Dr. Norden Bestseller 141 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 141 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Voller Unruhe wartete Maria Wallberg auf ihre Tochter Monika. Sie war es gewohnt, dass das Mädchen immer pünktlich heimkam. Seit einem Jahr besuchte Monika die Meisterschule für Mode. Für diese Ausbildung hatte sie sich schon früh entschieden, und ein außergewöhnliches Talent versprach, dass sie es in diesem Beruf auch weit bringen würde. Maria war stolz auf ihre Tochter, für die sie allein hatte sorgen müssen, seit Monika knapp acht Jahre alt war. Für ihr Kind hatte sie alle persönlichen Wünsche und Hoffnungen zurückgestellt, die bei einer so hübschen und vitalen Frau verständlich waren. Nun läutete es dreimal. Maria atmete auf und eilte zur Tür, aber unwillkürlich fuhr sie zurück, als sie in Monikas verschwollenes Gesicht blickte. »Kind, Liebes, was ist dir passiert?«, fragte sie bebend. »Reg dich doch nicht gleich wieder auf, Mutsch«, sagte Monika. »Es sieht schlimmer aus, als es ist. Mein Auge ist plötzlich angeschwollen. Ich war auch schon beim Augenarzt, deswegen komme ich so spät. Er meint, es sei eine Infektion und hat mir erst mal Tabletten verordnet. Die habe ich auch gleich geholt. Verdammt teuer das Zeug.« »Wenn sie helfen, macht das nichts«, sagte Maria.

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Dr. Norden Bestseller – 141 –

Als geheilt entlassen

Patricia Vandenberg

Voller Unruhe wartete Maria Wallberg auf ihre Tochter Monika. Sie war es gewohnt, dass das Mädchen immer pünktlich heimkam. Seit einem Jahr besuchte Monika die Meisterschule für Mode. Für diese Ausbildung hatte sie sich schon früh entschieden, und ein außergewöhnliches Talent versprach, dass sie es in diesem Beruf auch weit bringen würde.

Maria war stolz auf ihre Tochter, für die sie allein hatte sorgen müssen, seit Monika knapp acht Jahre alt war. Für ihr Kind hatte sie alle persönlichen Wünsche und Hoffnungen zurückgestellt, die bei einer so hübschen und vitalen Frau verständlich waren.

Nun läutete es dreimal. Maria atmete auf und eilte zur Tür, aber unwillkürlich fuhr sie zurück, als sie in Monikas verschwollenes Gesicht blickte.

»Kind, Liebes, was ist dir passiert?«, fragte sie bebend.

»Reg dich doch nicht gleich wieder auf, Mutsch«, sagte Monika. »Es sieht schlimmer aus, als es ist. Mein Auge ist plötzlich angeschwollen. Ich war auch schon beim Augenarzt, deswegen komme ich so spät. Er meint, es sei eine Infektion und hat mir erst mal Tabletten verordnet. Die habe ich auch gleich geholt. Verdammt teuer das Zeug.«

»Wenn sie helfen, macht das nichts«, sagte Maria. »Zeig mal her, was es für Tabletten sind.«

Sie konnte sich beherrschen. Sie zeigte nicht, wie beunruhigt sie war, aber als sie dann das Beiblatt gelesen hatte, das den Tabletten beigefügt war, schüttelte sie den Kopf.

»Da müssen wir erst mit Dr. Norden sprechen«, sagte sie. »Mit Penicillin muss man vorsichtig bei dir sein.«

»Und du weißt ja, wie ungern ich Tabletten schlucke.«

Maria Wallberg wusste es. Der Widerwillen, den Monika schon früh gezeigt hatte, hatte ihr einmal das Leben gerettet, sie zumindest vor sehr schlimmen Folgen bewahrt, denn als sie sehr spät die Masern bekam, hatte ihr ein Apotheker versehentlich viel stärkere Kapseln gegeben, als Dr. Norden verordnet hatte. Und der hatte den Irrtum dann sehr rasch festgestellt, als Maria ihn rief, weil das Kind Monika sich weigerte, die Kapseln zu schlucken.

Und diesmal wollten sie sich auch lieber auf Dr. Nordens Rat verlassen. Monika war damit sofort einverstanden.

