Dr. Norden Bestseller 191 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 191 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

0,0

Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Fee Norden war mit ihrem Töchterchen Anneka in die Stadt gefahren, um Winterkleidung für die Kinder zu kaufen. Sie hatte dafür den Dienstagvormittag gewählt, weil sie hoffte, dass da noch nicht so viel Betrieb sein würde. Die Buben Danny und Felix waren ohnehin nicht zu bewegen, mitzukommen und anzuprobieren, doch Anneka war inzwischen schon eine kleine Evastochter geworden und hatte auch nichts mehr dagegen, hübsche Kleidchen zu tragen. Lange zu suchen brauchte Fee nicht. Sie hatte ihr Stammgeschäft. Dort war sie bekannt und wurde auch aufmerksam bedient. Aber diesmal vermisste sie die so besonders nette Verkäuferin Frau Weber, die sie deshalb so gut kannte, weil sie in ihrer Gegend wohnte und auch schon Patientin bei Dr. Norden gewesen war. »Frau Weber ist schon den zweiten Tag nicht gekommen«, erklärte ihr die Geschäftsführerin. »Aber krank gemeldet hat sie sich noch nicht. Das sind wir gar nicht von ihr gewohnt. Ich habe angerufen, aber niemand hat sich gemeldet.« »Sie ist doch sehr zuverlässig«, meinte Fee nachdenklich. Die Freude am Einkaufen war ihr schon fast vergangen, doch da sagte Anneka: »Schau doch mal, Mami, was das für hübsche Kleidchen sind.« »Ihre Tochter hat einen guten Geschmack«, sagte die Geschäftsführerin. »Das ist die neue Kollektion von Viola Anderten. Sie macht jetzt auch Kinderkleidung.« Anderten? Irgendwie kam Fee der Name bekannt vor, aber momentan konnte sie nicht nachdenken, weil sie sich über Frau Weber Gedanken machte. »Das würde ich gernhaben, Mami«, sagte Anneka nun wie­der. »Dann probier es an«, erwiderte Fee geistesabwesend. Nun bemühte sich die Geschäftsführerin besonders. »Sie dürfen nicht denken, dass

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 132

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dr. Norden Bestseller – 191 –

Ich weiß, wofür ich lebe

Patricia Vandenberg

Fee Norden war mit ihrem Töchterchen Anneka in die Stadt gefahren, um Winterkleidung für die Kinder zu kaufen. Sie hatte dafür den Dienstagvormittag gewählt, weil sie hoffte, dass da noch nicht so viel Betrieb sein würde. Die Buben Danny und Felix waren ohnehin nicht zu bewegen, mitzukommen und anzuprobieren, doch Anneka war inzwischen schon eine kleine Evastochter geworden und hatte auch nichts mehr dagegen, hübsche Kleidchen zu tragen.

Lange zu suchen brauchte Fee nicht. Sie hatte ihr Stammgeschäft. Dort war sie bekannt und wurde auch aufmerksam bedient. Aber diesmal vermisste sie die so besonders nette Verkäuferin Frau Weber, die sie deshalb so gut kannte, weil sie in ihrer Gegend wohnte und auch schon Patientin bei Dr. Norden gewesen war.

»Frau Weber ist schon den zweiten Tag nicht gekommen«, erklärte ihr die Geschäftsführerin. »Aber krank gemeldet hat sie sich noch nicht. Das sind wir gar nicht von ihr gewohnt. Ich habe angerufen, aber niemand hat sich gemeldet.«

»Sie ist doch sehr zuverlässig«, meinte Fee nachdenklich. Die Freude am Einkaufen war ihr schon fast vergangen, doch da sagte Anneka: »Schau doch mal, Mami, was das für hübsche Kleidchen sind.«

»Ihre Tochter hat einen guten Geschmack«, sagte die Geschäftsführerin. »Das ist die neue Kollektion von Viola Anderten. Sie macht jetzt auch Kinderkleidung.«

Anderten? Irgendwie kam Fee der Name bekannt vor, aber momentan konnte sie nicht nachdenken, weil sie sich über Frau Weber Gedanken machte.

»Das würde ich gernhaben, Mami«, sagte Anneka nun wie­der.

»Dann probier es an«, erwiderte Fee geistesabwesend.

