Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Also, das verstehe ich nun wirklich nicht«, sagte Fee Norden vor sich hin, als sie auf die Schlagzeile der Zeitung blickte. »Was verstehst du nicht, mein Schatz?« fragte Daniel, der gerade aus dem Bad kam. »Schon wieder Pilzvergiftungen. Bereits der siebente Tote. Dabei wird diesbezüglich doch so viel Aufklärung betrieben, und Menschen, die auf dem Lande aufwachsen, sollten doch den Knollenblätterpilz vom Wiesenchampignon unterscheiden können.« »Wahrscheinlich werden die giftigen Schwammerl den ungiftigen immer ähnlicher«, meinte Daniel, »und sie nehmen genauso überhand wie die Bosheit unter den Menschen. Kaum hört man mal Radio, ist wieder von einem Terroranschlag oder Mord die Rede. Aber jetzt möchte ich frühstücken und mir nicht den Appetit verderben lassen.« Die Kinder kamen angetrabt. »Wir haben aber nichts angestellt, Papi«, sagte Danny kleinlaut »Wollen dir nicht den Appetit verderben«, flüsterte Anneka. »Ihr doch nicht«, sagte er lächelnd. »Mami hat von Giftpilzen geredet«, meinte Felix. »Wir mögen ja keine.« »Es gibt noch andere Dinge, die giftig sind«, erklärte Daniel. »Wissen wir doch, Papi«, nickte Danny. »Tollkirschen und Seidelbast, und…« »Darüber reden wir dann nachher weiter«, warf Fee ein. »Das ist kein Thema beim Essen. Wenn wir nachher unseren Ausflug machen, erklären wir euch, was alles gefährlich sein kann in der Natur.« Für sie war das Thema vorerst beendet. Man stärkte sich für den Ausflug, denn es war Samstag, und die Sonne schien mal wieder heiter vom Himmel. Es war Urlaubszeit, und lange Autoschlangen wälzten sich auf den Straßen dahin. Die Nordens konnten solche meiden, denn sie brauchten nicht weit zu fahren, um die Stille der Natur zu genießen, während viele
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 147
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
»Also, das verstehe ich nun wirklich nicht«, sagte Fee Norden vor sich hin, als sie auf die Schlagzeile der Zeitung blickte.
»Was verstehst du nicht, mein Schatz?« fragte Daniel, der gerade aus dem Bad kam.
»Schon wieder Pilzvergiftungen. Bereits der siebente Tote. Dabei wird diesbezüglich doch so viel Aufklärung betrieben, und Menschen, die auf dem Lande aufwachsen, sollten doch den Knollenblätterpilz vom Wiesenchampignon unterscheiden können.«
»Wahrscheinlich werden die giftigen Schwammerl den ungiftigen immer ähnlicher«, meinte Daniel, »und sie nehmen genauso überhand wie die Bosheit unter den Menschen. Kaum hört man mal Radio, ist wieder von einem Terroranschlag oder Mord die Rede. Aber jetzt möchte ich frühstücken und mir nicht den Appetit verderben lassen.«
Die Kinder kamen angetrabt. »Wir haben aber nichts angestellt, Papi«, sagte Danny kleinlaut
»Wollen dir nicht den Appetit verderben«, flüsterte Anneka.
»Ihr doch nicht«, sagte er lächelnd.
»Mami hat von Giftpilzen geredet«, meinte Felix. »Wir mögen ja keine.«
»Es gibt noch andere Dinge, die giftig sind«, erklärte Daniel.
»Wissen wir doch, Papi«, nickte Danny. »Tollkirschen und Seidelbast, und…«
»Darüber reden wir dann nachher weiter«, warf Fee ein. »Das ist kein Thema beim Essen. Wenn wir nachher unseren Ausflug machen, erklären wir euch, was alles gefährlich sein kann in der Natur.«
Für sie war das Thema vorerst beendet. Man stärkte sich für den Ausflug, denn es war Samstag, und die Sonne schien mal wieder heiter vom Himmel.