»So einen Arzt gibt es so schnell nicht, Mutsch«, sagte sie. »Er nimmt sich Zeit, auch wenn es nicht sein Gebiet betrifft. Vielleicht kommt es auch bloß von den Kontaktlinsen.«

Die brauchte Monika, weil sie kurzsichtig war und gerade für den Beruf, den sie anstrebte, ganz genau sehen musste. Aber ein so bildhübsches Mädchen wollte ungern eine Brille tragen, obgleich Maria immer wieder gesagt hatte, dass es doch so hübsche Brillen gäbe.

Monika war auch sehr sportlich. Sie spielte Tennis und trieb Leichtathletik, und im Winter war sie jeden Tag eine Stunde auf der Eisbahn. Da störte eine Brille freilich.

Maria hatte schon zum Telefon gegriffen. Es war zwar schon sechs Uhr vorbei, aber sie wusste, dass Dr. Norden oft auch noch später in seiner Praxis war. Und auch diesmal war es so.

»Wir können gleich kommen«, sagte Maria zu ihrer Tochter.

»Musst du heute nicht noch mal zu Berneck?«, fragte Monika.

»Nein, er ist vier Tage auf Geschäftsreise.«

»Wenn ich erst verdiene, Mutsch, wirst du nicht mehr arbeiten«, sagte Monika, als sie schon auf dem Weg zu Dr. Norden waren.

»Was soll ich denn mit meiner Zeit anfangen, Moni?«, meinte Maria ruhig. »Es ist eine sehr angenehme Stellung, die uns doch auch große Vorteile bringt.«

»Bis Berneck mal auf den Gedanken kommt, dass du ihm unentbehrlich bist und er dir einen Heiratsantrag macht«, erwiderte Monika unwillig.

Maria schluckte es wortlos, denn Helmut Berneck hatte ihr schon vor Monaten einen Heiratsantrag gemacht und diesen immer wiederholt. Aber sie kannte Monikas Einstellung und hatte mit ihr darüber noch nicht gesprochen. Und jetzt, in dieser Stunde, stellte sie auch diesen Wunsch, ein gemeinsames Leben mit dem Mann, den sie lieben gelernt hatte, zu führen, zurück.

»Warum sagst du nichts, Mutsch?«, fragte Monika.

»Weil ich auf den Verkehr achten muss«, redete sich Maria heraus. »Heute sind wieder mal die Verrückten unterwegs.«

»Es ist Freitag, Mutsch«, sagte Monika.

Und für ihre Mutter schien es ein schwarzer Freitag zu sein, denn abgesehen von Monikas schlimmem Auge hatte sie ein Schreiben bekommen, dass sie ihre Wohnung bis zum 1. Januar räumen müsse, da das Mietshaus seinen Besitzer gewechselt hätte und dieser die Wohnung im Zuge der Sanierung in Eigentumswohnungen umwandeln wolle. Davon wollte sie Monika aber noch nichts erzählen.

*

Dr. Daniel Norden kannte Monika seit ihrem siebten Lebensjahr, nämlich schon so lange, wie er seine Praxis ausübte. Sie war eine der ersten Patientinnen gewesen, die er rein zufällig bekam, weil Maria Wallberg an jenem Tag, als Monika die Masern bekam, einfach den nächsten Arzt geholt hatte.

Elf Jahre verbanden sie nun schon, und Dr. Norden kannte auch so ziemlich alle Sorgen, die Maria Wallberg bewegten. Sie jammerte nie, sie war auch nie ernstlich krank, was ihn besonders freute.

Er wusste auch, dass Helmut Berneck Maria heiraten wollte, und er wusste auch, warum Maria nicht ihrem Herzen folgend ja dazu sagte.

Als er jetzt Monika betrachtete, mit den Augen des Arztes und auch mit der Sympathie, die er für dieses Mädchen empfand, das er so lange kannte, war er erschrocken.

»So plötzlich ist das gekommen, Moni?«, fragte er.

»Na ja, ein bisschen geschwollen war es schon mal«, erwiderte Monika.

