Dr. Norden Bestseller 126 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 126 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Was verschweigst du mir? Es war ein wunderschöner Frühlingstag, an dem Dr. Daniel Norden Christl Wenzel kennenlernte, und sie sah selbst aus wie der leibhaftige Frühling, frisch und natürlich, ohne jede Tünche, die den gewissenhaften Arzt leider oftmals hinderte, schon aus der Hautfärbung festzustellen, wo es bei den jungen Patientinnen fehlen könnte. Christl hatte eine wunderbare glatte und reine Haut, und man spürte, dass sie sich viel an der frischen Luft bewegte. Sie brachte diese Frische sogar mit in das Behandlungszimmer. Krank konnte diese junge Frau nicht sein. Wollte sie vielleicht die Pille verschrieben haben? Dr. Norden konnte es sich bei dieser jungen Frau einfach nicht vorstellen. Es war seltsam, aber sie strahlte einfach zu viel Lebensfreude aus. »Wo fehlt es denn?«, fragte er. »Ich will es jetzt doch genau wissen«, sagte sie munter. »Was wollen Sie genau wissen?« »Ob ich ein Baby bekomme. Nach meiner Schätzung müsste ich im dritten Monat sein.« »Und Sie waren noch bei keinem Frauenarzt?«, fragte er verwundert. »Ach, die stellen so viel mit einem an, das kann doch nur schaden«

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Dr. Norden Bestseller – 126 –

Was verschweigst du mir?

Patricia Vandenberg

Es war ein wunderschöner Frühlingstag, an dem Dr. Daniel Norden Christl Wenzel kennenlernte, und sie sah selbst aus wie der leibhaftige Frühling, frisch und natürlich, ohne jede Tünche, die den gewissenhaften Arzt leider oftmals hinderte, schon aus der Hautfärbung festzustellen, wo es bei den jungen Patientinnen fehlen könnte.

Christl hatte eine wunderbare glatte und reine Haut, und man spürte, dass sie sich viel an der frischen Luft bewegte. Sie brachte diese Frische sogar mit in das Behandlungszimmer. Krank konnte diese junge Frau nicht sein.

Wollte sie vielleicht die Pille verschrieben haben? Dr. Norden konnte es sich bei dieser jungen Frau einfach nicht vorstellen. Es war seltsam, aber sie strahlte einfach zu viel Lebensfreude aus.

»Wo fehlt es denn?«, fragte er.

»Ich will es jetzt doch genau wissen«, sagte sie munter.

»Was wollen Sie genau wissen?«

»Ob ich ein Baby bekomme. Nach meiner Schätzung müsste ich im dritten Monat sein.«

»Und Sie waren noch bei keinem Frauenarzt?«, fragte er verwundert.

»Ach, die stellen so viel mit einem an, das kann doch nur schaden«, meinte sie. »Ich bin auf dem Lande groß geworden. Eine Bauerntochter bin ich, und stolz bin ich darauf, aber bei uns nimmt man auch heute noch das Kinderkriegen wie es eben kommt. Aber mein Mann ist Lehrer«, fuhr sie dann nachdenklicher fort, »und er meint halt, dass festgestellt werden müsste, ob alles in Ordnung ist. Walter sagt immer, dass Glauben gut ist, Überzeugen oder Beweise aber besser. Mein Mann ist sehr gescheit«, fügte sie stolz hinzu.

Und einen hübschen Ausgleich hat er sich mit dieser Frau auch ausgesucht, dachte Dr. Norden. Da hat aber bestimmt mehr das Gefühl mitgespielt als der Verstand.

»Und außerdem habe ich auch gehört, dass Sie ein guter Arzt sind, Herr Dr. Norden«, fuhr Christl fort, »kein so hochgestochener, der einem dumm kommt, wenn man mal eigene Ansichten hat.«

»Ich habe nichts dagegen, wenn Sie Ihre Ansichten äußern«, sagte er lächelnd. »Ihr Name ist Christl Wenzel?«

»Geborene Wiedinger, und eigentlich heiße ich ja Christine, aber alle nennen mich Christl, und das können Sie auch tun, Herr Doktor. Sie sind mir nämlich sehr sympathisch.«

Herzerfrischend war sie, und gerade an diesem Tag brauchte er solche Aufmunterung, denn in der Frühe war er schon zu einem Herzinfarkt gerufen worden, der tödlich ausging, und auch sonst hatte er in der Sprechstunde mit allerhand Kümmernissen fertig werden müssen.

