar Spritzen bekommen. Vergessen Sie es nicht!«

»Bestimmt nicht. Als Lebensaufgabe betrachte ich die Stellung bei allem Wohlwollen nicht.«

Aber sie fuhr in recht optimistischer Stimmung zum Flughafen, und als sie Lutz kommen sah, vergaß sie vorerst alles, was sie belastet und bewegt hatte.

Groß, schlank, blond, mit strahlendem Lächeln kam er auf sie zu. »Mein Nelchen«, sagte er zärtlich, und sie war glücklich.

Sie fuhren zu ihrer neuen Wohnung, von der sie nun nicht allzulange Gebrauch machen konnte. Aber das großzügige Gehalt, das Walter Trabert ihr versprochen hatte, gestattete ihr doch, diese Wohnung zu behalten.

»Hübsch, sehr hübsch«, stellte Lutz fest. »Hast du im Lotto gewonnen, Nelchen?«

»Sämtliche Ersparnisse investiert«, erwiderte sie lachend, »und dann stand ich beinahe vor dem Nichts.«

»Wieso?«

»Weil ich den Job als Tennislehrerin vorerst aufgeben muss. Ich habe mir die Schulter geprellt, als dieser blöde Schrank dort den Packer aus den Fingern rutschte. Aber keine Sorge, Lutz, ich habe inzwischen ein weitaus besseres Angebot bekommen.«

Natürlich musste sie erzählen. Aber er schien keineswegs begeistert.

»In einem frauenlosen Haushalt?«, fragte er betroffen. »Was ist das für ein Mann? Wie alt?«

Cornelia lachte. »Du wirst doch nicht eifersüchtig sein«, meinte sie. »Was interessiert mich der Mann! Die Kinder sind sehr nett. Und er ist nicht der Typ, der Frauen nachschaut.«

»Werde mir bloß nicht untreu. Schließlich werden wir ja mal heiraten.«

Mal? Wann? Wenn er jetzt gesagt hätte, heirate mich, hätte sie alles über den Haufen gerannt. Aber er sagte es nicht. Er sagte nur »mal«.

»Weißt du, es wäre sinnlos, zu heiraten, solange ich so viel unterwegs bin«, sagte er später. »Ich muss erst noch verdienen und sparen, und dann setze ich mich irgendwo fest. Dann ist das Fundament da für eine Ehe, eine Familie.«

Das klang schon sehr vernünftig, aber Cornelia wäre tatsächlich lieber etwas weniger vernünftig gewesen. Doch das behielt sie für sich. Sie wollte ihm nicht die Pistole auf die Brust setzen. Sie war glücklich mit ihm, unsagbar glücklich. Und für sie würde es nie einen anderen Mann geben, das wusste sie ganz genau.

Es waren wundervolle Tage, die sie miteinander verbrachten, und der Abschied fiel ihnen beiden schwer.

»In vier Wochen komme ich wieder«, versprach Lutz. »Du wirst dann hoffentlich Zeit für mich haben.«

Nein, es passte ihm nicht, dass sie diese Stellung angenommen hatte, und vielleicht hatte er dabei eine Ahnung, an die Cornelia überhaupt nicht dachte.

*

Am Montagmorgen erschien sie im Hause Trabert. Es war ein fantastisches Haus, aber ein Bauunternehmer hatte ja alle Möglichkeiten, sich die besten Architekten auszusuchen, und hier schien einer der allerbesten am Werk gewesen zu sein.

Walter Trabert hatte seine Kinder zur Schule gebracht und war dann daheimgeblieben. So ganz schien er wohl nicht überzeugt gewesen zu sein, dass Cornelia tatsächlich kommen würde. Er atmete hörbar auf. Es konnte ihr nicht entgehen.

»Nun kommen Sie sogar als rettender Engel, Frau Pöschel«, empfing er sie. »Ich muss nämlich morgen für eine Woche geschäftlich in die Schweiz, und ich bin doppelt froh, dass die Kinder bestens betreut werden.«

Jedenfalls schien er eine Menge Vertrauen in sie zu setzen. Cornelia fand, dass es ein guter Beginn sei.

Sie lernte Köchin Emma kennen, eine rundliche, gemütliche Sechzigerin, die ebenfalls erfreut war, dass nicht alle Last auf ihren Schultern allein ruhen sollte.

Cornelia bekam zwei Räume zugewiesen, die traumhaft schön eingerichtet waren.

Walter Trabert sagte ihr, von welchen Geschäften er beliefert wurde.

»Sie brauchen nur anzurufen und zu bestellen. Es wird ins Haus gebracht, und die Rechnungen gehen an mich. Es sind alles meine Kunden. Man kommt sich entgegen. Bargeld für Nebenausgaben finden Sie in der Kassette.«

Er zeigte ihr diese. Sie war gefüllt mit Scheinen, und Cornelia wurde es langsam sogar ein bisschen ungemütlich, wie großzügig er sich zeigte.

