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Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Von wem sind denn die wunderhübschen Blumen?«, fragte Dr. Daniel Norden seine Frau, als er zur Mittagspause heimkam, zum Glück mal wieder pünktlich, denn Fee hatte sich für den Nachmittag etwas vorgenommen. »Für wen, musst du fragen. Christine hat Geburtstag. Ich fahre nachher zu ihr.« Ein Schatten fiel über sein Gesicht. »Man müsste ihr ein neues Gesicht schenken können«, sagte er nachdenklich. »Eben darüber wollte ich auch mit ihr sprechen«, sagte Fee. »Vielleicht kann es Dr. Marein. Ich habe mich erkundigt. Er macht fantastische plastische Operationen. Ich würde es nicht glauben, wenn ich nicht heute Morgen Frau Eckart getroffen hätte. Du erinnerst dich doch noch, wie sie nach dem Warenhausbrand aussah.« »Und ob«, sagte Daniel. »Nicht zum Wiedererkennen ist sie.
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Seitenzahl: 144
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»Von wem sind denn die wunderhübschen Blumen?«, fragte Dr. Daniel Norden seine Frau, als er zur Mittagspause heimkam, zum Glück mal wieder pünktlich, denn Fee hatte sich für den Nachmittag etwas vorgenommen.
»Für wen, musst du fragen. Christine hat Geburtstag. Ich fahre nachher zu ihr.«
Ein Schatten fiel über sein Gesicht. »Man müsste ihr ein neues Gesicht schenken können«, sagte er nachdenklich.
»Eben darüber wollte ich auch mit ihr sprechen«, sagte Fee. »Vielleicht kann es Dr. Marein. Ich habe mich erkundigt. Er macht fantastische plastische Operationen. Ich würde es nicht glauben, wenn ich nicht heute Morgen Frau Eckart getroffen hätte. Du erinnerst dich doch noch, wie sie nach dem Warenhausbrand aussah.«
»Und ob«, sagte Daniel.
»Nicht zum Wiedererkennen ist sie. Wenn sie mich nicht angesprochen hätte, wäre ich an ihr vorbeigelaufen. Warum sollte es bei Christine nicht auch möglich sein?«
»Wenn sie zu überzeugen ist«, sagte Daniel sinnend. »Ein neues Leben für Christine Gahlen? Ich würde es ihr von Herzen wünschen. Es ist schlimm, um die schönsten Jahre betrogen zu werden.«
»Die schönsten Jahre einer Frau beginnen mit dreißig«, sagte Fee optimistisch, »und bis dahin hat Christine noch eine Menge Zeit. Sie wird heute vierundzwanzig.«
»Dein Gedächtnis ist unübertrefflich, mein Schatz«, sagte Daniel. »Nun, dann versuch mal dein Glück. Von Frau zu Frau lässt sich so was leichter besprechen. Aber herzlich grüßen kannst du sie von mir.«
»Das hätte ich bestimmt nicht vergessen.«
»Die Kinder nimmst du aber nicht mit«, sagte Daniel.
»Gott bewahre, dann würde Sie sich doch gleich wieder verkriechen. Die Kinder gehen rüber zu Neffs. Barbara freut sich, und Lenni geht natürlich mit, damit sie auch alle unter Aufsicht sind.«
»Wird auch gut sein«, meinte Daniel, »aber unser Sorgenkind Mischa scheint sich ja gut zu entwickeln.«
»Und wie gut«, sagte Fee.
Vor ein paar Wochen hatte ihnen der kleine Mischa Neff große Sorgen bereitet, da er durch einen Bienenstich dem Erstickungstod nahe gewesen war. Durch dieses Unglück war dann eine Freundschaft entstanden. Die Neffs hatten auch drei Kinder, und sie waren glücklich, schon nach der kurzen Zeit der Nachbarschaft einen so herzlichen Kontakt gefunden zu haben.
