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Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Erhitzt und atemlos betrat Jessica Marten Dr. Nordens Praxis. »Entschuldigung, ich habe mich verspätet, Loni«, sagte sie mit rauher Stimme. »Macht doch nichts. Wir haben immer noch zu tun«, erwiderte Loni. »Sie sollten nicht so hasten, Jessica. Was macht der Hals?« »Geht schon besser. Ist noch jemand im Wartezimmer?« »Ein netter junger Mann. Er ist auch erkältet«, lächelte Loni. Auf Jessica wartete allerdings eine Überraschung, als sie das Wartezimmer betrat. Der junge Mann sprang auf und starrte sie an. »Du, Jessi?« rief er aus. »Welch ein Zufall!« »Ich bin baff«, staunte sie. »Ich denke, du bist in Afrika, Nico?« »Bin auf Urlaub. Mein Großvater ist gestorben«, erwiderte er. »Oh, das tut mir leid.« Jessica wußte nichts anderes zu sagen. Sie hatte auch gar nicht gewußt, daß Nico Al-brecht noch einen Großvater hatte. Ihr war nur bekannt, daß er mit seiner Mutter in recht bescheidenen Verhältnissen gelebt und sich sein Studium erarbeitet hatte. Sie selbst hatte bei Nico Nachhilfestunden in Physik und Chemie genommen und als Fünfzehnjährige sehr viel davon profitiert. Seither waren vier Jahre vergangen. »Hast du dein Abi geschafft?« erkundigte er sich. »Ganz prima sogar. Und zu dir müßte ich jetzt wohl Herr Doktor sagen.« »Ach was, ich freue mich, daß wir uns mal wiedersehen, Jessi. Was fehlt dir?« »Ich hatte eine Halsentzündung, und was fehlt dir?« »Grippe. Der Klimawechsel ist mir nicht bekommen.« »Und so sehen wir uns bei unserem guten Dr. Norden wieder, der mir damals auch den excellenten Nachhilfelehrer vermittelt hat. Es wird dich sicher freuen, daß ich Physik mit einer glatten Zwei abgelegt habe.« »Fein, und wie war es mit
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Erhitzt und atemlos betrat Jessica Marten Dr. Nordens Praxis.
»Entschuldigung, ich habe mich verspätet, Loni«, sagte sie mit rauher Stimme.
»Macht doch nichts. Wir haben immer noch zu tun«, erwiderte Loni. »Sie sollten nicht so hasten, Jessica. Was macht der Hals?«
»Geht schon besser. Ist noch jemand im Wartezimmer?«
»Ein netter junger Mann. Er ist auch erkältet«, lächelte Loni.
Auf Jessica wartete allerdings eine Überraschung, als sie das Wartezimmer betrat. Der junge Mann sprang auf und starrte sie an. »Du, Jessi?« rief er aus. »Welch ein Zufall!«
»Ich bin baff«, staunte sie. »Ich denke, du bist in Afrika, Nico?«
»Bin auf Urlaub. Mein Großvater ist gestorben«, erwiderte er.
»Oh, das tut mir leid.« Jessica wußte nichts anderes zu sagen. Sie hatte auch gar nicht gewußt, daß Nico Al-brecht noch einen Großvater hatte. Ihr war nur bekannt, daß er mit seiner Mutter in recht bescheidenen Verhältnissen gelebt und sich sein Studium erarbeitet hatte. Sie selbst hatte bei Nico Nachhilfestunden in Physik und Chemie genommen und als Fünfzehnjährige sehr viel davon profitiert. Seither waren vier Jahre vergangen.
»Hast du dein Abi geschafft?« erkundigte er sich.
»Ganz prima sogar. Und zu dir müßte ich jetzt wohl Herr Doktor sagen.«
»Ach was, ich freue mich, daß wir uns mal wiedersehen, Jessi. Was fehlt dir?«
»Ich hatte eine Halsentzündung, und was fehlt dir?«
»Grippe. Der Klimawechsel ist mir nicht bekommen.«
»Und so sehen wir uns bei unserem guten Dr. Norden wieder, der mir damals auch den excellenten Nachhilfelehrer vermittelt hat. Es wird dich sicher freuen, daß ich Physik mit einer glatten Zwei abgelegt habe.«
»Fein, und wie war es mit Chemie?«
»Na ja, da hat es nur zu einem Dreier gereicht, aber den konnte ich mit mehreren Einsern in den Sprachen ausgleichen.«
»Und was machst du nun?«
»Ich studiere Zeitungswissenschaften.«
»Dr. Albrecht, bitte«, ertönte Lonis Stimme.
»Ich warte auf dich«, sagte Nico.
