Dr. Norden Bestseller 152 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 152 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Die Grippe grassierte wieder mal, und so brauchte es Dr. Norden nicht zu wundern, daß er dringend zu Dr. Stahl gerufen wurde, dessen Sohn Tobias besonders anfällig für Infektionskrankheiten war. Zu ihm fuhr der Arzt auch sofort, und als er vor dem hübschen Reihenhaus hielt, stand der Chefingenieur der Stahlwerke auch schon in der Tür. »Gott sei Dank, daß Sie so schnell kommen, Dr. Norden. Diesmal ist es wieder besonders schlimm«, sagte der hochgewachsene, breitschultrige Mann. »Toby hat 39,8 Fieber. Ich habe es gerade noch mal gemessen.« »Sind Sie wieder mal allein?« erkundigte sich Dr. Norden bestürzt. »Wir reden nachher darüber«, erwiderte Jochen Stahl mit einem tiefen Seufzer. »Zuerst kommt Toby.« Dr. Norden hatte sich schon manchmal gefragt, wie dieser starke Mann zu einem so zarten Sohn kam, aber als Marianne Stahl dann vor einem Jahr an einer schweren Nierenkrankheit gestorben war, kam ihm doch der Gedanke, daß der zehnjährige Tobias schon von Geburt an belastet sein könnte, obgleich sich nur die Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten bei ihm wiederholte. Aus einem fieberheißen Gesichtchen blickten Dr. Norden etwas trübe dunkle Augen an. »Hallo, Doktor«, sagte der Junge heiser, »wieder mal das Theater. Warum muß es immer mich erwischen? Papi regt sich auf.« »Das haben wir bald wieder im Griff, Toby«, sagte Dr. Norden. »Wer hat dich denn diesmal angesteckt?« »Die blöde Lisa. Ich bin froh, daß sie weg ist.« Also wieder mal, dachte Dr. Norden, denn lange blieb eine Haushälterin nie bei Dr. Jochen Stahl. Lisa war schon die fünfte innerhalb eines Jahres. An wem mochte es wohl liegen, daß es keine

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Dr. Norden Bestseller – 152 –

Verschenktes Glück

Patricia Vandenberg

Die Grippe grassierte wieder mal, und so brauchte es Dr. Norden nicht zu wundern, daß er dringend zu Dr. Stahl gerufen wurde, dessen Sohn Tobias besonders anfällig für Infektionskrankheiten war.

Zu ihm fuhr der Arzt auch sofort, und als er vor dem hübschen Reihenhaus hielt, stand der Chefingenieur der Stahlwerke auch schon in der Tür.

»Gott sei Dank, daß Sie so schnell kommen, Dr. Norden. Diesmal ist es wieder besonders schlimm«, sagte der hochgewachsene, breitschultrige Mann. »Toby hat 39,8 Fieber. Ich habe es gerade noch mal gemessen.«

»Sind Sie wieder mal allein?« erkundigte sich Dr. Norden bestürzt.

»Wir reden nachher darüber«, erwiderte Jochen Stahl mit einem tiefen Seufzer. »Zuerst kommt Toby.«

Dr. Norden hatte sich schon manchmal gefragt, wie dieser starke Mann zu einem so zarten Sohn kam, aber als Marianne Stahl dann vor einem Jahr an einer schweren Nierenkrankheit gestorben war, kam ihm doch der Gedanke, daß der zehnjährige Tobias schon von Geburt an belastet sein könnte, obgleich sich nur die Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten bei ihm wiederholte.

Aus einem fieberheißen Gesichtchen blickten Dr. Norden etwas trübe dunkle Augen an. »Hallo, Doktor«, sagte der Junge heiser, »wieder mal das Theater. Warum muß es immer mich erwischen? Papi regt sich auf.«

»Das haben wir bald wieder im Griff, Toby«, sagte Dr. Norden. »Wer hat dich denn diesmal angesteckt?«

»Die blöde Lisa. Ich bin froh, daß sie weg ist.«

Also wieder mal, dachte Dr. Norden, denn lange blieb eine Haushälterin nie bei Dr. Jochen Stahl.

