Dr. Norden Bestseller 195 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 195 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Seit sechs Wochen kam Renate Winkler jeden Tag in die Behnisch-Klinik, um ihren Mann zu besuchen. Manchmal kam sie auch zweimal. Man sah sie gern. Sie war eine freundliche und auch rücksichtsvolle Frau, eine wirkliche Dame, wie Schwester Martha sagte, und wenn sie so etwas kundtat, war es ein großes Kompliment. Max Winkler hatte seiner Frau einen gewaltigen Schrecken eingejagt, als er aus heiterem Himmel einen Herzinfarkt bekam. Und auch ihr Hausarzt Dr. Daniel Norden hatte es zuerst gar nicht fassen wollen, dass es auch diesen kernigen, sportlichen Mann erwischen konnte. Beim Skilanglauf war es passiert, und nicht etwa bei einem Wettbewerb, an dem er auch so manches Mal schon teilgenommen hatte, sondern bei einem recht gemütlichen Familienausflug, an dem auch Renate und die beiden schon erwachsenen Kinder Götz und Julia teilnahmen. Es hatte fröhlich angefangen. Die Loipe begann nicht weit entfernt von ihrem Haus, und ihr Ziel sollte das Jagdschlössl sein, wo sie sich dann mit einem deftigen Essen stärken wollten. So weit waren sie aber gar nicht gekommen. Es ging da hügelan, und plötzlich fiel Max Winkler wie vom Blitz getroffen zu Boden. Zuerst hatte Götz, der hinter ihm lief, gedacht, dass er ausgerutscht wäre, aber dann kam für ihn, für Renate und Julia der Schock, denn Max rang mühsam nach Luft und konnte nicht mehr sprechen. Die Angst um ihren Mäxi hatte Renate die Kraft gegeben, ihn durch Mund zu Mund-Beatmung am Leben zu halten, während Götz zum Jagdschlössl rannte, schon ahnend, dass es ein Wettlauf mit dem Tod sein

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Dr. Norden Bestseller – 195 –

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Patricia Vandenberg

Seit sechs Wochen kam Renate Winkler jeden Tag in die Behnisch-Klinik, um ihren Mann zu besuchen. Manchmal kam sie auch zweimal. Man sah sie gern. Sie war eine freundliche und auch rücksichtsvolle Frau, eine wirkliche Dame, wie Schwester Martha sagte, und wenn sie so etwas kundtat, war es ein großes Kompliment.

Max Winkler hatte seiner Frau einen gewaltigen Schrecken eingejagt, als er aus heiterem Himmel einen Herzinfarkt bekam. Und auch ihr Hausarzt Dr. Daniel Norden hatte es zuerst gar nicht fassen wollen, dass es auch diesen kernigen, sportlichen Mann erwischen konnte. Beim Skilanglauf war es passiert, und nicht etwa bei einem Wettbewerb, an dem er auch so manches Mal schon teilgenommen hatte, sondern bei einem recht gemütlichen Familienausflug, an dem auch Renate und die beiden schon erwachsenen Kinder Götz und Julia teilnahmen.

Es hatte fröhlich angefangen. Die Loipe begann nicht weit entfernt von ihrem Haus, und ihr Ziel sollte das Jagdschlössl sein, wo sie sich dann mit einem deftigen Essen stärken wollten. So weit waren sie aber gar nicht gekommen. Es ging da hügelan, und plötzlich fiel Max Winkler wie vom Blitz getroffen zu Boden. Zuerst hatte Götz, der hinter ihm lief, gedacht, dass er ausgerutscht wäre, aber dann kam für ihn, für Renate und Julia der Schock, denn Max rang mühsam nach Luft und konnte nicht mehr sprechen.

Die Angst um ihren Mäxi hatte Renate die Kraft gegeben, ihn durch Mund zu Mund-Beatmung am Leben zu halten, während Götz zum Jagdschlössl rannte, schon ahnend, dass es ein Wettlauf mit dem Tod sein könnte. Und er hatte Glück im Unglück, denn Dr. Norden war dort mit seiner Familie auch zum Essen eingetroffen.

Keine unnütze Sekunde verstrich. Der Notarztwagen wurde herbeigerufen. Dr. Norden war schon bei dem Patienten, als der Wagen eintraf. Mit allen Vorsichtsmaßnahmen wurde Max Winkler auf die Trage gebettet und eilends zur Behnisch-Klinik gebracht.