Zehn Minuten konnte sich Jessica ihren Gedanken hingeben. Der ernsthafte junge Student war ihr damals ein guter Freund geworden. Er war sechs Jahre älter als sie. An Flirts waren sie beide nicht interessiert, aber mit fünfzehn Jahren hatte sie auch noch nicht ans Flirten gedacht. Sie war ehrgeizig gewesen. Sie wollte zu den Besten ihrer Klasse gehören. Und für Nico war es ungeheuer wichtig, sein Studium so rasch und so gut wie möglich hinter sich zu bringen, um seiner Mutter, an der er mit großer Liebe hing, das Leben zu erleichtern.
Gesprochen hatte er über seine Familienverhältnisse nie. Er war sehr zurückhaltend, ja verschlossen. Er war auch immer voller Hemmungen gewesen, wenn er das komfortable Haus betrat, in dem Jessica mit ihrer Mutter lebte. Auch sie hatte keinen Vater mehr, aber er hatte seiner Frau und der einzigen Tochter ein beträchtliches Vermögen hinterlassen.
Vielleicht hatte es ihn auch besonders gehemmt, daß Susanne Marten ihn generös bezahlt hatte für die Nachhilfestunden, doppelt so hoch, wie er eigentlich verlangte, wenngleich sie das in ihrer liebenswürdig lässigen Art tat.
»Jetzt sind Sie an der Reihe, Jessica«, ertönte Lonis Stimme.
Jessica schrak zusammen. Gerade war ihr nämlich in den Sinn gekommen, daß ihre Mutter damals einmal bemerkt hatte, wie schade es doch sei, daß Nico aus so kleinen Verhältnissen stamme, da er doch ein recht interessanter Typ sei.
Geistesabwesend betrat sie das Sprechzimmer. »Ist Nico doch schon gegangen?« fragte sie.
»Nein, er bekommt noch eine Spritze«, erwiderte Dr. Norden. »War das nicht eine hübsche Überraschung, Jessica?«
»Ja, es hat mich gefreut. Er sagte mir, daß sein Großvater gestorben ist.«
»Er ist gestern beerdigt worden, im Allgäu. Nun machen Sie mal schön den Mund auf, damit ich sehen kann, was die Mandeln machen.«
»Es tut nicht mehr weh«, sagte Jessica. »Ich würde gern zum Skifahren gehen, solange noch Semesterferien sind.«
»Damit würde ich noch ein paar Tage warten. Man sollte sich bei solchen Infekten nicht zu sehr anstrengen. Wollten Sie mit der Mama fahren?«
Ein spöttisches Lächeln kräuselte Jessicas Lippen. »Mama fährt doch mit Mr. Joe in die Schweiz. Der zweite Frühling ist ausgebrochen.« Ihr reizvolles Gesicht verdüsterte sich. »Ich kann dieses Mannsbild nicht ausstehen, Dr. Norden.«
Der Arzt deutete das als eifersüchtige Regung. Acht Jahre, seit dem Tode ihres Vaters, hatte Jessica nur ihre immer noch sehr attraktive Mutter gehabt, war ganz auf sie fixiert gewesen.
»Ich kenne ihn nicht«, sagte er. »Ich kann mir da kein Urteil erlauben, Jessica.«
»Mama wird Federn lassen«, sagte Jessica, und flammende Empörung brannte in ihren Augen. »Aber auf mich hört sie ja nicht.«
Dr. Norden lächelte nachsichtig. »Man hegt manchmal Vorurteile, Jessica«, sagte er.
»Sie würden ihn auch nicht mögen«, erwiderte sie. »Das weiß ich, und außerdem ist er fünf Jahre jünger als Mama. Aber das ist schließlich nicht mein Bier«, fügte sie trotzig hinzu.
Nachdenklich blickte Dr. Norden ihr nach, aber als sie dann mit Nico Albrecht die Praxis verließ, lächelte er.
»Alte Freundschaft rostet nicht, Loni«, sagte er.
»Jessica ist erwachsen geworden«, sagte Loni, »und er ist nicht mehr der arme Student.«
»Aber er hat eine Mutter, die für ihn der wichtigste Mensch auf der Welt ist.«
»So glücklich ist Frau Albrecht darüber nicht«, sagte Loni leise.
*
Damit hatte Loni den Nagel auf den Kopf getroffen. Teresa Albrecht hatte für ihren Sohn zwar jedes Opfer auf sich genommen, aber sie war nicht zu jenen Müttern zu zählen, die dafür ewigen Dank fordern wollten. Sie gehörte zu jenen Frauen, die von dem Mann, dem ihre ganze Liebe gehört hatte, im Stich gelassen wurde, als sie ein Kind erwartete. Und weil sie dieses Kind dennoch behalten wollte, hatte sich ihr Vater von ihr abgewandt.