»Da dachten wir, es wäre eine Bindehautentzündung«, warf Maria ein. »Moni machte gerade die Prüfung für die Meisterschule.«

»Da war auch etwas Nervosität dabei«, sagte Monika.

»Ich würde jedenfalls dazu raten, dass sie in der Augenklinik untersucht wird«, erklärte Dr. Norden. »Ich werde Ihnen eine Empfehlung an Professor Hillbrecht mitgeben und einen Termin für Montag ausmachen.«

»Und keine Tabletten?«, fragte Maria.

»Nein, keine Tabletten, das verantworte ich. Ich weiß, wie sie auf Penicillin reagiert. Wie ärgerlich, dass so was ausgerechnet am Freitag akut wird. Versäumen wollen wir ja nichts. Ich werde anrufen, ob Professor Hillbrecht morgen auch da ist.«

Der Anruf widersprach dieser Hoffnung, aber es wurde Dr. Norden gesagt, dass in einem dringenden Fall Professor Hillbrechts Assistent Dr. Seibert zur Verfügung stehe.

»Moni soll sich morgen um neun Uhr in der Augenklinik melden«, sagte Dr. Norden. »Zumindest wird man ihr ohne Penicillin Erleichterung verschaffen. Und vielleicht ist dann alles bald wieder in Ordnung«

Und Maria war in diesem Augenblick nur froh, dass sie die nächsten Tage ganz ihrer Tochter widmen konnte, dass sie nicht in den Konflikt zwischen Helmut Berneck und Monika gedrängt wurde.

Monika ging gleich zu Bett, als sie daheim waren, und sie schlief auch schnell ein. Sie hörte nicht, wie das Telefon läutete. Helmut Berneck rief aus Kopenhagen an.

»Wie geht es dir, mein Herzblatt?«, fragte er. Seine warme, tiefe Stimme rief wieder Sehnsucht in Maria wach.

»Mir geht es gut, aber Moni hat was am Auge. Morgen fahre ich mit ihr zur Augenklinik«, sagte sie. Da herrschte Stille.

»Bist du noch da, Helmut?«, fragte sie.

»Ja, ich überlege, wer der beste Arzt ist«, kam die zögernde Antwort.

»Auf Dr. Nordens Empfehlung können wir uns verlassen«, sagte Maria. »Er kennt Moni seit elf Jahren.«

»Ich wollte, ich würde euch schon so lange kennen«, vernahm sie. »Ich rufe morgen Abend wieder an. Du fehlst mir. Wenn wir doch endlich diese Klippen überwunden hätten. Ich möchte Monika so gern ein Vater sein, da ich meinen Sohn verloren habe.«

»Versuch doch wenigstens, ihn zurückzugewinnen, Helmut«, sagte Ma­ria leise.

»Nein, er muss von selbst kommen. Belaste dich damit nicht auch noch, mein Liebes. Ich hoffe so sehr, dass du bald für immer zu mir kommst.«

Sie sah ihn vor sich, als sie den Hörer auflegte. Sein markantes Gesicht, das früh ergraute Haar, die klugen, wachsamen Augen.

Sie hatte ihn gemocht, als sie vor vier Jahren zu ihm kam, sozusagen als Mädchen für alles. Eine Hausdame hatte er per Annonce gesucht, die auch Schreibarbeiten erledigen könne. Eine Dame, die einem frauenlosen Haushalt vorstehen könne. Sie hatte sich bei ihm vorgestellt, aber sofort gesagt, dass sie ihre eigene Wohnung beibehalten müsse, da sie eine Tochter hätte.

Da hatte er einen Augenblick gezögert, dann ihr aber doch ein Gehalt geboten, dass ihr die Augen übergingen. Und seither bestimmte sie den Ton in seinem Haus. Sie hatte die schnippische, faule Lisa entlassen und dem treuen Hausmeisterehepaar Korbinian und Zenta Heitmanning Vertrauen eingeflößt.

Mit den beiden könne sie den Haushalt gut allein bewältigen, hatte sie dem Industriellen erklärt. Und er hatte keinen Grund zur Klage mehr gehabt.

