Dr. Norden Bestseller 186 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 186 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Liebe Güte, Sie auch noch!« rief Loni aus, als Jürgen Reding die Praxis betrat. »Heute geht es drunter und drüber. Entschuldigen Sie vielmals, Herr Reding, das ist mir so herausgerutscht.« »Macht nichts, Loni. Ich wollte mich auch nur von Dr. Norden verabschieden und mich bedanken, daß er mich fit gemacht hat.« »Wollen Sie jetzt wirklich mit auf den Achttausender?« fragte Loni skeptisch. »Ich will es wagen. Auch meiner Schwester zuliebe, die um ihren Zukünftigen bangt. Und so ein Abenteuer bringt schließlich auch was ein, Loni.« Er sah sie mit blitzenden Augen an. Schöne Augen hat er, dachte Loni. Wenn ich noch jung wäre…, aber weiter dachte sie nicht, denn er fragte: »Wie heißen Sie eigentlich mit Nachnamen, Loni?« »Liebe Güte«, seufzte sie wieder, »das weiß ich manchmal schon selbst nicht mehr. Alle sagen halt nur Loni.« »Aber ich muß Ihren Nachnamen wissen, damit ich Ihnen eine Karte schreiben kann.« »Ja, wenn Sie das wollen. Enderle heiße ich. Hoffentlich kommen Sie gesund wieder, Herr Reding. Wenn ich Ihre Mutter wäre, würde mir schon doppelt bange sein.« »Es kommt alles, wie es einem bestimmt ist, Loni«, sagte Jürgen. Er lächelte verschmitzt. »Ich habe eine lange Lebenslinie.« »Zeigen Sie mal her, ich verstehe ein bißchen was davon. Mein Hobby«, sagte Loni. Aber sie kamen dazu nicht mehr, denn Dr. Norden kam aus dem Sprechzimmer, und nun konnte sich Jürgen Reding von ihm verabschieden. »Alle Impfungen gut überstanden?« fragte Dr. Norden. »Bestens, und meine Apotheke ist auch im Koffer. Ich melde mich, Dr. Norden. Vielen Dank für alles.« »Viel Erfolg und auf ein gesundes Wiedersehen, Herr Reding.« Und

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Dr. Norden Bestseller – 186 –

Gib die Hoffnung nicht auf

Patricia Vandenberg

»Liebe Güte, Sie auch noch!« rief Loni aus, als Jürgen Reding die Praxis betrat. »Heute geht es drunter und drüber. Entschuldigen Sie vielmals, Herr Reding, das ist mir so herausgerutscht.«

»Macht nichts, Loni. Ich wollte mich auch nur von Dr. Norden verabschieden und mich bedanken, daß er mich fit gemacht hat.«

»Wollen Sie jetzt wirklich mit auf den Achttausender?« fragte Loni skeptisch.

»Ich will es wagen. Auch meiner Schwester zuliebe, die um ihren Zukünftigen bangt. Und so ein Abenteuer bringt schließlich auch was ein, Loni.« Er sah sie mit blitzenden Augen an.

Schöne Augen hat er, dachte Loni. Wenn ich noch jung wäre…, aber weiter dachte sie nicht, denn er fragte: »Wie heißen Sie eigentlich mit Nachnamen, Loni?«

»Liebe Güte«, seufzte sie wieder, »das weiß ich manchmal schon selbst nicht mehr. Alle sagen halt nur Loni.«

»Aber ich muß Ihren Nachnamen wissen, damit ich Ihnen eine Karte schreiben kann.«

»Ja, wenn Sie das wollen. Enderle heiße ich. Hoffentlich kommen Sie gesund wieder, Herr Reding. Wenn ich Ihre Mutter wäre, würde mir schon doppelt bange sein.«

»Es kommt alles, wie es einem bestimmt ist, Loni«, sagte Jürgen. Er lächelte verschmitzt. »Ich habe eine lange Lebenslinie.«

»Zeigen Sie mal her, ich verstehe ein bißchen was davon. Mein Hobby«, sagte Loni.

