Dr. Norden Bestseller 181 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 181 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Nachdenklich betrachtete Dr. Daniel Norden die attraktive junge Frau, die in seinem Sprechzimmer ihm gegenüber Platz genommen hatte. Brigitte Morland war eine wahre Augenweide, auch wenn sie jetzt einen erschöpften Eindruck machte. Als Topmodell hatte sie Karriere gemacht, und als solches war sie unter dem Namen Biggi bekannt geworden. Da Dr. Norden sie schon als Schulmädchen kennengelernt hatte, sagte er auf ihren ausdrücklichen Wunsch noch immer Biggi zu ihr. Schon als Siebzehnjährige war sie ein selbstbewußtes Geschöpf gewesen, sich ihrer äußeren Vorzüge bewußt, und dennoch hatte sie sich einen natürlichen Charme bewahrt, obgleich sie nun mit vierundzwanzig Jahren bereits eine sehr erfolgreiche Frau war. Als Mädchen hatte sie für Dr. Norden geschwärmt, von ihm geträumt und sich insgeheim gewünscht, auch einmal solchen Mann zu bekommen, da er ja bereits glücklich verheiratet war. »Na, wo fehlt es denn, Biggi?« fragte Dr. Norden. »Es fehlt nichts, es ist einfach zuviel«, erwiderte sie leise. »Ich bin da Verträge eingegangen, die ich kaum noch bewältigen kann.« »Dann werden Sie eben eine Bremse einlegen müssen«, meinte er lässig. »Einfach mal ein paar Wochen, am besten ein paar Monate, ausspannen.« »Dann ist man gleich weg vom Fenster. Ich weiß selbst nicht mehr, was ich will. Ich kriege einen Schüttelfrost, wenn mich von überall mein Gesicht angrinst.« Es war ein ausdrucksvolles Gesicht, keine puppenhafte Schönheit. Wunderschöne blaue Augen, ein wenig schräggestellt und deshalb besonders reizvoll, von einem Kranz dichter dunkler Wimpern umgeben, eine feine gerade Nase, ein verl­ockend geschwungener Mund, und das makellose Oval des Gesichts wurde von seidigem blondem Haar umrahmt, und dies alles

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Dr. Norden Bestseller – 181 –

Das Glück das nicht am Wege lag

Patricia Vandenberg

Nachdenklich betrachtete Dr. Daniel Norden die attraktive junge Frau, die in seinem Sprechzimmer ihm gegenüber Platz genommen hatte. Brigitte Morland war eine wahre Augenweide, auch wenn sie jetzt einen erschöpften Eindruck machte.

Als Topmodell hatte sie Karriere gemacht, und als solches war sie unter dem Namen Biggi bekannt geworden. Da Dr. Norden sie schon als Schulmädchen kennengelernt hatte, sagte er auf ihren ausdrücklichen Wunsch noch immer Biggi zu ihr.

Schon als Siebzehnjährige war sie ein selbstbewußtes Geschöpf gewesen, sich ihrer äußeren Vorzüge bewußt, und dennoch hatte sie sich einen natürlichen Charme bewahrt, obgleich sie nun mit vierundzwanzig Jahren bereits eine sehr erfolgreiche Frau war.

Als Mädchen hatte sie für Dr. Norden geschwärmt, von ihm geträumt und sich insgeheim gewünscht, auch einmal solchen Mann zu bekommen, da er ja bereits glücklich verheiratet war.

»Na, wo fehlt es denn, Biggi?« fragte Dr. Norden.

»Es fehlt nichts, es ist einfach zuviel«, erwiderte sie leise. »Ich bin da Verträge eingegangen, die ich kaum noch bewältigen kann.«

»Dann werden Sie eben eine Bremse einlegen müssen«, meinte er lässig. »Einfach mal ein paar Wochen, am besten ein paar Monate, ausspannen.«

»Dann ist man gleich weg vom Fenster. Ich weiß selbst nicht mehr, was ich will. Ich kriege einen Schüttelfrost, wenn mich von überall mein Gesicht angrinst.«

Es war ein ausdrucksvolles Gesicht, keine puppenhafte Schönheit. Wunderschöne blaue Augen, ein wenig schräggestellt und deshalb besonders reizvoll, von einem Kranz dichter dunkler Wimpern umgeben, eine feine gerade Nase, ein verl­ockend geschwungener Mund, und das makellose Oval des Gesichts wurde von seidigem blondem Haar umrahmt, und dies alles von der Natur gegeben.