Sie hatte ihm auch manche Briefe geschrieben, über die er volle Diskretion gewahrt wissen wollte. Sie hatte erfahren, dass er mit seinem einzigen Sohn Michael über Kreuz stand, dass die Verwandten seiner verstorbenen Frau ihn ständig anbettelten.

Nach dem zweiten Jahr ihrer Tätigkeit hatte sie auch den Menschen Helmut Berneck kennengelernt, einen einsamen Mann. An seinem fünfzigsten Geburtstag war es gewesen.

Da hatte er von seiner Ehe gesprochen, von seinem Sohn, der da gerade seinen Doktor gemacht hatte, sechsundzwanzig Jahre jung.

»Ich hatte mich in ein zauberhaftes Mädchen verliebt, Maria«, hatte er gesagt. »Und ich habe sie vier Monate später geheiratet. Da war ich vierundzwanzig und sie zwanzig, und ich fühlte mich ungeheuer glücklich, als sie mir einen Sohn schenkte. Zwei Jahre später verlangte sie die Scheidung, weil sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Ich war so geschockt, dass ich einwilligte. Sie ließ mir meinen Sohn. Das genügte mir. Mir selbst gestand ich es ein, dass das zauberhafte Mädchen sich als vergnügungssüchtige Partylöwin herausgestellt hatte. Inzwischen ist sie zum vierten Mal verheiratet, und von jeder Ehe hat sie finanziell profitiert. Ich hatte genug von den Frauen. Ich hatte meinen Sohn. Ich sah meinen Erben in ihm, aber Michael wollte Medizin studieren. Als ich ihm zornig sagte, dass sich dann unsere Wege trennen würden, verließ er das Haus. Er hat keinen müden Euro von mir angenommen.«

Ob er nicht einen Weg gesucht hätte, mit seinem Sohn eine Verbindung herzustellen, hatte ihn Maria gefragt.

»Mehrmals habe ich das versucht, aber er ist stur. Er brauche mein Geld nicht, ließ er mich wissen. Er hätte keine Mutter gehabt, und er könne auch ohne Vater auskommen. Ich dachte, er würde eines Tages doch kommen, aber er kam nicht.«

Und das hätte er so einfach hingenommen, hatte Maria ihn gefragt.

»Was soll ich tun, Maria? Er muss seinen Weg gehen. Selbstverständlich wäre ich bereit, ihm zu helfen, wenn er Hilfe braucht, aber er ist genauso stur wie ich. Das ist mir ein kleiner Trost. Ich kann nur hoffen, dass er eine andere Frau findet, als es seine Mutter war, eine Frau, die ihn versteht, und ich weiß heute, dass man einen jungen Menschen nicht zwingen kann, ein Erbe zu übernehmen, das ihm nur eine Last sein würde. Man muss das tun, woran man Freude hat, nur dann kann man etwas leisten. Ich habe zu viele sogenannte Erben auf der Strecke bleiben sehen.«

Ganz genau erinnerte sich Maria an dieses Gespräch, das schließlich der Beginn ihrer gegenseitigen Zuneigung wurde, weil auch ihr Leben nicht frei von Konflikten gewesen war, weil ihre Ehe mit Monikas Vater ihr nicht die Erfüllung gebracht hatte, die sie einst erhoffte. Er, Alfred Wallberg, war ein Sprüchemacher gewesen, wie man in Bayern sagte. Er hatte tausend Pläne und verwirklichte nicht einen. Sie, die Tochter aus »gutem Hause«, hatte eine hübsche Mitgift bekommen. Als diese verbraucht war, musste sie Geld verdienen, weil er für den Unterhalt der kleinen Familie nicht sorgen konnte. Sie nahm eine Halbtagsstellung an, als Monika vier Jahre alt war. Das Kind verbrachte die Vormittage im Kindergarten. Alfred wechselte dauernd seine Stellungen. Manchmal verdiente er ganz gut, dann machte er wieder große Pläne. An Ideen fehlte es ihm nicht, aber der Höhenflug hielt nie lange an. Dann verlegte er sich auf den An- und Verkauf von Gebrauchtwagen, und es schien so, als würde er damit wirklich das große Geld machen. Aber mit einem dieser Wagen verunglückte er dann schwer und starb an seinen Verletzungen, und es blieben nur Schulden zurück. Für Maria blieb zuerst nichts als Bitterkeit, Resignation und Angst um Monikas Zukunft. Auch das hatte sie dann Helmut Berneck erzählt.