Es war Urlaubszeit, und lange Autoschlangen wälzten sich auf den Straßen dahin. Die Nordens konnten solche meiden, denn sie brauchten nicht weit zu fahren, um die Stille der Natur zu genießen, während viele Tausende zum Süden drängten.
So auch Manfred und Ulrike Törring mit ihrem Sohn Bobby. Sie waren früh am Morgen aufgebrochen, und es war wieder mal nicht ohne Krach abgegangen. Beide waren in gereizter Stimmung. Ulrike deshalb, weil ihr Mann gesagt hatte, daß er nicht die geringste Lust hätte, solche Strapazen auf sich zu nehmen, um sich dann auch noch über streikende Hotelangestellte in Italien ärgern zu müssen.
Aber Manfred Törring hatte ganz andere Sorgen, die er seiner Frau noch verheimlichen wollte. Es stand schlecht um seine Firma. Man sprach von Konkurs, und er mußte fürchten, seine Stellung zu verlieren. Diese Sorgen belasteten ihn schon seit einer Woche und hatten sich auf seine Stimmung gelegt. Und wie es so manches Mal in einer Ehe war, führten kleine Bemerkungen zur Gereiztheit und dann sogar zu Aggressionen.
Ulrike versprach sich nun von dem Urlaub auch versöhnliche Stunden. Sie fürchtete nämlich insgeheim, daß Manfreds Sekretärin, diese flotte Isa, der Grund für sein verändertes Benehmen sein könnte. Aber jeder behielt seine Befürchtungen für sich.
Die erste Auseinandersetzung hatte es an diesem Morgen wegen des Frühstücks gegeben. Ulrike war dafür, daß sie es unterwegs einnehmen sollten. Manfred dachte an seinen Geldbeutel. Das kleine Sparguthaben, das sie hatten, würde schnell aufgebraucht sein. Er überlegte immer, wie er alles schaffen sollte, wenn er arbeitslos wurde.
Die Raten für das Reihenhaus und das Auto schlugen dick zu Buche.
Solche Sorgen machte sich Ulrike nicht. Sie sehnte sich nach Wasser und Sonne, und danach, daß Manfred sich mit dem lebhaften Kind beschäftigen würde.
Und Ulrike war gewohnt, ihren Willen durchzusetzen. Sie war bis zur Geburt des Kindes Chefsekretärin gewesen und sehr selbstbewußt. Sie war eine sehr attraktive Frau und stellte auch ihre Ansprüche. Gewiß hatte sie Manfred aus Liebe geheiratet, aber wäre er ein Mann in aussichtsloser Position gewesen, hätte sie es sich sehr reiflich überlegt.
Und Manfred wußte das.
Also hatte sie auch diesmal ihren Willen durchgesetzt. Um fünf Uhr waren sie in Würzburg gestartet, und in einer Raststätte hinter München wurde das Frühstück eingenommen.
Der vierjährige Bobby hatte kein Sitzfleisch. Der Wald war nah, und er sah dort ein paar Hunde. Bobby hätte gern einen Hund gehabt, aber diesen Wunsch hatte er doch nicht erfüllt bekommen.
Dann wären sie angebunden, hatte Ulrike gemeint, und Manfred sagte, daß ein Hund nicht nur ein Spielzeug wäre.
Für Bobby waren sie allerdings eins. Er hatte keine Angst vor ihnen, und er fürchtete sich auch nicht, als ein Hund sich von dem spielenden Rudel absonderte und auf ihn zukam.
»Liebes Hundchen«, sagte er. »Komm doch zu mir, Schnuppi.«
Der so titulierte kam zwar, aber als Bobby ihn streicheln wollte, schnappte er nach seinem Bein.
Doch da war ein Mann, der den Hund mit einem Stock verjagte und nach seinem Hund rief.
Bobby war so verschreckt, daß er den Biß kaum gespürt hatte. Er merkte auch gar nicht, daß er blutete.
Er lief zu seinen Eltern zurück. Ulrike sah sofort, das Blut über seinen Strumpf lief. »Was hast du gemacht?« fragte sie erregt.