Lisa war schon die fünfte innerhalb eines Jahres. An wem mochte es wohl liegen, daß es keine aushielt? An dem Jungen oder an Dr. Stahl? Solche Gedanken gingen ihm durch den Kopf, während er Tobias untersuchte.

Es war nicht so schlimm, wie er gefürchtet hatte. Tobias bekam nur immer gleich so hohes Fieber. Die Lungen waren nicht betroffen, auch die Mandeln waren nicht entzündet. Und Dr. Norden kannte den Jungen nun schon zwei Jahre und wußte genau, auf welche Medikamente er ansprach.

»Morgen ist es schon wieder besser«, sagte er tröstend. »Du schläfst jetzt schön, Toby, und morgen früh schaue ich nach dir.«

»Ich reg’ mich nur auf, weil Papi bald weg muß«, wisperte der kleine Patient. »Aber das brauchen Sie ihm nicht sagen.« Er verstummte sofort, als sein Vater wieder ins Zimmer trat.

»Ist nicht so schlimm, Papia, murmelte er. »Ich schlafe jetzt.«

»Wenn du etwas brauchst, kannst du mich rufen, Tobya, sagte Jochen Stahl. Er strich dem Jungen das feuchte Haar aus der Stirn und küßte ihn auf die Wange. »Werd nur bald gesund, mein Kleiner.«

Als er dann aber Dr. Norden in die Augen blickte, war seine Miene düster.

»Ich muß Anfang nächsten Monats für sechs Wochen nach Ägypten, Dr. Norden. Ich kann mich nicht drücken. Es ist zu wichtig für unsere Firma. Was soll ich nur mit Toby machen? Ich kann ihn doch nicht mitnehmen.«

»Auf keinen Fall«, sagte Dr. Norden rasch. »Aber da fangen doch die Ferien an. Sie könnten ihn in ein Heim geben.«

Dr. Stahls Miene verdüsterte sich noch mehr. »Und gerade das wollte ich vermeiden«, sagte er tonlos. »Wir haben ihn doch aus einem Heim geholt.«

Dr. Norden sah ihn fassungslos an. »Toby ist nicht Ihr Kind?« fragte er. Warum haben Sie mir das noch nicht gesagt?«

»Er ist mein Kind«, sagte Dr. Stahl ruhig. »Ich liebe ihn über alles. Ich habe gedacht, Marianne würde ihre Depressionen überwinden, wenn sie das Kind hätte, aber ich wußte lange nicht, daß ihr Leiden auch organischer Natur war. Leider sind wir da anscheinend immer an die falschen Ärzte geraten, die uns keine Aufklärung gaben. Sie wissen, daß meine Frau an Urämie starb. Die Depressionen waren nur Nebenerscheinungen. Als wir Tobias adoptierten, war sie glücklich. Für mich spielt es keine Rolle, wer seine Eltern waren. Ich könnte ein eigenes Kind nicht mehr lieben als ihn. Aber ich habe eben leider auch einen Beruf, und außerdem bekommt man keine Hilfe, der man ein so sensibles Kind wirklich anvertrauen kann. Diese Weiber denken immer nur daran, sich bei einem Witwer ein angenehmes Leben zu verschaffen oder ihn gar aufs Standesamt schleppen zu können. Bitte, seien Sie nicht böse, wenn ich das so drastisch sage, aber leider habe ich es nun oft genug mitgemacht. Die letzte, diese Lisa, war besonders schlimm. Als sie merkte, daß sie nicht bei mir landen konnte, hustete sie den Jungen buchstäblich an. Ich würde das wahrscheinlich nicht so deutlich sagen, wenn ich nicht solche Wut im Bauch hätte.«

»Sprechen Sie sich ruhig aus, für den Hausarzt ist das wirklich ganz interessant«, sagte Dr. Norden. »Wenn ich schon vorher gewußt hätte, daß Tobias ein adoptiertes Kind ist, hätte ich nicht an mir selbst zweifeln müssen.«

»Wie meinen Sie das?« fragte Dr. Stahl erstaunt.

Dr. Norden betrachtete ihn, sein kluges, interessantes Gesicht, das eine große Willenstärke verriet, die dunklen Augen, die einen fast melancholischen Ausdruck hatten, den Mund, der das Lachen verlernt zu haben schien.