Aber sie kamen dazu nicht mehr, denn Dr. Norden kam aus dem Sprechzimmer, und nun konnte sich Jürgen Reding von ihm verabschieden.

»Alle Impfungen gut überstanden?« fragte Dr. Norden.

»Bestens, und meine Apotheke ist auch im Koffer. Ich melde mich, Dr. Norden. Vielen Dank für alles.«

»Viel Erfolg und auf ein gesundes Wiedersehen, Herr Reding.«

Und der Betrieb in der Praxis ging weiter. Loni hatte auch keine Zeit mehr.

Andere Abschiedsbesuche mußte Jürgen Reding nicht mehr machen. Seine Schwester Beate brachte ihn am frühen Nachmittag zum Flughafen, nachdem sie ihn noch einmal eindringlich gefragt hatte, ob er auch nichts vergessen hätte.

»Alles okay, Bea«, sagte er. »Ich habe meine fünf Sinne wieder beisammen.«

»Du hast auch keinen Grund, Rena nachzutrauern.«

»Es ist vorbei, Bea«, sagte er rauh.

»Sag Christopher, er soll nicht zuviel riskieren. Wenn dir was passiert, kriegt er den Laufpaß von mir. Ich bin wahrhaftig gestraft genug, daß ich mich in solchen Abenteurer verlieben mußte, und es setzt allem die Krone auf, daß er auch noch meinen Bruder infiziert hat.«

Als sie auf dem Parkplatz am Flughafen hielt, griff sie in ihre Tasche. »Ich habe für euch beide noch je einen Talismann geschmiedet«, sagte sie leise.

»Auf dem Herzen zu tragen, Jürgen. Leider bin ich ja abergläubisch.« Sie steckte ihm beide metallenen Münzen in die linke Brusttasche. »Schau es dir erst im Flugzeug an. Ich komme nicht mit rein, sonst heule ich doch noch.«

»Halt die Ohren steif, Bea. Es wird alles gutgehen, und wenn wir zurück sind, feiern wir eine großartige Hochzeit.«

Sie fuhr nicht gleich weg. Sie blickte ihm nach. Groß, breitschultrig und schmalhüftig ging er auf den Eingang zur Auslandsabfertigung zu. Er drehte sich nicht um. Es bringt Unglück, hatte seine Mutter früher mal gesagt, aber hätte er es nur getan.

Plötzlich gab es eine ohrenbetäubende Explosion, und Blitze blendeten ihn. Jürgen Reding konnte nichts mehr hören, nichts mehr sehen, ein gewaltiger Luftdruck warf ihn und andere zu Boden.

Beate sprang aus ihrem Wagen. »Jürgen!« schrie sie. »Jürgen! Jürgen!« Aber da wurde sie schon zurückgedrängt. Sirenen heulten, Ambulanzwagen kamen, Polizei riegelte das Gebäude ab.

»Da ist mein Bruder, ich muß zu ihm«, stöhnte Beate, aber sie wurde festgehalten. Sie erfuhr nur noch, daß die Verletzten in die nächste Klinik gebracht würden.

*

In Dr. Nordens Praxis läutete das Telefon an diesem Tag unaufhörlich. Es schien wirklich die Hölle los zu sein. Loni, die sonst nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen war, wußte nicht, wo sie zuerst hinspringen sollte.

Aber ein Anruf raubte ihr dann fast den Atem. »Hier spricht Beate Reding. Mein Bruder… Am Flughafen war eine Explosion, ich weiß nicht, was mit ihm ist. Ich bitte inständig, daß Dr. Norden sich um ihn kümmert.«

Loni war die Kehle schlagartig trocken und ihre Stimme entsprechend heiser.