»Ihr Alter, Christl?«, fragte er.

»Unser Alter ist ein guter Vater«, erwiderte sie, und da musste er doch richtig lachen. »Ich meinte, wie jung an Jahren Sie sind. Ich habe mich falsch ausgedrückt.«

»Ach so«, erwiderte sie errötend. »So jung bin ich eigentlich gar nicht mehr, schon fünfundzwanzig und seit zwei Jahren verheiratet, und mein Walter ist ganz narrisch mit Kindern, deshalb ist er ja auch Lehrer geworden. Er versteht sich prima mit unserm Papa, wenn er es auch gar nicht mit den Studierten hat. Aber eine anständige Mitgift hat er mir gegeben, und wir konnten uns ein kleines Reihenhaus kaufen. Es wär alles da für ein Kind, das soll auch gesagt sein.«

»Und Sie werden sicher eine gute Mutter werden«, sagte Dr. Norden.

Plötzlich wurde ihr hübsches Gesicht ernst. »Ja, wenn man solch einen Mann hat, dann freut man sich«, sagte sie leise. »Ein Kind braucht ja nicht nur eine gute Mutter, sondern auch einen anständigen Vater.«

Ob sie früher doch schon mal eine schlechte Erfahrung gemacht hat, fragte sich Dr. Norden, aber gleich war Christl dann wieder fröhlich, und als er ihr sagte, dass sie schon Anfang des vierten Monats sei, rollten ihr ein paar Freudentränen über die Wangen.

»Aber ich möchte doch, dass Sie von einem Gynäkologen gründlich untersucht werden, Frau Wenzel«, sagte er. »Und ich kann Ihnen versichern, dass Dr. Leitner, der auch mein persönlicher Freund ist, ebenfalls Ihre Ansichten gelten lässt. Schauen Sie, es können heute so viel kleine Probleme vermieden werden, wenn man alles ganz genau weiß. Die Blutgruppenbestimmung zum Beispiel, oder ist die bei Ihnen schon gemacht worden?«

»I wo, bei uns gibt man sich mit so was gar nicht ab. Außerdem muss man da schon froh sein, wenn ein Arzt wirklich kommt, wenn einer mal schwer krank ist. Wer geht denn schon in unsere Einsamkeit! Und die Leut wissen ja gar nicht, wie schön es bei uns ist.«

»Bei uns ist es doch auch ganz schön«, sagte Dr. Norden, da er große Sehnsucht aus ihren Worten heraushörte.

»Ja, weil ich mit meinem Walter beisammen bin. Ich habe gehört, dass Sie glücklich verheiratet sind, und das beruhigt einen doch, wenn man einen Arzt aufsucht. Was man so manchmal über Ärzte liest, schreckt einen schon, aber wenn ein Arzt selber Kinder hat, ist das doch ein bisschen anders.«

Sie hatte sich ihre Meinung geschaffen, sich ihr eigenes Bild gemacht, sollte er es ihr ausreden? Vielleicht hatte sie schon mal schlechte Erfahrungen mit einem Arzt gemacht! Dr. Norden war nicht so borniert, solche Vorurteile einfach abzutun. Er mochte es, wenn Patienten kritisch waren, und Christl Wenzel war kritisch in aller Naivität.

Sie war reizend und sympathisch und ließ sich auch etwas sagen, wenn man es hinreichend begründete. Er meldete sie bei seinem Freund und Kollegen Dr. Hans-Georg Leitner an, und sie konnte mithören, dass er ihm diese Patientin besonders ans Herz legte.

»Sie sind sehr nett, Herr Dr. Norden«, sagte Christl.

