Dr. Norden Bestseller 183 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 183 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Elena Martinus zerknüllte nervös das Spitzentaschentuch, mit dem sie sich eben noch die Augen abgetupft hatte. Tränen hatte Dr. Norden nicht bemerken können. »Sehen Sie mich doch nicht so vorwurfsvoll an, Dr. Norden«, murmelte sie entsagungsvoll, »ich kann doch nichts dafür, wenn Clemens seine Spritzen vergißt. Er nimmt seinen Zustand eben nicht so ernst.« »Das sollte er aber«, erklärte Dr. Norden. »Und Sie müssen dafür sorgen, daß er strenge Diät hält. Dann kann er noch viele Jahre leben.« Ob sie das wirklich will, ging es ihm durch den Sinn, als er sie nun nachdenklich betrachtete. Elena war dreißig Jahre jünger als ihr Mann und eine attraktive Frau. Das konnte ihr selbst Dr. Norden nicht absprechen, obgleich er für diesen Typ Frau kei-nerlei Sympathie aufbrachte. Ihm war es völlig klar, daß sie ihn aus kühler Berechnung geheiratet hatte, wissend um seine Krankheit. Clemens Martinus litt an Diabetes. Er hatte sich dennoch prächtig gehalten, und man hatte ihm seine sechzig Jahre nicht angesehen, als er vor zwei Jahren die zweite Ehe mit Elena eingegangen war. Er hatte sie in einem feudalen Sanatorium kennengelernt, in dem sie als Empfangsdame tätig war. Natürlich war sie über alle Vorgänge in diesem Sanatorium informiert gewesen, auch über die Krankheiten der Patienten. Sofort Vorurteile zu hegen, lag Dr. Daniel Norden fern, aber als er Elena dann als Frau Martinus kennenlernte, hegte er keinen Zweifel, daß diese Frau eine einmalige Chance zielstrebig genutzt hatte. Clemens Martinus schienen solche Gedanken jedoch nicht gekommen zu sein. Er lebte auf, wenigstens in den ersten Monaten dieser Ehe, und

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Dr. Norden Bestseller – 183 –

Ich gebe ihn nicht frei

Patricia Vandenberg

Elena Martinus zerknüllte nervös das Spitzentaschentuch, mit dem sie sich eben noch die Augen abgetupft hatte. Tränen hatte Dr. Norden nicht bemerken können.

»Sehen Sie mich doch nicht so vorwurfsvoll an, Dr. Norden«, murmelte sie entsagungsvoll, »ich kann doch nichts dafür, wenn Clemens seine Spritzen vergißt. Er nimmt seinen Zustand eben nicht so ernst.«

»Das sollte er aber«, erklärte Dr. Norden. »Und Sie müssen dafür sorgen, daß er strenge Diät hält. Dann kann er noch viele Jahre leben.«

Ob sie das wirklich will, ging es ihm durch den Sinn, als er sie nun nachdenklich betrachtete. Elena war dreißig Jahre jünger als ihr Mann und eine attraktive Frau. Das konnte ihr selbst Dr. Norden nicht absprechen, obgleich er für diesen Typ Frau kei-nerlei Sympathie aufbrachte. Ihm war es völlig klar, daß sie ihn aus kühler Berechnung geheiratet hatte, wissend um seine Krankheit.

Clemens Martinus litt an Diabetes. Er hatte sich dennoch prächtig gehalten, und man hatte ihm seine sechzig Jahre nicht angesehen, als er vor zwei Jahren die zweite Ehe mit Elena eingegangen war.

Er hatte sie in einem feudalen Sanatorium kennengelernt, in dem sie als Empfangsdame tätig war. Natürlich war sie über alle Vorgänge in diesem Sanatorium informiert gewesen, auch über die Krankheiten der Patienten.

Sofort Vorurteile zu hegen, lag Dr. Daniel Norden fern, aber als er Elena dann als Frau Martinus kennenlernte, hegte er keinen Zweifel, daß diese Frau eine einmalige Chance zielstrebig genutzt hatte.

Clemens Martinus schienen solche Gedanken jedoch nicht gekommen zu sein. Er lebte auf, wenigstens in den ersten Monaten dieser Ehe, und Elena verstand es, auch seine Umgebung zu täuschen. Jedenfalls sah es Dr. Norden so, und er war ein sehr guter Psychologe. Ihn konnte Elena nicht täuschen. Er sah das Flimmern in ihren Augen und deutete es richtig.

