Dr. Norden Bestseller 192 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 192 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Es war ein lauer Frühlingsabend. Die Dämmerung sank herab. Fee Norden rief ihre Kinder, die noch im Garten herumtollten und kein Ende finden konnten, weil es endlich wieder einmal wärmer wurde. »Kommt jetzt herein, es wird doch schon dunkel«, rief Fee zum zweiten Mal mahnend. »Schau doch, Mami, es wird schon wieder hell«, rief Anneka. »Ganz hell am Himmel«, rief nun auch Felix. »Toll«, gab Danny seinen Kommentar dazu. Fee blickte hinaus, und sie erschrak. »Feuer«, rief sie aus. »Da brennt es.« Ihr Schrecken war besonders groß, weil in dieser Richtung auch die Leitner-Klinik lag, und schon stürzte sie zum Telefon. Claudia Leitner meldete sich so rasch, als hätte sie auf den Anruf gewartet. »Reg dich nicht auf, Fee, das Sägewerk brennt, wir nicht«, sagte sie. Das Sägewerk, dachte Fee, die Marls sind vom Pech verfolgt. Frau Marl hatte erst vor drei Tagen eine schwere Operation in der Behnisch-Klinik überstehen müssen. Fee rief in der Praxis an. Da meldete sich Loni, die außer Atem schien. »Bei den Marls brennt es«, sagte Fee. »Wissen wir schon. Der Chef ist unterwegs. Es gibt ein paar Verletzte. Da werden Sie heute wieder lange warten müssen.« Das war Fee Norden gewohnt, jetzt hoffte sie vor allem, dass ihr Mann mit heiler Haut davonkommen würde. Das Sägewerk brannte lichterloh. Die Feuerwehr bemühte sich, die Flammen vom Wohnhaus fernzuhalten, da der Wind sie genau dorthin trieb. Es war ein einziges Inferno, als Dr. Norden kam. »An zwei Stellen hat es angefangen, das ist Brandstiftung«, sagte eine erregte Männerstimme. »Ich habe es genau gesehen.« »Ich auch«, rief eine Frau, doch es klang an

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Dr. Norden Bestseller – 192 –

Es gibt keinen anderen Weg

Patricia Vandenberg

Es war ein lauer Frühlingsabend. Die Dämmerung sank herab. Fee Norden rief ihre Kinder, die noch im Garten herumtollten und kein Ende finden konnten, weil es endlich wieder einmal wärmer wurde.

»Kommt jetzt herein, es wird doch schon dunkel«, rief Fee zum zweiten Mal mahnend.

»Schau doch, Mami, es wird schon wieder hell«, rief Anneka.

»Ganz hell am Himmel«, rief nun auch Felix.

»Toll«, gab Danny seinen Kommentar dazu.

Fee blickte hinaus, und sie erschrak. »Feuer«, rief sie aus. »Da brennt es.« Ihr Schrecken war besonders groß, weil in dieser Richtung auch die Leitner-Klinik lag, und schon stürzte sie zum Telefon.

Claudia Leitner meldete sich so rasch, als hätte sie auf den Anruf gewartet.

»Reg dich nicht auf, Fee, das Sägewerk brennt, wir nicht«, sagte sie.

Das Sägewerk, dachte Fee, die Marls sind vom Pech verfolgt. Frau Marl hatte erst vor drei Tagen eine schwere Operation in der Behnisch-Klinik überstehen müssen.

Fee rief in der Praxis an. Da meldete sich Loni, die außer Atem schien.

»Bei den Marls brennt es«, sagte Fee.

»Wissen wir schon. Der Chef ist unterwegs. Es gibt ein paar Verletzte. Da werden Sie heute wieder lange warten müssen.«

Das war Fee Norden gewohnt, jetzt hoffte sie vor allem, dass ihr Mann mit heiler Haut davonkommen würde.

Das Sägewerk brannte lichterloh. Die Feuerwehr bemühte sich, die Flammen vom Wohnhaus fernzuhalten, da der Wind sie genau dorthin trieb.

Es war ein einziges Inferno, als Dr. Norden kam.

»An zwei Stellen hat es angefangen, das ist Brandstiftung«, sagte eine erregte Männerstimme. »Ich habe es genau gesehen.«

»Ich auch«, rief eine Frau, doch es klang an Dr. Nordens Ohren vorbei. Er war hier, um zu helfen, wo Hilfe gebraucht wurde.

