Dr. Norden Bestseller 196 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 196 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Tückisch hatte der Februar begonnen. Orkanartige Stürme brausten über das Land, entwurzelten Bäume, deckten Dächer ab und warfen sogar Menschen um, die nicht ganz sicher auf den Beinen waren. Auch die Autofahrer mußten Obacht geben, um nicht von der Straße gedrückt zu werden. Und so gab es denn Unfälle am laufenden Band, und Dr. Norden wußte manchmal nicht, wo er zuerst helfen sollte. Herz- und Grippekranke mußten betreut werden, Depressionen machten sich bei vielen bemerkbar, die psychisch anfällig waren. Loni hatte ihm eine lange Liste hingelegt, als er sich anschickte, nach der ohnehin anstrengenden Sprechstunde nun die Hausbesuche zu machen. »Vergessen Sie Frau Hellbrück nicht. Sie hat einen scheußlichen Husten«, sagte Loni. »Da fahre ich gleich zuerst hin. Es wäre wohl besser, wenn sie ein paar Tage in die Klinik gehen würde«, meinte er. Antonia Hellbrück war eine zarte Frau, und sie war im fünften Monat schwanger. Sie hatte zu ihrem großen Kummer schon mal eine Fehlgeburt gehabt, und auch die Ärzte Dr. Norden und Dr. Leitner waren froh gewesen, als sie diesmal die kritischen vier Monate überstanden hatte. Aber nun war auch sie von der Erkältungswelle nicht verschont geblieben. Dr. Norden hörte sie schon husten, als er vor der Tür des hübschen Atriumbungalows stand, den das Ehepaar Hellbrück vor zwei Jahren bezogen hatte, und seither kannte er das junge Ehepaar. Tobias Hellbrück war Diplomingenieur, Elektronikfachmann, und hatte sich wohl zur richtigen Zeit für den richtigen Beruf entschieden, denn gerade erst achtundzwanzig Jahre jung, war er ein gefragter Mann. Die berufliche Karrierte forderte ihren Tribut. Tobias war

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Dr. Norden Bestseller – 196 –

Verzweifle nicht, Antonia

Patricia Vandenberg

Tückisch hatte der Februar begonnen. Orkanartige Stürme brausten über das Land, entwurzelten Bäume, deckten Dächer ab und warfen sogar Menschen um, die nicht ganz sicher auf den Beinen waren. Auch die Autofahrer mußten Obacht geben, um nicht von der Straße gedrückt zu werden. Und so gab es denn Unfälle am laufenden Band, und Dr. Norden wußte manchmal nicht, wo er zuerst helfen sollte. Herz- und Grippekranke mußten betreut werden, Depressionen machten sich bei vielen bemerkbar, die psychisch anfällig waren.

Loni hatte ihm eine lange Liste hingelegt, als er sich anschickte, nach der ohnehin anstrengenden Sprechstunde nun die Hausbesuche zu machen.

»Vergessen Sie Frau Hellbrück nicht. Sie hat einen scheußlichen Husten«, sagte Loni.

»Da fahre ich gleich zuerst hin. Es wäre wohl besser, wenn sie ein paar Tage in die Klinik gehen würde«, meinte er.

Antonia Hellbrück war eine zarte Frau, und sie war im fünften Monat schwanger. Sie hatte zu ihrem großen Kummer schon mal eine Fehlgeburt gehabt, und auch die Ärzte Dr. Norden und Dr. Leitner waren froh gewesen, als sie diesmal die kritischen vier Monate überstanden hatte. Aber nun war auch sie von der Erkältungswelle nicht verschont geblieben.

Dr. Norden hörte sie schon husten, als er vor der Tür des hübschen Atriumbungalows stand, den das Ehepaar Hellbrück vor zwei Jahren bezogen hatte, und seither kannte er das junge Ehepaar.

Tobias Hellbrück war Diplomingenieur, Elektronikfachmann, und hatte sich wohl zur richtigen Zeit für den richtigen Beruf entschieden, denn gerade erst achtundzwanzig Jahre jung, war er ein gefragter Mann.

Die berufliche Karrierte forderte ihren Tribut. Tobias war häufig abwesend, und wie Dr. Norden nun erfuhr, stand sogar eine Versetzung nach Bonn zur Debatte, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit.

Immer wieder von einem Hustenanfall unterbrochen, erzählte es ihm Antonia Hellbrück, und der erfahrene Arzt fragte sich, ob dieser Husten wohl nur durch die Erkältung bedingt sei, denn diese war bereits im Abklingen begriffen gewesen.