Und da hatte er ihr den ersten Heiratsantrag gemacht. Sie hatte nicht ja, aber auch nicht nein gesagt. Sie hatte Monika gefragt, was sie sagen würde, wenn sie wieder heiraten würde.

Abwehrend hatte Monika reagiert. »Bloß nicht, Mutsch, wir kommen besser allein zurecht. Ich hatte keinen richtigen Vater, ich will erst recht keinen Stiefvater haben.«

Und nun waren seither zwei Jahre vergangen, in denen Helmut Berneck und Maria Wallberg als Arbeitgeber und Angestellte nach außen hin ihre Zuneigung geheim zu halten wussten. Und insgeheim war Maria froh, dass sich diese Liebe, denn es war eine Liebe, sich so beweisen konnte. Nur wenige wussten davon, und dazu gehörte Dr. Daniel Norden.

*

Am Morgen, der nach einer für Maria fast schlaflosen Nacht folgte, schien die Schwellung an Monikas Auge zurückgegangen zu sein.

»Es tut gar nicht weh, Mutsch«, sagte sie. »Die Klinik kann ich mir wohl sparen.«

»Wir tun, was Dr. Norden gesagt hat. Es war immer richtig«, erklärte Maria.

»Na schön«, sagte Monika. »Aber wenn wir nichts erfahren, machen wir einen Stadtbummel.«

»Und kaufen dir ein hübsches Kostüm«, sagte Maria rasch.

»Sei nicht so großzügig, Mutsch. Die Preise sind gewaltig gestiegen.«

»Mein Gehalt auch«, erwiderte Maria leichthin.

»Er will dich ködern, Mutsch«, sagte Monika heftig.

»Berneck ist ein feiner Mensch«, erklärte Maria ruhig. »Wenn du dir die Mühe machen würdest, ihn kennenzulernen, würdest du es auch feststellen.«

»Er hat mehr von deiner Zeit als ich, das langt«, sagte Monika. »Und in gewisser Weise kann ich ihn sogar verstehen. So was wie dich findet er nicht wieder. Aber in erster Linie gehörst du mir«, fügte sie trotzig hinzu.

»Das weißt du, mein Kleines«, erwiderte Maria zärtlich.

»Dann ist es ja gut, Mutschilein«, sagte Monika, »ich will nicht, dass uns jemand auseinanderbringt.«

Dann sprachen sie nichts mehr miteinander, bis sie bei der Augenklinik waren. Dr. Seibert stand fast sofort zu ihrer Verfügung. Er war etwa vierzig und sah recht gut aus. Monika stellte wieder einmal fest, dass ihre Mutter auch auf ihn die Wirkung nicht verfehlte. Sie erstarrte sofort in Abwehr.

Die Untersuchung dauerte eine Stunde. Maria wartete ungeduldig auf das Ergebnis, zwischen Hangen und Bangen.

Ein junger Mann im beigen Anzug ging an ihr vorbei. Wenig später kam er im weißen Kittel aus einer Tür.

Er sah gut aus und weckte eine flüchtige Erinnerung in ihr, aber schon wieder waren ihre Gedanken bei Monika. Aber da erschien schon Dr. Seibert. Angstvoll blickte Maria ihn an, als er mit ernster Miene auf sie zukam.

»Was ist mit Moni?«, fragte sie flüsternd.

»In diesem Fall würde ich es für richtig halten, das Auge ganz ruhigzustellen, gnädige Frau«, erwiderte er höflich. »Ich möchte mit dem Chef sprechen, damit wir eventuell gleich am Montag operieren können.«

»Operieren?«, fragte Maria angstbebend. »Was gibt es zu operieren?«

»Eine Geschwulst am Tränensack«, erwiderte er. »Bitte, regen Sie sich nicht auf! Das Auge ist in Ordnung. Die Entscheidung möchte ich Professor Hillbrecht überlassen, aber äußeren Einwirkungen sollte Ihre Tochter jetzt nicht mehr ausgesetzt werden. Ich halte es für angebracht, wenn notwendige Untersuchungen sofort durchgeführt werden.«

Maria war wie betäubt. »Es ist doch Samstag«, sagte sie leise.