Ein zierliches Mädchen kam auf ihn zugelaufen. Schluchzend rief es: »Der Papa und mein Bruder Bobby, sie waren noch im Büro.«

»Ruhig, Marilli«, sagte Dr. Norden, »sie werden schon herausgeholt.«

Er sah jetzt, dass ein paar Gestalten aus dem Anbau gewankt kamen, in dem sich auch das Büro befand. Er kannte sich hier aus. Er schob das Mädchen, ein halbes Kind noch, zur Seite, und eilte auf die Stelle zu, wo jetzt den Verletzten erste Hilfe zuteil wurde.

Er sah Berthold Marl am Boden liegen. Seine Kleider und auch sein Haar waren versengt. Er stöhnte, aber er schlug die Augen auf, als Dr. Norden sich über ihn beugte. Dass Dr. Norden ihm eine schmerzstillende Spritze gab, schien er nicht zu spüren.

»Man will uns vernichten, Dr. Norden«, murmelte er, dann verlor er das Bewusstsein.

»Zur Behnisch-Klinik, schnellstens«, sagte Dr. Norden heiser. »Wo ist Bobby?«

»Hier bin ich«, ertönte eine zitternde Stimme. »Lebt Papa?«

Er war ein schmaler Junge von neunzehn Jahren, gewiss kein Kraftprotz, aber Dr. Norden erfuhr, wie unglaublich mutig er gehandelt hatte, als Ruhe eingekehrt war. Doch jetzt ging alles noch drunter und drüber.

Bobby sah fürchterlich aus, rauchgeschwärzt, und Brandwunden hatte er auch davongetragen. Dr. Norden versorgte ihn, so weit das hier möglich war und sagte dann, dass man ihn auch in die Behnisch-Klinik bringen solle.

»Davon werden’s sich nimmer erholen«, sagte jemand. Diesmal blickte Dr. Norden um und mitten hinein in das faltige Gesicht einer alten Frau. Aber dann sagte schon jemand: »Da wär’ auch noch der Seppi, unser Dummerl. Er hat auch was abbekommen.«

Der Seppi Mösler war schon zwanzig, aber geistig zurückgeblieben. Doch so deppert, wie er oft genannt wurde, war er nicht, wie Dr. Norden wusste. Er wurde von den Marls mit leichten Arbeiten betraut.

Seppi grinste töricht, als Dr. Norden ihn fragte, was ihm denn weh täte.

»Nix weiter, war nix mehr zu machen«, stotterte Seppi. »Alles ist hin, alles, ist ja auch nix wert. Das Haus hat’s nimmer erwischt.«

Aber da kam wieder Marilli, zitternd und schluchzend. »Was soll nur werden, Herr Doktor, was soll denn jetzt nur werden?«, flüsterte sie bebend.

»Es wird sich alles finden. Wo ist Annelore?«, fragte er.

»Bei der Mama in der Klinik. Mama geht es doch noch so schlecht.«

»Sind Burgl und Kaspar da?«, fragte er.

»Schon, aber sie packen alles zusammen was geht, falls das Haus auch noch brennt.«

»Es wird nicht brennen, Marilli«, sagte Dr. Norden tröstend. »Willst du mitkommen in die Klinik?«

Sie nickte. »Wenn Mama das erfährt, ich wag’s nicht zu denken, Herr Doktor. Es geht ihr doch noch gar nicht gut.«

*

Nein, es ging Annemarie Marl nicht gut. Ihre älteste Tochter Annelore, gerade zweiundzwanzig geworden, saß schon zwei Stunden am Bett der Mutter, als Sirenengeheul sie aufschreckte.

»Jetzt kommt der Krieg«, flüsterte Annemarie, »o nein.«

»Es kommt kein Krieg, Mama«, sagte Annelore. »Es wird ein Unfall sein.«

»Es ist die Feuerwehr«, murmelte die Kranke.

Annelore hörte es auch. Sie trat ans Fenster, auch sie sah den Feuerschein, die Richtung, und sie wusste, dass dort das Sägewerk lag. Ihr Herzschlag stockte. Kalkweiß wurde ihr reizvolles junges Gesicht.

»Bevor sie uns alles nehmen, jag ich es in die Luft«, hatte der Vater neulich im Zorn gesagt, als der Gerichtsvollzieher kam.

»Nein, das nicht«, stöhnte Annelore, »das nicht auch noch.«

»Was sagst du, Kind?«, flüsterte Annemarie.

»Du darfst dich nicht aufregen, Mama«, sagte Annelore tapfer, und dann drückte sie auf die Klingel.

Dr. Jenny Behnisch kam herbeigeeilt. Sie wusste auch schon, wo es brannte. Aber an diesem Tag war auch in der Klinik die Hölle los, und sie wussten, dass gleich noch ein paar Verletzte gebracht werden würden.

