Dr. Norden Bestseller 164 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 164 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Dr. Günter Schwendt legte den Telefonhörer auf und schaltete die Sprechanlage ein. »Marion, können Sie bitte zu mir kommen?« fragte er. »Sofort«, tönte es zurück, und zwei Minuten später betrat seine Laborassistentin Marion Flemming sein Zimmer. »Wenn es sich um die Befunde für Dr. Norden handelt, ich habe sie gerade abgeschlossen«, sagte sie. »Und er hat mich gerade angerufen. Es ist eine dringende Sache.« »Das kann ich mir denken«, nickte sie. »Schlimme Sache.« Sie legte ihm die Karte mit den Ergebnissen auf den Schreibtisch. In Dr. Schwendts Institut für Laboratoriumsdiagnostik gab es keine persönliche Beziehung zu Patienten. Das waren Namen, die nur in Rechnungen aufgeführt würden. Die Schicksale, die dahinterstanden, waren schnell vergessen. »Dr. Norden braucht die Befunde ganz dringend. Sie wohnen doch in der Gegend, Marion. Könnten Sie ihm den Schrieb persönlich vorbeibringen?« »Gern«, erwiderte sie. »Auf Sie ist wenigstens Verlaß«, sagte er mit einem tiefen Seufzer. »Ihr Zukünftiger ist zu beglückwünschen.« Und er will bedauert werden, dachte Marion, aber damit meinte sie Dr. Schwendt, der mal wieder kundtun wollte, wie wenig Verlaß auf seine Frau sei. Aber sie hatte keine Lust, sich das anzuhören. »Dann werde ich gleich fahren. Es ist sowieso schon siebzehn Uhr«, bremste sie sein Mitteilungsbedürfnis. Das habe ich ja bald hinter mir, dachte sie frohgemut, als sie sich in ihren Wagen setzte, und wie wird er erst stöhnen, wenn ich kündige. Nun, immerhin hatte sie selbständig arbeiten können und auch gut verdient. Marion war eine aparte junge Dame, wenn sie den weißen Kittel ausgezogen hatte, und ihr schönes kastanienbraunes Haar, das sie bei der Arbeit zu einem

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Dr. Norden Bestseller – 164 –

Das Leid, dass sie trennte

Patricia Vandenberg

Dr. Günter Schwendt legte den Telefonhörer auf und schaltete die Sprechanlage ein.

»Marion, können Sie bitte zu mir kommen?« fragte er.

»Sofort«, tönte es zurück, und zwei Minuten später betrat seine Laborassistentin Marion Flemming sein Zimmer.

»Wenn es sich um die Befunde für Dr. Norden handelt, ich habe sie gerade abgeschlossen«, sagte sie.

»Und er hat mich gerade angerufen. Es ist eine dringende Sache.«

»Das kann ich mir denken«, nickte sie. »Schlimme Sache.«

Sie legte ihm die Karte mit den Ergebnissen auf den Schreibtisch. In Dr. Schwendts Institut für Laboratoriumsdiagnostik gab es keine persönliche Beziehung zu Patienten. Das waren Namen, die nur in Rechnungen aufgeführt würden. Die Schicksale, die dahinterstanden, waren schnell vergessen.

»Dr. Norden braucht die Befunde ganz dringend. Sie wohnen doch in der Gegend, Marion. Könnten Sie ihm den Schrieb persönlich vorbeibringen?«

»Gern«, erwiderte sie.

»Auf Sie ist wenigstens Verlaß«, sagte er mit einem tiefen Seufzer. »Ihr Zukünftiger ist zu beglückwünschen.«

Und er will bedauert werden, dachte Marion, aber damit meinte sie Dr. Schwendt, der mal wieder kundtun wollte, wie wenig Verlaß auf seine Frau sei. Aber sie hatte keine Lust, sich das anzuhören.

»Dann werde ich gleich fahren. Es ist sowieso schon siebzehn Uhr«, bremste sie sein Mitteilungsbedürfnis.