Man konnte zwar nicht sagen, daß Antonia der Typ eines Hausmütterchens wäre, aber Dr. Norden wußte, daß sie ihr behagliches Heim liebte, daß sie nicht gern ausging, und laute, hektische Geselligkeiten schon gar nicht mochte. Sie liebte klassische Musik, las gern und zeigte viel Geschick und Geschmack bei kunstgewerblichen Arbeiten. Daß sie sehr viel Wert auf schöne Dinge legte, verriet dieses bezaubernd eingerichtete Haus.

»Da soll ich in Bonn in einer möblierten Wohnung leben, vielleicht gar in so einem Hotelappartement«, sagte sie trotzig, und wieder wurde sie von einem Hustenanfall geschüttelt.

»Ich will dieses Kind nicht auch wieder verlieren«, schluchzte sie dann auf.

»Wir werden jetzt erst mal etwas gegen den Husten unternehmen«, sagte Dr. Norden, »und aufregen sollen Sie sich schon gar nicht. Wie lange soll Ihr Mann denn in Bonn bleiben, Frau Hellbrück?«

»Sechs Wochen oder acht, er weiß es noch nicht genau. Ein sehr wichtiger Mann ist plötzlich krank geworden.« Sie senkte den Kopf. »Tobias denkt nur an seine berufliche Karriere, überhaupt nicht an das Baby, und er versteht auch nicht, daß ich nicht von hier weg will. Ich mag nicht zu einem fremden Arzt gehen, und ich will auch gar nichts riskieren!«

Das hatte sie sehr leidenschaftlich gesagt, und seltsamerweise brauchte sie dabei auch nicht zu husten. Dr. Norden betrachtete sie forschend.

»Ich werde mit Ihrem Mann sprechen«, erklärte er.

»Das wäre sehr lieb. Wir haben doch alles. Ich bin nicht so anspruchsvoll, daß es noch mehr sein muß, aber Tobias träumt davon, einmal eine eigene Firma zu gründen, oder Teilhaber zu werden. Sind eigentlich alle Männer so, Herr Dr. Norden?«

»Alle wohl nicht, manche faulenzen lieber herum oder spekulieren darauf, daß die Frau fleißig mitverdient. Abgesehen davon, daß ich dagegen gar nichts habe, wenn es sich um eine ehrliche Partnerschaft handelt, die bei den heutigen Lebenshaltungskosten auch notwendig sein mag, und da ich auch Frauen gern ihre Eigenständigkeit zuspreche, betrachte ich es als normal, wenn ein intelligenter und begabter Mann sich ein bestimmtes Ziel setzt. Ebenso kann das natürlich auch einer Frau nicht abgesprochen werden.«

»Aber Tobias wollte nie, daß ich berufstätig bin. Da hat er sehr altmodische Ansichten. Daß ich sehr viel allein bin, bedenkt er nicht.«

»Und wenn Sie sich nun einigen und Sie hierbleiben? Ist nicht jemand in der Familie bereit, Ihnen hier so lange Gesellschaft zu leisten?«

»Meine Eltern haben ein Hotel in den Bergen. Jetzt ist Saison. Mutter kann nicht weg, und meine Geschwister fahren lieber Ski, als hier herumzuhocken. Aber vielleicht würde Bärbel kommen, meine Kusine. Da haben Sie mich auf eine Idee gebracht. Es fragt sich nur, ob Tobias einverstanden ist, aber wenn Sie mit ihm sprechen und ihm sagen, daß ein Ortswechsel mir schaden könnte, wird er schon auf Sie hören.«

Dr. Norden versprach, mit Tobias zu sprechen. Aber er machte sich seine Gedanken. War nicht Antonia jetzt nur voll auf ihre Mutterschaft konzentriert, auf das Baby, wie eben ihr Mann auf den Beruf? War das nicht auch eine Gefahr für eine Ehe?

Antonia hatte keine leichte Schwangerschaft, und man mußte auch in Betracht ziehen, daß sie große Angst hatte, das Kind zu verlieren, und er wußte auch, daß die Schwangerschaft selbst manche unerwarteten Probleme mit sich brachte, besonders dann, wenn es sich um eine so sensible Frau handelte. Für einen so kernigen, zielstrebigen Mann wie Tobias Hellbrück, mochte das auch nicht ganz leicht sein.