»Mama regt sich auf wegen der Feuerwehr«, murmelte Annelore.

Große Aufregung konnte für Annemarie Marl den Tod bedeuten. Dr. Jenny Behnisch verabreichte ihr eine Injektion, die sie rasch einschlafen ließ. Dann nahm sie Annelore beim Arm. »Jetzt musst du ganz tapfer sein, Annelore«, sagte sie. Sie konnte du sagen. Sie kannte das Mädchen seit der Schulzeit, als Annelore hier am Blinddarm operiert worden war, und Jenny Behnisch fühlte eine ganz besondere Zuneigung zu diesem stillen, zarten Geschöpf.

»Es brennt bei uns, ich fühle es«, sagte Annelore mit erstickter Stimme. »Der Papa.« Sie unterbrach sich hastig. »Was ist mit Papa?«

»Er wird gleich gebracht. Er scheint nicht schwer verletzt zu sein.«

Annelore blickte sie mit leeren Augen an. »Für Mama könnte es den Tod bedeuten«, schluchzte sie trocken auf.

»Sie wird es jetzt nicht erfahren. Wir sprechen noch darüber, Annelore. Ich muss runter, sie kommen schon.«

Annelore folgte ihr, und sie sah auch gleich ihren bewusstlosen Vater. Es schien, als würde sie zusammenbrechen, doch da stand plötzlich ein kräftiger junger Mann neben ihr und fing sie auf.

»Ruhig, ganz ruhig, es kommt schon alles wieder in Ordnung.«

»Jörg, du bist da. Es ist alles so schrecklich«, weinte Annelore auf.

Jörg Cremer nahm sie in die Arme. »Ich bin bei dir und bleibe bei dir, Lori«, sagte er zärtlich.

Dann schon wurde Bobby gebracht, aber er ließ sich nicht tragen. Auf schwankenden Füßen betrat er die Halle und wankte dann auf Annelore zu. Aus glasigen Augen blickte er sie an.

»Wir haben ganz umsonst gerechnet«, lallte er, »ganz umsonst, alles hin.«

»Er steht unter einem schweren Schock«, sagte er Sanitäter. »Er war mit Ihrem Vater im Büro, Fräulein Marl.«

»Und das Haus?«, fragte Annelore tonlos.

»Es ist unversehrt.«

Jörg führte Annelore zu einem Sessel. »Ich hole dir was zu trinken«, sagte er.

Aber da brachte schon Schwester Martha Wasser und Säfte Annelore zitterte wie Espenlaub. Jörg hielt ihr das Glas an die Lippen, aber sie konnte nur einen kleinen Schluck trinken.

»Es ist aus, Jörg«, murmelte sie, »jetzt ist alles aus. Geh lieber, bevor du auch noch ins Gerede kommst.«

»Was redest du da für dummes Zeug, Lori?«

»Wenn es nun Brandstiftung war?«

»Dann werden sie den Täter suchen und finden.«

Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht, aber sie brachte kein Wort über die Lippen.

*

Für Berthold Marl war es gut, dass seine Bewusstlosigkeit dann gleich in einen tiefen Schlaf überging. Er war ohnehin schon in einem desolaten Zustand gewesen, wie Dr. Norden wusste, und nun noch dieser Schock. Die Familie war seit einem Jahr wirklich vom Pech verfolgt. Zuerst war er einem Betrüger aufgesessen, dem er für eine beträchtliche Summe Holz geliefert hatte, und dann bekam er außer einer ganz geringen Anzahlung keinen Euro mehr. Das Holz war allerdings auch abtransportiert und nicht auffindbar. Dann hatte sein Lastwagenfahrer einen schweren Unfall gebaut, an dessen Folgen er gestorben war. Kosten kamen auf ihn zu, mit denen er wahrhaftig nicht rechnen konnte, und dazu setzte auch noch die Rezession ein. Nun hatte sich Annemarie Marl auch noch dieser schweren Magenoperation unterziehen müssen, nach einer Magenperforation. Noch war die Gefahr für ihr Leben nicht gebannt. Auf keinen Fall durfte sie einer Aufregung ausgesetzt werden. Aber wie sollte man es ihr verheimlichen, warum ihr Mann sie nicht besuchen konnte, warum auch Bobby sichtbare Verletzungen aufwies.

Er beruhigte sich dann wenigstens einigermaßen, als er ärztlich versorgt war und ein Beruhigungsmittel bekommen hatte und Annelore bei ihm saß.

»Es war Brandstiftung, Anne«, sagte er, »ganz bestimmt. Es ging alles so rasend schnell.«

»Sag es nicht so laut«, bat sie.

