Dr. Norden Bestseller 150 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 150 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Dr. Daniel Norden führte mit seinem Freund und Kollegen Dr. Dieter Behnisch einmal wieder eine sehr ernste Unterredung. Es ging dabei um einen Patienten, den sie beide sehr gut kannten, ihn auch ärztlich betreuten, und dessen Wohl ihnen sehr am Herzen lag. »Leider kann ich nur sagen, daß Strassberg eine Chance für ein längeres Leben nur dann hat, wenn er in eine Nierenübertragung einwilligt«, bemerkte Dr. Behnisch sehr ernst. »Mit der wöchentlichen Dialyse schaffen wir es nicht mehr lange.« »Bleibt also die Transplantation«, sagte Dr. Norden, »und da wird erst ein Nierenspender gefunden werden müssen.« »Mir scheint es so, als hätte er mit dem Leben schon abgeschlossen. Jedenfalls geht er jetzt zur Kur und will es sich noch mal überlegen. Er ist ein skeptischer Mensch. Er glaubt nicht daran, daß man mit einem fremden Organ weiterleben kann. Er ist zu introvertiert!« »Und deshalb hat er auch keine Frau gefunden«, sagte Daniel Norden. »Nun, vielleicht ist es in diesem Fall ganz gut. Es gibt wenige Frauen, die zu einem kranken Mann halten, und nur wegen seines Geldes geheiratet zu werden, dazu ist er mir wirklich zu sympathisch.« »Mir auch«, sagte Daniel. »Ja, dann können wir nur hoffen, daß er in die Transplantation einwilligt und ein Spender gefunden wird.« Der, von dem sie sprachen, ging jetzt in Gedanken versunken durch seine Fabrik, in der medizinische Instrumente hergestellt wurden. Er empfand es fast als Hohn, daß er so viel Geld damit verdiente, da er sich selbst als Todeskandidat fühlte. Man sah Markus Strassberg sein Leiden nicht an, mit dem er nun

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Dr. Norden Bestseller – 150 –

Sag nie adieu

Patricia Vandenberg

Dr. Daniel Norden führte mit seinem Freund und Kollegen Dr. Dieter Behnisch einmal wieder eine sehr ernste Unterredung. Es ging dabei um einen Patienten, den sie beide sehr gut kannten, ihn auch ärztlich betreuten, und dessen Wohl ihnen sehr am Herzen lag.

»Leider kann ich nur sagen, daß Strassberg eine Chance für ein längeres Leben nur dann hat, wenn er in eine Nierenübertragung einwilligt«, bemerkte Dr. Behnisch sehr ernst. »Mit der wöchentlichen Dialyse schaffen wir es nicht mehr lange.«

»Bleibt also die Transplantation«, sagte Dr. Norden, »und da wird erst ein Nierenspender gefunden werden müssen.«

»Mir scheint es so, als hätte er mit dem Leben schon abgeschlossen. Jedenfalls geht er jetzt zur Kur und will es sich noch mal überlegen. Er ist ein skeptischer Mensch. Er glaubt nicht daran, daß man mit einem fremden Organ weiterleben kann. Er ist zu introvertiert!«

»Und deshalb hat er auch keine Frau gefunden«, sagte Daniel Norden.

»Nun, vielleicht ist es in diesem Fall ganz gut. Es gibt wenige Frauen, die zu einem kranken Mann halten, und nur wegen seines Geldes geheiratet zu werden, dazu ist er mir wirklich zu sympathisch.«

»Mir auch«, sagte Daniel. »Ja, dann können wir nur hoffen, daß er in die Transplantation einwilligt und ein Spender gefunden wird.«

Der, von dem sie sprachen, ging jetzt in Gedanken versunken durch seine Fabrik, in der medizinische Instrumente hergestellt wurden. Er empfand es fast als Hohn, daß er so viel Geld damit verdiente, da er sich selbst als Todeskandidat fühlte.