Selbstverständlich hatte er größtes Verständnis für Antonia. Es mußte bedrückend für eine Frau in diesem Zustand sein, in einer fremden Stadt unter Fremden zu leben, und genausoviel allein zu sein wie hier, aber hier hatte sie ihre Annehmlichkeiten, ihre gewohnte Umgebung und eben auch ihre Ärzte.

Seine Frau Fee beklagte sich nicht, daß er an diesem Abend erst gegen zehn Uhr heimkam, sie umsorgte ihn. Ganz verschont waren auch sie und die Kinder nicht von der Erkältungswelle geblieben. Fees feines Näschen war ganz schön gerötet.

»Ich kann dich nur bewundern, wie immun du bist«, sagte sie zu ihrem Mann. »Du mußt eine Wunderwaffe in dir haben gegen alle diese Viren.«

»Sie bekämpfen sich gegenseitig«, erwiderte er lachend, »und da kann sich keine bei mir einnisten. Du darfst mir ruhig einen Kuß geben, Feelein.«

Er bekam mehrere. Bei ihnen gab es keine Konflikte, obgleich er in diesen Wochen wahrhaftig wenig Zeit für seine Frau und die Kinder hatte. Nicht mal ein ruhiges Wochenende sprang da heraus.

Sie machten es sich noch eine halbe Stunde gemütlich, bei heißem Tee mit Rum, nachdem Daniel erst mal seinen Hunger gestillt hatte.

»Wie schaut es bei Frau Harlander aus?« erkundigte sich Fee.

»Schlecht. Wir werden sie wohl doch in die Klinik bringen müsen. Der Florian ist ja völlig down, aber er kommt noch ganz vom Fleisch, wenn er keine Nacht mehr schlafen kann.«

»Und wie wäre es mit einer Nachtschwester?«

»Das mag Florian nicht. Außerdem ruft seine Mutter dann ja doch nach ihm. Es ist ärgerlich.«

»Wieso ärgerlich?« fragte Fee bestürzt, da sie doch wußte, wie besorgt Daniel um seine schwerkranken Patienten war.

»Ich habe es auch erst heute erfahren, daß Florian Harlander nach Bonn geschickt werden sollte. Er ist doch ein Kollege von Hellbrück, aber nun muß der für ihn einspringen, und seine Frau ist unglücklich darüber. Ich weiß nicht, was nun eigentlich höher zu bewerten ist, eine schwerkranke Mutter, die kaum noch eine Überlebenschance hat, oder eine junge werdende Mutter, die schon einmal unter einer Fehlgeburt leiden mußte. Ich sitze da zwischen zwei Stühlen, Fee.«

»Besteht denn bei Frau Hellbrück eine Gefahr?« fragte Fee erschrokken.

»Sie will in ihrer Umgebung bleiben und mag nicht zu einem fremden Arzt gehen, und das muß man auch verstehen. Hinzu kommt, daß Hellbrück wohl ehrgeiziger ist als Harlander, der für seine Mutter wohl sogar seine Stellung aufgeben würde.«

»Er macht aber eigentlich nicht den Eindruck, als sei er ein Muttersöhnchen«, sagte Fee gedankenvoll.

»Er wurde in die Pflicht genommen, Fee. Alle Opfer, die seine Mutter für ihn brachte, muß er jetzt zurückzahlen.«

»Ich mag es nicht, wenn man in Verbindung mit ›Mutter‹ von Opfern spricht«, sagte Fee nachdenklich.

»Es gibt eben auch andere Mütter.«

»Finanziell geht es ihnen doch aber nicht schlecht.«

»Es ist ein menschliches Problem, mein Schatz. Frau Harlander wurde mit zweiundvierzig Witwe. Florian war zwanzig, und zehn Jahre, bis Frau Harlander krank wurde, hat er sich um nichts kümmern müssen. Er konnte studieren und brauchte sich um nichts zu sorgen. So gut ist das auch nicht immer. Dazu ist er nicht der Typ, der Frauen nachläuft oder nach dem sich die Frauen den Kopf verdrehen. Und schließlich bekam er auch immer wieder zu hören, daß er es nirgends so gut haben könnte wie in seinem Elternhaus. Ich kenne Frau Harlander ja auch schon sieben Jahre. Ich habe doch oft genug gehört, wie einmalig gut das Verhältnis zwischen ihr und ihrem Sohn ist, und daß für ihn eine Frau eigentlich erst geschaffen, werden müsse, natürlich eine, die ihr in allem ähnlich ist.«

»Das haben wir schon öfter erlebt«, sagte Fee.