Nun bemühte sich die Geschäftsführerin besonders. »Sie dürfen nicht denken, dass Frau Weber Ärger bekommt, Frau Dr. Norden«, sagte sie. »Wir sind ehrlich besorgt. Sie lebt ja allein, und während der letzten Wochen war sie manchmal so still und blass, wie wir es gar nicht gewohnt sind.«

»Ich werde bei ihr vorbeischauen«, sagte Fee. »Sie wohnt nicht weit entfernt von der Praxis meines Mannes.«

»Wenn sie krank wäre, hätte sie sich doch wohl an Dr. Norden gewandt.«

»Ich denke schon, aber sie könnte auch einen Unfall gehabt haben«, meinte Fee. »Wegen der Sachen für meine Buben werde ich ein andermal kommen. Anneka hat sich ja schon für das Kleid entschieden.« Eigentlich hatte sie für die Kleine auch noch mehr kaufen wollen, doch die Geschäftsführerin redete nicht auf sie ein.

»Ich darf Ihnen den Katalog von den Viola-Kindermoden mitgeben, Frau Dr. Norden?«, fragte sie. »Sie können ihn sich zu Hause in aller Ruhe anschauen. Und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie etwas über Frau Weber erfahren könnten.«

»Ich hoffe, dass nichts Ernsthaftes vorliegt«, sagte Fee.

Anneka wunderte sich.

»Warum hast du nichts für die Brüder gekauft, Mami?«, fragte sie. »Du hast doch so viel aufgeschrieben.«

»Ein andermal, Schätzchen. Du kennst doch Frau Weber auch. Wir müssen jetzt mal zu ihr fahren.«

»Warum? Wenn sie nicht im Geschäft ist, kann sie doch nicht aussuchen helfen.«

»Sie könnte krank sein, und niemand kümmert sich um sie, Anneka.«

»Aber Papi würde sich doch kümmern«, sagte Anneka.

»Vielleicht ist sie so schwach, dass sie nicht anrufen kann«, erklärte Fee. Etwas anderes konnte sie sich jetzt nicht vorstellen, aber was sie dann erfuhr, regte sie schrecklich auf.

Frau Weber wohnte in einer Wohnanlage, die von einer Hausverwalterin betreut wurde. Wagenknecht hieß sie und war eine resolute Person.

Als Fee sich vorstellte und nach Frau Weber fragte, kniff sie die Augen zusammen.

»Die Polizei hat sie geholt«, sagte sie. »Warum, das weiß niemand. Eine ruhige, anständige Person, muss ich sagen, aber heutzutage ist man ja vor keiner Überraschung sicher. Gesagt hat mir ja keiner was, und die Leut’ hier, die scheren sich doch einen Dreck um die Mitmenschen. Ausgeschaut hat Frau Weber wie das Leiden Christi, als sie abgeholt wurde.«

Fee war bestürzt und aufgeregt. Sie brachte Anneka heim, ließ sie in Lennis Obhut zurück und fuhr in die Praxis.

Da riss Loni die Augen auf. Was Lenni im Privathaushalt der Nordens bedeutete, war Loni in der Praxis. dass Lenni eigentlich Gerda Kraft hieß und Loni Leonore Enderle, stand nur in ihren Ausweisen. Und wie sie zu den Nordens gekommen waren, wusste auch niemand, außer den direkt Beteiligten, denn jede von ihnen hatte Schlimmes erlebt und mit Hilfe von Daniel und Fee Norden wieder Freude am Leben gewonnen.

»Habt ihr etwas von Frau Weber gehört?«, fragte Fee.

»Von welcher Frau Weber? Wir haben drei Patientinnen dieses Namens«, erwiderte Loni.

»Wie heißt sie doch gleich mit dem Vornamen? Ich kann mich nicht erinnern«, sagte Fee. »Sie ist Verkäuferin in unserem Kinderladen.«

»Hilde Weber«, sagte Loni. »Nein, sie war nicht hier.«

»Die Polizei soll sie geholt haben«, murmelte Fee.

»Guter Gott, was soll diese Frau getan haben?«, rief Loni erschrocken aus.

»Ich weiß es nicht, Loni, aber ich muss es herausbringen. Hat sie hier mal über Angehörige gesprochen?«

Da kam Dr. Norden aus seinem Sprechzimmer. »Du hier, Fee«, sagte er überrascht. »Ist etwas passiert?«

Sie sagte es ihm überstürzt, und er runzelte leicht die Stirn. »Dieser Bursche wird doch nicht schon wieder etwas angestellt haben«, meinte er.