Man sah Markus Strassberg sein Leiden nicht an, mit dem er nun schon seit vier Jahren lebte. Ein Mann von sechsunddreißig Jahren, etwas mehr als mittelgroß, schlank, mit einem schmalen klugen Gesicht, das von warmen grauen Augen beherrscht wurde. Dunkles Haar, das an den Schläfen ergraut war, lag dicht und glatt über einer hohen Stirn, die schmale Nase und der sensible Mund hätten fast einen Träumer in ihm vermuten lassen, doch das energische Kinn verriet Willensstärke, und die hatte er vor allem in den letzten vier Jahren aufgebracht.

Mit niemandem hatte Markus über sein Leiden gesprochen, schon gar nicht mit seiner Mutter, die noch immer unter dem frühen Tod ihres Mannes litt. Erst recht nicht mit seiner Schwester, die extravagant und überaus anspruchsvoll war und ihrem sympathischen Mann das Leben manchmal schwer machte. Markus Strassbergs Schwager, Dr. Hubert Brügge, war auch zugleich der Syndikus der Firma und Markus’ einziger Freund. Mochte er auch etwas von den Gedanken ahnen, die Markus jetzt bewegten, niemals hätte er ein Wort zu ihm oder jemand anderen darüber verloren.

»Gut, daß du dich aufraffst, mal Urlaub zu machen, Mark«, sagte er. »Ich werde schon aufpassen, daß alles läuft.«

»Ich weiß, daß ich mich auf dich verlassen kann«, erwiderte Markus.

»Hast du dich nun schon entschieden, wohin du fahren willst?«

»Einfach ins Blaue. Wo es mir gefällt, lasse ich mich nieder. Erwartet bitte nicht, daß ich vierzig Ansichtskarten schreibe, an jedem Tag eine.«

»Brauchst du nicht, aber anrufen kannst du ab und zu mal, schon damit Mama sich keine Sorgen macht.«

»Ist selbstverständlich«, erwiderte Markus.

Daß die Mama sich keine Sorgen machen mußte, darum waren sie gleichermaßen besorgt, nur Anja Brügge, geborene Strassberg, fand das übertrieben.

»Wie kommst du jetzt mit Anja zurecht, Bert?« fragte Markus nachdenklich. Der andere zuckte verlegen die Schultern. »Man gewöhnt sich an ihre Launen. Man darf sie nicht ernst nehmen. Sie wird eines Tages auch vernünftig werden.«

»Kinder müßte sie haben«, sagte Markus.

»Ach was, sie hat doch nur Angst um ihre Figur.«

Aber da dachten sie beide falsch, denn Anja hatte im Grunde einen ganz ähnlichen Charakter wie ihr um sieben Jahre älterer Bruder. Über ihre Sorgen und Ängste sprach sie nie, nur äußerten sich diese in Unduldsamkeit und Launenhaftigkeit, während Markus ein Muster an Selbstbeherrschung war.

Und seinetwegen war Hubert Brügge bereit, Anjas Launen auch weiterhin zu ertragen und zu hoffen, daß es sich ändern würde.

Bert ist fähig, die Firma allein weiterzuführen, dachte Markus, als er heimwärts fuhr. Er wird sich die richtigen Leute suchen, wenn ich nicht mehr da bin.

Etwas in ihm begehrte gegen diesen letzten Gedanken zwar auf, aber er machte sich über seinen Zustand auch keine Illusionen. Als er nun vor der prachtvollen Villa hielt, die schon von seinem Großvater gebaut worden war, zwang sich Markus eine zuversichtliche Miene auf. Zu seiner Überraschung kam ihm auch Anja gutgelaunt entgegen. Sie war eine zierliche, aparte, kapriziöse Frau, immer nach der neuesten Mode gekleidet, aber mit sehr viel Geschmack, und einer Frisur, die ganz ihrem Typ entsprach. Die grüngrauen Augen funkelten jetzt vergnügt. »Hallo, Bruderherz«, begrüßte sie Markus.

»Was erfreut dich so?« fragte er staunend.

»Ich habe soeben beschlossen, auch einige Wochen zu verreisen«, erwiderte sie.

Hoffentlich sagt sie jetzt nicht, daß sie mich begleiten will, dachte Markus schnell.

»Und wohin soll die Reise gehen?« fragte er.