»Ich habe Tobias auf Herz und Nieren untersucht, wie man so sagt. Er hat kein organisches Leiden«, erklärte Dr. Norden. »So habe ich immer überlegt, woher diese Überempfindlichkeit kommt.«

»Weil er diese Weiber nicht ausstehen konnte«, sagte Jochen Stahl. »Mir ist das jetzt klargeworden. Ich bin kein Frauenverächter, Dr. Norden, aber anscheinend gerate ich immer an die Falschen und Toby hat mehr Instinkt als ich. Das nächste Mal soll er die Haushälterin aussuchen. Aber vorerst muß ich den Jungen irgendwo unterbringen, wo er bestens versorgt wird.«

»Dabei kann ich Ihnen behilflich sein«, sagte Dr. Norden. »Es gibt mehrere Heime, die mir bekannt sind.«

»Dann sagen Sie mir das allerbeste. Ich will es mir anschauen, bevor ich für Wochen von hier weg und mich von dem Jungen trennen muß.«

Dr. Norden überlegte. »Da Toby Höhenluft gut tun würde, könnte ich den Tannenhof vorschlagen. Es fragt sich nur, ob man dort noch Platz hat. Wenn es Ihnen recht ist, rufe ich morgen an. Es ist das beste Heim, allerdings auch das teuerste.«

»Das ist nebensächlich«, sagte Dr. Stahl. »Und noch eins, Dr. Norden, Toby darf nie erfahren, daß er ein adoptiertes Kind ist. Er darf nie daran zweifeln, daß ich sein Vater bin. Sie können mich für sentimental halten, aber dieses Kind bedeutet mir alles.«

»Von mir wird er es bestimmt nicht erfahren, daß er nicht Ihr Kind ist«, sagte Dr. Norden, aber als er nach Hause fuhr, kam ihm der Gedanke, ob Tobias nicht doch Jochen Stahls Sohn sein könnte. Gab es denn das, daß ein Mann ein fremdes Kind so lieben konnte? Ein Mann, wie dieser Jochen Stahl?

Doch an diesem Tag konnte Dr. Norden noch nicht ahnen, wie aufregend sich Dr. Jochen Stahls und seines Sohnes Tobias Leben noch gestalten sollte.

*

»Ruf doch bitte morgen mal im Tannenhof an, Fee«, bat Daniel Norden seine Frau. »Du kommst mit Mutter Hedwig am besten zurecht.«

»Wenn du mir sagen würdest, worum es geht, mein Schatz?« fragte Fee mit einem nachsichtigen Lächeln.

»Um Tobias Stahl. Sein Vater muß für sechs Wochen ins Ausland.«

»Ist ihm die Haushälterin schon wieder mal davongelaufen?« fragte Fee.

»Du hast es erfaßt, Feelein.«

»Woran mag das nur liegen?« meinte sie schelmisch.

»Wahrscheinlich weißt du das auch besser als ich«, erwiderte Daniel nachdenklich.

»Ein gutaussehender Mann in bester Position und in den besten Jahren«, sagte sie. »Da sind die Interessen gewisser Frauen sehr einseitig.«

»Es scheint so. Er ist ein sympathischer Mann. Die nächste Hausdame wird er von Tobias aussuchen lassen.«

Fee lachte leise. »Ich finde es besonders sympathisch, daß er auf die Meinung seines Sohnes etwas gibt.«

»Nur auf seine«, bemerkte Daniel, aber er war diesmal nicht bereit, Fee zu sagen, daß Tobias ein adoptiertes Kind war. Er hielt sich an sein Wort. »Er würde den Jungen auch mitnehmen, aber Ägypten wäre bestimmt nicht das richtige Klima für Tobias.«

»Ägypten könnte mich auch interessieren«, bemerkte Fee.

»Könntest du nicht mit der Tutanchamon-Ausstellung vorliebnehmen?« fragte er lächelnd.

»Nur, wenn du mitkommst!«

»Soll ich mich stundenlang anstellen? Liebe Güte, mute mir das nicht zu. Ich bin wohl ein Kunstbanause, Fee. Abgesehen von Musik. In ein Konzert könnten wir mal wieder gehen.«

»Ich werde mich bemühen, Karten zu bekommen. Hoffentlich hast du dann aber auch Zeit«, sagte sie gleichmütig. »Also keine Aussicht, mal nach Ägypten zu reisen?«

»Wenn du unbedingt willst«, seufzte er.