Durch Zufall hatte er auch noch einiges über Elenas Vorleben erfahren, auch durch eine Patientin, die sich zu jener Zeit dort aufgehalten hatte, als Martinus die Bekanntschaft von Elena machte.

Traute Kirchberg hegte nämlich ein ganz persönliches Interesse an der Familie Martinus, wovon Clemens jedoch keine Ahnung hatte. Sie war die Großmutter eines ganz bezaubernden Mädchens, das mit Christian Martinus, dem Sohn aus der ersten Ehe von Clemens, befreundet war.

Auch davon wußte Clemens nichts, denn sein Sohn hatte das Elternhaus nicht mehr betreten, seit Elena dort Einzug gehalten hatte, und das wurmte diese noch mehr als sein Vater.

Elena begleitete Dr. Norden zu seinem Wagen. »Sollte ich nicht Christian benachrichtigen, Herr Doktor?« fragte sie mit leidender Stimme. »Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß mein Mann darunter leidet, seinen Sohn so lange nicht gesehen zu haben.«

»Fragen Sie ihn lieber«, erwiderte Dr. Norden zögernd. »Er wird bald wieder bei Bewußtsein sein. Ich komme am Abend noch einmal vorbei. Es besteht keine Lebensgefahr, Frau Martinus.«

Was mag sie sich ausgerechnet haben, überlegte er auf der Heimfahrt. Wieviel Jahre hat sie ihm wohl gegeben, als sie mit ihm aufs Standesamt ging.

Er kannte Clemens Martinus schon länger. Er hatte seine erste Frau betreut, die an einer schweren Herzkrankheit litt. Vor sechs Jahren war sie gestorben, und wohl niemand hätte es Clemens Martinus verübelt, daß er eine zweite Ehe eingegangen war, wenn er sich dafür eine andere Partnerin erwählt hätte. Aber die, die ihn gut kannten, waren tief bestürzt gewesen, daß er diese junge Frau heiratete, vor allem aber sein Sohn, und dafür hatte Christian Martinus ganz besondere Gründe.

Er gehörte nämlich zu jenem Architektenteam, das die Entwürfe für das Sanatorium gemacht und den Bau überwacht hatte. Und bei dieser Gelegenheit hatte er Elena Tarnok kennengelernt. Das lag fünf Jahre zurück. Christian erinnerte sich nicht gern daran, aber er mußte es, als er an diesem Tag einen Anruf von Elena bekam.

*

Elena hatte ihren Mann nicht gefragt, ob er seinen Sohn sehen wolle. Sie sah eine gute Gelegenheit, Christian ins Haus zu locken.

Christian hatte sich vor einem Jahr in einer oberbayerischen Kreisstadt selbständig gemacht. Für ihn war es egal, wo er arbeitete, denn er hatte schon durch einige geniale Entwürfe einen beträchtlichen Bekanntheitsgrad erreicht. Über Aufträge brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Er arbeitete auch für eine große Baugesellschaft.

Für einen Mann von dreißig Jahren, der sich früh von seinem reichen Vater unabhängig gemacht hatte, hatte er viel erreicht, und er war stolz darauf.

An diesem Abend, es war fast sieben Uhr, saß er noch an seinem Zeichentisch. In eigener Sache sozusagen, denn er arbeitete an dem Entwurf für sein Haus, in dem er einmal mit seiner zukünftigen Frau leben wollte.

Er hatte vor einiger Zeit ein wunderschönes Grundstück erwerben können mit freiem, unverbaubarem Blick auf das Gebirge, und so etwas hatte ihm immer vorgeschwebt.

Als das Telefon läutete, runzelte er die Stirn, und als dann Elenas Stimme an sein Ohr tönte, verfinsterte sich seine Miene.

»Leg bitte nicht gleich wieder

auf, Christian«, sagte sie. »Dein Vater ist schwer erkrankt. Dr. Norden meinte auch, daß du ihn besuchen solltest.«

Solche Lügen gingen Elena leicht über die Zunge, da sie nicht damit rechnen mußte, daß diese entdeckt würden.

»Laß uns doch bitte die alten Differenzen begraben«, fuhr sie fort. »Mich bedrückt es sehr, schuld daran zu sein, daß du deinen Vater nie besuchst. Ich bin auch bereit, nicht anwesend zu sein, wenn du mir genau sagst, wann du kommst.«

»Wenn Vater mich zu sehen wünscht, komme ich«, erwiderte er. »Er hat mich nie um einen Besuch gebeten.«

»Er hat seinen Stolz, und du bist der Jüngere, vergiß das bitte nicht, Christian.«

»Was fehlt ihm?« fragte Christian kühl.