»Nach England. Ich werde meine Freundin Diana besuchen. Bert wird froh sein, wenn er mich eine Weile los ist, und Mama hat soeben auch erklärt, daß es ein guter Entschluß ist. Wann fährst du?«

»Übermorgen.«

Ganz leicht hoben sich ihre schöngeschwungenen Augenbrauen. »Ich fliege Samstag. Welches Verkehrsmittel benutzt du?«

»Meinen Wagen.«

»Nun, wenn dir der Sinn danach steht, kannst du ja auch mal über den Kanal kommen. Diana freut sich bestimmt, dich einmal wiederzusehen. Schau nicht gleich so kritisch. Sie ist inzwischen glücklich verheiratet. Bei dir ist ja eh’ Hopfen und Malz verloren, obgleich du dafür sorgen solltest, daß der Name Strassberg nicht ausstirbt.«

Margret Strassberg kam die Treppe herab, jeder Zoll eine Lady, eine noch immer schöne Frau, von der jeder beeindruckt war, der ihr begegnete.

»Du hast die Neuigkeit vernommen, Markus«, sagte sie mit dunkler, weicher Stimme. »Wollen wir jetzt nicht gemeinsam den Tee nehmen?«

»Ich muß noch einkaufen, Mama«, erklärte Anja, »entschuldigt mich also.« Ein gehauchter Kuß, ein Winken, und schon wirbelte sie davon.

»Sie ist immer gut für Überraschungen«, sagte Margret, »aber es könnte auch der Ehe guttun, wenn sie mal ein paar Wochen andere Luft atmet. Bert wird sicher gern hier wohnen, solange du auch fern bist, Markus.« Sie sah ihn forschend an. »Ich hoffe nur, daß du nicht wieder Geschäfte mit dieser Reise verbindest.«

»Ich verspreche dir, daß ich richtigen Urlaub mache, Mama«, erwiderte er.

»Ich habe das Gefühl, daß dich etwas bedrückt«, sagte sie leise.

»Du täuschst dich, Mama. Einige Sorgen bereitet mir nur Anja.«

»Bert hat eine Engelsgeduld mit ihr. Ich muß ihn bewundern, aber gleichzeitig bin ich dankbar, daß er nicht das Feld räumt. Ich kann mir nicht erklären, was Anja so ruhelos macht, denn im Grunde bin ich überzeugt, daß sie Bert liebt.«

Er sah sie erstaunt an. »Sofern sie fähig ist, etwas anderes zu lieben als sich selbst«, sagte er.

Eine kurze Zeit herrschte Schweigen, dann sagte Margret: »In einem seid ihr euch unheimlich ähnlich, mein lieber Markus, eure wahren Gefühle zeigt ihr beide nicht. Das habt ihr von eurem Vater.«

Ein Schatten war bei diesen Worten über ihr Gesicht gefallen, und ihre schönen dunklen Augen verrieten wieder unendliche Trauer.

Markus nahm ihre Hand und zog sie an seine Lippen. »Wir vermissen ihn alle, Mama«, sagte er leise.

»Wenn ich wenigstens ein Enkelkind hätte«, flüsterte sie, »dann könnte mein Leben doch noch einen Sinn haben.«

»Es ist nicht einfach, die richtige Frau zu finden, Mama«, sagte Markus.

»Vielleicht begegnest du ihr jetzt«, sagte sie hoffnungsvoll.

Wie ein schmerzhafter Stich drangen diese Worte in ihn hinein. Aber sie sollte nicht einmal ahnen, daß er seine Reise ohne jede Hoffnung antrat.

Am Abend saß er noch lange an seinem Schreibtisch. Er wollte sein Haus wohlbestellt wissen, wenn er in dieses nicht zurückkehren würde. Sein Testament hatte er schon vor Jahren gemacht und Hubert zu seinem Haupterben eingesetzt. Er wußte, daß seine Mutter dies billigen würde, da Hubert dann der einzige Halt für sie war, an den sie sich klammern konnte.

Lange betrachtete er die Fotografie seines Vaters, dem er sehr ähnlich sah.