Das habe ich ja bald hinter mir, dachte sie frohgemut, als sie sich in ihren Wagen setzte, und wie wird er erst stöhnen, wenn ich kündige. Nun, immerhin hatte sie selbständig arbeiten können und auch gut verdient.

Marion war eine aparte junge Dame, wenn sie den weißen Kittel ausgezogen hatte, und ihr schönes kastanienbraunes Haar, das sie bei der Arbeit zu einem Pferdeschwanz zusammenband, locker um ihr ovales Gesicht fiel.

Im Dienst gab sie sich ganz streng, schon deshalb, um ihren männlichen Arbeitskollegen von vornherein die Grenzen zu weisen.

Für sie gab es nur einen Mann, und der hieß Stefan Fredenhagen. Und in vier Wochen würde sie auch Fredenhagen heißen. Ein glückliches Lä­cheln umspielte Marions Lippen bei diesem Gedanken, und sie schüttelte ab, was sie heute so alles an Befunden, die manchmal schrecklich genug waren, ausgewertet hatte.

Zu Dr. Norden fuhr sie dennoch gern. Sie mochte ihn. Wenn ihr mal was fehlte, ging sie zu ihm, zu keinem anderen Arzt sonst. Außerdem war er neben Stefan der einzige Mann, der ihr gefiel, denn sie war äußerst wählerisch.

Aber sie hatte Stefan, und Dr. Norden war glücklich verheiratet, also hätte sie in gar keiner Gewissenskonflikt geraten können.

Sie mußte sich einen Weg durch hektischen Verkehr bahnen, bis sie endlich Dr. Nordens Praxis erreichte. Er war gerade mit seinem letzten Patienten beschäftigt.

»Das ist aber nett, daß Sie die Befunde selbst bringen, Fräulein Flemming«, sagte Loni, Dr. Nordens Sekretärin, erfreut.

»Gern geschehen«, erwiderte Marion freundlich. »Vielleicht kann ich Dr. Norden auch einen Augenblick sprechen?«

»Wenn Sie noch ein bißchen Zeit haben?«

»Jetzt habe ich es ja nicht mehr weit bis zu meiner Wohnung«, erwiderte Marion. »Aber die Fahrt durch die Stadt war wieder mal grauenhaft. Mir ist richtig flau.«

»Das macht die Schwüle«, sagte Loni. »Was meinen Sie, wieviel Kreislaufzusammenbrüche wir heute gehabt haben. Wenn schon mal kein Föhn ist, haben wir diese feuchte Luft. Herrje, fallen Sie mir bloß nicht auch noch um!« sagte sie bestürzt, als Marion blaß wurde und sich an der Schreibtischkante festhielt.

Marion setzte sich. »Kann ich bitte einen Schluck Wasser haben?« fragte sie.

»Selbstverständlich. Auch Tropfen. Sie befinden sich ja schließlich in einer Arztpraxis«, erwiderte Loni.

»Nur Wasser. Das ist gleich wieder vorbei. Daran sind nur die Abgase schuld«, erklärte Marion. Doch sie ahnte schon, daß es etwas anderes war. Aber obgleich sie sozusagen an der Quelle saß, hatte sie sich bisher gescheut, ihren Verdacht selbst zu bestätigen.

Auch zu Dr. Norden sprach sie nicht darüber. Von ihm wollte sie etwas anderes wissen.

»Mein Verlobter hat manchmal so starke Schmerzen in der Schulter«, sagte sie, nachdem sie die Befunde übergeben hatte und dazu auch sagte, daß es wohl ein recht besorgniserregender Fall sei. »Neulich, beim Tennisspielen, konnte Stefan den Arm plötzlich gar nicht mehr heben. Es muß entsetzlich weh getan haben, aber dann ging es auch von selbst wieder vorbei.«

»Er kann doch mal zu mir kommen, damit wir der Sache auf den Grund gehen«, sagte Dr. Norden.