»Du weißt doch, daß er Diabetes hat. Leider vergißt er es manchmal. Ich denke, daß es sehr zu seinem Wohlbefinden beitragen würde, wenn ihr euch versöhnt.«

Ihm lag eine aggressive Bemerkung auf der Zunge, aber er unterdrückte sie.

»Gut, ich komme morgen gegen elf Uhr«, sagte er. Und dann legte er den Hörer grußlos auf.

Er konnte nicht sehen, daß Elena den Hörer unwillig auf die Gabel warf, aber dann leuchtete in ihren Augen doch Triumph auf.

Christian hatte seinen Hörer schon wieder aufgenommen und wählte eine Münchener Nummer.

Eine weibliche Stimme meldete sich. »Entschuldige die späte Stö­rung, Granny«, sagte Christian. »Kann ich Claudia sprechen?«

Er vernahm, daß Claudia bei ihrem Bruder Babysitting mache. »Du kannst sie dort erreichen, Christian«, sagte Traute Kirchberg.

»Ich muß sie unbedingt heute abend noch sprechen. Ich komme nach München«, erklärte er.

»Wenn die Kinder schlafen, habt ihr dazu gewiß Gelegenheit. Wann wirst du hier sein?«

»In einer Stunde, wenn kein Verkehr ist.«

»Gut, ich sage ihr Bescheid. Sehe ich dich auch?«

»Aber sicher, Granny«, erwiderte er.

»Das freut mich, mein Junge«, erwiderte Traute Kirchberg. »Das Gästezimmer ist jederzeit bereit. Ich gehe nicht früh schlafen. Ich schaue mir noch den Krimi an.«

*

Christian packte schnell ein paar Sachen ein. Dann setzte er sich in seinen Wagen und fuhr los.

Er hatte Glück. In einer knappen Stunde hatte er den Weg zurückgelegt, bis er vor dem hübschen Bungalow hielt.

Der war auch nach seinem Entwurf gebaut worden, familiengerecht, nicht auf Äußerlichkeiten bedacht, dafür innen sehr geräumig und behaglich.

Er brauchte nicht zu läuten, er wurde schon erwartet. Ein schlankes Mädchen in Jeans und dickem Pullover kam ihm entgegengelaufen und fiel ihm um den Hals.

»Das ist eine Überraschung, Chris«, sagte Claudia Kirchberg voller Freude. »Was gibt es? Freiwillig läßt du doch die Arbeit nicht im Stich.«

»Mein Vater ist schwer erkrankt, Claudi. Seine Frau rief mich an, und über sie müssen wir sprechen. Über sie und manches andere. Schlafen die Kinder?«

»Schon lange. Sie sind ja so lieb. Bob und Rosi sind beim allerhöchsten Chef eingeladen. Er feiert seinen Siebzigsten. Es kann doch nur Gutes bedeuten, daß er Bob auch eingeladen hat, sogar mit Ehefrau. Ich würde es ihm ja so gönnen, wenn er Prokura bekäme. Aber komm erst mal herein. Ich habe dir schon ein paar Brote gerichtet.«

»Ich möchte zuerst lieber einen Kuß«, sagte Christian, und den bekam er dann auch gleich.

Er hielt sie fest an sich gedrückt. »Ich möchte, daß wir bald heiraten, Claudi«, sagte er leise.

Sie sah ihn erstaunt an. »Du hast gesagt, erst wenn das Haus steht«, flüsterte sie.

»Das dauert mir zu lange, und du wirst erfahren, warum.«

»Warum? Ich dränge doch nicht.«

»Nein, du nicht, aber mein Vater soll dich noch kennenlernen.«

»Deshalb müßten wir doch nicht gleich heiraten, Chris.«

»Er soll dich erst kennenlernen, wenn du meine Frau bist.«

Sie sah ihn ernsthaft und sehr nachdenklich an. »Er oder Elena?« fragte sie.

»Wir werden über sie reden müssen. Eine Begegnung scheint unvermeidbar zu sein.«

»Warum fürchtest du sie, Chris?« fragte Claudia.

»Ich fürchte sie nicht, ich fürchte nur ihre Intrigen.«

»Ich habe dir doch schon oft gesagt, daß es mich nicht interessiert, was früher war«, sagte sie leise.