Hinzu kamen auch noch Intelligenz und Charakterstärke. An Verehrern fehlte es ihr bestimmt nicht, aber Biggi hatte ihre eigenen Vorstellungen von den Männern. Sie war kritisch und auch mißtrauisch. Man konnte ihr nicht so schnell imponieren. Immerhin war sie eine Frau, die Ansprüche stellen konnte.

»Man sehnt sich eben auch nach einem privaten Glück«, sagte sie nun leise.

»Und das ist nicht zu finden?« fragte Dr. Norden nachdenklich.

»Irgendwie hängt es mir vielleicht nach, daß ich aus einer geschiedenen Ehe stamme. Ich möchte gern Kinder haben, aber es soll ihnen nicht so gehen wie mir, hin und her gerissen zwischen Vater und Mutter, die beide andere Partner haben.«

»Das muß doch nicht sein«, sagte er. Jetzt spürte er, wie zerrissen sie in sich war, und daß sie vor allem deshalb gekommen war, um sich aussprechen zu können.

»Wenn man nur alles vorher wüßte«, sagte sie gedankenvoll.

»Nun mal heraus mit der Sprache, Biggi«, sagte Daniel Norden, »geht es um einen Mann?«

Sie nickte.

»Und was stimmt nicht?« fragte er.

»Eigentlich stimmt alles. Er sieht gut aus, ist ein erfolgreicher Manager, und ich mag ihn sehr.«

»Aber dennoch sind Bedenken vorhanden.«

»Ich will keine Frau zum Vorzeigen sein.«

Dr. Norden runzelte die Stirn. »Aber Ihnen kommen solche Gedanken.«

»Man weiß ja nie, ob das, was gesagt wird, auch stimmt. Und erst mal Ehe auf Probe, dafür tauge ich nicht. Diesbezüglich bin ich altmodisch, auch wenn man mir das vielleicht nicht glauben will.«

»Sagen Sie ihm doch einfach, wie Sie sich Ihr Leben, eine Ehe vorstellen, Biggi.«

»Ich muß doch erst noch meinen Verpflichtungen nachkommen, und für ein Jahr bin ich noch voll ausgebucht.«

»Dann betrachten Sie das eine Jahr als Prüfungszeit.«

»Und wenn ihm das zu lange dauert?«

»Dann war es eben nicht die richtige Liebe. Sie sind doch noch sehr jung.«

In ihren Augen war ein melancholischer Schimmer. »Manchmal komme ich mir schon uralt vor. Ich habe die halbe Welt bereist, und doch nicht viel gesehen. Aufnahmen, Modeschauen, Partys, Flugzeuge, Hotels, Straße.« Abgehackt sagte sie es. »Fern aller Romantik«, fuhr sie dann fort. »Ein Traumberuf, denken die meisten, es ist ein harter Job, und man wird wohl selbst hart dabei, und davor habe ich Angst. Ich zweifle ja schon, daß es die wahre Liebe gibt. Aber wenn ich dann an Sie und Fee denke, weiß ich doch, daß es die gibt.« Sie gab sich einen Ruck. »Übermorgen habe ich eine Modenschau, bevor ich nach London fliege. Vielleicht mag Fee kommen. Ich lasse eine Einladung da. Und vielleicht können wir dann noch ein Glas Wein miteinander trinken. Dann kann sie Klaus kennenlernen und mir vielleicht sagen, was sie von ihm hält. Sie können ja auch mitkommen, Dr. Norden.«