»Wir arbeiten rund um die Uhr, gnädige Frau«, erwiderte Dr. Seibert. »Es ist eine akute Geschichte.«

»Ich möchte es genau wissen«, sagte Maria tapfer.

»Genau können wir es erst sagen, wenn alle Untersuchungen abgeschlossen sind, aber Sie dürfen versichert sein, dass wir dabei nichts versäumen werden.«

Maria schien in einem luftleeren Raum zu schweben. Was sie hörte, hatte nicht Hand und Fuß.

»Ich darf doch mit meiner Tochter sprechen«, sagte sie.

»Aber sicher. Sie ist sehr ruhig. Ein Einzelzimmer hätten wir auch frei. Ihre Tochter sagte, dass Sie privat versichert sind.«

»Versichert oder nicht«, erwiderte Maria aggressiv, »der beste Arzt soll meine Tochter operieren, wenn es notwendig ist. Es ist mir völlig egal, was es kostet.«

»Sie können ganz beruhigt sein, gnädige Frau«, sagte Dr. Seibert.

Wie eine Traumwandlerin folgte ihm Maria. Was sie so alles dachte, hätte sie später nicht mehr zu sagen vermocht, aber dann sah sie Monika, und die sagte: »Ist bestimmt alles nicht so schlimm, Mutsch. Ich will es rasch hinter mich bringen. Ich brauche höchstens drei Tage hierzubleiben. Mir kann es doch nur recht sein, wenn die Voruntersuchungen schon am Wochenende stattfinden. Mir ist es wichtiger, wenn ich in der Schule nicht so viel versäume.«

»Ich rege mich ja nicht auf«, murmelte Maria. »Es kommt nur so plötzlich.«

»Mir doch auch, Mutsch. Jetzt wäre ich wirklich froh, wenn dein Tyrann dich in Atem halten würde.«

»Welcher Tyrann?«, fragte Maria verwirrt.

»Na, Berneck. Wie blöd, dass er gerade unterwegs ist.«

»Im Haus habe ich auch genug zu tun«, sagte Maria. »Und schließlich will ich auch bei dir sein.«

»Du musst mir ja auch Sachen bringen, wenn ich gleich bleiben soll«, sagte Monika. »Ich glaube fast, diesmal war Dr. Norden ein bisschen zu besorgt. Er hat hier mächtig Dampf gemacht!«

Dr. Norden?, dachte Maria. Dann scheint er etwas zu befürchten. Ihre Gedanken eilten schon weiter.

»Vorsicht ist besser als Nachsicht«, murmelte sie. »Was möchtest du alles haben, Moni?«

Ihr zerriss es das Herz, als sie in das verschwollene Gesicht blickte, aber das rechte Auge zwinkerte ein bisschen.

»Dein Bild, Mutsch, meinen Teddy, den Frotteemantel und was man sonst noch so braucht. Ich weiß es ja nicht. Ich war noch nie in einer Klinik.«

*

Mein Bild und ihren Teddy, dachte Maria, als sie hinauswankte, zum ersten Mal in ihrem Leben eine lähmende Angst verspürend. Angst um ihr einziges Kind. Sie war nicht fähig, sich sofort in ihren Wagen zu setzen, in den Wagen, den Helmut Berneck ihr zur Verfügung gestellt hatte, um heimzufahren und Monikas Sachen sofort zu holen.

Sie irrte blindlings, gedankenlos durch die Straßen der Innenstadt, fühlte sich unendlich allein unter all diesen vielen Menschen, die den ersten Samstag im Monat ausnutzten, um Einkäufe zu machen, weil die Geschäfte nicht schon mittags geschlossen wurden.

Dann wurde sie plötzlich von einem dicken Mann angerempelt, der anscheinend schon etwas über den Durst getrunken hatte. Sie kam zu sich, als er sie blöd anredete und fragte, ob sie ihm nicht Gesellschaft leisten wolle.