Am gestrigen Tag hatte sie mit Nico an seinem Grab gestanden, nachdem sie ihn sechsundzwanzig Jahre nicht mehr gesehen, nichts von ihm gehört hatte, bis kurz vor seinem Tode.
Da hatte er sie auf seinem Sterbelager zu sich rufen lassen. Nur zögernd war sie diesem Ruf gefolgt, weil er nicht geduldet hatte, daß sie zur Beerdigung der Mutter gekommen war, die schon vor sechs Jahren gestorben war und die ihr heimlich immer wieder für Nico etwas Geld geschickt hatte, die ihr auch gute Worte geschrieben hatte, daß es nicht ihr Wille gewesen sei, alle Brücken abzubrechen.
Teresa Albrecht war stolz auf ihren Sohn. Immer hatte sie nur an ihn gedacht, und als sie dann von ihrem sterbenden Vater hörte, daß er sie lobte, dieses uneheliche Kind zu einem so tüchtigen Mann erzogen zu haben, hatte sie ihre innere Ruhe wiedergefunden.
Alles war nicht auszulöschen, was zwischen damals und heute geschehen war, aber sie war eine Frau, die gearbeitet und gekämpft hatte, damit ihr Sohn sich im Leben behaupten konnte.
Sie hatte nicht um Hilfe gebettelt und nur ihr zuliebe war Nico dann gekommen, um an der Beerdigung des Großvaters, den er nie kennengelernt hatte, teilzunehmen.
Sie saß jetzt in ihrer kleinen, bescheidenen Wohnung, in die sie mit Nico gleich nach der Beerdigung zurückgekehrt war, und hielt das Schreiben des Notars in der Hand, daß die Testamentseröffnung am 31. Januar stattfinden würde, eine Woche nach der Beerdigung, wie es Korbinian Albrecht in seinem Testament bestimmt hatte.
Sie wartete auf Nico und sorgte sich, weil er so lange nicht kam.
Nico saß indessen mit Jessica in einem kleinen Café. »Gehst du wieder nach Afrika?« fragte Jessica.
»Ich weiß noch nicht«, erwiderte er zögernd.
»Hat es dir gefallen?«
»Es war sehr interessant.«
»Lorbeeren erntet man da wohl nicht«, sagte sie leichthin.
»Kommt es darauf an?« fragte er irritiert. »Ich habe viel dazugelernt.«
»Du wirst bestimmt mal eine Leuchte der Wissenschaft«, sagte sie.
»Mir würde es schon genügen, wenn ich eine ausbaufähige Stellung bekäme, aber so einfach ist das auch nicht.«
»Muß man dazu auch Beziehungen haben? Schade, daß mein Vater nicht mehr lebt, der hatte überall einflußreiche Freunde sitzen.«
»Ich möchte eigentlich ohne Protektion weiterkommen, Jessi«, sagte er.
Eine kleine Pause trat ein. »Wie geht es deiner Mutter?« fragte Jessica ablenkend.
»Wir sind ganz zufrieden. Jedenfalls geht es uns schon besser als früher. Und wie geht es deiner Mutter?«
Jessica machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie hat einen jungen Freund und genießt das Leben«, sagte sie spöttisch. »Ich werde mich selbständig machen.«
»Aber zwischen euch herrschte doch ein inniges Verhältnis«, sagte Nico bestürzt.
»Bis vor sechs Monaten. Jetzt will sie anscheinend alles nachholen, was sie versäumt hat. Reden wir nicht davon. Mir kommt die Galle hoch.«
Sie war impulsiv wie früher, und sie war immer geradeheraus gewesen. Das hatte ihm an dem sonst so verwöhnten Mädchen gefallen. Aber was sie nun sagte, gefiel ihm weniger.