»Es muß nicht sein. Die Einladungen nach Amerika, England, Frankreich, Spanien und Schweden stapeln sich schon. Aber es ist abzusehen, daß ich liebe Dankesbriefe schreiben und der Hoffnung Ausdruck geben muß, daß man sich in München mal wiedersieht. Dann werde ich also morgen Mutter Hedwig anrufen, damit Tobias gut untergebracht wird.«

Und sie tat es. Da konnte Fee dann auch große Freude erleben, denn Hedwig Scheibele, die im Tannenhof Mutter Hedwig genannt wurde, gehörte zu Dr. Nordens dankbarsten Patientinnen. Durch ihn war die ehemals schilddrüsenkranke Frau gesund geworden und hatte diese Lebensstellung gefunden, in der sie aufging. Und wenn sie etwas für Dr. Norden tun konnte, tat sie es auch.

»Wir richten das schon ein, Frau Doktor«, bekam Fee zur Antwort auf ihre Bitte. »Sagen Sie mir nur Bescheid, wann der Junge kommt.«

*

Das konnte Dr. Norden dann Jochen Stahl berichten. »Wenn nur Toby einverstanden ist«, seufzte der. »Das ist meine größte Sorge.«

»Ich erkläre es ihm«, sagte Dr. Norden, und wieder emmal konnte er beweisen, wie gut er mit Kindern umzugehen verstand.

»Heute geht es ja schon wieder viel besser, Toby«, begann er.

»Jetzt brauche ich mich auch nicht mehr über Lisa aufzuregen«, flüsterte der Junge, aber dabei schielte er immer zur Tür.

»Wir können uns allein unterhalten. Dein Papi muß noch dringende Telefonate erledigen«, erklärte Daniel Norden. »Gestern hast du gesagt, daß es dich aufregt, weil dein Papi wegfahren muß. Aber das muß nun mal sein, Toby. Es ist sein Beruf, dort die Aufsicht zu führen, wo etwas Wichtiges gebaut wird. Ich meine, du kannst stolz sein, daß er das Vertrauen des obersten Chefs genießt.«

»Ich bin auch stolz auf meinen Papi. Aber ich kann doch nicht allein hierbleiben, und wenn er mich mitnimmt und ich dort krank werde, ist es auch schlimm für ihn.«

»Darf ich dir mal einen Vorschlag machen, Toby?« fragte Dr. Norden väterlich.

»Bloß nicht wieder so ’ne Hausdame!« stöhnte der Junge.

»Nein, keine Hausdame. Ich weiß ein sehr hübsches Kindererholungsheim. Es ist ein richtiges Schloß, und Mutter Hedwig ist eine gute Bekannte von mir.

Da sind nur nette Kinder, die alle oft mal krank sind. Die Luftveränderung würde dir auch sehr gut tun, und wenn dein Papi dann wieder zurückkommt, bist du quietschvergnügt und darfst dir selbst aussuchen, wer Hausdame bei euch werden soll.«

»Ich darf selbst eine für uns suchen?« fragte Toby ganz aufgeregt. »Die Linda kommt bestimmt nicht ins Haus?«

»Welche Linda?« fragte Dr. Norden aufhorchend.

»Papis Sekretärin, die Linda Krauss. Die macht ihm doch auch schöne Augen. Ich bin doch nicht mehr doof«, sagte Toby.

Dr. Norden verkniff sich ein Lachen. Er freute sich, daß der Junge wieder so munter war und außerdem auch darüber, daß er Augen und Ohren anscheinend doch ganz auf dem rechten Fleck hatte.

»Dein Papi hat mir gesagt, daß er es dir überläßt, eine Haushälterin zu suchen«, erklärte er.