Den Ärzten war es gelungen, sein Leben zu retten, wenngleich Tage zwischen Hangen und Bangen vergingen. Aber auch Max Winklers ungeheurer Lebenswille half mit, zur Genesung beizutragen.

Nun war die Gefahr gebannt, aber Dr. Norden und Dr. Behnisch hatten es Renate eindringlichst gesagt, dass ihr Mann sich einer längeren Kur unterziehen müsse.

Das musste sie ihm beibringen. Auf sie, auf ihr Bitten, hörte er am ehesten.

Renate hatte, wie schon oft, auch an diesem Tag selbstgebackenen Kuchen für die Schwestern mitgebracht und auch ein Pfund Kaffee. Sie machte keine großen Worte, sie wollte auch keine Dankesbezeugungen. Sie stellte einfach alles ins Schwesternzimmer und ging dann schnell zu ihrem Mann.

Finanzielle Sorgen kannten die Winklers nicht. Es ging ihnen gut, sogar sehr gut, aber sie waren mit den Füßen auf dem Boden geblieben, sie lebten solide, gutbürgerlich, wie sie es beide aus ihren Elternhäusern gewohnt waren. Und so wären auch ihre Kinder erzogen worden.

Max Winkler hatte einige Kilo verloren, und sein markantes Gesicht war noch von der Krankheit gezeichnet, aber die alte Energie kam schon wieder zurück.

»Wird Zeit, dass ich mich wieder um den Betrieb kümmere«, sagte er, als sich Renate zu ihm gesetzt hatte.

»Das wirst du vorerst noch bleiben lassen«, erklärte sie ruhig. »Wir fahren zur Kur auf die Insel der Hoffnung, und Widerspruch dulde ich nicht.«

»Und die Kinder sollen allein wirtschaften?«, fragte er.

»Die Kinder sind erwachsen, wenn ich dich daran erinnern darf, Mäxi. Götz hat seine Sache im Betrieb gut gemacht.«

»Die Semesterferien sind aber bald zu Ende«, sagte Max, »dann muss er sich aufs Examen vorbereiten.«

»Er schafft das schon. Er kann ruhig ein Semester aussetzen, und Julchen tut es auch ganz gut, wenn sie sich dem Haushalt widmet, anstatt in den Tag hineinzuträumen.«

Max fühlte sich sofort veranlasst, seine Tochter in Schutz zu nehmen.

»Ihre Träume schlagen sich aber in sehr hübschen Geschichten und Gedichten nieder«, sagte er. »Sie wird bestimmt mal großen Erfolg haben.«

»Mit zwanzig Jahren hat sie noch Zeit«, meinte Renate resolut, »und wenn ihr mal ein Mann über den Weg läuft, der ihr gefällt, wird er von Geschichten und Gedichten nicht satt und möchte auch mal was Anständiges essen. Außerdem sind die Kinder zu allem bereit, wenn du nur wieder ganz gesund wirst, und sie wissen auch, dass ich die Einzige bin, die richtig auf dich aufpasst.«

»Ohne dich würde ich in so einem Sanatorium sowieso eingehen«, brummte er. »Aber gegen dich komme ich nicht an. Dann organisiere nur alles, mein Renichen.«

Sie führten seit fünfundzwanzig Jahren eine sehr glückliche Ehe. Die Silberhochzeit stand in zwei Monaten ins Haus, und die wollten sie beide richtig feiern, denn bei ihrer Hochzeit war es noch recht sparsam zugegangen. Da war die Fabrik für landwirtschaftliche Geräte erst im Aufbau begriffen und eher als Werkstatt zu bezeichnen gewesen.

Renate konnte zufrieden heimfahren. Es war alles besser gegangen, als sie gedacht hatte, aber seine rasche Zustimmung war auch ein Beweis, dass er Angst vor dem Sterben bekommen hatte.

*

Julia war wieder mal in einer träumerischen Phase, die sie selbst jedoch als kreativ bezeichnete, als ihre Mutter heimkam.

»Du bist ja schon zurück, Muni«, sagte sie, als Renate ihr Zimmer betrat. Sie hatte von klein auf Muni gesagt, eine Mischung von Mutti und Reni, und dabei blieb es. Auch Götz hatte sich angepasst, weil ihm Muni gefiel. »Wie geht es Paps?«

»Er ist einverstanden, zur Kur zu gehen, aber ich muss natürlich mit.«

Julia runzelte die Stirn. »Und wie soll es hier weitergehen?«, fragte sie.