»Und leider habe ich das sehr gern gehört, aber jetzt wird es wichtig, daß du die ganze Geschichte erfährst. Ich kann nur hoffen, daß sich dadurch zwischen uns nichts ändert.«

Sie lehnte ihre Stirn an sein Kinn. »Ich liebe dich, das solltest du wissen.«

»Und ich liebe dich, Claudi, aber ich frage mich, ob du dieser Frau gewachsen bist.«

»Das werden wir ja sehen. Mach kein so ernstes Gesicht, Chris. Wir kennen uns doch wahrhaft lange genug, um zu wissen, was wir voneinander zu halten haben.«

Ja, sie kannten sich bereits sechs Jahre, aber zuerst war es nur Freundschaft gewesen, denn Claudia war gerade siebzehn, als sie sich kennenlernten. Ein liebes, lustiges und sehr sportliches Mädchen. Beim Skifahren hatten sie sich getroffen. Sie eine Olympiahoffnung, während er dem Leistungssport schon Adieu gesagt hatte, da seine kranke Mutter vor allen Aufregungen bewahrt bleiben mußte.

Zwischen ihnen war die Liebe ganz langsam gewachsen. Lange Trennungen hatte es gegeben und dazwischen nur kurze Treffen.

Plötzlich hatte es dann gefunkt zwischen ihnen, bei einem Slalomwettbewerb, bei dem Claudia als Siegerin hervorgegangen war.

Christian war zugegen gewesen, er hatte ihr gratuliert und sie war ihm spontan um den Hals gefallen, weil sie sich schon Monate nicht mehr gesehen hatten. Und da war dann alles ganz anders gewesen als vorher. Das nette kleine Mädchen war erwachsen geworden, und eine ganz bezaubernde junge Dame, trotz ihrer sportlichen Ambitionen. Und Christian hatte in der Zwischenzeit allerhand erlebt, was ihn nachdenklich stimmte und mißtrauischer gemacht hatte. Zudem hatte er beruflich schon allerhand erreicht.

Frisch, natürlich und geradezu war Claudia wie eh und je. »Nun red schon, Chris«, sagte sie, »frisch von der Leber weg.«

»Es ist nicht so einfach. Du könntest es mißverstehen, Claudi«, sagte er.

»Ach was, ich bin doch nicht von gestern.«

»Als wir uns kennenlernten, arbeitete ich doch noch in dem Team, erinnerst du dich?« begann er stockend.

»Natürlich. Ich weiß doch auch, daß ihr das Sanatorium gebaut habt, in dem dein Vater damals diese Elena kennenlernte.«

»Ich lernte sie schon damals kennen, darüber habe ich nicht gesprochen«, sagte er leise.

»Du wirst schon deine Gründe gehabt haben«, sagte Claudia, aber nun klang ihre Stimme doch etwas belegt.

»Ich werde dir alles erzählen, wie es wirklich war, Claudi. Sie war mit dem Bauherrn liiert, der allerdings verheiratet war. Man wahrte Diskretion, aber uns blieb das natürlich nicht verborgen. Daß sie anderen Flirts nicht abhold war, merkten wir natürlich auch bald. Sie war allgegenwärtig. Bei dem Richtfest haben wir dann ganz schon gepichelt. Ich weiß wirklich nicht mehr, was da alles so vor sich ging. Ich kann mich nur noch erinnern, daß der Bauherr mit seiner Familie erschien und Elena mich bat, doch so zu tun, als waren wir befreundet. Ich habe ihr den Gefallen getan, vor allem deshalb, um der Frau unseres Auftraggebers Peinlichkeiten zu ersparen. Sie war eine sehr nette Frau, völlig ahnungslos und noch ziemlich naiv. Anscheinend hatte ich dann ein bißchen zuviel getrunken. Als ich am nächsten Morgen zu mir kam, fand ich mich in Elenas Wohnung wieder. Nun, vielleicht habe ich ihr etwas zu diskret klargemacht, daß es nicht in meiner Absicht lag, etwas mit ihr anzufangen, aber ich schwöre dir, daß mir dies alles schrecklich fatal war. Sie wollte mich jedenfalls immer wieder treffen, und so sah ich dann nur den Ausweg, eine andere Stellung anzunehmen, wie du weißt, in Berlin. Sie wurde Geschäftsführerin in dem Sanatorium, man kann es auch Empfangsdame nennen. Ihr Liebhaber starb bald darauf an einem Nierenleiden. Elena hatte herausgefunden, wo ich lebte und schrieb mir, daß der Weg jetzt für uns frei sei. Ich habe diesen Brief nie beantwortet. Und ich hörte dann auch nichts mehr von ihr, bis mein Vater dann ausgerechnet auf die Idee kam, sich in diesem Sanatorium zu erholen. Ich versuchte, es ihm auszureden, aber ich hätte ihm damals wohl lieber reinen Wein einschenken sollen. Ich tat es nicht, es war mein Fehler. Als ich dann erfuhr, daß er Elena heiraten wollte, machte ich einen weiteren Fehler. Ich stellte sie zur Rede und fragte sie, ob das ihre Rache an mir sei. Sie erwiderte mir darauf eiskalt, daß mein Vater ihr besser gefiele und er ihr zudem bedeutend mehr bie-