»Eine Hausdame«, sagte Toby, »aber es muß eine richtige Dame sein, nicht eine, die im Bademantel herumscharwenzelt, wenn Papi aufsteht. Das mag ich nämlich gar nicht.«

»Mir gefällt so was auch nicht«, sagte Daniel. »Na, wie wäre es, wenn du dich im Tannenhof mal richtig erholen würdest? Mutter Hedwig ist eine feine ältere Dame, es ist wunderschön dort. Du wirst es sechs Wochen leicht aushalten, vielleicht gar nicht mehr wegwollen.«

»Ich bin aber lieber bei Papi, als im schönsten Heim«, sagte Toby. »Aber wenn Sie es meinen, gehe ich dahin, Doktor.«

»Du bist sehr vernünftig, Toby«, wurde er gelobt. »Dein Papi wird beruhigt sein. Er will doch nur das Beste für dich.«

»Das weiß ich ja. Wir verstehen uns prima. Er muß ja auch zum General halten. Der hat genug Ärger mit seinem Sohn.«

»Wieso General?« fragte Daniel verblüfft.

»Na, der Generaldirektor Wellinger. Ich kenne nämlich die Kathrin. Der ihr Vater ist der Sohn vom General. Meine Güte, die hat bloß Angst vor ihrem Vater. Ich möchte solchen Vater wirklich nicht haben, der so gemein ist. Deswegen hat ihre Mutter nämlich auch einen anderen geheiratet.«

So, nun wußte Dr. Norden mal wieder etwas, womit er nichts anfangen konnte, aber Toby hatte sich ausgesprochen. Das war gut, und noch besser war es, daß Toby auch damit einverstanden war, in das Kinderheim zu gehen.

Jochen Stahl staunte. »Wie haben Sie das so schnell fertiggebracht, Dr. Norden?« fragte er.

»Es hat sich im Gespräch ergeben. Toby war heute sehr mitteilsam. Er sieht auch ein, daß sich der General auf Sie verlassen muß, weil sein Sohn anscheinend nichts taugt.«

»Der arme Wellinger ist tatsächlich geschlagen mit seinem Sohn«, sagte Jochen Stahl impulsiv. »Vergessen Sie’s«, fügte er dann aber rasch hinzu. »Mir steht es nicht zu, mich darüber zu äußern. Aber Sie haben wirklich eine Art jeden zum Reden zu bringen.«

»Die Taktik eines Arztes, der sich und das Vertrauen seiner Patienten bemüht«, sagte Daniel lächelnd. »Übrigens sollten Sie es Toby verschweigen, falls Sie von einer gewissen Linda Kraus nach Ägypten begleitet werden, wenn ich das bemerken darf.«

Da wurde Jochen Stahl tatsächlich verlegen. »Das ist meine Sekretärin«, erwiderte er. »Danke für den Hinweis. Sie wird uns tatsächlich begleiten. Ich weiß nicht, was Toby gegen sie hat.«

»Vielleicht hat er prinzipiell etwas gegen Frauen, die Ihnen nahe kommen«, meinte Dr. Norden hintergründig. »Man muß bei Kindern diesbezüglich sehr diplomatisch sein.«

»Sie sind wirklich ein guter Arzt, auch ein Seelenarzt«, sagte Jochen Stahl lachelnd. »Herzlichen Dank für Ihre Hilfe.«

»Schauen Sie sich das Heim an. Sie werden zufrieden sein«, sagte Dr. Norden.

»Kann ich Toby schon am Wochenende hinbringen?« fragte Jochen.

»Dem steht nichts im Wege. lch rufe Mutter Hedwig an.«

»Falls ich mal krank werden sollte, brauche ich wenigstens nicht lange nach einem Arzt zu suchen«, meinte Jochen.

»Mir sind die Gesunden lieber«, erwiderte Daniel. »An Arbeit habe ich keinen Mangel. Alles Gute für Sie, falls wir uns nicht mehr sehen sollten.«

Ein fester Händedruck, dann ging Dr. Norden und setzte seine Hausbesuche fort.

Er kam wieder spät heim, denn die Grippekranken mehrten sich. Das machten sie jedes Jahr zweimal mit. Fee Norden war immer heilfroh, wenn Ihr Mann verschont blieb.

Ihm war es wieder wohl, als er gegessen hatte und faulenzen konnte. Fee sorgte dafür, daß er es bequem hatte.

