Dr. Norden Bestseller 178 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 178 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Der Winter wollte in diesem Jahr nicht weichen, obgleich der Kalender längst Frühling verhieß und Ostern schon vorbei war. Und Dr. Norden konnte es verstehen, daß selbst eine so ausgeglichene und vitale Frau wie Gerlinde Wolfram trübsinnig wurde, denn ihr hatte der Winter nur Unglück gebracht. Schon beim ersten Glatteis hatte sie sich das rechte Bein gebrochen, und das war bei einer Frau von vier­undsechzig Jahren doch nicht so einfach. Sie hatte Wochen in der Klinik verbringen müssen, und das war schlimm für sie gewesen, denn sie war es gewohnt, eine große Familie zu umsorgen, immer auf den Beinen und allgegenwärtig zu sein. Nun, da sie wieder daheim war, ging auch nicht alles gleich so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte zwar den Stock bald in die Ecke gestellt, aber sie mußte immer noch herumhumpeln und war auf die Mithilfe der Angehörigen angewiesen. Das behagte ihr nun gar nicht. Als Dr. Daniel Norden sie an diesem Tag im Mai, den man eher winterlich nennen konnte, besuchte, empfing sie ihn mit betrübter Miene. »Ja, wie schaut man denn drein?« begrüßte er sie aufmunternd. »Dieses dämliche Bein«, sagte sie unwillig. »Ich müßte mich um Karin kümmern, aber ich kann ja kaum humpeln.« Karin, das war ihre Schwiegertochter. Mittlerweile kannte Dr. Norden ja die ganze Familie und daß der älteste Sohn Jürgen, Chefingenieur bei einer Flugzeugfabrik, kürzlich auch in diesen Vorort von München gezogen war. Er war viele Jahre in Amerika tätig gewesen. Dr. Ing. Jürgen Wolfram und seine Frau Karin waren mit ihren Kindern Manuela und Kai vor einem

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Dr. Norden Bestseller – 178 –

Ein Glück, das unerwartet kam

Patricia Vandenberg

Der Winter wollte in diesem Jahr nicht weichen, obgleich der Kalender längst Frühling verhieß und Ostern schon vorbei war. Und Dr. Norden konnte es verstehen, daß selbst eine so ausgeglichene und vitale Frau wie Gerlinde Wolfram trübsinnig wurde, denn ihr hatte der Winter nur Unglück gebracht.

Schon beim ersten Glatteis hatte sie sich das rechte Bein gebrochen, und das war bei einer Frau von vier­undsechzig Jahren doch nicht so einfach.

Sie hatte Wochen in der Klinik verbringen müssen, und das war schlimm für sie gewesen, denn sie war es gewohnt, eine große Familie zu umsorgen, immer auf den Beinen und allgegenwärtig zu sein.

Nun, da sie wieder daheim war, ging auch nicht alles gleich so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte zwar den Stock bald in die Ecke gestellt, aber sie mußte immer noch herumhumpeln und war auf die Mithilfe der Angehörigen angewiesen. Das behagte ihr nun gar nicht.

Als Dr. Daniel Norden sie an diesem Tag im Mai, den man eher winterlich nennen konnte, besuchte, empfing sie ihn mit betrübter Miene.

»Ja, wie schaut man denn drein?« begrüßte er sie aufmunternd.

»Dieses dämliche Bein«, sagte sie unwillig.

»Ich müßte mich um Karin kümmern, aber ich kann ja kaum humpeln.«

Karin, das war ihre Schwiegertochter. Mittlerweile kannte Dr. Norden ja die ganze Familie und daß der älteste Sohn Jürgen, Chefingenieur bei einer Flugzeugfabrik, kürzlich auch in diesen Vorort von München gezogen war. Er war viele Jahre in Amerika tätig gewesen.