Er lächelte flüchtig. »Modenschauen überlasse ich lieber meiner Frau, Biggi, aber ich denke, daß sie gern kommen wird. Sie braucht sowieso ein neues Abendkleid.«

»Da wüßte ich schon eins«, sagte Biggi, und ihre Miene hellte sich auf. »Ich würde es für mich kaufen zu einem Sonderpreis, sehr viel billiger als sonst.« Nun lachte sie sogar hämisch. »Fee und ich sind ungefähr der gleiche Typ, wenngleich ich mir auch nicht anmaßen will, Ihrer bezaubernden Frau ebenbürtig zu sein. Ich möchte gern so sein wie sie, sehr gern. Glücklich verheiratet, Mutter von so reizenden Kindern, ein gemütliches Heim und nicht mehr aus Koffern lebend.«

Als sie gegangen war, dachte er an die Siebzehnjährige zurück, die genau gewußt hatte, was sie wollte. Karriere machen, reich und unabhängig sein, klar und deutlich hatte sie das ausgesprochen. Nun hatte sie das alles, aber glücklich war sie nicht.

Er steckte die Einladung zur Modenschau ein und vergaß nicht, sie Fee zu geben.

Sie lächelte nachdenklich. »Biggi ist sehr anhänglich«, stellte sie fest.

»Ich fürchte, sie ist einsam«, sagte Daniel. »Jetzt weiß sie nicht mehr, was sie will.«

»Ja, dann werde ich wohl die Modenschau besuchen und mir diesen Mann mal anschauen«, meinte Fee verschmitzt.

»Aber ganz objektiv!«

»Bin ich das nicht immer?«

»Nicht, wenn es um Männer geht. An denen hast du doch auch meist was auszusetzen.«

»Das kommt davon, wenn man einen so vollkommenen Mann hat«, sagte sie neckend.

»Schmeichelkatze, aber ich höre es gern.«

»Ich bin auch deine Schmeichelkatze«, ertönte da Annekas Stimmchen.

»Du bist das Schmeichelkätzchen«, erwiderte er lachend und nahm seine Jüngste in die Arme. Über ihren Kopf hinweg sah er Fee an. Ja, sie hatte das, was Biggi bei aller Schönheit fehlte. Ihr Gesicht strahlte Glück und Zufriedenheit aus.

*

Biggi fuhr von der Praxis aus zu einem französischen Restaurant. Dort war sie mit Klaus Cappel verabredet. Sie kannte ihn seit vier Monaten, aber gleich nachdem sie ihn kennengelernt hatte, war sie acht Wochen im Ausland gewesen. Erst nach ihrer Rückkehr trafen sie sich öfter, und er war zäh. Er ließ sich nicht so schnell abwimmeln wie andere Männer, aber ihn hatte Biggi auch nicht abwimmeln wollen.

Er wartete schon auf sie. Ein Tisch war reserviert, an dem sie nicht neugierigen Blicken ausgesetzt waren. Klaus begrüßte sie mit einem Handkuß, aber dann küßte er sie auch auf die Wange.

»Ich hatte schon Angst, daß du mich versetzt«, sagte er.

»Es war so viel Verkehr«, sagte sie entschuldigend.

Klaus Cappel sah blendend aus. Er war groß, dunkel, sonnengebräunt, sportlich und mit der lässigen Eleganz gekleidet, die viel kostete und doch nicht aufdringlich wirkte.

»Darf ich fragen, wo du warst?« fragte er eifersüchtig.

»Bei Dr. Norden. Bevor ich auf Reisen gehe, suche ich ihn immer auf. Er ist der beste Arzt, den es gibt.«

»Welch ein Kompliment! Sicher sieht er auch sehr gut aus.«

»Allerdings. Aber du brauchst doch nicht eifersüchtig zu sein, Klaus. Er ist mit einer Frau verheiratet, der ich nicht das Wasser reichen kann.«

»Das darfst du nicht sagen.«

»Du wirst Fee Norden möglicherweise kennenlernen, wenn sie zur Modenschau kommt, dann kannst du dich überzeugen.«

»Und werde feststellen, daß es keine Schönere als dich gibt! Aber du bist doch gesund, Biggi«, fügte er dann beiläufig hinzu.