»Er ist doch so komisch. Ich bin nicht krank, sagte er sofort.«

»Ferndiagnosen kann ich aber leider nicht stellen, Fräulein Flemming«, meinte Dr. Norden mit einem flüchtigen Lächeln. »Es kann vielerlei Gründe haben, wenn man Gelenkschmerzen hat, und je früher die behandelt werden, desto besser ist es. Mit dem ›Ach, das geht schon wieder vorbei‹ handelt man sich manchmal ein chronisches Leiden ein, das tatsächlich zur bleibenden Qual werden kann.«

»Dann werde ich es mal ganz diplomatisch versuchen, ihn hierherzuschleppen. Vielleicht genügt es, wenn ich ihm andeute, daß wir ein Baby haben könnten«, fügte sie mit einem schelmischen Lächeln hinzu.

»Das klingt ja schon recht sicher!« sagte Dr. Norden.

»Ich werde morgen mal den Test machen. Aber gespannt bin ich schon, was Stefan dann sagt.«

»Die Hochzeit ist doch schon geplant«, meinte Dr. Norden schmunzelnd.

»Ja, und das Zusammenleben haben wir auch schon erfolgreich geprobt«, sagte Marion. »Und ich hatte, emanzipiert, wie ich mich fühle, auch mal gedacht, daß erst geheiratet wird, wenn ein Baby unterwegs ist, aber dann hat Stefan doch das letzte Wort behalten, und wenn ich jetzt damit herausrücke, daß etwas im Anrollen sein könnte, wird er vielleicht denken, ich hätte nur in die Heirat eingewilligt, weil es so ist. Er ist in mancher Beziehung schon ein komischer Kauz, Dr. Norden. Aber einen besseren Mann könnte ich mir nicht wünschen. Ob er allerdings auch so ein guter Vater werden wird, muß sich erst noch herausstellen. Er könnte denken, daß er dann zu kurz kommt.«

»Ach was, das gibt sich, wenn das Baby erst da ist. Gerade solche Männer werden meist die liebevollsten Väter. Immerhin könnten Sie den Test auch in meinem bescheidenen Labor machen, falls Sie nicht wollen, daß Ihr Chef etwas erfährt.«

»Das wäre sehr nett«, sagte Ma­rion errötend. »Dr. Schwendt wird schon sauer genug sein, wenn ich kündige.«

»Ich dachte, Sie wollen weiterhin berufstätig bleiben?« fragte Dr. Norden erstaunt.

»Wollte ich, aber bei Stefan ist eine Versetzung in Sicht. Es entscheidet sich in den nächsten Tagen. Dann müssen wir unsere Koffer packen. Ich gehe natürlich mit einem weinenden Auge, aber nicht von Schwendt, das muß ich ehrlich sagen. Er ist doch mehr Geschäftsmann als Arzt.«

»Man hat ja auch keine menschlichen Beziehungen zu den Patienten, wenn man so ein Institut leitet.«

»Und ich werde kaum wieder so einen Arzt finden, wie Sie es sind«, sagte sie.

*

Eine halbe Stunde später verabschiedete sie sich herzlich, ein wenig wehmütig zwar auch, aber doch vol­ler Freude, daß sie sich tatsächlich auf ein Baby vorbereiten konnte, von Dr. Norden.

»Teilen Sie uns wenigstens mit, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist«, sagte er lächelnd.

»Wenn es ein Bub wird, nenne ich ihn Daniel«, versprach sie. Dann fuhr sie heim. Sie bewohnte mit Stefan schon seit einem Jahr eine sehr hübsche Dreizimmerwohnung, die sie geschmackvoll eingerichtet hatten. Jeder hatte seinen Teil dazu beigetragen.

Sie bereitete ein gutes Essen vor. Dann aber rief Stefan an und sagte, daß er Rolf Peterson mitbringen würde.

Marion wollte nicht nein sagen, obgleich ihr das gar nicht recht war. Gerade an diesem Tag wäre sie so gern mit Stefan allein gewesen. Und gerade Rolf! Er hatte sich nämlich auch mal sehr für sie interessiert.

Marion machte dennoch ein freundliches Gesicht, als die beiden Männer kamen. Rolf brachte ihr einen herrlichen Blumenstrauß mit, und als sie dann erfuhr, daß er auch Heiratsabsichten hätte, lockerte sich die Stimmung.