Dr. Ing. Jürgen Wolfram und seine Frau Karin waren mit ihren Kindern Manuela und Kai vor einem halben Jahr nach Bayern zurückgekehrt und hatten ein hübsches Haus kaufen können, recht günstig sogar, was allerdings auch der resoluten Gerlinde Wolfram zu verdanken war.

Dr. Norden kannte die Familie Wolfram seit Jahren, und Gerlinde Wolfram zählte zu seinen liebsten Patienten, weil sie so eine gute, fürsorgliche Mutter war.

Der zweite Sohn, Manfred, Augenarzt von bestem Ruf, war dazu ein hochgeschätzter Kollege von Dr. Norden, und auch er war glücklich verheiratet und Vater von drei Kindern.

Hier, in diesem hübschen, sehr geräumigen Zweifamilienhaus, bewohnte der pensionierte Regierungsdirektor Albrecht Wolfram mit seiner Frau und der noch unverheirateten Tochter Stefanie das Erdgeschoß. Im oberen Stockwerk wohnte die Tochter Angela mit ihrem Mann, dem Konzertmeister Siegfried Freiberg und Sohn Maximilian, der jetzt vier Jahre alt war. Angela erwartete das zweite Kind.

Es war an sich die reinste Freude, eine so intakte große Familie zu kennen, aber an diesem Tag sollte Dr. Norden erfahren, daß es auch da Probleme geben konnte.

»Ich will Sie ja nicht lange aufhalten, Dr. Norden«, sagte Gerlinde Wolfram, »aber ich muß einfach mal mit einem vernünftigen Menschen reden, der auch objektiv ist. Mein Mann wird langsam grantig.«

»Warum denn, Frau Wolfram?« fragte Dr. Norden, »reden Sie nur frisch von der Leber weg, wie ich es von Ihnen gewohnt bin.«

»Schauen’s, die jungen Leute haben richtige Notzeiten doch gar nicht kennengelernt«, begann sie. »Damals, als wir geheiratet haben, kam gleich der Krieg. Deswegen haben wir ja auch so schnell geheiratet. Jung waren wir und gehabt haben wir gar nichts. Aus dem Studium heraus mußte mein Mann in den Krieg. 1942 ist der Jürgen geboren, und die meiste Zeit haben wir dann im Keller gesessen. 1944 kam der Manfred, da war mein Mann schon in Gefangenschaft, und als er zurückkam, hat er erst sein Studium abschließen müssen. Zum Glück haben uns da noch meine Eltern helfen können. Sie waren herzensgut. Deshalb bin ich wohl auch so eine Glucke geworden.«

»Eine bewundernswerte Glucke«, sagte Dr. Norden anerkennend.

»Ach was! Nachher ging es dann schon aufwärts, und gefreut haben wir uns, als die beiden Mädchen dann auch noch angetrudelt kamen. Wir haben das Haus gebaut. Leicht war das auch nicht, und die Buben wuchsen heran und sollten studieren. Tüchtig sind sie geworden, die reine Freud’ ist es, aber jetzt nörgelt Angela herum, daß nicht sie und Frieder das Haus bekommen haben. Sie meinen, wir hätten zugebuttert, aber das stimmt doch nicht. Die Wohnung droben ist doch auch für zwei Kinder noch groß genug. Und jetzt nörgelt sie auch noch herum, weil ich mich um Karin sorge, da sie doch eine werdende Mutter ist, und Manuela und Kai adoptierte Kinder sind.«

»Das wußte ich nicht«, sagte Dr. Norden nachdenklich.

»Wir wollen ja auch nicht darüber reden, aber Ihnen kann ich es ja sagen. Vielleicht macht Karin sich auch Sorgen, daß Manuela was haben könnte, weil sie so oft krank ist. Ich habe meine Schwiegertochter sehr gern, aber Karin ganz besonders, das muß ich zugeben. Ich finde es einfach wunderbar, wie gut sie mit den Kindern ist. Mein Mann hat da leider auch einen etwas anderen Standpunkt.«

»Inwiefern?« fragte Dr. Norden.