»Mich gestoßen«, erwiderte er, denn er wollte nicht sagen, daß er von einem Hund gebissen wurde, weil ihm ja verboten worden war, mit fremden Hunden zu spielen.
»Tut nicht weh«, sagte er sofort, als Manfred die Wunde betrachtete.
»Das sieht mir aber nach einem Biß aus«, sagte er besorgt
»Tut wirklich nicht weh, Papi«, sagte der Kleine.
»Also los, dann zum Auto und einen Verband anlegen«, sagte Ulrike.
»Wollen wir nicht lieber zu einem Arzt fahren?« fragte Manfred.
»Und wann sollen wir in Alassio sein?« fragte Ulrike gereizt.
Bobby sah seine Mutter ängstlich an. »Ist wirklich nicht schlimm, Papi«, sagte er.
Manfred desinfizierte die Wunde und legte einen Verband an. Dann fuhren sie weiter. Sie hatten Glück und kamen schnell voran. Eine Stunde später hatten sie die österreichische Grenze hinter sich gelassen, und gerade zu dieser Zeit veranlaßte Dr. Norden, daß eine Suchmeldung vom Rundfunksender verbreitet wurde.
Und das war so gekommen: Die Nordens waren durch einen herrlichen stillen Wald gewandert. Sie hatten Hasen und Rehe gesehen, auch einen Fuchs. Doch der schien nicht auf die Jagd zu gehen. Er schlich geduckt voran.
»Schau mal, Papi, ein Hundi«, rief Anneka. »Ein müdes Hundi.«
»Was ist kein Hund, das ist ein Fuchs«, sagte Daniel, »und der ist krank. Weg von hier, meine Lieben. Es könnte Tollwut sein, wenn er nicht angeschossen worden ist. Der Förster muß informiert werden.«
Und dann sollte Dr. Norden auch an diesem Wochenende Arbeit bekommen, denn inzwischen war festgestellt worden, daß ein paar Menschen von einem Hund gebissen worden waren, nahe jener Raststätte, an der auch der kleine Bobby gebissen worden war.
Der erboste Hundebesitzer, der jenen Hund vertrieben hatte, hatte plötzlich Verdacht geschöpft und Anzeige erstattet. Der streunende Hund, der schon erschöpft war, war eingefangen worden. Der an Tollwut bereits verendete Fuchs wurde gefunden. Und nun begann die Suchaktion nach jenen, die nicht gleich zum Arzt gegangen waren.
Die Norden-Kinder waren mit einer schrecklichen Gefahr direkt konfrontiert worden, und Fee schilderte ihren erschrockenen Kindern genau, welche Folgen solch ein Biß von einem tollwütigen Tier haben konnte, während Dr. Norden das Seine tat, um die Betroffenen warnen zu lassen.
»Da muß man sterben«, jammerte die kleine Anneka.
»Nicht, wenn man noch rechtzeitig zum Arzt geht«, erklärte Fee, »und deshalb ist es ganz wichtig, daß der Papi jetzt genaue Auskünfte gibt, was jene tun müssen, die gebissen oder mit so einem Tier auch nur in Berührung gekommen sind.«
»Und wenn die nicht zum Arzt gehen?« fragte Felix.
»Dann müssen sie eben sterben«, meinte Danny. »Ich hab’ es schon begriffen.«
So wurde die Suchmeldung verbreitet, und jener Hundebesitzer, der zwar tief betrübt war, daß sein Hund in Quarantäne mußte, aber doch so korrekt, daß er Auskunft gab, daß ein kleiner Junge gebissen worden sei, konnte zwar dessen Namen nicht nennen, aber doch eine Beschreibung von ihm geben und auch sagen, daß er von seinem Vater »Bobby« gerufen wurde.
Er sagte auch, daß es ein blaumetallic-farbener Wagen gewesen sei, mit dem sie in Richtung Süden gefahren wären.