Eigentlich erweckte er in ihr eher den Eindruck eines äußerst misstrauischen Menschen. Doch es berührte sie angenehm, dass er bei aller Höflichkeit sehr distanziert blieb.

Er fuhr dann in sein Büro. Mittags würde er nicht heimkommen, erklärte er. Sie könnte sich mit der Häuslichkeit vertraut machen, und im Übrigen wäre Emma eine sehr zuverlässige Person.

Kochen konnte sie jedenfalls fantastisch. Und freundlich war Emma auch.

»Wie lange sind Sie schon im Haus?«, erkundigte sich Cornelia beiläufig.

»Fast fünf Jahre«, erwiderte Emma. »Mein Mann war Maurer bei Herrn Trabert. Als er starb, hat Herr Trabert mich in sein Haus geholt. Früher habe ich beim Alten Wirt gearbeitet als Köchin, aber hier habe ich es gemütlicher. Und es ist gut, wenn man noch arbeiten kann. Die Kinder sind ja goldig.«

Nach Frau Trabert wollte Cornelia auch Emma nicht fragen, aber sie hatte das Gefühl, dass die Räume, die ihr zugewiesen worden waren, einmal von einer sehr kultivierten Frau bewohnt worden waren. Freilich war das ganze Haus wundervoll eingerichtet, aber diese beiden Räume, wie auch das Bad, hatten eine ganz besondere persönliche Note.

Cornelias erste Tätigkeit bestand darin, die Kinder von der Schule abzuholen, denn es war ein sehr weiter Weg.

Mit einem recht zweifelnden Blick auf ihren alten Wagen, hatte Walter Trabert am Morgen erklärt, dass ihr sein Zweitwagen zur Verfügung stünde. Es war ein neues schickes Modell. Cornelia fragte sich nur, wozu er einen Zweitwagen brauche, da Emma schon erklärt hatte, dass Autos für sie reine Ungeheuer wären.

Von den Kindern, die sie stürmisch begrüßten, bekam sie die Aufklärung.

»Papa hat gleich den Wagen kommen lassen, als Sie zugestimmt haben, Nele«, sagte Jochen. »Der Michel hat sowieso noch Schulden bei ihm. Es ist gut, dass die Schulter Ihnen beim Fahren nichts ausmacht, dann können wir auch schöne Ausflüge machen, wenn Papa weg ist.«

Es war alles in bester Ordnung. Cornelia gewann die Überzeugung, dass man ihr ein wahrhaft fürstliches Leben im Hause Trabert bereitete.

Aber was sollte sie eigentlich tun, um des fürstlichen Gehaltes gerecht zu werden? Die Kinder waren intelligent. Der Nachhilfe bedurften sie nicht. Sie waren auch gewissenhaft, und die Hausaufgaben waren schnell gemacht. Dorle schlug dann vor, dass sie noch einen Ausflug machen könnten.

Den dehnten sie nicht zu lange aus, denn Cornelia wollte daheim sein, wenn ihr Chef kam.

Er kam erst, als der Tisch zum Abendessen schon gedeckt war. Cornelia stellte fest, dass er sehr müde aussah. Appetit schien er auch nicht zu haben, obgleich Emma wieder ein vorzügliches Essen auf den Tisch gebracht hatte.

Für ein kurzes Gespräch mit Cornelia nahm er sich noch Zeit, bevor er sich in seine Räumlichkeiten, die ganz separat lagen, zurückzog.

»Ich denke, Sie werden sich gut zurechtfinden, Frau Pöschel«, sagte er. »Und ich bin beruhigt. Wenn es mir zeitlich möglich ist, werde ich anrufen, aber ich kann jetzt noch nicht sagen, wann ich zurückkomme.« Er machte eine kleine Pause. »Ich vertraue Ihnen meine Kinder an«, sagte er dann leise, »Sie sind mein wertvollster Besitz.« Er reichte ihr dann einen Umschlag. »Ihr erstes Gehalt«, sagte er nun mit einem flüchtigen Lächeln. »Ich hoffe, Sie werden lange bei uns bleiben.«

Cornelia war sehr verwirrt. Eigentlich war er sehr nett, meinte sie für sich. Und er war keineswegs plump, sondern sehr vornehm. So hatte sie sich einen Bauunternehmer keineswegs vorgestellt.

*

Am nächsten Morgen fuhr er sehr früh weg. Zärtlich verabschiedete er sich von seinen Kindern, mit vornehmer Zurückhaltung von Cornelia, mit einem Scherz von Emma. Sie solle seine Lieben nicht verhungern lassen, sagte er.

Cornelia hatte ein ganz merkwürdiges Gefühl, als sie ihm nachblickte, als er in seinem Luxuswagen davonfuhr.

Sie brachte die Kinder zur Schule. »Es gefällt Ihnen doch bei uns, Nele?«, fragte Jochen.