»Welcher Bursche?«

»Sie hat einen Pflegesohn. Ich kann dir das nicht alles mit ein paar Worten erklären. Geh zu Inspektor Heller, der kennt uns. Wir reden später darüber. Ich muss einen Patienten in die Klinik bringen. Verdacht auf Trichinose. Es ist sehr wichtig, weil auch andere befallen sein können.«

»Dir bleibt aber auch wirklich nichts erspart«, sagte Fee mitfühlend. Aber für sie war jetzt Hilde Weber noch wichtiger.

Sie suchte Inspektor Heller auf, und weil sie eben Fee Norden war, war der auch für sie zu sprechen.

»Worum geht es diesmal, gnädige Frau?«, fragte er, und sein Blick verriet, welche Bewunderung er für diese Frau empfand.

»Um Frau Hilde Weber. Ich möchte gern wissen, was man dieser Frau vorwirft.«

»Es ist kein Geheimnis, dass ihr Sohn eine Bank überfallen hat. Es stand in der Zeitung, Frau Doktor. Der Überfall war am Freitag. Der junge Mann hat immerhin vierzigtausend Euro erbeutet, und das Geld ist verschwunden.«

Fee sah ihn fassungslos an. »Sie glauben doch nicht, dass Frau Weber es hat, dass sie ihren Pflegesohn decken will. Ja, es ist ihr Pflegesohn. Ich wusste bis heute überhaupt nicht, dass sie einen hat. Ich habe es gerade erst von meinem Mann erfahren.«

»Frau Weber hüllt sich in Schweigen. Mehr kann ich Ihnen augenblicklich nicht sagen.«

»Kann ich mit ihr sprechen?«

»Derzeit nicht.«

»Hat sie einen Anwalt?«

»Sie hat keinen verlangt.«

»Sie hat damit nichts zu tun. Sie ist eine anständige Frau.«

Inspektor Heller gab sich jetzt ganz amtlich. Woher Fee Norden Frau Weber kenne, wollte er wissen. Sie erklärte es ihm. »Außerdem war sie Patientin von meinem Mann, und weil ich sie in dem Geschäft vermisste, dachte ich, sie wäre krank und wollte mich nach ihr erkundigen.«

Fee ging zur Tür. »Ich werde einen Anwalt schicken«, sagte sie ruhig.

Inspektor Heller war sichtlich nervös. »Ich habe keinen Einfluss auf diese Sache, Frau Doktor«, sagte er hastig. »Aber Frau Weber ist suizidverdächtig und wurde in die psychiatrische Klinik gebracht.«

Fee starrte ihn an. »Sie wollte Selbstmord begehen? Mein Gott, und das hat sie verdächtig gemacht?«

»Das will ich nicht sagen. Und ich kann Ihnen überhaupt nichts sagen. Der junge Weber hat eine Menge auf dem Kerbholz.«

Fee fühlte sich augenblicklich ziemlich hilflos. »Mein Mann wird sich darum kümmern«, sagte sie leise. »Und ich werde mich mit unserem Anwalt in Verbindung setzen. Ich glaube nicht, dass sich diese Frau etwas zuschulden kommen ließ.«

»Dann wird sie auch nicht angeklagt werden. Aber sie war zurzeit des Überfalls in der Bank, und sie hatte dort auch ihr Gehaltskonto. Aber mehr kann ich Ihnen wirklich nicht sagen.«

Fee ging. Sie konnte es jetzt kaum erwarten, mit ihrem Mann zu sprechen. Zu ihrer Erleichterung kam er mittags ziemlich pünktlich nach Hause. Doch in Gegenwart der Kinder konnte sie mit ihm über Frau Weber nicht sprechen.

Anneka erzählte von den hübschen Kleidern und sagte tröstend zu ihren Brüdern, dass die Mami ein andermal etwas für sie kaufen würde.

»Weil nämlich die liebe Frau Weber nicht da war«, erklärte sie.

Die Buben waren da recht desinteressiert. Sie zogen lieber ihre alten Klamotten an.

Da sich die Nebel gelichtet hatten und die Sonne wieder vom Himmel strahlte, waren sie auch gern bereit, gleich nach dem Essen im Garten zu spielen. Fee konnte mit ihrem Mann ungestört reden.