So lautete die Meldung: »Gesucht wird in diesem Zusammenhang ein etwa vierjähriger Junge, lockiges dunkles Haar, bekleidet mit kurzen blauen Hosen und einem blauweißen Ringelpulli. Das Kind wurde anscheinend in die Wade gebissen.«
Auch Fee und die Kinder hörten die Suchmeldung. »Und wenn die Eltern das nun nicht wissen oder nicht hören, Mami?« fragte Danny. »Muß der kleine Junge dann sterben?«
»Wir hoffen sehr, daß sie es hören«, erwiderte Fee ausweichend.
Aber Ulrike und Manfred hörten die Suchmeldung nicht.
Sie hatten das Autoradio nicht eingeschaltet, denn Bobby war auf dem Rücksitz eingeschlafen.
Manfred sagte dann zwar, daß er lieber doch mit Bobby zum Arzt gegangen wäre, und Ulrike bekam nun auch Gewissensbisse, aber sie meinte dann, daß sie ja gleich in Alassio zum Arzt gehen könnten.
Spät abends kamen sie dort an. Bobby schien nur müde zu sein, obgleich er während der ganzen Fahrt geschlafen hatte. Er hatte keinen Hunger.
Manfred hatte zwar Hunger, aber er lief gleich los, um einen Arzt zu suchen. Er fand auch einen, der dann ins Hotel kam. Aber er stellte nur fest, daß Bobby von der langen Fahrt wohl nur übermüdet sei und die Wunde nicht gefährlich wäre. Von der Tollwut wußte er ja nichts, und man mußte es ihm verzeihen, daß er keine Besonderheiten feststellen konnte, da es keine gab. Die Verständigung war auch sehr schwierig, da er kein Deutsch konnte und Ulrike wie auch Manfred nur das Italienisch sprachen, was sie eben als Umgangston brauchten.
*
Dr. Norden bekam indessen genug zu tun. Drei Patienten hatte er betreut, die von dem Hund gebissen worden waren, und einer war übel zugerichtet. Er mußte in die Klinik gebracht werden. Dann wurde noch ein zweiter Fuchs gefunden, und dem hatte schon jemand die Rute abgeschnitten. Darüber konnte Dr. Norden sich ehrlich aufregen.
»Wie dumm doch die Menschen manchmal sind«, sagte er. »Es ist wie mit den giftigen Pilzen, immer werden sie gewarnt, wie oft ist schon so was passiert, und dennoch geschieht es immer wieder.«
Ja, es war ein aufregendes Wochenende, und die gute Lenni, die nun schon Jahre den Haushalt der Nordens führte, meinte wieder einmal tiefsinnig, daß es ja selten ohne Zwischenfälle abgehe, wenn sie schon mal Zeit fürs Privatleben gehabt hätten.
Nun, am Sonntag hatten sie mehr Ruhe, aber in Gedanken beschäftigten sie sich mit dem fremden kleinen Jungen, der anscheinend noch nicht gefunden worden war, denn die Suchmeldung wurde noch mehrmals durchgegeben.
*
Bobby ging es an diesem Tag schon ein wenig besser, aber er war immer noch müde und appetitlos. Da der Arzt aber keine Bedenken geäußert hatte, war Ulrike darüber nur ärgerlich, denn Bobby wollte auch nicht an den Strand und nicht ins Wasser gehen. Aber er wollte auch nicht zugeben, daß die Wunde schmerzte.
In der Nacht bekam er Fieber und phantasierte. Darauf ließ sich Manfred zu der Bemerkung hinreißen, daß er gleich ein ungutes Gefühl für diesen Urlaub gehabt hätte.
»Wahrscheinlich wegen der flotten Isa«, schleuderte ihm Ulrike darauf ins Gesicht. Sie war müde, sie war gereizt und jetzt auch besorgt um den Jungen. Man ließ sich in solchen Stimmungen leicht zu Ungerechtigkeiten hinreißen.
»Fang jetzt nicht auch noch das Spinnen an«, konterte Manfred wütend. »Du hast zuviel in der Sonne gelegen.«
Das stimmte auch. Sie spürte es, aber sie wollte es nicht zugeben, genauso wie Bobby nicht hatte zugeben wollen, daß er Schmerzen hatte.
»Und wenn der Junge krank wird, bist nur du schuld, weil du nicht wolltest, daß ich mit ihm zum Arzt gehe«, fuhr Manfred fort.