»Schließlich habe ich mein eigenes Erbteil und kann damit machen, was ich will. Und wenn meine liebe Mama gar wieder heiraten sollte, dann muß sie mir auch die Hälfte vom Haus und Grundstück auszahlen. Ich werde nicht zuschauen, wie sie sich von diesem Dandy ausnehmen läßt.«
»Du lehnst ihn ab?«
»Und wie, und du würdest mir rechtgeben. Du bestimmt. Du würdest dich nicht in ein gemachtes Nest setzen.« Sie sah ihn offen an. »Ich habe großen Respekt vor dir, Nico, aber wahrscheinlich bringen nur die Leistungen, die in der Kindheit nicht verwöhnt worden sind.«
Er blickte sie nachdenklich an. »Ich bin mit Liebe und Verständnis verwöhnt worden, Jessi«, sagte er leise. »Das bedeutet mehr als Geld, und das verbindet wohl auch mehr.«
Sie senkte beschämt den Blick. »Ich habe mich mal wieder falsch ausgedrückt«, murmelte sie. »Nimm es mir bitte nicht übel. Aber bei Mama lockt doch nur das Geld, das hinter ihr steht.«
»Siehst du das nicht ein bißchen zu kraß? Sie ist eine attraktive Frau und doch auch noch jung.«
»Sie ist einundvierzig, und da sind manche Frauen schon Großmütter. Mir wäre es eine Genugtuung, wenn ich ihr jetzt ein Baby präsentieren könnte, wenn ich nur den richtigen Mann dazu fände.«
»Guter Gott, was bist du immer noch für ein Trotzkopf«, stellte er fest. »Sei doch ein bißchen toleranter. Denkst du nicht, daß deine Mutter auch noch ein Recht auf ein Eigenleben hat?«
In ihren Augen blitzte es auf. »Hat sich deine Mutter dieses Recht genommen?« fragte sie heftig.
»Sie ist einmal sehr enttäuscht worden, Jessi. Ich bin ein uneheliches Kind, du kannst es ruhig wissen.«
Sie wurde rot. »Das wußte ich nicht, aber was macht das schon? So engstirnig ist man ja nicht mehr. Ich bin nicht versessen darauf, zu heiraten, aber ein Kind möchte ich schon gern haben. Ich wäre gespannt, was Mama dann sagen würde.«
»Jetzt will ich dir mal etwas sagen, Jessi. Du bist noch ein rechter Kindskopf. Versuch lieber, mit deiner Mutter klarzukommen. Vielleicht kannst du sie vor einer möglichen falschen Entscheidung bewahren, wenn du ihr offen sagst, was dir an diesem Mann nicht gefällt.«
»Das ist vergebliche Mühe. Sie schwebt im siebenten Himmel und ist blind und taub.«
Nico wollte das nicht für bare Münze nehmen und ahnte nicht, daß Jessica den richtigen Instinkt hatte. Er dachte an Susanne Marten voller Bewunderung und konnte verstehen, daß sich auch ein jüngerer Mann in sie verliebte. Er hatte damals insgeheim auch für sie geschwärmt.
*
Und Susanne Marten war noch immer eine schöne Frau, obgleich sie seit Tagen blaß und nervös wirkte.
Jessica sah darüber hinweg, als sie heimkam. Sie war froh, daß Joe Spencer nicht anwesend war.
»Hatte Dr. Norden so viel zu tun?« fragte Susanne, da es bereits acht Uhr war.
»Ich habe Nico bei ihm getroffen. Er ist aus Afrika zurück«, verkündete Jessica. »Wir haben uns noch eine Weile unterhalten.«
»Wie geht es ihm?« erkundigte sich Susanne interessiert.
»Anscheinend nicht schlecht. Sein Großvater ist gestorben, deshalb kam er vorzeitig zurück.«
»Ich wußte nicht, daß er außer seiner Mutter andere Angehörige hat.«
Jessicas Augen verengten sich. »Er ist unehelich, das hat die Familie auseinandergebracht. Du würdest mich wahrscheinlich auch fallenlassen, wenn ich mit einem Kind daherkäme«, sagte sie aggressiv.
»Sag doch nicht so was!«
»Deinem lieben Joe würde es bestimmt nicht passen, wenn du Großmutter würdest«, stichelte Jessica weiter. Es bereitete ihr Genugtuung, ihre Mutter in Rage zu bringen, und an Temperament mangelte es Susanne auch nicht.
»Laß Joe aus dem Spiel, und laß diese Albernheiten«, fuhr Susanne ihre Tochter wütend an. »Du benimmst dich kindisch.«
»Du benimmst dich kindisch«, fauchte Jessica. »Ich sage es dir noch mal: Ich kann diesen Kerl nicht leiden, und ich sage dir auch, daß du ganz gehörig eins auf den Deckel kriegen wirst, aber mir soll das egal sein. Ich fahre morgen weg.«
»Wohin?«
»Zum Skifahren.«
»Mit wem?«
»Ich bin volljährig und dir keine Rechenschaft mehr schuldig. Du fährst ja auch mit deinem Joe weg.«
»Du hättest mitkommen können.«
»Das hätte mir gerade noch gefehlt. Hoffentlich geht dir bald ein Licht auf, aber das wird eine Stalllaterne sein müssen, damit du klar siehst.«
»Du kommst dir wohl mächtig erwachsen vor«, sagte Susanne gereizt. »Paß du nur auf, daß du nicht auf die Nase fällst. Ich lasse mich nicht provozieren. Ich bin ein bißchen älter als du.«
»Alter schützt vor Torheit nicht«, sagte Jessica sarkastisch.