»Augenblick, Fräulein Reding, ich verbinde.«

»Ich kann nicht mehr, Loni, ich bin fertig. Ich komme mit einem Taxi.«

»Ja, es ist gut«, sagte Loni tonlos. »Ich sage Bescheid.« Und als sie den Hörer auflegte, meinte sie in Jürgen Redings Augen zu blicken, nicht ahnend, wie sehr gerade diese Augen gefährdet waren.

Schreckliche Folgen hatte diese Explosion, die bereits als Terroranschlag vermutet wurde. Drei Menschen waren sofort getötet worden, fünf Schwerverletzte wurden eilends notärztlich versorgt und in die Klinik gebracht, unter diesen auch Jürgen Reding. Ein etwa gleichaltriger Mann war allerdings noch bedeutend schwerer verletzt worden als er. Um beide bemühte sich nun schon ein Ärzteteam, das ungeachtet des schrecklichen Geschehens die Nerven behalten mußte.

Beate Reding sank indessen völlig aufgelöst in ein Taxi und ließ sich zu Dr. Norden bringen. Es war eine spontane Eingebung gewesen.

Kreidebleich und schwer atmend kam sie in der Praxis an. Loni fragte nicht viel und führte sie gleich in ein Behandlungszimmer. Dr. Norden kam wenig später.

Beate starrte ihn blicklos an. »Es war so schrecklich«, flüsterte sie. »Jürgen ging zum Eingang, da krachte es. Es war ein Inferno. Sie haben mich nicht zu ihm gelassen«, schluchzte sie dann trocken auf. »Sie haben mir überhaupt nichts gesagt. Ich weiß nicht, wo er ist und ob er überhaupt noch lebt.«

»Das werden wir schon herauskriegen, Fräulein Reding«, sagte Dr. Norden. »Sie müssen sich jetzt beruhigen. Ich gebe Ihnen eine Injektion. Es ist nur ein kleiner Einstich.«

Man hatte mit ihr, die sonst so energisch war, in dieser Stunde alles machen können, ohne daß sie die Kraft gehabt hätte, sich zu wehren. Während sie dann in einen Zustand der Apathie geriet, rief Dr. Norden seine Frau an und bat sie, in allen großen Krankenhäusern anzurufen, die für die Aufnahme der Verletzten in Frage kamen.

»Es geht um Jürgen Reding, Fee. Er ist unter den Verletzten.«

»Was ist denn überhaupt passiert?« fragte Fee erregt.

»Ein Anschlag auf den Flughafen. Ich komme hier heute nicht mehr zum Schnaufen. Ein teuflischer Tag!«

Das war er im wahrsten Sinne des Wortes. Loni mußte an Jürgens Worte denken, daß eben doch alles so käme, wie es einem bestimmt wäre. Bis Nepal war er jedenfalls nicht gekommen, aber Beates Glücksbringer hatten ihn doch vor noch Schlimmerem bewahrt, denn ein harter Splitter war von diesen abgeprallt und hatte nur ein Loch in seine Jacke gerissen. Schwerverletzt aber waren seine Augen. Der andere Patient, der mit ihm in die Klinik gebracht worden war, überlebte nur wenige Stunden. Bei ihm hatte man einen Ausweis gefunden, daß er Organspender sei.

*

Wenngleich die Nordens nicht viel gesellschaftliche Kontakte pflegten, zu den Kollegen hatten sie gute und waren sehr geschätzt bei jenen, die genausoviel Verantwortungsbewußtsein besaßen, wie Dr. Daniel Norden und seine Frau Fee, die ebenfalls Ärztin war und ihren Beruf nur deshalb nicht ausübte, weil die noch kleinen Kinder die Mutter brauchten.

Fee hatte zwar eine halbe Stunde telefonieren müssen, aber dann wußte sie, in welcher Klinik Jürgen Reding lag.

In Daniel Nordens Praxis wurde es endlich etwas ruhiger. Auch Beate Reding hatte sich beruhigt. Geschlafen hatte sie nach der Injektion nicht. Welch einen starken Charakter sie hatte, bewies sie, als Dr. Norden ihr sagte, in welcher Klinik ihr Bruder sei.