»Und ich habe ihm hundertmal gesagt, daß er nicht mit fremden Hunden spielen soll, überhaupt nicht mit Tieren.«
Manfreds Vorwurf wollte Ulrike nicht auf sich sitzen lassen, aber so verging diese Nacht mit dauernden Streitigkeiten.
»Was ist dir eigentlich lieber, die Gesundheit von Bobby oder deine Vergnügungssucht?« fragte Manfred dann resigniert.
»Was hast du mir denn noch alles vorzuwerfen?« fragte sie eisig. »Wenn das so weiter geht, lasse ich mich scheiden, damit du dich danach richtest. Ich habe mir von diesem Urlaub versprochen, daß es besser zwischen uns werden würde als in den letzten Wochen. Was ist denn überhaupt in dich gefahren?«
»Vielleicht habe ich größere Sorgen als du denkst«, sagte er.
»Wieso? Bist du krank?« fragte sie.
»Nein, aber es kann sein, daß ich meine Stellung verliere.«
Sie starrte ihn fassungslos an. »Wieso denn das? Du hast dir doch nichts zuschulden kommen lassen.«
»Die Firma scheint pleite zu sein«, erwiderte er kurz.
»Pleite? Solche Firma geht doch nicht pleite«, sagte Ulrike verblüfft.
»Anscheinend ist das doch möglich«, meinte er heiser. »Nun weißt du, warum ich in solcher Stimmung in den Urlaub gefahren bin.«
»Und warum hast du es mir nicht gesagt?«
»Du wärst so und so sauer gewesen«, erwiderte er.
»Nun, den Urlaub hätten wir uns immerhin leisten können. Außerdem kann ich ja auch wieder eine Stellung annehmen, wenn Not am Mann ist. Sekretärinnen sind immer gefragt, mehr als Betriebswirte.«
Es war der falsche Ton zur falschen Zeit. Ihm stieg es bitter auf. Sie hatte ja schon früher manchmal geäußert, daß sie mehr verdienen könnte als er mit ihren Sprachkenntnissen, wenn sie den richtigen Job bekäme. Aber sie sei ja an diese Stadt gebunden durch ihre Heirat.
Ja, Ulrike war nie pingelig gewesen mit ihren Äußerungen, aber immer sagte er sich, daß sie es ja nicht so meine. Und das tat sie wirklich nicht. Sie war eben manchmal so unüberlegt, ohne sich mehr dabei zu denken.
»Laß uns doch darüber reden, Manfred«, lenkte sie jetzt ein.
»Bobby ist mir wichtiger«, erwiderte er unwillig. »Ich werde mich morgen erkundigen, ob hier auch ein deutscher Arzt zu finden ist, mit dem man reden kann.«
»Morgen ist bereits heute«, sagte sie anzüglich. »Es ist sechs Uhr, aber um diese Zeit wirst du hier niemanden finden, der schon munter ist.«
»Das werde ich ja sehen. Kümmere du dich jetzt mal um Bobby.«
Er ging unter die Dusche. Er war müde, aber die Angst um seinen Sohn hielt ihn aufrecht. Im Hotel war es noch ganz ruhig, nur ein Nachtportier hockte verschlafen an der Rezeption.
Manfred wußte, daß mit dem nicht viel Verständigung möglich war. Er fragte ihn, wo die nächste Klinik sei. Doch allein diese Frage schien den Mann in Aufregung zu versetzen. Ein italienischer Wortschwall ergoß sich über Manfred, dem er nur entnehmen konnte, daß hier noch niemand krank geworden wäre, nicht in diesem Hotel, nicht unter den Gästen.
Er versuchte, den aufgeregten Mann damit zu beruhigen, daß er ihm sagte, daß sein Sohn von einem Hund gebissen worden sei, doch darauf bekam er nur zu hören, daß es in diesem Hotel auch keine Hunde gäbe.