Gerlinde Wolfram zuckte die Schultern. »Blut ist dicker als Wasser«, sagt sie. »Für ihn zählen nur die Kinder von Manfred und der Maxi. Ich nehme jetzt vielleicht alles viel tragischer, weil ich mich mit dem dämlichen Bein plagen muß«, ihre Stimme zitterte, und nun rollten auch noch Tränen.

»Aber, Frau Wolfram«, sagte Dr. Norden behutsam, »so schlimm kann es doch gar nicht sein.«

»Ich denke immerzu, wenn Karin krank werden würde, daß ich mich doch nicht so um die Kinder kümmern könnte, und daß dann erst recht der Wurm hineinkommt.«

»Soll ich nach Ihrer Schwiegertochter sehen?« fragte er.

»Darum wollte ich Sie bitten, aber sagen Sie um Himmels willen nicht, daß ich Ihnen verraten habe, daß die Kinder adoptiert sind. Karin lebt doch in ständiger Angst, daß das bei einer Untersuchung herauskommen könnte.«

»Ich werde nichts sagen, aber wenn sie mich nicht ruft, kann ich auch nicht so einfach erscheinen.«

»Ich rufe sie an«, sagte Gerlinde Wolfram. »Haben Sie denn noch Zeit?«

»Ich nehme sie mir.«

Sie griff zum Telefon, und ganz weich klang ihre Stimme, als sie sagte: »Karinchen, wie geht es denn? Nicht so gut? Dr. Norden ist gerade bei mir, ich schick ihn dir. Du kennst ihn doch schon. Ja, es würde mich sehr beruhigen, mein Liebes.«

Nun lächelte sie doch zufrieden, als sie den Hörer auflegte. »Es wird ja hoffentlich nichts Schlimmes sein«, sagte sie. »Karin ist nicht wehleidig. Vielleicht leidet sie auch nur, weil Jürgen wieder eine Woche in Paris ist. Sie kann ja jetzt nicht immer mitreisen, weil Manuela doch schon zur Schule geht. Und das ist ja so ein zartes Dingelchen.«

»Wir werden das schon hinkriegen, Frau Wolfram. Lassen Sie bloß nicht den Kopf hängen, dann wäre ich schon sehr enttäuscht. Sie sind doch so eine tapfere Frau.«

»Man hat ja allerhand mitgemacht«, sagte sie, »aber ich möchte halt, daß in meiner Familie Frieden herrscht. Steffi ist auch so eine Superintellektuelle, die jede menschliche Beziehung bis ins Detail durchleuchtet. Der fehlt ein Mann, der sie mal richtig zurechtstaucht. Aber sie ist eben so emanzipiert.«

Ein bißchen mußte Dr. Norden doch lächeln, denn er kannte auch Stefanie Wolfram, und gar so emanzipiert war die nicht, wie sie sich gab. Sie hatte sich eine ganze Zeit Antibabypillen von ihm verschreiben lassen, aber darüber sprach er natürlich nicht, und in der letzten Zeit war sie deswegen auch nicht mehr zu ihm gekommen. Deshalb, weil sie anscheinend keine Pillen mehr brauchte. Aber vielleicht war sie nun tatsächlich auch zwischenmenschlichen Beziehungen ferngerückt.

Er fuhr ein paar Straßen weiter und hielt vor einem hübschen Bungalow. Dr. Ing. Jürgen Wolfram wohnte hier mit seiner Familie, und der Garten verriet, daß die Kinder hier das Sagen hatten. Es freute den Arzt.

Karin Wolfram war eine bildhübsche Frau, der man nicht ansah, daß sie bereits Mitte Dreißig war.

Die Kinder kamen angesprungen. Der vierjährige Kai war fast so groß wie seine um zwei Jahre ältere Schwester Manuela. Sie hatten beide einen leicht exotischen Einschlag.