»Wir werden uns auch in Zukunft oft sehen«, bemerkte Stefan beiläufig. »Rolf wird zu unserm neuen Team gehören.«

»Ich hoffe, daß du dich mit Ellen gut verstehen wirst«, sagte Rolf. »Wenn wir nach Saudi-Arabien müssen…«

»Waaas?« rief Marion gedehnt aus.

»Es könnte möglich sein«, sagte Stefan rasch.

»Reg dich doch nicht gleich auf. Das bringt Geld. Aber wir werden ja nur abkommandiert, wenn wir kerngesund sind. Vielleicht beanstanden sie meinen Arm. Morgen müssen wir zur Generaluntersuchung nach Bonn.«

»Wieso nach Bonn?« fragte Ma­rion.

»Weiß ich auch nicht«, meinte Stefan mit einem Schulterzucken. »Rolf kann doch bei uns übernachten?«

Auch das noch, dachte Marion. Dann werde ich gar nicht dazu kommen, allein mit Stefan zu reden.

Sie war jetzt schon müde, aber die Männer fanden kein Ende, von den neuen Plänen zu sprechen, von denen sie nichts verstand. Dann sagte Stefan, sie solle sich ruhig schon zu Bett begeben, wenn sie müde sei, und das kränkte sie.

Aber sie war tatsächlich so müde, daß sie fast sofort einschlief und erst erwachte, als der Wecker läutete. Wie jeden Tag bereitete sie das Frühstück, diesmal für drei Personen, und es ergab sich wieder keine Gelegenheit zu einem Gespräch mit Stefan, denn sie mußte bald aufbrechen, um pünktlich im Institut zu sein.

»Übermorgen bin ich ja wieder zurück, Liebes«, sagte Stefan, als er ihr betrübtes Gesicht sah. »Rolf fliegt gleich nach Stockholm.«

»Ich dachte schon, du bringst ihn wieder mit«, sagte sie anzüglich.

»Das war doch mal eine Ausnahme, Marion. Rolf wollte nicht allein fahren, weil er doch von Bonn aus gleich nach Schweden fliegt. Dann hätte sein Wagen dagestanden.«

»Wir hatten gar keine Zeit füreinander«, sagte sie leise.

»Aber Schätzchen, wir werden noch sehr viel Zeit füreinander haben«, lächelte er.

»Du versprichst mir aber, wegen deines Armes zu Dr. Norden zu gehen«, meinte sie gedankenlos.

»Du liebe Güte, ich werde doch gründlichst unter die Lupe genommen, Marion. Ich weiß ja, daß du auf Dr. Norden schwörst, aber andere Ärzte verstehen auch was von ihrem Beruf, und ich bin Spezialisten ausgeliefert. Glaubst du, mir paßt das? Aber…«

Da erschien Rolf, und nun verabschiedete sich Marion rasch. »Ich muß pünktlich sein«, sagte sie hastig, gab Stefan einen Kuß, nickte Rolf zu, und dann verschwand sie auch schon.

»Sie will dich wohl ganz für sich allein haben«, sagte Rolf spöttisch, denn es hatte ihn gekränkt, daß Ma­rion ihm nicht mal die Hand gereicht hatte.

»Du darfst das nicht so eng sehen«, meinte Stefan. »Du hättest gestern nicht gleich sagen sollen, daß wir möglicherweise zu den Saudis geschickt werden, vor der Hochzeit hätte sie es nicht wissen müssen.«

»So ein Quatsch, ihr lebt doch schon so lange zusammen. Das ist doch nur noch eine Formalität.«

»Ich will, daß sie meinen Namen trägt«, sagte Stefan störrisch.

»Und daß sie versorgt ist, falls was passiert«, meinte Rolf grinsend.