»Warum nicht?«

»Du weißt doch, was Papa gesagt hat.«

Er starrte sie an. »Denk das doch nicht, um Himmels willen. Was man im Zorn sagt, überlegt man sich letztlich doch. Außerdem saßen wir seit Stunden beisammen und haben gerechnet und immer wieder gerechnet und überlegt, wie wir aus dem Dilemma herauskommen können. Papa hatte ja auch schon mit Kienbaum gesprochen, der unter Umständen bereit ist, zu helfen.«

»Unter welchen Umständen?«, fragte Annelore bebend.

»Ich weiß es nicht genau. Papa hat nur gesagt, dass es der letzte Ausweg wäre. Aber welcher Ausweg bleibt uns jetzt?«

»Jetzt ist es wichtig, dass Mama nichts erfährt. Es geht ihr noch gar nicht gut. Sie hätte schon früher sagen müssen, dass sie Schmerzen hat. Ich weiß auch nicht, wie es weitergehen soll, Bobby. Marilli möchte so gern studieren, und sie ist doch so gescheit. Ich kann mir ja woanders eine Stellung suchen, aber was werde ich anfangs schon verdienen im Büro?«

»Irgendwie müssen wir es schaffen, Anne. Wenn wir zusammenhalten, fangen wir noch mal von vorn an.«

»Aber Mama müsste auch eine Kur machen, und wer weiß, wann Papa wieder gesund wird. Es hat ihn schlimm erwischt.«

»Lass jetzt den Kopf nicht hängen, Anne. Fahr heim und kümmere dich um Marilli. Ich bleibe hier, bis ich weiß, was mit Papa ist.«

Er gab sich mutig, dabei fielen ihm die Augen fast zu und als Annelore gegangen war, schlief er auch in dem Sessel gleich ein.

Freilich wirkte da auch die Injektion, und auch für ihn war es gut, dass sein Denken für einige Zeit ausgelöscht war.

Jörg Cremer wartete noch immer. Er war draußen herumgelaufen, aber sofort zur Stelle, als er Annelore kommen sah.

»Jetzt opferst du auch noch deine Nachtruhe«, sagte sie, und ein Zucken lief über ihr Gesicht. »Dabei musst du doch so früh raus.«

»Es ist kein Opfer, Lori.« Er hatte sie gleich Lori genannt, da die meisten Anne zu ihr sagten. Für ihn war sie etwas Besonderes. Sie kannten sich schon drei Jahre, aber ihre Freundschaft war langsam gewachsen, da Annelore ein sehr zurückhaltendes Mädchen war, und während er längst wusste, dass er sie liebte, hatte er von ihr noch keine Resonanz bekommen, nicht die, nach der er sich sehnte.

Auf der Heimfahrt fasste er Mut, ihr das zu sagen, was ihm so am Herzen lag.

»Ich habe jetzt eine gut dotierte Stellung, Lori. Mit meinem Chef komme ich bestens zurecht, und ich werde auch in absehbarer Zeit Abteilungsleiter werden. Wir können heiraten, wenn du ja sagst.«

Ein Beben durchlief sie. Wie gern hätte sie ja gesagt. »Ich kann meine Eltern jetzt doch nicht im Stich lassen, Jörg«, erwiderte sie stattdessen. »Bei uns sieht es schlimm aus. Wir stehen vor dem Ruin, du kannst es ruhig wissen. Nein, unter solchen Voraussetzungen kann ich nicht ja sagen. Ich habe dich lieb, sehr lieb, und ich bin dir dankbar, dass du dich gleich um mich gekümmert hast, aber ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.«

»Nicht verzagen, Lori. Oft sieht alles viel schlimmer aus, als es ist. Die Versicherung muss doch einspringen.«

»Das dauert ewig. So lange halten wir nicht durch. Papa kämpft schon lange gegen noch unbekannte Widersacher an. Wir wissen nicht, was sie im Schilde führen, aber unser Sägewerk muss jemand ein Dorn im Auge sein. Der Ort ist gewachsen. Viele einflussreiche Leute sind hierhergezogen, die schon ein Sägewerk als Industrie bezeichnen. Mir kommen da manchmal ganz dumme Gedanken.«

»Sprich dich doch aus.«

»Das kann ich nicht. Ich habe keine konkreten Beweise, Papa auch nicht. Wir sind nicht reich. Wir können solche Durststrecken nicht überdauern.«

»Ich werde mich mal umhören, Lori«, sagte er beruhigend.