»Schlicht und einfach«, sagte Renate lächelnd. »Götz macht den Betrieb, du den Haushalt. Malchen ist ja auch noch da, und Theodor weiß überall Bescheid. Du wirst sicher auch noch zum Träumen kommen, Julchen.«

Gegen das Julchen hatte Julia nichts einzuwenden, aber Träumen war eine Beleidigung für sie.

»Geistige Arbeit verlangt Konzentration, Muni«, erklärte sie vorwurfsvoll. »Ich bin schöpferisch tätig, auch wenn du das immer noch nicht begreifen willst. Ihr werdet noch staunen.«

»Gern, Julchen, aber wenn wir weg sind, solltest du dich auch nützlich machen. Malchen kann nicht mehr so flitzen.«

»Okay, okay, Muni, ich werde dich nicht enttäuschen. Die Hauptsache ist, dass Papsi sich gut erholt, und ohne dich geht er ein. Das wissen wir ja.«

Renate war schon beruhigt. Ihre Julia war ein vernünftiges Mädchen. Sie konnte sich über ihre Kinder wahrhaftig nicht beklagen, hätte das auch nie getan. Ihr ging nichts über das intakte Familienleben.

Götz war für seine dreiundzwanzig Jahre eigentlich schon fast zu ernsthaft und sich ganz der Verantwortung bewusst, die er schon seit sechs Wochen übernommen hatte. Er studierte Maschinenbau, nebenbei aber auch noch Betriebswirtschaft, wenn auch nur in Abendkursen, aber in der Praxis hatte er schon bewiesen, dass er auch da schnell lernte. Allerdings konnte er sich auch auf altbewährte Betriebsangehörige verlassen, die für ihren Chef alles taten. Er war immer für jeden dagewesen, nun waren sie für alle da, und auch das trug zu Renates Beruhigung bei. Wenn alles seinen Gang ging, brauchte sich ihr Mäxi nicht zu sorgen und konnte sich richtig erholen. Das war ihr das Wichtigste.

Es war Anfang Februar, als sie die Fahrt zur Insel der Hoffnung antreten konnten. Der Winter war spät gekommen, aber nun mit Macht. Doch die Landschaft sah wie verzaubert aus im strahlenden Weiß des frischgefallenen Schnees. Jener, der im Dezember nur kurze Zeit gefallen war, hatte ihnen kein Glück gebracht. Das stellte auch Max Winkler unwillig fest.

»Ich hätte Weihnachten nicht in der Klinik verbringen müssen, wenn es vorher nicht geschneit hätte«, meinte er.

»Vielleicht hättest du einen Herzinfarkt am Schreibtisch bekommen«, sagte Renate. »Wenn und aber zählt jetzt nicht mehr, Mäxi. Es könnte ja auch der Föhneinbruch schuld gewesen sein.«

»Aber ich habe nie etwas am Herzen gespürt, Reni.«

»Ich kann es nicht kontrollieren. Ein Mannsbild wie du achtet doch nicht auf Warnzeichen.«

»Jetzt tue ich das bestimmt. Verlass dich drauf, ich bin froh, dass ich lebe, mein Schatz.«

Und wie froh war sie und noch mehr, als sie die Insel erreichten, deren Zauber auch sie beide sofort gefangennahm. Dr. Johannes Cornelius und seine Frau Anne begrüßten sie herzlich, denn ihr Schwiegersohn Daniel Norden hatte ihnen dieses Ehepaar ganz besonders ans Herz gelegt, selbst heilfroh, dass das Glück dieser Familie nicht von einem jähen unberechenbaren Tod zerstört worden war.

Auch im Winter konnte man sich auf der Insel der Hoffnung nicht über zu wenig Gäste beklagen. Sie kamen aus aller Welt und so manche jedes Jahr zur gleichen Zeit.

Hier konnten sie auch einen milden Winter genießen, denn das Klima war einmalig wohltuend. Max und Renate Winkler konnten allein in einem der hübschen Häuschen wohnen, die diesem Sanatorium einen ganz besonderen Reiz verliehen, da man nicht in einem einzigen großen Bau leben musste, der Individualisten erschreckte und sie an ein Krankenhaus erinnert hätte.

Verstreut über die Insel lagen diese der Landschaft angepassten Häuser. Wem der Sinn nach Geselligkeit stand, konnte sich dieser jederzeit im Gemeinschaftshaus erfreuen, wer nur Ruhe suchte, konnte für sich allein sein

»Hier schnauft sich’s leichter als bei uns«, sagte Max. »Hast es mal wieder richtig gemacht, Renichen.«

»Wir haben ja unseren guten Dr. Norden«, sagte sie.