Der Kontakt zu Christine Gahlen war auch durch ein schreckliches Unglück entstanden. Es war drei Jahre her, dass die junge Chemieassistentin bei einem Versuch ihres Chefs, Dr. Lohne, schwer verletzt worden war. Durch ätzende Säure war die linke Hälfte ihres Gesichts verunstaltet worden, und auch andere Narben waren zurückgeblieben, die jedoch durch die Kleidung zu verdecken waren.
Das reizende junge Mädchen wurde zu einer einsamen Frau. Ihr Verlobter, Werner Pohl, ließ sie im Stich. Dr. Lohne, der ein halbes Jahr später seinen Verletzungen erlag, hatte Christine jedoch sein ganzes Vermögen und ein Haus auf dem Land hinterlassen, in dem sie nun ein abgeschiedenes Leben führte.
Die Nordens waren die einzigen Menschen, mit denen sie in Verbindung blieb. Aber es war ein trostloses Leben, obgleich sie durch Dr. Lohnes Vermächtnis finanziell völlig gesichert war.
Er hatte in dem Schuldbewusstsein, ein blühendes, fröhliches Menschenkind zu einer verzweifelten Frau gemacht zu haben, keinen Lebenswillen mehr gehabt, aber er hatte seine Forschung noch zu Ende geführt, von der Christine zeitlebens die Nutznießung haben sollte.
Aber was nützte alles Geld, wenn jeder sich abwandte, dem sie begegnete. Ganz konnte sie die schrecklichen Narben auch nicht mit Kopftüchern verdecken. Und wenn es auch oft tiefstes Mitleid war, das ihr entgegengebracht wurde, für Christine war es stets ein Schock, den Schrecken in den Augen anderer zu lesen.
Fee und Daniel Norden wussten um die seelischen Qualen dieser jungen Frau. So oft es ihnen möglich war, besuchten sie Christine in dem hübschen kleinen Landhaus, in dem sie allein mit ihrem Spaniel Bastian lebte, dem einzigen Freund, der kein Mitleid für sie empfand, sondern mit größter Anhänglichkeit stets an ihrer Seite blieb.
Und Bastian spürte wohl, dass die Nordens wirkliche Freunde waren, denn sie waren die Einzigen, die er nicht verbellte, wenn sie vor der Gartentür standen.
Auch an diesem Tag wurde Fee schwanzwedelnd und mit leisem freudigen Jaulen begrüßt. Und deshalb wurde ihr auch sofort die Tür geöffnet.
Sehr schlank und doch wohlgeformt stand Christine in Jeans und einem leichten Pulli vor Fee, ihr die rechte Gesichtshälfte zuwendend, die verriet, wie apart und reizvoll sie einmal gewesen war.
Fee umarmte Christine. »Alles Gute für das neue Lebensjahr, Christine«, sagte sie weich.
»Gut gemeint, schwer getan«, sagte Christine, »aber es ist lieb, dass ihr mich nicht vergesst.«
»Ganz liebe Grüße und Wünsche von Daniel. Und vielleicht gibt es doch eine Hoffnung, Christina.«
»Welche?«
»Dr. Marein. Ich werde es dir erzählen. Ich habe mich eingehendst nach ihm erkundigt. Er ist nicht so ein Schönheitschirurg, der nur Liftings macht und kassiert. Er ist ein ganz großer Könner, der im Stillen Wunder vollbringt.«
»Ich glaube nicht mehr an Wunder«, sagte Christine mit dunkler Stimme, die ein ganz besonderes Timbre hatte. Allein mit dieser Stimme könnte Christine Karriere machen, dachte Fee.
»Wir werden in aller Ruhe darüber sprechen«, sagte sie. »Es geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber ich bin überzeugt, dass Marein dir genauso helfen kann, wie er Frau Eckart geholfen hat. Bei ihr hat es genauso schlimm ausgeschaut wie bei dir, und du müsstest sie heute sehen. Es hat doch keinen Sinn, dass wir diskret herumreden, Christine. Wir wollen dir helfen. Zumindest könnte Dr. Marein sagen, wie dir zu helfen ist. Du bist zu jung, um zu resignieren.«
Bastian drückte sich an Christines Seite, als wolle er sich in Erinnerung bringen.