»Ich will zu ihm«, sagte sie. »Ich will ihn sehen. Ich kann nicht untätig herumliegen.«

»Wenigstens noch eine halbe Stunde«, sagte Dr. Norden. »Ich komme dann mit Ihnen. Es besteht keine akute Lebensgefahr mehr.«

»Sagen Sie mir auch die Wahrheit?« fragte sie.

»In solchen Fällen wäre es sinnlos zu lügen«, erwiderte Dr. Norden.

*

Loni blickte dann Dr. Norden und Beate nach. Sie ordnete ihren Schreibtisch mechanisch. Er hat gesagt, daß er eine lange Lebenslinie hat, dachte sie. Sie mochte diesen Jürgen Reding. Sie hätte sich solchen Sohn gewünscht. Nun, wenn sie einen bekommen hätte, wäre der jetzt vielleicht fünfundzwanzig, aber ihre kurze Ehe war kinderlos geblieben, und sie hatte sich eine Arbeit suchen müssen, weil ihre Rente kärglich ausfiel. Und sie hatte diese Arbeit und damit eine Lebensaufgabe bei Dr. Norden gefunden.

Sie war zu allen Patienten freundlich, aber einige hatte sie doch besonders gern, und zu denen gehörte Jürgen Reding. Seine Augen hatten sie so sehr an die ihres so früh verstorbenen Mannes erinnert.

Sie bedeckte ihre Augen mit den Händen, weil die Erinnerungen kamen. Nein, der Jürgen darf nicht sterben, ging es ihr durch den Sinn. Das Schicksal wollte es, daß er nicht den Achttausender in Nepal besteigt, also darf es auch nicht so ungerecht sein, ihn so schuldlos sterben zu lassen.

Sie schrak zusammen, als das Telefon läutete. Fee war am Apparat. »Ist mein Mann zu sprechen, Loni?« fragte sie.

»Er ist gerade mit Fräulein Reding zur Klinik gefahren. Ich sollte Sie anrufen, aber ich hatte es vergessen. Es tut mir sehr leid, Frau Norden. Heute vormittag stand Herr Reding doch noch so lebendig vor mir.«

»Ist schon gut, Loni. Ich bin nur grad von der Klinik angerufen worden, weil sie meinen Mann sprechen wollten wegen Herrn Reding. Aber wenn er schon auf dem Weg zur Klinik ist, ist alles in Ordnung. Wenn Sie nichts anderes vorhaben, Loni, kommen Sie doch zu uns rüber. Sie können mit uns essen. Daniel wird bestimmt erst spät kommen. Und Sie könnten sich nachher im Fernsehen mit Lenni den Film anschauen, zur Ablenkung.«

»Danke vielmals, ich komme gern«, sagte Loni, froh, daß sie diesen Abend nicht allein verbringen mußte. Manchmal überkam sie halt auch noch das heulende Elend.

Dr. Norden und Beate hatten indessen die Klinik erreicht. Nüchtern ragte der moderne Bau in den Himmel, aber Dr. Norden wußte, daß hinter dieser nüchternen Fassade schon so manches Leben gerettet worden war, weil man hier über die modernsten Apparaturen verfügte, weil Ärzte aus jedem Fachgebiet zur Stelle sein konnten, wenn es galt, einen Menschen vor bleibendem Schaden zu bewahren.

Er kannte sich in dem Gewirr der Gänge, der Stockwerke aus. Beate Reding trabte gedankenlos neben ihm her. »Wie eine Fabrik«, murmelte sie.

»Man muß aber bedenken, daß es hier um Menschen geht«, sagte Dr. Norden. »Und alle werden bestens versorgt.«

Dann waren sie im Chirurgischen Trakt angelangt. »Ich möchte Dr. Werle sprechen«, sagte Dr. Norden zu einer Schwester, die ihnen entgegenkam.