»Ein Teufelskreis«, sagte er gedankenvoll. »Sie wollte das Beste für das Kind und muss nun dafür büßen.«

»Was weißt du? Du hast darüber nie gesprochen, Daniel.«

»Sie hat sich mir anvertraut, Fee. Sie bat mich ausdrücklich, dir davon nichts zu erzählen. Sie kannte dich als Kundin, und sie lebte in der ständigen Angst, ihre Stellung zu verlieren, wenn etwas über Pauls Untaten bekannt wird. Er wohnte ja schon lange nicht mehr bei ihr.«

»Aber jetzt erzählst du mir alles«, drängte Fee.

»Ich weiß ja gar nicht viel. Ich weiß nur, dass Paul das unehelich geborene Kind ihrer Schwester war, die bei der Geburt starb. Frau Weber hat ihren Mann dann überredet, es aufzunehmen, obgleich er dagegen war. Aber da sie selbst keine Kinder bekommen konnte, war er schließlich damit einverstanden. Und da er sich dann auch recht nett entwickelte, haben sie ihn adoptiert. Die Sorgen kamen erst später, vor allem dann, als Herr Weber so plötzlich starb und sie sich eine Stellung suchen musste. Aber ich muss jetzt erst mal schauen, ob ich etwas für sie tun kann, Fee. Wir reden am Abend weiter.«

Fee fragte nichts mehr. Ihr war es auch wichtiger, dass Daniel etwas unternahm, um Frau Weber zu helfen. Sie wurde dann durch Anneka abgelenkt, die ihr den Prospekt brachte, den sie im Geschäft bekommen hatte. »Da schau, Mami, da sind auch Bubensachen drin, und die gefallen Danny und Felix sogar.«

Nun beschäftigte sich Fee damit, erst mehr, um sich abzulenken, doch plötzlich wurde ihr bewusst, woher ihr der Name Anderten bekannt war, vor allem in Verbindung mit dem Vornamen Viola, und als sie gelesen hatte, dass diese ihr Atelier im Ammerland hatte.

Viola und Ammerland, das war die Assoziation, und hinzu kam der Name Jardin. Viola Jardin, ihre Schulfreundin, die dann die Meisterschule für Mode besucht hatte. Und fast zur gleichen Zeit wie sie selbst hatte sie dann einen Dr. Anderten geheiratet. Hatte der nicht was mit der Raumfahrtforschung zu tun, überlegte Fee, aber so genau konnte sie sich doch nicht erinnern, denn von Viola hatte sie nach deren Heirat nichts mehr gehört.

Und jetzt stellte Viola Kinderkleidung her. War ihre Ehe etwa gescheitert? Oder brauchte sie dazu auch eine Selbstbestätigung? Warum hatte sie sich nicht mal gemeldet? Aber es gab ja so mancherlei Gründe, dass man sich aus den Augen verlor, ohne sich wegen irgend­etwas gram sein zu müssen.

Wenn mit Frau Weber alle klar ist, werde ich eben mal bei ihr anrufen, dachte Fee. Dann aber musste sie ihre Söhne ermahnen, dass sie auch mal an ihre Hausaufgaben denken müssten.

*

Hilde Weber hatte völlig apathisch eine lange Untersuchung über sich ergehen lassen müssen. Die Ärzte gaben sich freundlich, fast väterlich. Viele Fragen waren ihr gestellt worden, knappe, ausweichende Antworten hatte sie darauf gegeben.

Als Dr. Norden sich bei dem Kollegen nach Frau Weber erkundigte, hörte er von diesem, dass sie wohl kein Fall für den Psychiater sei, aber von schweren Gewissensbissen gequält würde, etwas bei dem Adoptivsohn versäumt zu haben, als sie nach dem Tode ihres Mannes wieder eine Stellung annehmen musste.

Es wurde Dr. Norden gestattet, mit Frau Weber zu sprechen. Sie schien es nicht glauben zu können, dass er bei ihr erschien.

»Woher wissen Sie, dass ich hier bin, Herr Dr. Norden?«, fragte sie. »Man war doch wohl so rücksichtsvoll, mich nicht namentlich zu erwähnen im Zusammenhang mit diesem Banküberfall.«

Jedenfalls schien sie wieder ganz klar denken zu können, und mit Dr. Norden konnte sie auch über manches reden, was sie sonst nicht hatte sagen wollen.

Dr. Norden hatte ihr erklärt, dass seine Frau alles ins Rollen gebracht hätte. Da waren Hilde Weber die Tränen gekommen.