»Aber ich habe jetzt zwei Fälle, die mir viel zu denken geben.«

*

Tobias Hellbrück war wieder sehr spät heimgekommen. Doch er entschuldigte sich gleich. »Tut mir ja schrecklich leid, Liebes, aber Harlander hat jetzt auch noch ein paar Tage Urlaub genommen, weil es seiner Mutter so schlecht geht.«

»Darauf, daß es mir auch nicht gerade gutgeht, wird aber keine Rücksicht genommen, und du würdest deshalb keinen Urlaub nehmen«, begehrte Antonia auf.

Er sah sie bestürzt an. »Das ist ein harter Vorwurf, Tonia. Viele Leute sind erkältet. Frau Harlander hat die Parkinsonsche Krankheit. Sie ist ein Pflegefall. Du erwartest nur ein Kind.«

Das »nur« ging ihr unter die Haut. Sie wurde blaß. »Ich hatte schon eine Fehlgeburt«, stieß sie hervor. »Aber das ist für dich ja auch nichts Besonderes. Das passiert eben mal. Aber es ist passiert, als ich dich nach Spanien begleiten mußte.«

»Du warst im zweiten Monat, und es war nicht vorauszusehen, daß es eine Komplikation geben könnte.«

»Jetzt bin ich im fünften Monat, bereits fast im sechsten, und ich denke nicht daran, noch einmal ein Risiko, einzugehen.«

Was ist nur mit ihr los, dachte Tobias. Jetzt wird sie sogar aggressiv. Aber schon sagte Antonia mit gewohnt sanfter Stimme: »Du mußt mich verstehen, Toby, ich mag nicht in einer fremden Stadt unter fremden Menschen sein. Hier ist unser Heim, hier kenne ich die Ärzte, auch die Geschäfte. Dr. Norden möchte mit dir auch darüber sprechen. Ich meine es doch nicht böse. Und jetzt feiern sie da auch gerade Karneval, du weißt doch, daß ich solchen Trubel nicht mag.«

»Der ist doch bald vorbei, Tonia, und wir bekommen bestimmt eine hübsche Wohnung gestellt.«

»Nein, ich bleibe hier. Ich will mein Kind hier zur Welt bringen.«

»Mein Kind«, immer sagte sie »mein Kind«, ganz selten mal »unser Kind«.

Er mahnte sich zur Ruhe. Dr. Norden hatte ihm gesagt, daß Antonia überempfindlich sei.

»Das Kind kommt in vier Monaten«, sagte er rauh, »bis dahin sind wir wieder zu Hause.«

Sie legte den Kopf zurück. »Bei dir weiß man doch nicht, woran man ist, vielleicht willst du dann wieder woanders sein. Du kannst dich anpassen, ich kann es nicht.«

»Sei nicht ungerecht, Liebes«, sagte er, »ich tue doch alles auch für dich und das Kind. Man muß seine Chancen nützen, solange man jung ist. Später wird man schnell zum alten Eisen gerechnet.«

Ein Zucken lief über ihr Gesicht. »Wenn es noch lange so weitergeht, wird das Kind dich gar nicht richtig kennenlernen«, flüsterte sie. »Es wird genauso ein Muttersöhnchen werden wie Harlander.«

»Würde dir das nicht gefallen?« begehrte er nun auf. »Du betrachtest es doch jetzt schon als dein Eigentum. Oh, bitte, das ist mir jetzt so herausgerutscht, Liebes. Wir wollen doch nicht streiten. Du bist mir soviel wichtiger als das Kind. Ich möchte dich jeden Tag sehen, versteh das doch.«

Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich weiß selbst nicht, was manchmal mit mir los ist, Toby, aber wenn ich das Baby wieder verlieren würde …«

»Denk doch nicht daran, Tonia.« Er nahm sie in die Arme und küßte sie. »Ich sprech mit Dr. Norden, und was er für richtig hält, wird gemacht. Ich könnte ja auch jedes Wochenende herkommen, aber mir würde es nicht gefallen, wenn du immer allein bist.«

»Vielleicht würde Bärbel zu mir kommen«, sagte Antonia.

Sie hat schon alles überdacht, ging es Tobias durch den Sinn. Sie hat sich ja schon entschieden. Aber er wollte darüber keine Debatte provozieren. Wenn das Kind erst da ist, wird alles wie früher sein, dachte er, und ich bin dann schon ein paar Schritte weiter.