Du hast auch gewußt, daß du nicht mehr lange leben wirst, Papa, dachte er. Du hast dir nichts anmerken lassen. Es ist besser, wenn man so geht, daß die andern vorher nicht mitleiden müssen. Und du hättest noch genauso gerne gelebt wie ich auch!

*

Am nächsten Tag mußte er noch einmal zur Dialyse fahren, um wenigstens für die nächsten Tage Kraft zu haben, und dann wollte er mit Dr. Norden sprechen.

Markus hatte das Vertrauen zu den Ärzten fast verloren gehabt, als er dann an Dr. Norden geriet. Zu diesem vernünftigen, menschlichen Arzt hatte er dann eine fast freundschaftlich zu nennende Bindung bekommen. Er redete nicht herum, er erweckte keine falschen Hoffnungen, probierte nicht alle möglichen Medikamente aus, um den reichen Privatpatienten zu schröpfen. Er hatte nicht nur als Arzt zum Patienten gesprochen, sondern von Mann zu Mann. Er hatte auch offen mit ihm über eine Nierentransplantation gesprochen, doch Markus konnte sich darauf nicht einstellen, daß ihm ein Organ eingepflanzt würde, das einem Toten entnommen worden war. Und war es letztlich doch nicht zu spät?

Er war ein tiefsinniger Mensch, viel empfindsamer, als man ihn einschätzte. Er hatte geduldig ertragen, was den Ärzten notwendig erschien, um sein Leben zu verlängern, ein so hoffnungsvolles Leben!

Er hatte sich bei Dr. Norden schon angesagt, und der war für dieses Gespräch gewappnet. Aber vorher hatte sich ein anderer Patient bei ihm angesagt, der Dr. Norden auch große Sorgen bereitete. Kein reicher Mann war das, aber ein sehr kluger Mann. Er hatte ein krankes Herz von Geburt an, und das hatte ihn gehindert, auch erfolgreich zu werden.

Malte Sebald bezeichnete sich selbst als einen Dichter im stillen Kämmerlein. Dr. Norden und seine Frau Fee meinten, daß eine harte Zeit ihn um die Lorbeeren des Erfolges brachte. Malte Sebald konnte sich nicht anbieten, nicht verkaufen. Er hatte wunderschöne Novellen und Gedichte geschrieben für einen bescheidenen Lohn. Doch er sagte ohne Resignation, daß es anderen noch weit schlechter ergehe als ihm, und er im harten Daseinskampf ja doch nicht bestehen könne.

Er hatte an diesem Tag keinerlei Hoffnung mehr, dieses Jahr noch zu überleben. Er war sehr ruhig.

»Lange wird es nicht mehr dauern, Herr Doktor«, sagte er mit leiser, angenehmer Stimme. »Und so sollten wir doch einmal ganz offen miteinander reden. Im Leben habe ich nicht viel erreichen können, so hoffe ich, daß mein Tod einem anderen nützen kann. Ich möchte die Organe, die noch gesund sind, anderen zur Verfügung stellen, deren Leben damit erhalten werden könnte. Und da ich nun mal ein unverbesserlicher Idealist bin, wünsche ich sehr, daß Menschen damit geholfen werden kann, die es wert sind zu leben. Vielleicht können Sie mir und jenen anderen dazu verhelfen. Sie kennen mich. Ich glaube an das Weiterleben der Seele. Vielleicht finden Sie das verrückt, aber so ein wenig wünsche ich doch, daß meine Seele in einem wertvollen Menschen weiterlebt. Ich bin halt ein Spinner.«

»Das sind Sie nicht, Herr Sebald«, sagte Dr. Norden. »Auch die verantwortlichen und verantwortungsbewußten Ärzte wünschen, daß ein Spenderorgan einem wertvollen Menschen eingepflanzt wird, einem Menschen, der gebraucht wird, der geliebt wird. Ich wünschte, Ihnen könnte ein gesundes Herz eingepflanzt werden.«

»Für wen soll ich denn weiterleben, Herr Doktor?« fragte Malte Sebald. »Der Jahre sind es genug. Sagen Sie mir, was ich tun muß, um die notwendigen Verfügungen zu treffen –«