»Dr. Leitner ist auch sehr nett, außerdem auch glücklich verheiratet und Vater von zwei Kindern. Und außerdem wird er sich freuen, wenn eine werdende Mutter zu ihm kommt, die sich so sehr auf ihr Kind freut.«

*

Schon am nächsten Vormittag erschien Christl bei Dr. Leitner, pünktlich auf die Minute. So war sie erzogen, so liebte es auch ihr Mann, der Lehrer Walter Wenzel, der sehr korrekt war, doch darüber hinaus auch ein Lehrer, wie Eltern sich einen für ihre Kinder wünschten.

»Ja, dann werden wir mal alles genau feststellen, was für den Mutterpass notwendig ist«, sagte er.

»Was ist ein Mutterpass?«, fragte Christl. »Ich soll mir alles genau merken, hat mein Mann gesagt.«

»Sie werden es schwarz auf weiß bekommen, oder sagen wir besser auf hellgrau«, erwiderte Dr. Leitner lächelnd. »Zuerst die Blutgruppe. Es muss festgestellt werden, ob sich Ihre mit der Ihres Mannes verträgt.«

»Bei uns gibt es nichts, wo wir uns nicht vertragen, Herr Doktor«, sagte Christl. »Wir sind ein Herz und eine Seele. Sie können es mir glauben, bei uns stimmt alles.«

Ihr glaubte es Dr. Leitner aufs Wort. Aber dennoch fand die gründliche Untersuchung statt.

»Die Werte bekommen wir morgen, Frau Wenzel, und die werden dann in den Mutterpass eingetragen. Und wenn irgendetwas ist, eine Verletzung oder eine kleine Komplikation, dann brauchen wir nicht lange nachzuforschen.«

»Meine Mutter hat sechs Kinder zur Welt gebracht, und alle sind gesund«, sagte Christl. »Da ist so ein Theater nicht gemacht worden. Na ja, ein paar Fehlgeburten hat sie auch gehabt, aber manchmal ist das ja ganz gut.«

Es waren nicht die Worte, es war der Tonfall, in dem sie das sagte, der Dr. Leitner aufhorchen ließ.

Aber er äußerte sich nicht dazu, er merkte es sich nur. Und dann wollte er ihr erklären, dass sie eine Ultraschalluntersuchung machen sollten, aber da wehrte sie ab.

»Darüber haben wir gelesen«, sagte sie. »Das lasse ich nicht mit mir machen. Nachher schadet es dem Kind. Das sind doch Röntgenstrahlen. Mein Mann hat es mir erklärt. Ich habe viel von ihm gelernt, Herr Doktor. Seien Sie nicht böse, aber das mache ich nicht.«

»Ich zwinge Sie nicht dazu. Manchmal ist es nur gut, wenn es sich um Mehrlingsgeburten handelt.«

»Und wenn es ein paar sind«, sagte Christl, »mir macht das nichts aus. Ich lasse mich gern überraschen, noch dazu, wenn es eine Freude ist.«

*

Und dann wurde festgestellt, dass Christl Wenzel den Rhesus-Faktor negativ hatte. Zuerst telefonierte Dr. Leitner deswegen mit seinem Freund Daniel Norden.

»Dann müssen wir auch den Mann herbeizitieren«, sagte Daniel, und wenn er positiv ist, müssen wir feststellen, ob sie schon mal eine Fehlgeburt hatte.«

»Hast du auch so ein Gefühl?«, fragte Dr. Leitner.

»Es könnte ja sein«, erwiderte Daniel ausweichend. »Sie ist so unkompliziert. Sie würde solchem Umstand nicht die Bedeutung beimessen, die ihm beigemessen werden muss, Schorsch. Man muss es ihr ganz deutlich klarmachen.«

»Das werde ich, darauf kannst du dich verlassen, Kumpel«, erwiderte Dr. Leitner.

*

»Um was geht es denn?«, fragte Fee Norden.

»Um eine ganz besonders reizende Frau«, erwiderte Daniel.