ten könne. Ich versuchte, meinem Vater diese Heirat auszureden, brachte es aber nicht fertig, ihm die ganze Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Es wäre auch vergeblich gewesen, Elena hatte ihn schon völlig in der Hand. Also kam es zur Trennung zwischen uns.«

»Und warum erzählst du mir das heute erst?« fragte Claudia nachdenklich.

»Weil sie mich angerufen hat. Vater geht es schlecht, ich soll ihn besuchen.«

»Du wirst ihn besuchen«, sagte Claudia ruhig.

»Ja, morgen, aber ich möchte ihm sagen, daß ich dich in Bälde heiraten werde und er dich kennenlernen soll. Ich hatte meinen Vater immer sehr gern.«

»Und du willst vor dieser Elena demonstrieren, daß du in festen Händen bist«, stellte Claudia nachdenklich fest. »Findest du das gut, Chris?«

»Ich gönne ihr nicht, daß sie sich alles unter den Nagel reißt, nein, ihr gönne ich es nicht. Sie ist völlig skrupellos. Ich will Vater daran erinnern, daß er auch noch einen Sohn hat und daß dieser Sohn bald eine Familie gründen will.«

»Ich brauche sein Geld nicht, um glücklich zu werden, Chris«, sagte Claudia ernst.

»Claudi, er war ein kranker Mann, als er dieses Sanatorium aufsuchte. Und sie wußte das. Sie hatte doch Einblick in alles. Sie hat sich ausgerechnet, daß er nicht alt werden wird, wenn sie es einigermaßen geschickt anfängt, ihm all das zu unterjubeln, was ihm schaden könnte. Aber sie wird es so geschickt anfangen, daß es ihr niemand nachweisen kann. Ich kenne Vater. Er will es ja selbst nicht wahrhaben, wie schädlich ihm manches ist. Und von jedem ein bißchen zuviel kann ihn umbringen. Aber wenn ich ihm das ins Gesicht sagen würde, lacht er mich nur aus, wie damals, als ich ihn davor warnte, eine so junge Frau zu heiraten.«

Eine Weile trat Schweigen ein. Dann sagte Claudia: »Jedenfalls hast du mich neugierig gemacht, diese Frau kennenzulernen, Chris. Ja, dann werden wir mal sehen, wie weit sie gehen wird. Wer betreut deinen Vater ärztlich?«

»Dr. Norden.«

»Dr. Norden? Aber das ist doch auch Grannys Arzt. Sie ist völlig von ihm überzeugt.«

»Ich unterstelle ihm ja auch nicht, daß er mit Elena unter einer Decke steckt«, sagte Christian. »Aber ich weiß schließlich, wie sie mit Männern umgehen kann und welche Register sie zieht.«

Minutenlang blickte Claudia nach­denklich zu Boden.

»Rede doch mal mit Granny. Sie hat mir gesagt, daß du bei ihr die Nacht verbringen wirst.« Sie lachte leise auf. »Diesbezüglich kann ich ja wenigstens unbesorgt sein. Sag ihr alles, und höre, was sie dazu meint, Chris. Ich bin nicht dafür, unsere Hochzeit zu überstürzen, um dieser Elena eins auszuwischen. Ich lege mich auch ungern mit Intrigantinnen an. Aber Grannys Rat akzeptiere ich. Sie ist objektiv. Und sie war ja auch mal in dem Sanatorium. Sie wird Elena wohl kennengelernt haben.«

»Sie war auch in dem Sanatorium? Davon weiß ich ja gar nichts«, staunte er.