»Dritte Tür links«, erwiderte sie kurz und eilte weiter. Dann stand er mit Beate vor dieser Tür, und dann sahen sie sich einer jungen Frau gegenüber.

»Norden«, stellte sich Daniel vor, »ich wollte eigentlich Dr. Werle sprechen.«

»Und ich freue mich, endlich den vielgelobten Kollegen Norden kennenzulernen«, sagte sie lächelnd. »Karin Gebhard ist mein Name, großer Kollege.« Sie schüttelte Daniel kräftig die Hand. »Christoph, du bist gefragt«, rief sie dann.

Beate zuckte zusammen, und dann erschien ein schlanker blasser Mann.

»Hallo, Chris«, sagte Dr. Norden, »gut, daß ich mit dir zu tun habe. Das ist die Schwester von Jürgen Reding.«

Der junge Arzt neigte kurz den Kopf. Sein Gesicht blieb unbewegt.

»Sie heißen wirklich Christoph?« flüsterte Beate.

»Seit meiner Geburt«, erwiderte er. »Warum fragen Sie?«

»Weil es seltsam ist«, sagte Beate leise.

»Auf dem einen Amulett war Christopher eingraviert«, warf Karin Gebhard ein. »Oder sollte es vielleicht Christophorus heißen, Fräulein Reding?«

»Ich bitte um Verzeihung, ich bin verwirrt«, stammelte Beate. »Wie geht es meinem Bruder? Dr. Norden war so freundlich, mich zu begleiten.«

»Er lebt«, sagte Dr. Christoph Werle, »und er wird am Leben bleiben. Karin, würdest du Fräulein Reding zu dem Bett ihres Bruders bringen? Ich möchte mit meinem Kollegen Norden sprechen.«

»Kommen Sie, Fräulein Reding«, sagte Karin.

*

»Ist es schlimm, Chris?« fragte Daniel. »Sie hängt sehr an ihrem Bruder.«

»Und wer ist Christopher?« fragte Dr. Werle.

»Ihr Verlobter. Christopher Barr. Jürgen Reding wollte mit ihm eine Achttausendererstbesteigung in Nepal durchführen.«

»Die Verrückten nehmen Überhand. Ich habe dafür nichts übrig«, sagte Dr. Werle. »Immerhin wird Reding am Leben bleiben, und vielleicht können wir sogar sein Augenlicht retten. Derzeit ist er blind und taub, Daniel. Traurig, aber wahr. Und wenn er die beiden silbernen Amulette nicht in der Brusttasche gehabt hätte, könnte der Splitter auch sein Herz getroffen haben.«

»Die nüchternen Tatsachen?« fragte Dr. Norden.

»Wir haben einen toten Organ­spender Er hatte einen Ausweis bei sich. Günther Fink heißt er, hieß er, muß ich wohl sagen. Er ist tot. Aber seine Augen könnten möglicherweise Redings Augenlicht retten. Professor Schaller ist eingeschaltet. Reding wurde geblendet. Er muß unmittelbar am Tatort gewesen sein. Die Detonation, die Funken haben ihn umgeworfen, aber die anderen hat es buchstäblich zerrissen. Glück im Unglück könnte man sagen, wenn auch Reding zu helfen wäre. Das Herz von Fink wird gerade einem anderen eingepflanzt, den wir schon lange auf der Liste haben. Seine Augen könnten Reding retten.«

»Ihr müßt viel verkraften«, sagte Daniel leise.

»Ich habe es nicht anders gewollt, aber es ist immer noch besser, als auf tote Berge zu steigen und dafür seine Nerven zu riskieren und sein Leben einzusetzen. Das wird dann als Heldentat gewertet«, fügte er bitter hinzu.

»Du bist doch nicht scharf auf einen Orden, Chris«, sagte Daniel.

»So wenig wie du, aber es ist ein Jammer, wie falsch Heldentum oft verstanden wird.«

*

»Wir bringen ihn schon durch«, sagte Karin Gebhard, als sie mit Beate endlich vor einer Tür stand, die die Nummer siebzehn trug.