»Ich habe mir schon so was gedacht«, erklärte Fee gelassen. »Wenn sogar Schorsch begeistert zu sein scheint.«

»Es ist eine Unschuld vom Lande, eine junge Lehrersfrau, Fee. Umwerfend naiv, aber durchaus nicht dumm. Jedenfalls mal was anderes als die, die entweder Pillen haben wollen oder gleich das große Jammern anfangen, wenn sie wirklich ein Kind bekommen.«

»Es gibt genug Frauen, die sich auf ein Kind freuen«, sagte Fee. »Oder bist du anderer Meinung?«

»Die kommen nicht zuerst zu mir, sondern gehen gleich zum Frauenarzt«, erwiderte er trocken. »Die können es gar nicht erwarten, um alles genau zu wissen. Aber diese Christl Wenzel ist noch ein richtiges Kind vom Lande. Und sie traut den Ärzten nicht ganz.«

»Was ich ihr nicht verdenken kann«, sagte Fee. »Wenn man liest, was da alles passiert, kann es einem schlecht werden.«

»Was ist schon wieder passiert?«, fragte er.

»Bei einer jungen Frau haben sie eine Lymphographie gemacht, weil sie eine Schleimbeutelentzündung hatte. Sie haben ihr das Kontrastmittel gespritzt, worauf sie in Bewusstlosigkeit verfiel. Und sie ist gestorben, Daniel. Wem gibst du die Schuld?«

»Das muss die Sektion ergeben«, erwiderte er dumpf.

»Die nette kleine Verkäuferin in unserem Supermarkt hatte Zahnschmerzen. Der Zahn brauchte nur plombiert zu werden. Sie bekam eine Spritze und hat jetzt einen Bluterguss in der Wange, der sie völlig entstellt. Wer ist daran schuld?«

»Kannst du mir nicht auch was Positives berichten, Fee?«, fragte er deprimiert.

»Doch, das kann ich auch. Frau Sonntag hat heute Nacht ein Baby bekommen, ohne ärztliche Hilfe. Es kam zu früh, aber es ist lebensfähig.«

»Ein Sonntagskind«, sagte Daniel.

»Aber am Dienstag geboren. Und gestern hat sie mir noch den Tank aufgefüllt. Ich habe sie gefragt, wie es ihr geht. Prima, hat sie gesagt. Sie wollte noch in die Stadt fahren und die Babyausstattung kaufen, weil sie dazu noch nicht gekommen war. Ihr Mann muss auch Nerven haben. Er hat mich heute Morgen angerufen und gefragt, ob er seine Frau jetzt noch in die Klinik bringen solle. Schorsch ist zu ihr gefahren, aber Mutter und Kind sind wohlauf.«

»Und das sagst du mir erst jetzt?«

»Es war die beste Nachricht, mein Schatz. Herr Sonntag hat vorbildlich Geburtshilfe geleistet, wie Schorsch mir sagte. Du kannst ja nachher mal vorbeischauen, aber zuerst wird gegessen.«

»Du hast auch Nerven, Fee«, sagte er.

»Man soll nichts komplizieren, mein Schatz«, erwiderte sie. »Das hast du immer gesagt. Nun sag schon, was mit der Christl ist.«

»Rhesus-Faktor negativ.«

»Wenn man das rechtzeitig feststellt, kann man ja was unternehmen«, sagte Fee. Sie war selbst Ärztin und wusste Bescheid. »Und beim ersten Kind fällt es sowieso nicht ins Gewicht. Oder hatte sie schon mal eins?«

»Nein, aber es könnte möglich sein, dass sie mal eine Fehlgeburt hatte, und dann sind die Bedingungen die gleichen. Und es könnte außerdem sein, dass sie eine Fehlgeburt verschweigt. Diese Mädchen haben diesbezüglich Hemmungen.«

Nun, wenn Christl Hemmungen hatte, dann hatten diese einen bestimmten Grund, an den sie sich nicht erinnern wollte.

Als sie erfuhr, dass sie Rhesus negativ war, und Dr. Leitner ihr sagte, dass die Blutgruppe ihres Mannes ebenfalls festgestellt werden müsse, sofern das nicht schon erfolgt sei, blickte sie ihn ängstlich an.

»Würden Sie mir bitte genau erklären, was das bedeutet, Herr Doktor?«, fragte sie.

»Aber selbstverständlich. Im Interesse des werdenden Kindes müssen Sie informiert sein. Da es Ihr erstes Kind ist, brauchen Sie keine Bedenken zu haben. Beim zweiten, sofern Ihr Mann Rhesus positiv hat, wie die meisten Menschen, müssen beizeiten Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, zum Beispiel ein Blutaustausch.«

»Warum?«, fragte Christl beklommen.