»Ja, natürlich, nur manchmal wird mir alles zuviel. Diese Hetze zerrt an den Nerven. Und jetzt werde ich wieder sechs Wochen abwesend sein, und ich werde dich sehr vermissen.«

Das hatte sie noch nie gesagt. In seinen Augen blitzte es auf. »Was würdest du sagen, wenn ich dich nach Paris und London begleite?« fragte er.

»Erst London, dann Paris«, korrigierte sie ihn, aber dann sah sie ihn verwirrt an. »Du würdest mich begleiten?« fragte sie atemlos.

»An Urlaub ist ja sowieso nicht zu denken, wenn du so eingespannt bist, also könnte ich aufpassen auf dich und auch darauf, daß du mir nicht weggeschnappt wirst.«

Ihre Augen begannen zu strahlen. »Oh, das ist… das wäre schön, wunderschön«, sagte sie bebend vor Freude.

»Und wie wäre es, wenn wir bei dieser Gelegenheit mal heiraten würden?« fragte er.

Jetzt wurden ihre Augen ganz weit. »Du willst mich wirklich heiraten?« fragte sie stockend.

»Was dachtest du? Natürlich will ich dich heiraten, und ich will nicht warten, bis du all deine Termine erfüllt hast. Ich verlange ja nicht von dir, daß du vertragsbrüchig wirst.«

»Das würde mich auch teuer zu stehen kommen, und schließlich habe ich ja für eine Aussteuer gespart«, meinte sie schelmisch. »Du sollst nicht denken, daß ich mir auf deine Kosten ein bequemes Leben machen will, Klaus.«

»Über Geld wird nicht geredet«, sagte er. »Jetzt werden wir uns etwas zu Gemüte ziehen, etwas sehr Gutes, mein Schatz.«

»Ich darf vor der Modenschau kein Gramm zunehmen«, sagte Biggi bekümmert, »und ich hätte jetzt auf vieles Appetit.«

Ihre Selbstdisziplin war auch diesbezüglich bewundernswert. Und bewundernde und auch neidische Blicke folgten diesem attraktiven Paar, als sie dann die Brienner Straße entlangbummelten, Arm in Arm, zärtliche Blicke tauschend. Welcher Mann wäre nicht glücklich gewesen, eine solche Frau zur Seite zu haben, aber auch manche Frau bedachte Klaus Cappel mit sehnsüchtigen Blicken.

Aber ein Mann kam über den Odeonsplatz vom Residenzgarten her, der unwillkürlich stehenblieb und den Atem anhielt. Doch sein Gesicht verdüsterte sich, als er von Biggi gar nicht beachtet wurde, obgleich er höflich grüßend den Kopf neigte.

Lutz Hoog ging mit gesenktem Haupt weiter. Klaus sagte zu Biggi: »Da hat dich eben wieder einer mit den Blicken verschlungen.«

»Was du nicht alles bemerkst«, sagte sie mit leisem Lachen. »Ich komme mir vor, als wären wir allein auf der Welt.«

»Ich bin halt eifersüchtig, du nicht«, stellte er fest.

»Sei nicht albern, Klaus, wenn wir eifersüchtig sein müßten, hätte es doch gar keinen Sinn, an eine gemeinsame Zukunft zu denken. Liebe sollte Eifersucht ausschließen.«

»Leicht gesagt, wenn man eine schöne, viel umschwärmte Frau hat, Liebling.«

»Das wird vorbei sein, wenn ich Ehefrau bin«, erklärte Biggi heiter. »Im Grunde bin ich nämlich ein häuslicher Typ, und ich möchte bald Kinder haben.«

Er konnte sich beherrschen und zeigte seine Betroffenheit nicht. Das hatte er allerdings nicht erwartet.

Sie sah ihn forschend an. »Du schweigst?« fragte sie.