»Du wirst auch nichts erreichen, Jörg.«

»Ich vielleicht nicht, aber mein Chef. Er ist ein Mann, der großen Einfluss hat. Ich halte sehr viel von ihm.«

»Papa hat leider auch von manchen Menschen zu viel gehalten«, sagte Annelore leise.

»Ich bin realistischer, Kleines. Nichts gegen deinen Vater. Er ist ein ehrenwerter Mann, aber dieser harten Konkurrenz, die wir jetzt haben, nicht gewachsen. Sei mir nicht böse, wenn ich das sage, aber einen Familienbetrieb kann man heute eben nur halten, wenn viel Kapital dahintersteht.«

»Wir hatten viel Pech, Jörg«, flüsterte sie.

»Das weiß ich.«

Sie waren nun am Ziel. Die Feuerwehr war immer noch am Werk. Scheinwerfer beleuchteten die Unglücksstelle. Es sah gespenstisch aus. Das Wohnhaus war hell erleuchtet. Seppi schlich dort herum. Als er Annelore und Jörg sah, zuckte er zusammen.

»Alles hin, alles hin«, murmelte er. »Kann nichts mehr tun.«

»Geh nach Hause, Seppi«, sagte Annelore müde. »Und du fährst jetzt auch heim, Jörg. Ich muss mich um Marilli kümmern.«

»Ich komme morgen Abend vorbei, Lori. Versuch zu schlafen.«

Daraus wurde allerdings nicht viel. Marilli saß mit verweintem Gesicht in der Küche bei Burgl und Kaspar, die völlig versteinert wirkten.

»Wenn nur der Herr wieder gesund wird und es der Frau nicht schadet«, murmelte Burgl.

»Mama darf es nicht erfahren«, sagte Annelore leise. »Es geht ihr nicht gut.«

»Alles kommt zusammen«, flüsterte Marilli. »Was ist mit Papa?«

»Er ist gut versorgt. Bobby bleibt noch bei ihm«, erwiderte Annelore. »Morgen werden wir weitersehen. Irgendwie muss es weitergehen.«

»Der Teufel steckt dahinter«, brummte Kaspar.

*

Wer kann es getan haben, überlegte Bobby, als er am Bett seines Vaters saß. Aber alles Grübeln nutzte nichts, es machte ihn nur noch müder, und dann fielen ihm auch schon die Augen zu. Dr. Behnisch sorgte dafür, dass er auf ein Notbett gelegt wurde. Bobby merkte davon nichts mehr. Er schlief den Schlaf tiefster Erschöpfung.

Dr. Norden stärkte sich indessen schon in seinem behaglichen Heim mit einem heißen Tee, dem Fee einen guten Schuss Rum zugegeben hatte.

»Wer könnte es gewesen sein, wenn es Brandstiftung war?«, fragte Fee nachdenklich.

»Wenn man das wüsste, aber es war Brandstiftung. Zur gleichen Zeit bricht ein Feuer nicht an zwei entgegengesetzten Stellen aus. Marl und Bobby waren im Büro, das steht fest.«

»Du wirst doch keinen von den beiden verdächtigen, Daniel«, sagte Fee erschrocken.

»Weißt du, Feelein, in der Verzweiflung kommt es manchmal doch zu einer Kurzschlusshandlung, aber ich glaube jetzt nicht mehr, dass Marl mit seinen Vermutungen, dass ein Kesseltreiben gegen ihn im Gange sei, so Unrecht hatte, obgleich ich mir schlecht vorstellen kann, dass ein so gutmütiger Mann Feinde haben kann.«

»Das Sägewerk war manchen ein Dorn im Auge«, meinte Fee.

»Immerhin stand es bereits, bevor diese Häuser dort gebaut wurden, und die Käufer wussten davon. Sie konnten es ja sehen.«

»Vielleicht wurde ihnen gesagt, dass es bald verschwinden würde.«

Daniel sah sie bestürzt an. »Aber so verrückt kann doch von diesen Anliegern niemand sein, es anzuzünden, weil es eben nicht verschwunden ist.«

»Es könnte ja auch jemand gewesen sein, dem es nicht gefiel, dass Marl nicht verkaufen wollte.«

»Was du alles denkst, Fee.«

»Es braucht ja nicht zu stimmen, aber man hat in letzter Zeit ja so manches gemunkelt. Das weißt du auch.«

»Nun, es wird untersucht werden, und hoffentlich wird der Schuldige bald gefunden«, sagte Daniel, »aber ich glaube nicht, dass Marl solch Durchstehvermögen hat, noch mal aufzubauen.«

»Soll er sich mit fünfzig Jahren zur Ruhe setzen?«