»Ja, sehr.«

»Wir sind froh, dass Sie da sind«, sagte Dorle. »Wir müssen nachher noch was mit Ihnen besprechen, wenn Sie schweigen können.«

Das klang recht geheimnisvoll, aber Cornelia machte sich nicht zu viel Gedanken darüber. Sie konnte sich noch recht gut an ihre Kinderzeit erinnern, an die kleinen Heimlichkeiten. Aber so sorglos wie Jochen und Dorle war sie freilich nicht aufgewachsen.

Noch ahnte sie nicht, was ihr bevorstand und welche Probleme sie bewältigen musste, da sie diese Aufgabe übernommen hatte.

Im Hause werkelte die Zugehfrau. Frau Puhl war so mager, wie Emma rund war, aber sie hatte dennoch Kraft und war eine resolute Person, die unverdrossen arbeitete.

Als Cornelia zu ihr sagte, dass sie ihre Räume selbst in Ordnung halten könne, schien sie fast beleidigt.

»Das wird Herrn Trabert nicht recht sein. Sie sind für die Kinder da, nur für die Kinder«, erklärte sie. »Er hat es mir ausdrücklich gesagt. Sie sind eine Dame.«

Frau Puhl duldete keinen Widerspruch. Auch sie schien so gut behandelt zu werden, dass sie ihre Pflichten nicht nur sehr gewissenhaft sondern auch mit Freuden nachging.

Als Dame war Cornelia eigentlich noch nie behandelt worden. Sie war jetzt vierundzwanzig, als Studentin an einen recht lässigen Ton gewöhnt, später hatte sie manches einstecken müssen. Jetzt konnte sie sich fast als eine Prinzessin fühlen. Nur lag ihr das nicht.

Sie wusste mit dem Vormittag nichts anzufangen und wollte ein bisschen im Garten arbeiten. Emma sagte ihr, das dies der Gärtner besorgen würde, der jeden Samstag käme.

Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und schrieb einen Brief an Lutz, der ihn dann in New York erreichen würde, wenn er von der Asienroute zu­rückkam. Es wurde ein sehr langer Brief, weil sie sehr viel Zeit hatte, bis sie die Kinder von der Schule abholen konnte.

»Wir müssen nachher was mit Ihnen besprechen, Nele«, sagte Jochen. »Emma darf davon aber nichts wissen.«

»Erst muss Nele uns aber das große Ehrenwort geben«, sagte Dorle.

Also war wieder von dem Geheimnis die Rede. Nun war Cornelia doch gespannt.

Das Essen war fertig, als sie heimkamen. Frau Puhl war auch wieder gegangen. Alles blitzte und blinkte und ging wie am Schnürchen.

Danach kam es dann zu einer ungeheuer wichtigen Unterredung. Es war beinahe feierlich.

»Erst muss uns Nele sagen, ob sie uns wirklich gernhat«, begann Dorle.

»Ich habe euch sehr gern«, erwiderte Cornelia.

»Deswegen reden wir auch mit Ihnen«, sagte Jochen. »Papa haben wir auch gern, aber er darf nie erfahren, was wir Ihnen sagen, Nele. Aber es wäre unfair, wenn wir Sie beschwindeln würden, wo Sie so lieb sind.«

»Warum solltet ihr schwindeln?«

Dorle schaute sie an. »Großes Ehrenwort, dass Sie schweigen?«, fragte sie.

»Großes Ehrenwort«, erwiderte Cornelia, noch immer leicht amüsiert. Aber das sollte ihr bald vergehen, denn sie wurde in einen schweren Konflikt gebracht.

»Es handelt sich nämlich um Mami«, sagte Jochen mit rauer Stimme. »Papa darf davon nie erfahren.«

»Weil Mami uns wenigstens manchmal sehen will«, warf Dorle ein, »und wir sie auch. Aber das geht nur, wenn Papa nicht da ist. Er würde es nie erlauben.«

»Warum nicht?«, fragte Cornelia gepresst.

Jochen zuckte die Schultern. »Weil sie einen anderen Mann geheiratet hat«, sagte er leise.

»Aber Onkel Jürgen ist nett«, sagte Dorle. »Wir sind ja froh, dass wir Sie haben, Nele, aber früher konnten wir einfach mal so weghuschen. Jetzt müssen wir Sie einweihen.«

»Ihr wollt euch also mit eurer Mutter treffen«, sagte Cornelia nachdenklich.

»Wir müssen sie erst anrufen. Sie wohnt in Hamburg. Wenn wir sie anrufen, kommt sie mit dem Flugzeug, und dann können wir ein paar Stunden mit ihr beisammen sein. Abends fliegt sie dann wieder zurück. Und Papa hat nie etwas gemerkt«, sagte Jochen.

»Wie lange macht ihr das schon so?«, fragte Cornelia betroffen.

»Wie lange?« Dorle überlegte. »Drei Jahre glaube ich.«