Aber sie wunderte sich, daß er dann fragte, ob sie etwas über den jungen Wellinger wüßte.

»Wie kommst du denn auf den?« fragte sie.

»Ach, Toby hat da etwas gesagt, was mir gerade wieder einfällt. Wenn ich mich recht erinnere, ist er in der Behnisch-Klinik mal am Blinddarm operiert worden.«

»Du hast ein gutes Gedächtnis. Das ist schon ein paar Jahre her. Inzwischen ist er geschieden und macht Jagd auf schöne Frauen. Aber das hat er wohl immer getan. Jetzt scheint Georgia Stafford Favoritin zu sein.«

»Die Opernsängerin. Die Frau hat doch Format«, sagte Daniel staunend.

»Und er heißt Wellinger und ist Alleinerbe. Er soll sehr charmant sein.«

»Toby sagt, daß seine Tochter Angst vor ihm hat.«

»Nun, als Vater kann ich ihn mir wirklich nicht vorstellen. Und Martina Frantzen hat sich ja auch von ihm getrennt. Sie hat sich vor einem Jahr scheiden lassen. Das weiß ich alles aus der Boulevardpresse«, erklärte sie lächelnd. »Was wahr ist, kann ich nicht beurteilen. Wahr ist jedenfalls, daß Martina Frantzen es sich leisten konnte, sich von ihm zu trennen. Sie hat nämlich kürzlich einen Baron von Tammen geheiratet. Die Tochter wurde ihr zugesprochen. Genügt dir das?«

»Recht interessant«, sagte Daniel.

Fee staunte. »Du hast tatsächlich zugehört? Ich habe das wirklich nur den Klatschspalten entnommen. Martina Frantzen habe ich allerdings früher mal kennengelernt. Vor unserer Ehe. Steinreiche Familie, im wahrsten Sinne des Wortes. Diamanten-Frantzen!«

»Wie lange war sie mit diesem Wellinger verheiratet?«

»Sieben Jahre.«

»Wie alt ist das Kind?«

»Sechs Jahre, soviel ich weiß. Seit wann interessierst du dich für die oberen Hundert?«

»Mich interessiert nur, woher Toby die kleine Kathrin kennt.«

„Du kannst ihn ja fragen«, meinte Fee neckend.

»So neugierig wollen wir auch wieder nicht sein, mein Schatz. Aber Toby ist so ein eigenartiges Kind. Er sagte, daß Kathrin Angst vor Ihrem Vater hat.«

»Ja, das sagtest du schon. Aber sie ist doch bei der Mutter.«

»Für Toby wird es gut sein, wenn er unter anderen Kindern ist«, sagte Daniel nachdenklich. »Und hoffentlich entscheidet sich Stahl für eine nette Frau, falls er an eine Wiederheirat denkt.«

»Du hast Toby sehr ins Herz geschlossen«, stellte Fee nachdenklich fest.

»Er ist ein lieber Junge. Übrigens ist er ein adoptiertes Kind.«

»Jetzt bin ich aber platt«, entfuhr es Fee.

»Ich war auch ziemlich aus der Fassung gebracht, mein Schatz. Stahl hängt mit einer Liebe an dem Jungen, die mancher richtige Vater nicht für seine Kinder aufbringt, und der Junge hängt an ihm. Hoffentlich wird er nicht wieder krank vor lauter Sehnsucht, wenn Stahl in Ägypten ist.«

»Im Tannenhof werden sie es schon verstehen, ihn abzulenken. Mutter Hellwig bietet Garantie dafür.«

*

Linda Krauss war hocherfreut, als Jochen Stahl ihr sagte, daß er Toby am Wochenende in ein Heim bringen würde. Freilich war sie klug genug, diese Freude nicht zu zeigen. Sie war nicht nur sehr intelligent, sondern auch sehr attraktiv. Da sie sich bei Christoph Wellinger keine Chancen ausrechnen konnte, hatte sich ihr Interesse auf Jochen Stahl konzentriert, der für eine Frau ja auch eine erstrebenswerte Partie war. Nur da stand ihr das Kind im Wege, denn Jochen verbrachte jede freie Minute mit Toby. Nun würde sie ihn aber sechs Wochen für sich haben, und diese Zeit wollte sie nützen.