»Ich nehme es eben ernst. Marion betrachtet die Ehe nicht als Versorgung.«

»Na, so ein bißchen vielleicht doch. Und ihre konservativen Eltern werden es auch erwarten, daß das Verhältnis legalisiert wird.«

»Rede nicht so dumm daher«, sagte Stefan ungehalten. »Es ist kein Verhältnis, es ist eine Partnerschaft mit allen Konsequenzen.«

Er ärgerte sich jetzt auch über Rolf und dachte, daß Marion ihre Gründe haben mochte, ihm gegenüber reserviert zu sein.

Aber nun mußten sie auch aufbrechen. Sie sprachen auf der Fahrt nur über berufliche Dinge. Und Stefan Fredenhagen gelangte zu der Überzeugung, daß er sich die Chance, einen ganz großen Sprung nach oben zu machen, nicht entgehen lassen dürfe. Marion würde das einsehen, wenn sie vernünftig darüber sprechen würden.

*

Für Marion war es ein entscheidender Tag, denn sie mußte ihre Kündigung einreichen. Es war der letzte Termin, sonst könnte Dr. Schwendt sie tatsächlich noch festnageln.

Er fiel aus allen Wolken, als sie es ihm sagte. »Aber warum denn, um Himmels willen, warum, Marion? Wenn Sie mehr Gehalt haben wollen, brauchen Sie es doch nur zu sagen.«

»Ich werde heiraten«, sagte sie.

»Das weiß ich, aber Sie brauchen doch nicht gleich aufzuhören. Sie werden sich doch nicht sofort Nachwuchs anschaffen wollen? In der heutigen Zeit sollte man sich das reiflich überlegen, und als Vater von drei halbwüchsigen Rangen kann ich Sie nur warnen. Sie ahnen nicht, was auf Sie zukommt.«

»Mein Mann wird versetzt. Wir bleiben nicht in München.«

Dr. Schwendt stöhnte. »Daß Sie mir das antun«, sagte er. »Das hätte ich wirklich nicht gedacht! Wir sind so gut miteinander ausgekommen.«

Nun tat er Marion fast leid. Sie nahm Zuflucht zu einer Notlüge. »Es hat sich gestern erst entschieden, daß Stefan versetzt wird«, sagte sie. »Wahrscheinlich muß er dann sogar ins Ausland, und ich möchte ihn gern begleiten.«

Bei diesen Worten wurde es ihr ein bißchen mulmig, denn Stefan und Rolf hatten davon nichts gesagt, daß sie ihre Frauen mitnehmen könnten. Ihre Gedanken irrten ab. Wie mochte diese Ellen sein, die Rolf heiraten wollte? Aber sie schrak zusammen, als Dr. Schwendt resigniert sagte, daß er dagegen wohl nichts tun könne.

Er war so erschüttert, daß Marion bestürzt war. »Für mich ist das ein sehr harter Schlag, Marion«, sagte er leise. »Sie sollten wissen, daß ich Sie auch als Menschen überaus schätze. Wenn ich bei Ihnen eine Chance gehabt hätte, hätte ich mich von meiner hysterischen Frau scheiden lassen. Aber Sie haben ja deutlichst die Grenzen festgelegt.«

»Darüber wollten wir jetzt nicht mehr sprechen«, sagte Marion. »Aber falls es Sie etwas tröstet, daß ich sobald gehe…«, sie geriet ins Stocken. »Ich hätte ohnehin nicht mehr lange bleiben können«, fuhr sie dann schnell fort. »Ich bin eine werdende Mutter, Chef. Und ich freue mich darauf, trotz Ihrer Warnungen.«

»Ja, wenn es so ist«, murmelte er nach einem tiefen Atemzug, »ich habe mich auch mal gefreut, als ich Vater wurde, aber leider ist jetzt doch alles ein bißchen verzwickter.« Er erhob sich. »Es tut mir ehrlich leid, daß Sie mich verlassen, Marion, aber ich möchte nicht versäumen zu sagen, daß Sie eine großartige Mitarbeiterin waren, und sollte doch mal etwas schieflaufen, können Sie jederzeit wieder zu mir kommen.«

Nun war Marion auch gerührt. Dieser harte Bursche, dachte sie, richtig lieb kann er sein.