»Ich würde vorschlagen, daß Sie sich von Dr. Behnisch gründlichst durchuntersuchen lassen, Herr Sebald. Die Formalitäten sind ganz einfach. Es könnte aber auch sein, daß wir für Sie ein Spenderherz finden.«

»Wozu? Wem kann ich nützen? Nein, das schlagen Sie sich aus dem Sinn.« Er lächelte ironisch. »Meinen geistigen Nachlaß bekommen Sie. Die Nachwelt wird mir keine Kränze flechten, aber vielleicht kann manches Ihren Patienten auf der Insel der Hoffnungen Freude bereiten.«

Dr. Norden betrachtete ihn nachdenklich. Ihm sah man es an, daß er ein kranker Mann war und auch ein müder Mann. Er brauchte ja niemanden zu täuschen. Wenig später konnte Dr. Norden Vergleiche ziehen zwischen ihm und Markus Strassberg. Und da kam ihm der Gedanke, der sich in seinem Hirn festsetzte.

Markus sprach mit ihm genauso offen wie vor ihm Malte Sebald. »Wie lange geben Sie mir noch, wenn keine Transplantation erfolgt?« fragte er. »Bitte nicht ausweichen!«

»Es ist schwer zu sagen. Mit der Dialyse wohl noch einige Jahre.«

Markus schüttelte den Kopf. »Psychisch halte ich das nicht durch«, sagte er. »Meine Mutter soll nicht mitleiden. Sie leidet noch genug unter dem Tod meines Vaters.«

Dr. Norden zögerte, aber dann sagte er es doch. »Möglicherweise habe ich einen passenden Organspender für Sie.«

»Einen Mann, der noch lebt?« fragte Markus heiser.

»Ein todkranker Mann, der keine Angehörigen hat«, erwiderte Dr. Norden. »Sein Herz ist müde, aber er hat sich entschlossen, alle nützlichen Organe zu spenden.«

»Aber Sie würden mir nicht sagen, wie er heißt.«

»Das dürfte ich nicht. Ich kann Ihnen nur sagen, daß es ein kluger Mann ist, daß er Charakter hat, und daß ihm seine Krankheit keine Chance gibt, sich das nötige Durchsetzungsvermögen zu verschaffen.«

Markus überlegte. Von seinem Gesicht war nicht abzulesen, was hinter der hohen Stirn vor sich ging.

Und dann sagte er: »Tun Sie für diesen Mann, was menschenmöglich ist. Er soll auch eine Chance haben. Ich stelle jeden Betrag dafür zur Verfügung.«

Dr. Norden war sprachlos. Er brauchte lange, bevor er Worte für eine Antwort fand.

»Er bietet Ihnen eine Chance. Er glaubt an das Weiterleben der Seele. Er hat mit seinem Leben abgeschlossen.«

»Wie ich. Warum soll man ihm nicht auch eine Chance geben, die mir möglicherweise geboten wird? Nur, weil er kein Geld hat?«

»Ich fürchte, daß es für ihn zu spät ist, und deshalb bitte ich Sie, mir zu sagen, wo ich Sie erreichen kann, falls der Fall eintreten sollte, daß Ihnen zu helfen ist.«

»Sie lassen nicht locker, Dr. Norden. Aber unser Leben liegt in Gottes Hand. Nun gut, ich wollte Sie ohnehin bitten, sich meiner Mutter anzunehmen, wenn ich nicht mehr zurückkehren sollte. Sie wird viel Hilfe brauchen. Bert allein kann es nicht schaffen und meine Schwester… ich weiß nicht, was mit ihr los ist.«

»Aber Sie werden kommen, wenn Ihnen eine große Chance gegeben wird?« fragte Dr. Norden.

»Ich weiß es noch nicht«, erwiderte Markus. »Ich bin noch nicht ganz bei mir im reinen. Sie müssen mir versprechen, für diesen Mann alles Erdenkliche zu tun. Sollte ich einmal Nutznießer seiner menschlichen Größe sein, wäre es eine Beruhigung für mich, auch noch etwas für ihn getan zu haben.«

»Sie geben mir Ihre Adresse?«

»Ich teile sie Ihnen mit, wenn ich das Haus gefunden habe, in dem ich die nächsten Wochen verbringen will.«

»Und bitte, geben Sie nicht auf«, sagte Dr. Norden.