»Und er plagt sich für seine Patienten in der Stadt, während er es sich hier auch gutgehen lassen könnte«, sagte Max.

»Wir können nur froh darüber sein«, sagte Renate gedankenvoll, denn sie wollte gar nicht überlegen, was hätte geschehen können, wenn Dr. Norden in einer so kritischen Stunde nicht so rasch zur Stelle gewesen wäre.

*

Daheim mussten sich Götz und Julia daran gewöhnen, dass nun auch die Muni nicht da war. Malchen war eine gute Seele, aber kochen konnte sie nicht so gut.

Götz kaute auf einem zähen Steak herum, Julia hatte ihres schon der Dogge Pritty verfüttert.

»Du hättest ruhig schon mal einen Kochkurs machen können, Julchen«, sagte Götz. »Wenn du mal heiratest, musst du deinem Mann auch was Essbares vorsetzen.«

»Ich heirate nicht, aber ich werde mir ein Kochbuch kaufen«, erwiderte Julia. »Aber Malchen hat es gut gemeint. Sie kann halt nur einen anständigen Eintopf auf den Tisch bringen, aber heute wollte sie uns mal verwöhnen.«

»Weißt du was, wir gehen zum Ochsenwirt«, sagte er.

»Und wenn Muni anruft? Das geht nicht, Götz. Ich schicke Malchen zu Bett, und dann mache ich uns ein paar belegte Brote.«

Damit war er auch einverstanden. Malchen, die schon ein bisschen schwerhörig war und sehr betulich fragte, ob es geschmeckt hätte, und Julia bestätigte es. Malchen war zufrieden und verzog sich auch gleich, da Julia sagte, dass sie die Geschirrspülmaschine einräumen würde. Mit der hatte es Malchen sowieso nicht.

Theodor kam bald darauf in die Küche gestampft. Er hatte noch Schnee geräumt.

»Kann ich mir ein paar Rühreier machen?«, fragte er, »das Fleisch war verdammt zäh.«

»Rühreier sind auch eine Idee. Die werde ich schon zustande bringen«, meinte Julia.

»Lassen Sie mich das man machen, Fräulein Julia«, meinte er.

»Für uns auch ein paar, Theodor, und ich mache belegte Brote.«

Er grinste breit. Dann saßen sie alle drei am Küchentisch und ließen es sich schmecken.

Und als Renate eine halbe Stunde später anrief, sagte Julia, dass alles bestens klappen würde.

Am nächsten Tag kaufte Julia ein Kochbuch. Malchen setzte erst eine beleidigte Miene auf, aber Julia sagte, dass Muni gemeint hätte, sie solle endlich auch mal kochen lernen und sich nützlich machen.

»Wenn sie heimkommen, werde ich sie überraschen, was man alles schnell lernen kann«, sagte Julia.

Aber dann sollte etwas geschehen, was optimistische Pläne durcheinander bringen sollte. Ausgerechnet Theodor bereitete ihnen Kummer.

Er war auf dem hartgefrorenen Schnee so unglücklich gestürzt, dass er sich das linke Bein gebrochen hatte.

Wieder einmal war Dr. Norden sofort zur Stelle, aber er musste den guten Theodor in die Klinik bringen lassen. Einig waren sich alle, dass die Eltern es nicht erfahren durften.

»Wir brauchen jemanden, der Theodors Arbeiten erledigt, Julchen«, sagte Götz. »Ich kann es nicht. Ich muss mich um den Betrieb kümmern. Malchen ist zu alt, und du hast sowieso keine Ahnung. Wenn es weiter so schneit, muss auch jeden Tag Schnee geräumt werden.«

Es war ein großes Anwesen. Dreitausend Quadratmeter Grund, dann das Gewächshaus, das Max Winklers Hobby war. Theodor hatte auch alle anfallenden handwerklichen Arbeiten verrichtet, und da gab es immer etwas zu tun.

Götz und Julia aber wollten, dass die Eltern bei ihrer Rückkehr alles so vorfinden sollten, wie sie es verlassen hatten.

»Ich finde schon jemanden«, sagte Götz beruhigend zu seiner Schwester. »Morgen rufe ich beim Arbeitsamt an.«

Aber so einfach war das nicht, da es ja darauf ankam, dass der Mann auch das Gewächshaus richtig betreuen konnte. Das war die größte Sorge der Geschwister, denn davon verstanden sie beide nichts, da hatte sich der Paps auch nicht dreinreden lassen.