»Und was wird aus diesem kleinen treuen Freund, wenn ich ja sagen würde?«, fragte Christine dann auch sofort.
»Den nehmen wir«, erklärte Fee spontan. »Und ich verspreche dir, dass er bestens versorgt werden wird.«
»So gut, dass er auch mich vergessen wird, wenn ich einige Wochen weg bin«, sagte Christine leise.
»Das wird bestimmt nicht eintreten. Du sollst nicht resignieren, Christine. Das Leben liegt noch vor dir. Du hast Geld. Kauf dir ein neues Leben.«
»Du bist eine gute Trösterin, Fee«, sagte Christine. »Man darf nichts unversucht lassen«, sagte Fee ruhig.
»Gut, wenn du es meinst, aber du musst es in die Wege leiten.«
»Das werde ich«, erwiderte Fee aufatmend.
*
Dr. Carlo Marein befasste sich an diesem Tag mit einer anderen Patientin, dem Topmannequin Charmaine, deren richtiger Name Carola Schüssler lautete.
Charmaine konnte sich über ihr Aussehen eigentlich nicht beklagen, aber sie ging auf die vierzig zu und wollte ihre Karriere nicht gefährdet wissen. In letzter Zeit war sie häufig schweren Depressionen unterworfen.
Sie war eine bildschöne Frau von hinreißendem Charme, aber die Angst vor dem Alter hatte ihre Spuren schon hinterlassen. Sie wünschte eine Ganzheitsliftung.
Er konnte es ihr nicht abschlagen, obgleich er fand, dass gerade diese kleinen Fältchen ihrem Gesicht einen besonderen Reiz verliehen. Aber ihr Charme, dem sie auch ihren Namen verdankte, besiegte auch ihn.
»Ich muss meinem Namen doch gerecht werden, lieber Doktor. Und ich muss Geld verdienen.«
Eigentlich müsste sie doch genug verdient haben, dachte er. Und wie sie aussah, könnte sie sich auch heute noch einen Millionär angeln.
Doch dann erfuhr er etwas, was ihn verblüffte. »Sie sehen mich so erstaunt an«, sagte Charmaine. »O ja, ich habe viel verdient, aber leider hatte ich einen Ehemann, der es meisterhaft verstand, auch alles um die Ecke zu bringen. Nun, am Hungertuch brauche ich nicht zu nagen, und Sie werden Ihr Honorar bekommen, aber für mein Alter muss ich auch vorsorgen. Das heißt, für die Jahre, die noch vor mir liegen und die ich sorglos verbringen möchte. Dafür möchte ich jung bleiben.«
Er hätte ihr nun den Vortrag halten können, dass dazu eigentlich nur die innere Einstellung notwendig sei, aber dann spürte er plötzlich, wie sie abschlaffte. Er erschrak.
»Wir müssen Sie gründlich untersuchen, Madame«, sagte er. »Das gehört dazu.«
»Nennen Sie mich ruhig Charmaine«, lächelte sie. »Tun Sie, was Sie wollen, aber so gut, wie Sie nur können. Ich brauche meine Arbeit, ich brauche diesen Stress, ich kann kein Nichtstuerleben führen. Ich war einmal ein ganz armes Mädchen, das nichts hatte als seine gute Figur und ein hübsches Gesicht. Ich habe meine Chance wahrgenommen. Es war ein steiniger Weg, aber ich habe es geschafft, und nun will ich oben bleiben, und nun wird mich kein Mann mehr ausnehmen.«
Ihre Aufrichtigkeit verblüffte ihn, berührte ihn aber gleichzeitig überaus angenehm. Sie hatte Charakter, und er wollte auch bemüht sein, ihrem Gesicht diesen wirklich nicht zu nehmen.