»Weil das Kind körperlich oder geistig geschädigt sein könnte. Übrigens wäre dies auch bereits zu bedenken, wenn Sie schon mal eine Fehlgeburt gehabt hätten.«

Er sah sie nur flüchtig an, um sie nicht zu verwirren, aber er bemerkte, dass sie zusammenzuckte.

»Nur keine Aufregung«, sagte Dr. Leitner beschwichtigend. »Wir können in jedem Fall helfen, Frau Wenzel. Jetzt sprechen Sie erst mal mit Ihrem Mann über die Blutgruppe, und dann sehen wir weiter.«

Sie war still geworden und blass, aber das konnte einfach nur der Schrecken sein, dass sie eine Blutgruppe hatte, die aus dem Rahmen fiel und Vorsichtsmaßnahmen erforderte.

Er wusste nicht, was in Christl vor sich ging, als sie nun den Heimweg antrat. Die Sonne schien sich verdunkelt zu haben, dunkle Schatten schienen ihren Weg zu begleiten. Achtlos ging sie an den wunderhübschen Blumenbeeten in ihrem Gärtchen vorbei, die sie so liebevoll angelegt hatte und an denen sie sich sonst immer sehr freute.

Hübsch war auch das kleine Reihenhaus eingerichtet. Sie hatten sehr genau kalkuliert mit ihrer Mitgift, um sich ja nicht zu große Belastungen aufzuerlegen, aber sie hatten das tadellos hinbekommen. Sie brauchten weniger abzuzahlen, als die Miete für eine entsprechende Wohnung gekostet hätte, und sie konnten von Walters Gehalt auch noch etwas sparen.

Bauer Wiedinger hatte gut für seine Familie und seine Kinder vorgesorgt, und sie wollten das auch tun. Ja, sie hatten dies alles genau besprochen und lebten weiterhin sparsam.

Für diesen Tag hatte Christl eine Kartoffelsuppe vorbereitet, aber fast hätte sie vergessen, diese auf den Herd zu stellen, so geistesabwesend war sie.

Walter Wenzel sah es seiner Frau sofort an, dass sie etwas bedrückte, als er pünktlich wie immer heimkam. Als Christl das Geräusch seines schon ein bisschen klapprigen Wagens gehört hatte, war sie aufgeschreckt und hatte schnell die Suppe auf den Herd gestellt.

»Was ist denn, mein Schatz?«, fragte Walter besorgt. »Ist doch nicht alles in Ordnung?«

»Es ist wegen der Blutgruppe, Walterle«, presste sie hervor. »Ich bin Rhesus negativ.«

»Und was besagt das? Ich bin kein Mediziner. Ich weiß nur, dass ich wie die meisten Menschen Blutgruppe Null Rhesus positiv habe.«

»Ich verstehe das alles ja nicht so, Walterle«, flüsterte sie. »Lass es dir doch bitte von Dr. Norden erklären.«

»Du bist doch jetzt bei Dr. Leitner«, sagte er. »Reg dich nicht auf, Kleines.«

»Aber das ist ein Frauenarzt. Ein Mann kann bestimmt mit Dr. Norden besser sprechen«, sagte sie.

»Ich tue ja alles, wenn du dich nur nicht aufregst, Christl. Denk an unser Baby. Auf unsere Gefühle haben die verschiedenen Blutgruppen doch keinen Einfluss. Du bist ein rechtes Tschapperl.«

Und dann merkte er auch, dass sie kaum etwas aß. Er griff nach ihrer Hand.

»Ich werde mir von Dr. Norden alles erklären lassen, Christl«, sagte er eindringlich. »Und dann werde ich es dir ganz genau erklären. Und nun lach wieder, mein Sonnenschein.«

»Ich mache mir aber Sorgen«, flüsterte sie. »Man bekommt doch einen Schrecken.«

»Du denkst natürlich gleich, dass das eine Krankheit ist, aber es ist keine, mein Liebes. Wir wandern jetzt eine Stunde, und nachher rufe ich bei Dr. Norden an. Wir wollen deine Sorgen doch schnell vertreiben.«

Aber auch er wusste nicht, was Christl so sehr quälte, und sie hatte eine höllische Angst, dass er es erfahren würde. Sie liebte ihn; sie wollte ihren Walter nicht verlieren, denn seine Liebe hatte sie vergessen lassen, was ihr vor Jahren widerfahren war.