»Ich wage mich ja nicht mehr ins Geschäft zurück«, flüsterte sie. »Ich werde ja sowieso entlassen werden. Aber Sie glauben doch nicht, dass ich bei dem Überfall was wusste und dass ich das Geld versteckt habe.«

»Wie konnte man überhaupt auf den Gedanken kommen, Frau Weber?«

»Ich wusste doch nicht, dass Paul so etwas vorhatte. Er kam am Donnerstag zu mir und sagte, dass er eine gute Stellung in einer Tankstelle bekommen könnte. Aber weil er schon mal vorbestraft gewesen sei, wollten sie eine Kaution von zweitausend Euro haben. Er bat mich, ihm das Geld zu leihen. Er machte einen sehr ordentlichen Eindruck und sagte mir auch, dass er bereue, mir so viel Sorgen bereitet zu haben. Ich kann ihn doch nicht vor die Hunde gehen lassen, Herr Doktor. Wenn mein Mann am Leben gewesen wäre, hätte es so weit mit ihm nicht kommen können. Da hätte ich ja nicht zu arbeiten brauchen, und er wäre nicht so viel sich selbst überlassen gewesen.«

»Es fehlt noch, dass Sie sich Vorwürfe machen, Frau Weber«, sagte Dr. Norden. »Paul war sechzehn, als Ihr Mann starb, und da fühlen sich die jungen Leute schon sehr erwachsen. Viele nehmen auch keine Rücksicht auf die Eltern, wenn es um die Verwirklichung ihrer Vorstellungen geht, wenn auch beide Eltern leben und die Mutter zu Hause ist. Erzählen Sie mir jetzt mal, was an diesem Tag geschah, damit ich Ihnen helfen kann.«

»Ich habe Paul gesagt, dass ich das Geld gegen vier Uhr von der Bank holen würde. Ich habe mir dafür extra frei genommen. Es sagte, dass halb fünf auch noch reichen würde, und dann wollte er mit mir gleich zu seinem zukünftigen Chef fahren, damit ich den kennen lernen solle. Er hätte sich einen Wagen von einem Freund geliehen. Es klang alles so vernünftig. Ich war richtig froh und voller Hoffnung, dass er nun doch den rechten Weg eingeschlagen hätte. Ich war dann auch pünktlich da und habe das Geld abgehoben, und da stand plötzlich ein vermummter Mann hinter mir und drückte mir etwas in die Rippen. Ich war wie gelähmt. Ich habe auch gar nicht begriffen, dass es Paul war. Sie müssen mir glauben, Herr Dr. Norden. Seine Stimme klang ja auch ganz anders, als er sagte, dass er mich erschießen würde, wenn er das Geld nicht bekäme. Sie haben es ihm gegeben und er sagte, dass er mich mitnehmen würde, und ich würde sterben, wenn sie die Polizei verständigen würden.

Draußen wartete ein Wagen. Ich habe vor Angst gezittert, aber als er losfuhr, hat er die Mütze vom Kopf gezogen und höhnisch gesagt, dass ich auch damit verwickelt sein würde, und ich solle gefälligst den Mund halten, dann würde ich auch was von der Beute abbekommen.

Da hat bei mir was ausgehakt. Ich muss irgendwann ohnmächtig geworden sein, und als ich zu mir kam, lag ich am Waldrand. Ich habe mich aufgerappelt und mich nach Hause geschleppt. Ich wollte Sie anrufen, aber ich hatte nicht die Kraft dazu. Ich hatte noch fünf Schlaftabletten, die habe ich geschluckt, aber es hat nicht gelangt zum Sterben. Ich habe einfach nur geschlafen, bis mich die Polizei geholt hat. Paul hatten sie schon geschnappt. Den Wagen hatte er auch gestohlen, und deshalb haben sie ihn so schnell gestellt. Nur das Geld haben sie nicht gefunden, aber mich. Denn auf der Bank hatten die Angestellten gesagt, dass Paul mich als Geisel mitgenommen hat, und die Beamten haben schnell herausgefunden, dass er mein Adoptivsohn ist.« Sie schluchzte trocken auf. »Ich hatte mir doch so ein Kind gewünscht, und Paul hat alles bekommen, was uns möglich war. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen, Herr Dr. Norden. Jetzt werde ich verdächtigt, das Geld beiseite gebracht zu haben.« Sie brach in haltloses Schluchzen aus.

»Verzagen Sie nicht, Frau Weber. Wir werden Ihnen einen guten Anwalt schicken«, sagte Dr. Norden.