»Wie geht es in der Schule, Manuela?« fragte Dr. Norden.

»Prima, jetzt gefällt es mir«, erwiderte das niedliche kleine Mädchen.

»Aber ich langweile mich, wenn Ela in der Schule ist«, sagte Kai trotzig.

»Jetzt könnt ihr spielen«, sagte Karin.

»Gibt dir Dr. Norden was, damit es dir nicht mehr schlecht ist, Mami?« fragte Manuela.

»Sicher«, erwiderte Karin. Dann bat sie Dr. Norden ins Haus, und die Kinder gingen zur Schaukel.

»Wenn es doch nur schon wärmer wäre«, sagte Karin. »Ich bin so an das Klima in Florida gewöhnt.«

»Und wann ist Ihnen schlecht?« fragte Dr. Norden.

»Meistens nur morgens. Aber Mützchen macht sich wohl mehr Sorgen als ich. Krank fühle ich mich nicht.«

Er betrachtete sie forschend. »Haben Sie schon mal an eine Schwangerschaft gedacht, Frau Wolfram?« fragte er.

»Aber nein.« Sie hob abwehrend die Hände. »Daran bestimmt nicht. Ich kann doch keine Kinder bekommen.«

»Aber Sie haben doch zwei«, sagte er unwissend.

Sie wandte sich abrupt ab. »Wie kommen Sie ausgerechnet auf eine Schwangerschaft?« fragte sie.

»Weil man als Arzt einen Blick dafür bekommt.«

»Sie können mich ja untersuchen«, sagte sie. »Ich möchte selbst gern wissen, was mir fehlt.«

Er untersuchte sie gewissenhaft. Dann griff er nach ihren Händen. »Ja, ich kann und muß eine Schwangerschaft etwa im zweiten Monat diagnostizieren«, erklärte er. »Aber Sie können sich die Bestätigung bei einem Gynäkologen holen.«

»Sie täuschen sich bestimmt, Dr. Norden«, sagte sie tonlos. »Wir sind vierzehn Jahre verheiratet. Sieben Ärzte haben mir bescheinigt, daß ich keine Kinder bekommen kann. Daraufhin haben wir dann Manuela und Kai adoptiert. Sie sind Geschwister, Kinder eines mit uns befreundeten Ehepaares, das bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam. Sie wissen das nicht und sollen es niemals erfahren. Es sind unsere Kinder. Wir lieben sie.«

»Wollen Sie damit sagen, daß Sie selbst kein Kind zur Welt bringen wollen?« fragte Dr. Norden ruhig.

»O nein, das gewiß nicht, aber das kann doch nicht wahr sein.«

»Es geschehen manchmal Wunder«, sagte er. »Man kann den Ärzten keinen Vorwurf machen. Allein die Natur vollbringt Wunder.«

»Ich bin fast sechsunddreißig Jahre«, sagte sie leise. »Mein Mann ist vierzig, und wir haben mit einem eigenen Kind nicht mehr rechnen können. Nein, ich kann es nicht glauben.«

»Und ich bin überzeugt, daß eine Schwangerschaft besteht«, sagte Dr. Norden. »Ich bitte Sie, sich das noch weiter bestätigen zu lassen.«

»Zu wem soll ich gehen?« fragte Karin Wolfram leise.

»Mein Kollege und Freund Dr. Leitner wird Sie sehr genau informieren können.«

Noch immer fassungslos sah ihn Karin an. »Wenn das wahr ist, wird es einen Wirbel verursachen«, sagte sie leise.

»Und sehr viel Freude«, erwiderte er.

»Sicher keine ungeteilte«, meinte sie nachdenklich. »Wenn man vierzehn Jahre verheiratet ist und zwei Kinder adoptiert hat –«, sie unterbrach sich, »auch das kann Probleme mit sich bringen«, schloß sie dann hastig.