Julia holte sich bei Theodor Ratschläge, der nun so unglücklich in der Klinik lag und sein Missgeschick beklagte. Und da traf sie Dr. Norden.

»Wie kommt ihr denn zurecht, Julia?«, fragte er.

»Solange es nicht taut und nicht so arg schneit, geht es schon, aber es geht ja um das Gewächshaus, Papas Orchideen setzen an, so viel verstehe ich ja, aber wie man sie pflegt, weiß ich nicht. Theodor sagt auch, dass man davon schon Ahnung haben muss. Erklären kann er das nicht so. Die Eltern dürfen aber nicht erfahren, dass Theodor in der Klinik liegt, sonst kommen sie gleich zurück. Wenn wir doch nur eine Hilfe finden würden!«

»Vielleicht finde ich jemanden«, sagte Dr. Norden tröstend. »Ja, ich denke, dass ich Ihnen jemanden schicken kann, Julia.«

»Das wäre toll«, sagte sie. »Wenn wir Sie nicht hätten, aber Sie kennen ja Gott und die Welt.«

»Wenn ich Gott nur auch so gut kennen würde wie die Welt«, sagte er seufzend, »dann könnte ich ernsthaft mit ihm reden, dass manches Unglück abwendbar wäre.«

»Sie haben einen goldigen Humor und überhaupt, es könnte ruhig mehr solche Männer geben.«

»Aber vom Gewächshaus und Orchideen verstehe ich auch nichts, Julia«, sagte er scherzend.

Immerhin kannte er jemanden, der davon etwas verstand und sich auch sonst vor keiner Arbeit scheute. Und weil er grad unterwegs war, machte er einen kleinen Umweg und hielt vor einem winzigen Holzhäuschen, das man mehr als Hütte bezeichnen konnte. Aus einem Schornstein quoll Rauch, und als Dr. Norden an der rostigen Glocke zog, kam ein junger Mann heraus.

»Dr. Norden«, rief er konsterniert aus. »Das ist eine Überraschung! Aber mir geht es wieder gut. Ich habe nur gleich viel Arbeit gehabt.«

»Ich war gerade in der Gegend, und um Arbeit ginge es auch. Aber wenn Sie ausgelastet sind, Jens, dann brauche ich gar nicht erst zu fragen.«

»Jetzt geht es schon wieder. Frau Sperber ist verreist, und so ganz hat mir dieser Job auch nicht gefallen«, sagte er, dabei verlegen werdend.

Dr. Norden kannte die Probleme mit Ellen Sperber. Sie suchte immer junge Männer für Gelegenheitsarbeiten, und wenn sie ihr gefielen, sollten sie ihr auch abends Gesellschaft leisten. Jens Nehlsen war dafür gewiss nicht der richtige Typ.

»Bekannte brauchen jemanden, der etwas von Orchideen und überhaupt von einem Gewächshaus was versteht«, sagte Dr. Norden. »Und auch sonst fallen Arbeiten an, aber dass Sie ein Allroundtalent sind, weiß ich ja, Jens. Es wird bestimmt gut honoriert. Und es ist in der Nähe.«

»Bei wem?«

»Kennen Sie die Landmaschinenfabrik Winkler?«

»Die kennt doch jeder in der Gegend.«

»Da könnten Sie privat einen Job bekommen, da Herr Winkler mit seiner Frau auf längere Zeit zur Kur ist. Das Hausfaktotum hat sich leider ein Bein gebrochen. Sie würden mir damit auch einen Gefallen tun.«

»Wenn die Herrschaften mich akzeptieren? Halbtags ist es möglich. Sie wissen ja, dass ich auch sonst noch was tun muss. Aber Sie dürfen das nicht sagen.«

»Abgemacht.« Daniel zwinkerte ihm zu. »Sie haben ja auch schon bei uns zur vollsten Zufriedenheit Hilfsdienste getan.«

»Und wie haben Sie mir schon geholfen?«

»Nicht der Rede wert, Jens. Ich werde Sie also zu morgen offerieren. Und passen Sie ja auf die Orchideen auf.«

»Allein deshalb könnte mich der Job reizen«, erwiderte Jens Nehlsen. »Wann soll ich dort sein?«

»Wie wäre es Ihnen am liebsten?«

»So früh wie möglich.«

»Das könnte Götz Winkler auch recht sein. Also um acht Uhr.«

»Ist in Ordnung.«