Doch am nächsten Tag war Dr. Marein zum ersten Male in seiner Praxis völlig deprimiert, denn die Laborbefunde, die äußerst sorgfältig gemacht worden waren, verrieten ihm, dass es für Charmaine keine Zukunft mehr geben würde. Sie litt an perntziöser Anämie. Ein Lifting, das sonst für ihn eine Routineangelegenheit war, konnte das Ende ihres Lebens noch beschleunigen. Was sollte er ihr sagen? Er überlegte, und es war ihm elend zumute.
»Wir haben festgestellt, dass Sie erschöpft sind«, sagte er zu Charmaine. »Sie brauchen vorerst Ruhe.«
»Wie lange?«, fragte sie.
»Das kann ich noch nicht sagen«, erwiderte er ausweichend.
»Sechs Wochen lasse ich Ihnen Zeit«, lächelte sie, »aber nicht länger. Ich habe feste Verträge.
»Wo möchten Sie sich erholen, Charmaine?«, fragte er.
»Hier natürlich«, erwiderte sie mit einem kurzen Auflachen.
»Wenn es Ihnen recht ist, werde ich Sie in meinem Hause unterbringen. Dort werden Sie alle Annehmlichkeiten genießen können.«
»Und sie haben mich ständig unter Aufsicht«, sagte sie mit einem ironischen Unterton. »Aber mir soll es recht sein. Ich mag Sie.«
»Ich Sie auch«, sagte er, und er wusste, dass diese Frau ihm zum Schicksal werden konnte. Er war plötzlich besessen von dem Gedanken, sie um jeden Preis am Leben zu erhalten. Sie durfte nicht sterben.
Er blickte in ihre großen dunklen Augen. Sie wich seinem Blick nicht aus.
»Wissen Sie, dass Sie magnetische Kräfte haben, Dr. Marein?«, sagte sie gedankenvoll. »Als ich zu Ihnen kam, meinte ich krank zu sein, und ein Arzt sagte mir, dass ich krank bin, aber Sie haben alle dummen Gedanken bereits vertrieben.«
»Was sagte Ihnen der Arzt?«, fragte er.
»Ich solle aufhören und mein Leben genießen. Er hat nicht begriffen, dass ich es nur genießen kann, wenn ich im Rampenlicht stehe.«
»Bedeutet es Ihnen so viel, umschwärmt zu sein, Charmaine?«, fragte Dr. Marein leise.
»Umschwärmt? Davon nehme ich doch gar keine Notiz mehr. Gefühle verschwende ich nicht mehr. Ich will nur oben bleiben, ganz oben. Niemand soll sagen, dass Charmaine zu alt ist. Die Anbetung der Männer bedeutet mir gar nichts.« Sie schnippte mit den Fingern. »Ich habe sie verachten gelernt, um es deutlich zu sagen. Sie wollen immer nur das eine, und Sie, lieber Doktor, wissen, was ich meine. Aber Sie könnten ein Freund sein.«
»Das möchte ich Ihnen gern sein, Charmaine«, sagte er leise.
»Ich bin also tatsächlich krank«, sagte sie heiser. »Sie wollen es nicht deutlich sagen. Aber Sie werden mich gesund machen. Ihnen vertraue ich.«
»Ich habe keinen anderen Wunsch«, sagte er mit belegter Stimme.
»Fangen Sie an.« Sie legte den Kopf zurück und lächelte.
*
Gegen sechs Uhr abends rief ihn Fee Norden an. »Sie kennen meinen Vater. Dr. Cornelius«, begann sie. »Ich rufe Sie wegen einer Freundin an, die durch einen Unfall eine schwere Gesichtsverletzung hat. Ich möchte Sie bitten, diese junge Frau anzuschauen und mir dann ehrlich zu sagen, ob Sie ihr helfen können.«
»Fee Cornelius?«, fragte er zurück.