»Meine Mutter wünscht sich einen Enkel«, sagte Markus gedankenverloren. »Wenn ich ihr diesen Wunsch erfüllen könnte, wäre ich zu allem bereit.«

Dr. Norden sah ihn leicht verwirrt an. »Was sollte dem im Wege stehen? Ich glaube, Sie sehen das ganz falsch, Ich habe einen Patienten gehabt, der zehn Jahre nur durch die Dialyse lebte. Seine Frau schenkte ihm während dieser Zeit zwei gesunde Kinder.«

»Und nun ist sie Witwe«, sagte Markus bitter.

»Sie hat ihren Mann geliebt, und nun hat sie die Kinder.«

»Ist sie wenigstens finanziell gesichert?«

»Sie ist berufstätig. Sie muß sparen, aber sie weiß, wofür sie lebt. Sie ist eine sehr tapfere Frau.«

»Wie alt sind die Kinder?«

»Neun und sieben Jahre alt.«

Markus griff in seine Jackentasche und holte sein Scheckbuch heraus. Er füllte einen Scheck aus und legte ihn Dr. Norden auf den Schreibtisch.

»Sie teilen das nach Belieben zwischen dem Organspender und dieser Frau«, sagte er. »Ich weiß, Sie werden es richtig machen. Und nun Adieu, lieber Dr. Norden.«

»Nicht Adieu, auf Wiedersehen, Herr Strassberg«, erwiderte der Arzt.

Und als er den Scheck betrachtete, weiteten sich seine Augen.

*

»Hunderttausend Mark, Fee«, sagte er zu seiner Frau, nachdem er ihr von diesem Gespräch erzählt hatte. »Was kann das für Sebald und Frau Wiesner bedeuten.«

»Für Sebald kaum ein neues Herz«, erwiderte sie. »Leider. Aber für Frau Wiesner wäre es eine große Hilfe. Sie könnte sich eine Halbtagsstellung suchen und somit mehr Zeit für ihre Kinder haben. Und der Lenzi könnte dann doch aufs Gymnasium gehen. Er ist ein so gescheiter Bub.«

»Ich weiß nur nicht, wie ich es machen und wie ich es ihr erklären soll«, sagte Daniel.

»Am besten wird es sein, wenn du dich erst mal mit ihr unterhältst und herausfindest, wie jetzt ihre Einstellung ist. Sie ist immerhin eine noch junge Frau und könnte schon einen anderen Partner gefunden haben.«

»Sprich du lieber mit ihr. So was kannst du besser, mein Schatz«, sagte er. »Und der edle Spender ist eben ein Menschenfreund, der von ihrem Schicksal gehört hat. Du brauchst ja nicht gleich die Summe zu nennen.«

»Ist schon gut, Daniel, ich werde das schon hinkriegen«, sagte Fee. »Und so sehr leid mir Malte Sebald auch tut, wie gut wäre es, wenn Markus Strassberg geholfen werden könnte. Man findet selten einen Menschen in der heutigen Zeit, der so viel Geld und dabei noch so viel Herz hat.«

»Sein Herz ist gut, Sebalds schlecht. Dafür arbeiten Sebalds Nieren gut. Wenn das zu verwirklichen ist, Fee, dann werden wir wieder einmal überzeugt, daß die Vorsehung ihre eigenen Gesetze hat. Nur darf der Mensch sich nicht anmaßen, von dieser Vorsehung zu irgend etwas Besonderem ausersehen zu sein. Wir wissen ja, wohin Größenwahn führen kann.«

*

Zu etwas Besonderem fühlte sich Malte Sebald nicht auserwählt. Er wollte nur etwas Gutes tun. Und während sich Markus Strassberg auf seine Reise ins Ungewisse begab, ging er in die Behnisch-Klinik.

Dr. Behnisch war von Dr. Norden schon informiert worden, daß Malte Sebald alle Fürsorge zuteil werden sollte. So wurde er denn in ein Einzelzimmer einquartiert.