Es wehte eine eisige Luft durch den Raum, und Susanne war tief getroffen. Ihre Stimme bebte, als sie sagte: »Wir haben uns doch immer so gut verstanden, Jessi, warum sollte es jetzt anders sein? Ich habe zehn Jahre mit dir allein gelebt, und du hast nichts zu entbehren brauchen.«
»Vielleicht wäre es besser, Papa hätte nicht so viel Geld hinterlassen, dann wärest du für so einen Joe Spencer nämlich nicht interessant, Mama!«
Ein dumpfes Gefühl lähmte Susanne. Hatte Jessica nicht vielleicht doch recht? Sie wehrte sich gegen das Mißtrauen, das nun wie ein Stachel in sie hineingetrieben war. Warum ließ Joe seit Tagen nichts von sich hören? Was war mit dem lukrativen Geschäft, das er ihr versprochen hatte, für das sie ihm eine große Summe gegeben hatte?
Jessica hatte den Wohnraum verlassen. Wenige Minuten später läutete das Telefon.
»Endlich, Joe«, sagte Susanne erleichtert, »wo steckst du?«
Ein Klicken war in der Leitung, aber Susanne achtete nicht darauf. Sie ahnte nicht, daß Jessica mithörte.
Er sei noch in London, alles würde sich etwas verzögern, sagte er.
Er müsse noch Aktien verkaufen, um das Geschäft unter Dach und Fach zu bringen.
»Wird es klappen, Joe?« fragte Susanne. »Mehr Geld kann ich zur Zeit nicht aufbringen.«
»Natürlich klappt es«, erwiderte er. »Am besten wird es sein, wir treffen uns gleich in Gstaad, Susan. Kann du Freitag dort sein?«
»Ja, es geht. Jessica fährt morgen weg.«
»Um so besser. Ich möchte gern mal allein mit dir sein.«
Das kannst du haben, dachte Jessica grimmig. Dann kann ich nicht aufpassen, wie Mama die Rechnungen bezahlt. Sie hatte das ein paar Mal erlebt, denn immer, wenn sie mal mit zum Essen gegangen war, hatte er sie in Restaurants geführt, in denen er mit seiner Kreditkarte nicht bezahlen konnte, und wenn er sich darüber empört zeigte, hatte die Mama ihr Portemonnaie gezückt.
In seinen Kreisen sei man es nicht gewohnt, bar zu bezahlen, hatte er anzüglich betont.
Man konnte es Jessica nachsagen, daß sie bockig, aggressiv und impulsiv sei, aber auf den Kopf gefallen war sie nicht, und sie hatte ihrer Mutter Vorhaltungen zu Genüge gemacht.
Na schön, dachte sie jetzt, wenn du es nicht anders willst, Mama, dann wirst du halt Lehrgeld bezahlen müssen. Sie packte ihre Koffer.
Susanne kam zu ihr ins Zimmer. »Laß uns doch mal ruhig reden, Jessi«, sagte sie. »Du wirst schon noch einsehen müssen, daß du Joe Unrecht tust. Ich möchte nicht, daß zwischen uns eine Mauer wächst.«
Jessica richtete sich auf. »Wenn du ihn heiratest, wird die Mauer unüberwindlich, Mama«, sagte sie eisig. »Und eins möchte ich heute auch sagen. Dann verlange ich, daß du mich auszahlst. Die Hälfte des Hauses gehört mir. Ich beanspruche das Geld sofort, wenn du Frau Spencer wirst. Aber nach seinem Auftreten wird er ja so viel Geld haben, um es auf den Tisch zu legen«, fügte sie sarkastisch hinzu.
Alle Farbe war aus Susannes Gesicht gewichen. »Du gönnst ihn mir nicht«, stieß sie hervor. »Vielleicht hat er dir auch gefallen, und…«
»Jetzt ist es aber genug!« schrie Jessica. »Du hast ja den Verstand verloren.« Sie klappte den Koffer zu. »Jetzt habe ich die Nase restlos voll. Ich verschwinde sofort. Es ist schlimm, Mama, schlimm für dich in erster Linie. Ich habe ja mein eigenes Geld.«
»Ich bin ab Freitag in Gstaad«, sagte Susanne. »Du weißt wo du mich erreichen kannst, wenn du zur Vernunft gekommen bist.«