»Seit acht Jahren Fee Norden«, erwiderte sie. »Mein Mann ist auch Arzt. Er hat Christine Gahlen anfangs behandelt, und er ist der Meinung, dass ihr zu helfen sein könnte. Ich habe Frau Eckart gesehen, Herr Kollege, und ich meine, dass Sie Christine ebenso zu einem neuen Gesicht verhelfen könnten wie ihr.«
»Ich kann nichts sagen, bevor ich die Patientin nicht gesehen habe«, erwiderte er.
»Ich werde sie zu Ihnen bringen«, sagte Fee. »Bestimmen Sie bitte einen Termin.«
»Übermorgen? Ist das möglich?«, fragte er.
»Ich werde es möglich machen«, antwortete Fee. »Und verbindlichen Dank.«
»Ich bin Ihrem Vater viel schuldig«, sagte er darauf. »Ich freue mich darauf, Sie persönlich kennenzulernen.«
Fee war leicht irritiert. Was war er ihrem Vater wohl schuldig? Sie mochte jetzt keine Fragen stellen. Sie musste nun Christine überreden, übermorgen mit ihr zu Dr. Marein nach Vorarlberg zu fahren. Im Dreiländereck lag seine Klinik. Schlau gemacht, dachte Fee, als sie auch das überlegte, aber der gebürtige Österreicher lugt wohl auch mit einem Auge in die Schweiz und mit dem anderen nach der Bundesrepublik.
Zu ihrer Freude war Christine einverstanden, und Bastian wollte sie mitnehmen. Von ihm wollte sie sich erst trennen, wenn die Entscheidung gefallen war.
»Sie hat Hoffnung, Daniel«, sagte Fee zu ihrem Mann, »und ich habe die auch.«
»Wenn es auch nicht ganz zu beheben ist«, meinte er, »aber bessern wird man es auf jeden Fall können, da ja nun drei Jahre Heilungsprozess hinter ihr liegen.«
»Marein hat gesagt, dass er Paps viel zu verdanken hat. Ich muss da doch mal ein bisschen vorfühlen.«
Daniel lächelte. »Anruf genügt, Schätzchen«, sagte er.
Fee telefonierte mit ihrem Vater. »Marein«, sagte der, »der hat es doch weit gebracht. Er hat bei uns eine Kur gemacht, ganz zu Anfang. Da war er ziemlich parterre, hatte seine Verlobte durch einen Verkehrsunfall verloren. Ich kann mich sehr gut an ihn erinnern. Er wirkte auf manche hypnotisierend, aber in seinem Fach ist das nur von Vorteil. Er ist kein Scharlatan, der nur aufs Geld aus ist, Fee. Ich traue ihm zu, dass er aus einem Wrack einen völlig neuen Menschen schaffen kann.«
»Ist das nicht übertrieben, Paps?«, fragte Fee.
»Es mag so klingen, aber ich traue es ihm tatsächlich zu. Er hat ein ungeheures Einfühlungsvermögen.«
»Dann begehe ich keinen Fehler, wenn ich Christine zu ihm bringe?«
»Ich hätte ihr nicht helfen können, Fee«, erwiderte Dr. Cornelius, »aber es würde mich sehr freuen, wenn ihr zu einem neuen Gesicht verholfen werden könnte.«
Aber da ahnten sie alle noch nicht, wie sich das auswirken würde.
*
Am Mittwochmorgen holte Fee Christine ab. »Vielleicht bringe ich Bastian mit«, bereitete Fee ihren Mann und Lenni vor, »aber sagt den Kindern noch nichts. Sonst freuen sie sich vergeblich, dass sie wenigstens für ein paar Wochen wieder einen Hund bekommen.«
»Und wenn sie ihn dann nicht mehr hergeben wollen?«, fragte Lenni.
»Ich werde es ihnen schon klarmachen, wohin er gehört. Ich hoffe nur, dass er Christine nicht zu sehr vermissen wird, wenn es dazu kommt. Ein Hund hat auch eine Seele.«
Und Bastian schien schon etwas zu ahnen. Er lag bewegungslos auf dem Rücksitz und schnaufte nur ab und zu ein paarmal tief und vorwurfsvoll.