Sie reichte ihm die Hand, die er mit festem Griff umschloß. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mich so nett verabschieden.«

»Na, soweit ist es noch nicht. Ich werde jeden Tag genießen, den Sie noch hier sind. Und ich hoffe sehr, daß es noch möglich sein wird, daß Sie eine Nachfolgerin einarbeiten.«

»Sie werden bestimmt eine sehr nette finden. Niemand ist unersetzlich«, sagte Marion leise.

»Das sagen Sie nicht. So eine nette Kollegin wie Sie findet man nicht so rasch. Aber ich kann den Mann verstehen, der Sie nicht mehr hergeben will.«

»Ich gehe jetzt lieber an die Arbeit«, sagte Marion rasch.

*

Dr. Norden war indessen schon bei dem Patienten, dessen Laborbefunde Marion ihm gestern gebracht hatte. Es war ein schwerer Gang, denn dieser erst vierzigjährige Mann, war hoffnungslos krank. Er litt an einer Paragoniamasis, einer äußerst seltenen Erkrankung, die er sich in Ostasien geholt hatte, wo er längere Zeit als Ingenieur tätig gewesen war. Es war eine Wurmerkrankung, die auch die Lungen befiel und eigentlich erst dadurch erkennbar wurde.

Die Ehefrau hatte sich schon von ihm getrennt, bevor er heimgekehrt war, weil sie die lange Trennung nicht ertragen hatte. Für sie war dies allerdings gut, nachdem sich herausstellte, wie krank der Mann war. Er wurde von seiner Mutter gepflegt, die auf die Schwiegertochter nicht gut zu sprechen war und nun auch nicht auf Dr. Norden, als dieser ihr erklärte, daß der Patient auf eine Isolierstation gebracht werden müsse.

Das würde sie nicht zulassen, sagte sie, sie wolle ihren Sohn pflegen.

Das könne sie, sagte Dr. Norden, da sie vorerst auch isoliert werden müsse.

Da ging es dann richtig los, denn das wollte sie nicht. Nun, auch solche Fälle mußte Dr. Norden überstehen. Und wenn er da auch harten Angriffen ausgesetzt wurde, behielt er die Nerven.

»Ich bin nicht schuld an dieser Krankheit«, sagte er, »und Ihr Sohn ging freiwillig in dieses Land, wo er sich die Krankheit holte. Es ist tragisch für Sie, aber mich können Sie dafür nun wirklich nicht verantwortlich machen. Es ist meine Pflicht, Sorge dafür zu tragen, daß keine Übertragung erfolgt, soweit dies nicht schon geschehen ist.«

So gern er sonst half, in diesem Fall war er froh, den Patienten anderen Ärzten überlassen zu können, die dafür zuständig waren.

Als er heimkam, verschwand er erst für lange Zeit im Bad, obgleich er wußte, daß eine Ansteckung auszuschließen war. Aber die Erkenntnis, daß es solche Krankheiten gab, erschreckte auch einen erfahrenen Arzt wie ihn.

»Wie bist du überhaupt darauf gekommen?« fragte Fee, als er seiner Frau erklärte, was ihn jetzt beschäftigte.

»Ich habe die Diagnose Lungenfibrose gestellt, aber einiges irritierte mich, und deshalb habe ich nicht locker gelassen. Ja, so ist es, mein Liebes, da lassen sie sich verlocken, irgendwo viel Geld zu verdienen, und wenn sie es dann verdient haben, haben sie nichts mehr davon. Er wird nicht mehr lange leben.«

»Und wieviel Menschen reisen in solche Länder, ohne sich Gedanken zu machen, welche Krankheiten sie aufschnappen können«, sagte Fee nachdenklich.

»Immerhin sind sie als Touristen solchen Gefahren nicht so ausgesetzt wie jene, die unter den Eingeborenen leben.«

Fee zog fröstelnd die Schultern zusammen. »Mir genügt schon der Gedanke, daß man auch so nebenbei so etwas erwischen kann«, sagte sie. »Bleiben wir lieber in unseren Gefilden.«