»Ich hatte nicht damit gerechnet, daß du auch gleich an Kinder denkst. Ich würde dich gern eine Zeit für mich allein haben, Biggi«, erwiderte er heiser.

»So schnell geht es ja auch nicht mit dem Kinderkriegen, Klaus«, lachte sie übermütig. »Denken wir jetzt noch nicht daran. Ich wollte dir nur diese dumme Eifersucht ausreden, dir sagen, daß ich nicht daran denke, auch als Ehefrau im Scheinwerferlicht zu stehen.«

»Dann ist es ja gut«, sagte er, aber das klang gar nicht überzeugend. Doch Biggi war so glücklich, daß sie den Unterton nicht vernahm.

*

Die Modenschau fand in exklusiver Atmosphäre statt. Tatjana von Berankow gehörte zu den ganz großen Modeschöpferinnen, und sie konnte es sich auch leisten, Starmannequins zu beschäftigen, und man mußte ihr lassen, daß sie zauberhafte Ideen hatte.

Fee Norden war Tatjana keine Unbekannte, denn Katja Delorme, Tochter von Anne Cornelius aus erster Ehe und verheiratet mit dem berühmten Pianisten und Dirigenten David Delorme, zählte zu Tatjanas Kundinnen, während Fee lieber auf preiswertere Modelle auswich. Spät waren Fee und Katja »Schwestern« geworden, aber wer die Zusammenhänge nicht kannte, erfuhr es nicht, daß sie nicht blutsverwandt waren. Das Wort Stiefschwestern wurde nicht gebraucht.

Trotz ihrer bereits sechzig Jahre war Tatjana eine blendende Erscheinung, groß, schlank, imponierend in ihrem Auftreten, das man königlich nennen konnte. Bei ihr ging alles vornehm und sehr dezent zu, und fiel einmal ein geladener Gast aus der Rolle, wurde er sofort von der Gästeliste gestrichen. Adel verpflichtet, das war immer noch Tatjanas Devise, obgleich so mancher dieser Gesellschaftsklasse schon einen recht anrüchigen Ruf hatte. Solche hatten natürlich bei Tatjana auch keinen Zutritt, aber sie hatte genügend Kundinnen, die vor lauter Hochmut zu Marionetten erstarrten. Fee mußte unter ihnen in ihrem schlichten Seidenkostüm Aufsehen erregen, aber es war keine Dame zugegen, die mit ihr hätte konkurrieren können.

Tatjana begrüßte Fee mit ihrem liebenswürdigsten Lächeln, wenngleich auch leicht erstaunt, woraus Fee sofort entnahm, daß Tatjana keine Ahnung hatte, von wem sie die Einladung bekommen hatte.

»Ohne Katja, meine Liebe?« fragte Tatjana.

»Sie ist zur Zeit mit David in Rom«, erwiderte Fee, »aber ich werde ihr gern genau Bericht erstatten, mit welcher hinreißenden Kollektion Sie diesmal faszinieren.«

Sie wußte, wie man Tatjanas Wohlwollen erregen konnte, und so bekam sie auch einen ganz besonders guten Platz neben einer Fürstin Trevenow und einer Prinzessin Lascowic, die liebenswürdig lächelten, als sie von Tatjana als Schwester von Madame Delorme vorgestellt wurde.

Wenig später erschien eine rothaarige Dame, die mehr durch ihren kostbaren Schmuck auffiel, ohne den sie sicher nicht aufgefallen wäre. Fee verspürte ein Kribbeln auf der Haut. Sie war gegen solche Frauen allergisch, und bedauerlicherweise saß diese gerade in ihrem Blickfeld.

Den anwesenden Männern schenkte Fee keinerlei Beachtung, obgleich sie von diesen mit Blicken bombardiert wurde.

Dann aber stand plötzlich eine sehr aparte junge Dame neben ihr.

»Fee Norden, welche angenehme Überraschung«, sagte sie mit dunkler Stimme, die nicht so recht zu ihrer zierlichen Erscheinung paßte, aber angenehm in Fees Ohren klang und das Mißbehagen vertrieb, das sie erfaßt hatte.