Wenn Fee mal einen Blick zu Christine hinüberschickte, sah sie nur die verzerrte linke Hälfte dieses Gesichts.
Zerrissene Narben, teilweise hoch rot, sonst von bräunlicher Färbung, zur Hälfte von einem dunkelblauen Kopftuch verdeckt.
Mit ineinander verschlungenen Händen saß Christine während der ganzen Fahrt da. Sie begann zu zittern, als sie an die Grenze kamen, aber der Zollbeamte sah nur die unzerstörte Seite ihres Gesichtes und winkte weiter, als er kurz die Pässe betrachtet hatte. Und er sagte sogar zu seinem Kollegen: »Das war ein hübsches Mädchen.« Aber er hatte ja nur die Hälfte ihres Gesichtes gesehen.
»Jetzt sind wir bald da, Christine«, sagte Fee.
»Ich möchte am liebsten wieder umkehren«, flüsterte Christine.
»Frisch gewagt, ist halb gewonnen«, sagte Fee aufmunternd.
»Ihr meint es gut«, sagte Christine.
»Sei zuversichtlich, Christine«, sagte Fee. »Ich bin überzeugt, dass Marein dir helfen kann.«
Und nun waren sie am Ziel. Dr. Marein empfing sie. Er küsste Fee die Hand. »Es freut mich ungemein, Dr. Cornelius’ Tochter persönlich kennenzulernen«, sagte er. Erst dann sah er Christine an.
In seinen Augen glomm es auf, aber Fee konnte seine Gedanken nicht erraten. Wie sollte sie auch.
Christine stand vor Dr. Marein, fast so groß wie Charmaine, annähernd die gleiche Figur. Die gleiche Haarfarbe, die gleiche Nase, die von Säure verschont geblieben war. Ihm konnte man es auch nicht vom Gesicht ablesen, was er empfand.
»Genaues kann ich noch nicht sagen«, erklärte er, »aber Sie werden mit einem anderen Gesicht von hier weggehen, Frau Gahlen. Ich hoffe, Sie werden gleich bleiben.«
»Ich bin darauf vorbereitet. Was wird es kosten?«
»Das kann ich nicht genau sagen. Nicht mehr, als Sie aufbringen können«, fügte er rasch hinzu. »Ich möchte Ihnen helfen.«
»Dann muss ich mich von Bastian verabschieden«, sagte Christine mit erstickter Stimme.
»Sie können den Hund behalten«, erklärte Dr. Marein. »Er wird mit meiner Bessy Freundschaft schließen.«
»Er darf hierbleiben?«, fragte Christine lebhaft. »Oh, das ist wundervoll. Hast du gehört, Fee, Bastian wird bleiben.«
»Gut, dass wir den Kindern nichts gesagt haben«, meinte Fee darauf. »Sie hätten sich umsonst gefreut.«
»Bastian soll sich bei uns genauso wohlfühlen wie Sie, Frau Gahlen«, sagte Dr. Marein.
Er sah Fee an, und sie hatte das Gefühl, von diesen dunklen Augen in Bann geschlagen zu sein.
Fee wusste später nicht mehr zu sagen, wann und wie sie sich von Christine verabschiedet hatte. Sie hörte nur noch Dr. Mareins Stimme: »Ich werde ihr ein neues Gesicht geben, Frau Norden, ich verspreche es Ihnen.«
*
Fee fuhr allein zurück. Dr. Marein brachte Christine in sein Haus.
Sie nahm wie im Traum ein hübsches Zimmer wahr, sank auf ein Bett und hatte nur den Wunsch zu schlafen.
Bastian knurrte den Arzt nicht an. Er ließ sich vor Christines Bett nieder und schnaufte wieder schwer. Und Christine merkte nicht, wie Dr. Marein sie betrachtete und gleichzeitig Charmaine sah. Vor seinen Augen verwischten sich die Bilder.