Am meisten jedoch bewegte es sie, wie das möglich sein konnte, daß sie doch schwanger werden konnte. Dr. Norden meinte, daß sie sich darüber ganz ausführlich mit Dr. Leitner unterhalten solle, wenn sie untersucht worden war. Er meldete sie dann gleich für den morgigen Vormittag bei seinem Freund Schorsch Leitner an. Manuela war dann in der Schule.

»Kai können Sie doch mal für ein paar Stunden zu Frau Freiberg bringen«, meinte Dr. Norden.

»Er verträgt sich nicht mit Maxi«, sagte Karin leise. »Angela ist auch recht eigenartig. Die Familie weiß ja, daß unsere Kinder adoptiert sind.«

Das gefiel Dr. Norden nun gar nicht, und er begriff jetzt auch, warum sich die gute Gerlinde Wolfram doch manche Sorgen machte, die eben nicht nur ihr Bein betrafen.

»Dann bringen Sie Kai eben zu uns«, sagte Dr. Norden. »Er kann mit Anneka spielen. Vielleicht kommt er mit einem Mädchen besser aus.«

»Sie sind sehr liebenswürdig, Dr. Norden«, sagte Karin. »Wenn Ihre Frau einverstanden ist?«

»Aber sicher. Sie wissen ja, wo wir wohnen, und weit ist es da nicht mehr zur Leitner-Klinik. Und nun freuen Sie sich doch wenigstens schon ein bißchen.«

Sie lächelte. »Ich bin gespannt, was mein Mann sagen wird. Er kommt übermorgen zurück. Solange muß ich es für mich allein behalten.«

*

Fee Norden erfuhr es am Abend, daß sie nächsten Vormittag einen kleinen Gast bekommen würde und warum. Sie riß die Augen auf.

»Du lieber Himmel, nach vierzehn Jahren, da wäre ich auch erst mal fassungslos«, sagte sie.

»Erinnerst du dich noch an Frau Wittke, die achtzehn Jahre verheiratet war und fürchtete, ein Riesenmyom zu haben?« fragte Daniel schmunzelnd, »und eine Woche später war ein Baby da. Und was war das für eine Freude!«

»Aber sie hatte keine Kinder adoptiert«, meinte Fee nachdenklich. »Ich verstehe Frau Wolfram schon, wenn sie sich Gedanken macht.«

»Aber so was bin ich von dir überhaupt nicht gewohnt, Fee«, sagte er überrascht.

»Es braucht ja nicht so zu sein, Daniel, aber ein eigenes Kind ist eben doch etwas anderes und steht einem wohl näher.«

»Wenn man zwei größere Kinder hat, und es kommt noch ein Nachzügler, nimmt der auch eine besondere Rolle ein. Es kommt eben darauf an, wie die Kinder vorbereitet werden. Ich denke, daß Schorsch diesbezüglich auch mit Frau Wolfram sprechen wird. Ich kann mir übrigens jetzt denken, warum Angela Freiberg eifersüchtig ist. Karin Wolfram ist eine Schönheit.«

»Na, Angela ist doch auch attraktiv«, meinte Fee.

»Aber sie hat nicht diese Ausstrahlung.«

Von dieser konnte Fee sich anderntags überzeugen, als sie Karin kennenlernte. Kai drückte sich an ihre Seite. »Sollst nicht weggehen, Mami«, jammerte er.

»Wir spielen ganz schön, paß nur auf«, sagte Anneka. »Und Lenni hat uns schon einen ganz feinen Pudding gemacht.«

Das schien Kai doch zu beeindrucken. »Kommst du aber auch ganz bald wieder, Mami?« fragte er dann nur noch.

»Aber sicher, das weißt du doch, Kai.«

»Meine Mami ist nämlich sehr, sehr lieb«, flüsterte Kai, als Karin gegangen war.

»Meine Mami ist auch sehr, sehr lieb«, mußte Anneka da natürlich gleich betonen.