Warum konnten wir den Urlaub nicht wenigstens in heimatlichen Gefilden verbringen, dachte Manfred, aber dafür war Ulrike nicht zu haben gewesen. Und dann ein Hotel, in dem ein Kind sich nicht mal so bewegen konnte wie zu Hause. Aber Ulrike kam ja mit dem Argument, daß in Italien die Kinder König seien. Nun, für gesunde Kinder mochte das wohl zutreffen, aber nicht für ein krankes. Und Manfred Törring liebte seinen Sohn über alles.
Aber auch Ulrike liebte ihren Sohn. Ihr lag es nur nicht, zu jammern und in Verzweiflung zu geraten. Es gehörte zu ihrem Charakter, daß sie eher aggressiv wurde, wenn etwas nicht so lief, wie sie es sich vorstellte, und auch gewöhnt war.
Als sie nun aber die fieberheißen Händchen hielt, packte sie die Angst, und sie hoffte, daß Manfred einen guten Arzt finden würde.
*
Manfred lief und lief, ohne einen Menschen zu treffen, mit dem er reden konnte. Die paar Einheimischen, die schon auf den Beinen waren, sahen ihn nur verständnislos an, wenn er mit seinem italienischen Kauderwelsch Fragen stellte. Er hatte schon einige Hotels abgeklappert und gefragt, ob ein deutscher Arzt hier wohne, aber man hatte ihm nur gesagt,
daß es ein Hotel sei und kein Hospi-tal.
Dann endlich fand er das Hospital, und da konnte er sich sogar in deutsch verständigen. Aber als er sein Anliegen vorbrachte, stieß er auch auf Ablehnung.
Wenn es sich um eine ansteckende Krankheit handele, könne man das Kind hier nicht behandeln, wurde ihm gesagt. Er müsse erst das Attest eines Arztes vorweisen, der bestätige, daß es sich nicht um Ansteckungsgefahr handele.
Der Dottore Barelli hätte das bereits gesagt, erklärte er.
Dottore Barelli wäre nicht zuständig, wurde ihm gesagt. Eine weitere Erklärung wurde ihm nicht gegeben.
Dann aber gab man ihm doch Hoffnung, indem ihm gesagt wurde, daß der deutsche Arzt Dr. Tannheim hier ein Haus besäße und es könne möglich sein, daß er jetzt hier wäre. Man erklärte ihm auch, wo das Haus zu finden sei. Manfred machte sich wieder auf den Weg.
Es war ein weiter Weg, und er wußte nicht, wieviel Zeit schon vergangen war, bis er das Haus erreichte. Es lag am Hang und bot einen sehr einladenden Eindruck inmitten eines wundervoll gepflegten Gartens. Aber auch hier herrschte absolute Stille, und die Fensterläden waren noch geschlossen.
Plötzlich aber nahte ein Auto, und es hatte deutsche Kennzeichen. Ihm entstieg ein weißhaariger Mann. Er hatte einen Packen Zeitungen unter dem Arm.
Manfred lehnte erschöpft an dem Gartenzaun. Die Sonne blendete, rote und goldene Fünkchen tanzten vor seinen Augen. Die durchwachte Nacht und der leere Magen brachten ihn einer Ohnmacht nahe. Und vor allem die Angst, wieder abgewiesen zu werden.
Aber der weißhaarige Mann sah ihn freundlich an. »Sind Sie krank?« fragte er in italienischer Sprache.
»Ich nicht, aber mein Sohn«, erwiderte Manfred auf deutsch, weil er die Vokabeln nicht mehr zusammensuchen konnte.
»Sie sind Deutscher?« fragte der Mann nun.
»Ja, mein Name ist Törring, Manfred Törring. Mein Junge wurde von einem Hund gebissen.«
Die buschigen Augenbrauen des Mannes schoben sich zusammen. »Ich bin Dr. Tannheim. Sie haben mich gesucht?«
»Ja, im Hospital wurde mir Ihre Adresse gegeben.«
»Kommen Sie herein, Sie sind ja ganz erschöpft«, sagte der Arzt.
»Mein Bobby hat hohes Fieber. Er ist im Hotel«, sagte Manfred leise. »Bitte, bitte, helfen Sie. Mit Ihnen kann ich doch wenigstens reden.«