*

Dr. Norden war ein wenig überrascht, als Walter Wenzel ihn telefonisch um einen Termin bat, aber es kam ihm doch sehr gelegen, mit ihm zu sprechen.

Als Walter dann kam, so gegen fünf Uhr, stellte er fest, dass dieser sympathische junge Lehrer ausgezeichnet zu Christl passte. Also war das wieder mal ein glückliches Ehepaar. Leider hatte er in letzter Zeit zu oft erlebt, wie rasch gerade junge Paare in Konfliktsituationen gerieten, und nicht zuletzt spielten dabei allein materielle Dinge eine Rolle.

»Meine Frau denkt, dass ihre Blutgruppe eine Krankheit ist«, erklärte Walter. »Sie ist auf dem Land aufgewachsen, Herr Doktor. Da hat man seine eigenen Vorstellungen, wenn mal etwas ungewöhnlich ist. Aber sie stammt aus einer kerngesunden Familie.«

»Und sie ist auch kerngesund«, erklärte Dr. Norden. »Sie braucht doch keine Sorgen zu haben.«

»Wenn Christl mal was im Kopf herumgeht, muss man ihr schon mit ganz präzisen Argumenten kommen. Sie ist sehr wissbegierig, und wenn sie eine bessere Schulbildung genossen hätte, wäre sie so manchem Studenten überlegen. Aber mein Schwiegervater meinte, dass eine Frau ins Haus und an den Herd gehört, und eigentlich, das muss ich eingestehen, bin ich froh, dass Christl so unverbildet war, als ich sie kennenlernte. Das Wissen, das sie braucht, kann ich ihr beibringen. So wird es uns nie langweilig. Auf medizinischem Gebiet bin ich allerdings auch ziemlich unwissend. Und deshalb möchte ich Sie bitten, mir genau zu erklären, was es mit den verschiedenen Rhesusfaktoren auf sich hat.«

»Sehr gern, Herr Wenzel. Rhesusunverträglichkeit bedeutet Zerstörung der roten Blutkörperchen bei den Neugeborenen. Bei der werdenden Mutter bilden sich während der Schwangerschaft Abwehrstoffe gegen die Bluteigenschaft des Kindes. Zum Glück ist dieser Vorgang bereits genauestens erforscht, und die Ärzte können alles dagegen unternehmen. Beim ersten Kind besteht keinesfalls diese Gefahr, auch dies ist wissenschaftlich bewiesen. Beim zweiten muss rechtzeitig ein Blutaustausch vorgenommen werden. So wird auch für dieses Kind die Gefahr weitgehend gebannt. Allerdings kann auch eine vorangegangene Fehlgeburt Gefahren bei der zweiten Schwangerschaft heraufbeschwören.«

»Christl hatte noch keine. Es ist unser erstes Kind«, sagte Walter.

»Umso weniger Sorgen brauchen Sie sich zu machen. Dr. Leitner sagte mir, dass alles bestens in Ordnung ist.«

»Christl hat sonst eine so positive Einstellung«, erklärte Walter Wenzel, »deshalb bin ich besorgt, weil sie jetzt so deprimiert ist. Aber ich werde ihr die Angst ausreden. Sie können sich darauf verlassen. Gibt es darüber Lektüre, Herr Doktor? Dann kann ich mich noch mehr damit befassen.«

»Ich kann Ihnen einen Bericht geben«, sagte der Arzt.

»Vielen Dank. Es ist auch für mich Neuland, und man kann nicht genug lernen. Und wir wollen uns beide ganz genau auf die Geburt unseres ersten Kindes vorbereiten.«

»Das gefällt mir«, sagte Dr. Norden. »Wenn Sie Fragen haben, können Sie jederzeit zu mir kommen, und auch Dr. Leitner wird Ihnen gern Auskunft geben.«

»Ich bin froh, dass meine Frau in so guten Händen ist«, sagte Walter.

*