Kai sah Fee mit seinen großen dunklen Augen nachdenklich an, dann nickte er. »Glaube ich auch«, sagte er leise. »Liebe Mamis sagen nicht gleich: Paß auf, daß du nichts kaputt machst.«

Die Freundschaft war schneller geschlossen als gedacht, obgleich Kai mehrmals fragte: »Aber meine Mami kommt doch bestimmt bald wieder?«

Karin hatte indessen feststellen können, daß Dr. Leitner nicht nur sehr sympathisch war, sondern auch überaus behutsam und feinfühlig.

Da er gar nichts von ihr wußte, und Daniel ihm auch nichts gesagt hatte, um ihn nicht zu beeinflussen, hatte er freilich auch Fragen an Karin stellen müssen. Zuerst stockend, dann aber, doch sehr ausführlich, wurden diese von ihr beantwortet. Von ihrer bisherigen Kinderlosigkeit sagte sie allerdings vorerst instinktiv auch noch nichts. Nur von ihren jetzt aufgetretenen Beschwerden sprach sie.

Und sie sagte auch, daß sie gefürchtet hätte, daß sie ein Leiden hätte, oder gar frühzeitig in die Wechseljahre käme.

»Davon sind Sie aber noch weit entfernt«, sagte Dr. Hans-Georg Leitner lächelnd. »Jetzt erwarten Sie erst mal in knapp sieben Monaten ein Baby, und ich darf Ihnen versichern, daß in dieser Klinik auch schon ältere Patientinnen als Sie gesunde Kinder zur Welt gebracht haben.«

»Mir haben mehrere Ärzte gesagt, darunter Kapazitäten, daß ich keine Kinder bekommen kann«, erklärte Karin. »Deshalb haben wir zwei Kinder adoptiert. Wir sind vierzehn Jahre verheiratet, Herr Doktor. Zehn Jahre habe ich alles versucht, um ein Baby zu bekommen. Wie ist es zu erklären, daß es nun doch möglich ist? Ich will dazu sagen, daß wir eine sehr glückliche Ehe führen und in jeder Beziehung harmonisieren.«

»Und Sie wollten von Anfang an Kinder haben?« fragte Dr. Leitner.

Karin errötete. »Die ersten drei Jahre muß ich ausklammern. Mein Mann war mal hier, mal dort. Ein Jahr in Japan, dann Südamerika und dann Florida. Ich wollte immer bei ihm sein, und er wollte das auch. Einem Baby wollten wir das nicht zumuten. Aber in Florida hatten wir dann ein wunderschönes Haus, mein Mann hatte eine glänzende Stellung, die er hier jetzt übrigens auch hat. Nun, nur mit dem Kinderkriegen klappte es nicht mehr. Zu einer genauen Diagnose war wohl kein Arzt fähig. Es lag aber einwandfrei an mir. Und wenn es damals schon Retortenbabys gegeben hätte, hätte ich mich dazu vielleicht auch entschlossen. Dann geschah es aber, daß ein befreundetes Ehepaar tödlich verunglückte. Manuela war zwei Jahre alt, Kai erst ein paar Monate alt, und da haben wir die Kinder adoptiert. Die Großeltern waren damit einverstanden, da sie uns kannten und nicht gerade in den besten Verhältnissen lebten und auch schon zu alt waren. Wir haben zur Bedingung gemacht, daß es die Kinder nie erfahren sollten. Manuela, die ohnehin mein Patenkind war, hat den Übergang gar nicht gespürt, und dann auch völlig vergessen, daß es mal anders war. Wir lieben unsere Kinder, ja, wir betrachten sie ganz als unsere Kinder.«

»Und warum machen Sie sich Gedanken, Frau Wolfram?«

»Die große Verwandtschaft meines Mannes weiß natürlich, daß es adoptierte Kinder sind. Wenn ich jetzt ein eigenes Kind bekomme, wird man dieses doch bevorzugen.«