Marcella Grappa war Reporterin und bekannt durch ihre spritzigen, amüsanten, manchmal auch ironischen Kolumnen über gesellschaftliche Ereignisse.

Sie zwinkerte Fee vergnügt zu, als sie sich neben sie gesetzt hatte. »Wenigstens ein Mensch, mit dem man vernünftig reden kann«, flüsterte sie ihr zu.

»Sehr erfreut, danke gleichfalls«, gab Fee lachend zurück.

Dann begann aber schon die Modenschau, und es gab viel Beifall, und auch Fee mußte zugeben, daß Tatjana eine Könnerin war.

Die schönsten, wohl auch teuersten Modelle wurden von Biggi vorgeführt, und von ihr wurden sie richtig zur Wirkung gebracht. Da war sogar Marcella begeistert.

»Ich bin ja nur ihretwegen gekommen«, sagte sie zu Fee, »ich möchte sie nachher noch interviewen. Ich habe bemerkt, daß Biggi Ihnen zugenickt hat.«

»Wir kennen uns schon lange«, erwiderte Fee.

»Woher? Sie verzeihen doch, daß ich neugierig bin, es gehört zu meinem Beruf.«

»Sie wohnt in unserem Viertel«, erwiderte Fee ausweichend.

»Sie ist eine Klasse für sich«, stellte Marcella fest. »Oh, da ist ja auch Cappel. Dann wird es wohl stimmen, daß er eine Favoritenstellung bei Biggi erobert hat.«

So konnte Fee schon jetzt einen Blick auf diesen Mann werfen, aber der warf sie wieder nicht um, obgleich sie nicht leugnen konnte, daß an ihm eigentlich nichts auszusetzen war.

Es entging ihr auch nicht, daß Klaus Cappel gleich wieder verschwand, nachdem er seinen Blick über die Anwesenden hatte schweifen lassen. Sie war gespannt, ob sie ihn tatsächlich kennenlernen würde.

Dann aber führte Biggi ein Abendkleid vor, bei dem Fee dann doch Gelüste bekam. Schimmernde Seide vom dunklen bis hellen Türkis, ein raffinierter Schnitt, Ausschnitt und Saum wirkungsvoll bestickt und auch die weiten Ärmel wurden von ebensolchen Bündchen zusammengehalten.

»Ein Kleid für Sie, Fee«, raunte Marcella. Ja, auch sie hatte das erfaßt, und wieder nickte Biggi Fee unauffällig zu.

Die Zeit war schnell vergangen, und Tatjana wurde dann bestürmt, während Marcella zu den Garderoben eilte. Fee folgte ihr langsam. Eine Verabredung hatte sie mit Biggi ja noch nicht getroffen, aber ihr lag nun auch daran, noch mit ihr zu sprechen, denn irgendwie hatte Biggi zuletzt einen nervösen Eindruck auf sie gemacht. Dann hörte sie auch, wie Biggi mit leiser Stimme zu Marcella sagte, daß sie jetzt nicht in der Lage wäre, sich über Zukunftspläne zu äußern.

Marcella war nicht aufdringlich. Sie wurde dann auch zu Tatjana gerufen. Fee war mit Biggi allein.

»Lieb, daß Sie gekommen sind, Fee«, sagte sie müde. »Ich bin heute down, es muß ein narrischer Föhn sein.«

Es war kein Föhn, Fee wußte das, denn bei Föhnwetter konnten sie die Berge sehen, und das war schon längere Zeit nicht mehr der Fall gewesen.

»Vielleicht können wir noch einen Kaffee zusammen trinken«, sagte Biggi bittend. »Ich wollte Ihnen Klaus Cappel gern vorstellen, aber er mußte leider dringend geschäftlich weg.«

»Ich denke, daß Sie was essen sollten, Biggi«, sagte Fee. Und besorgt sah sie dann, daß Biggi sich an die linke Brust griff.

»Haben Sie Schmerzen?« fragte Fee hastig.