»Siebzehn«, sagte Beate leise. »Mein Bruder ist am siebzehnten Juli geboren.«

»Er ist älter als sie?« fragte Karin.

»Fünf Jahre«, erwiderte Beate.

»Wohin wollte er fliegen?« fragte Karin.

»Nach Nepal. Er wollte mit meinem Verlobten einen Achttausender besteigen.«

»Toll, das würde mich auch mal reizen«, sagte Karin.

Beate sah sie überrascht an. »Tatsächlich?« fragte sie tonlos.

»Warum nicht? Es fliegen ja auch Frauen in den Weltraum.«

»Ich sehe mir die Berge lieber von unten an und den Himmel auch«, sagte Beate heiser.

»Aber Sie erleben auch, daß das Schicksal uns auch auf der Erde ereilen kann«, sagte Karin. »Das Leben ist ein einziges Risiko. Furcht mindert die Freude!«

»Denkt Ihr Kollege Dr. Werle auch so?« fragte Beate.

»Der Christoph?« lachte Karin Gebhard auf. »Der ist doch ein Träumer. Der macht sich ja schon Gedanken, wie sich ein Patient mit einem fremden Herzen fühlt, dabei ist das ja auch nur ein Organ wie jedes andere. Sie sehen doch auch nicht aus, als gäben Sie sich der Illusion hin, daß im Herzen Gefühle erzeugt werden. Das Herz pumpt das Blut durch den Körper, es ist der Motor in jedem Menschen.«

»Menschen haben aber auch eine Seele«, sagte Beate leise.

Karin schwieg. Sie betraten das Krankenzimmer. Die Vorhänge waren zugezogen, eine Binde lag über Jürgens Augen.

»Er kann nicht hören und nicht sehen«, sagte Karin, »aber das bringen wir schon wieder hin. Sie können sich nicht vorstellen, was unsere Kapazitäten alles fertigbringen. Ihr Bruder hat ein starkes Herz.«

Und das ist eine Frau, dachte Beate. Fühlt sie gar nichts? Oder leugnet sie nur Gefühle, weil sie so viel Elend sieht?

Beate merkte erst, daß sie weinte, als ihre Tränen auf ihre Hände tropften. Sie wollte nichts denken, sie wollte nur hoffen, daß Jürgen gesund würde.

*

Dr. Norden holte sie dann aus dem Krankenzimmer.

»Ich bringe Sie jetzt nach Hause, Fräulein Reding«, sagte er. »Heute kann noch gar nichts entschieden werden.«

»Und was wurde konkret festgestellt?« fragte sie.

»Daß das Augenlicht Ihres Bruders möglicherweise durch eine Hornhautübertragung gerettet werden kann.«

»Und wenn das nicht möglich ist, wird Jürgen blind bleiben«, flüsterte sie.

»Sie ahnen nicht, was auf diesem Sektor alles getan werden kann«, sagte er. »Sie dürfen nicht zu schwarz sehen. Er lebt, das ist doch das wichtigste.«

»Und er wird unter anderen von einer Ärztin betreut, für die das Herz ein Organ wie jedes andere ist«, sagte Beate voller Bitterkeit. »Es transportiert Blut, sonst nichts.«

»Der Kollege Werle hat mir gesagt, daß Frau Gebhard sehr kühl ist, aber auch eine gute Ärztin. Jedenfalls wird für Ihren Bruder alles nur Mögliche getan.«

»Es fragt sich nur, ob Jürgen auch noch so denkt, wenn er nichts mehr sehen und hören kann.«

»Das Hörvermögen wird sich bald wieder einstellen. Ihr Bruder ist äußerst widerstandsfähig, Fräulein Reding. Er hat sich allen Härtetests unterzogen und sie gut durchgestanden.«

Beate schwieg eine Weile. »Sie kennen ihn, Dr. Norden, glauben Sie, daß er den Achttausender geschafft hätte?« fragte sie.