*

Am nächsten Tag rief Tobias Dr. Norden an, und der war freudig überrascht, daß er sich von selbst meldete, war es ihm doch ein Beweis, daß Hellbrück das Wohlbefinden seiner Frau am Herzen lag. Etwas anderes kam Dr. Norden gar nicht in den Sinn, und er sollte auch nicht enttäuscht werden.

»Ich habe nicht einen Augenblick daran gedacht, ohne meine Frau nach Bonn zu gehen, aber wenn sie unbedingt hierbleiben will, möchte ich ihr auch nicht widersprechen. Antonia hat sich auch schon mit ihrer Kusine in Verbindung gesetzt, und die würde gern kommen. Für Bärbel ist es ziemlich gleich, ob sie in Schleißheim wohnt oder bei uns. Sie ist freiberuflich als Journalistin tätig und kann sich ihre Zeit einteilen.«

»Das wäre sicher die beste Lösung, wenn sich die beiden Damen verstehen«, sagte Dr. Norden.

»Daran gibt es keinen Zweifel. Ich kann ja auch öfter am Wochenende kommen, wenn nicht gerade etwas besonders Wichtiges anfällt. Aber um ehrlich zu sein, wäre es mir doch lieber gewesen, wenn Harlander nach Bonn gegangen wäre. Ist seine Mutter wirklich so krank? Sie ist doch auch Ihre Patientin.«

»Ja, sie ist sehr krank«, erwiderte Daniel Norden.

»Die Parkinsonsche Krankheit ist doch eine Schüttellähmung, die nicht zu einem raschen Tod führen muß«, fuhr Tobias fort.

»Nein, sie muß nicht zu einem schnellen Tod führen, wenn das Herz mitmacht«, erklärte Dr. Norden.

»Schrecklich diese Krankheit, gegen die man doch machtlos ist. Harlander tut mir leid. Er hat ein freudloses Leben. Er könnte schon weiter sein als ich, aber die kranke Mutter ist wie ein Klotz an seinem Bein.«

Diese Bemerkung gefiel Daniel nicht so ganz, aber dann ging es ihm durch den Sinn, daß er doch ähnlich auch gedacht hatte, wenngleich er es nicht so hart ausdrückte.

Tobias lächelte sein jungenhaftes sympathisches Lächeln.

»Jedenfalls weiß ich meine Frau von Ihnen ja bestens betreut«, sagte er, »und die Leitner-Klinik ist nahe, Bärbel ist auch sehr zuverlässig, und hier bin ich tagsüber auch so eingespannt, daß ich abends todmüde ins Bett sinke. Antonia geht ja auch immer früh zu Bett. Na, die paar Monate werden auch überstanden, und wenn sie dann das Kind hat, wird sie gar nicht mehr merken, wie schnell so ein Tag um ist.«

Er nahm es gelassen und Dr. Norden sah keinen Anlaß, ihn besorgt zu stimmen, was Antonias Zustand betraf. Für die Schwangerschaft bestanden derzeit keine Bedenken. Das konnte er mit gutem Gewissen sagen. Er hielt auch nichts davon, wenn die Beteiligten sich selbst kopfscheu machten.

»Und es gibt ja auch zum Glück das liebe Telefon, mit dem man sich jederzeit verbunden fühlen kann«, sagte Tobias noch beim Abschied, und das klingelte bei Dr. Norden auch schon wieder.

Schon am Montag fuhr Tobias nach Bonn. Am Sonntag war Bärbel Brück gekommen, mittelgroß, sportlich. Ihr herbes Gesicht wurde von warmen Grauaugen belebt, das kurzgeschnittene Haar verlieh ihm jedoch wieder einen etwas strengen Eindruck. Mit dunkler Stimme drückte sie die Freude aus, Antonia wohlauf zu sehen. Tobias wurde mit einem festen Händedruck begrüßt.

Als sie später mit ihm ein paar Minuten allein war, konnte sie es sich allerdings nicht verkneifen, zu sagen, daß die Menschheit wohl längst ausgestorben wäre, wenn auch Männer Kinder bekommen könnten.

Er lachte dazu nur belustigt. »Typisch Bärbel, du hältst wohl gar nicht mit dem starken Geschlecht?«

»Wenn ihr nur so stark wäret, wie ihr immer tut«, konterte sie. »Beruflicher Erfolg steht doch bei euch an erster Stelle.«

»Bei dir etwa nicht?« schoß er zurück.

»Es kommt immer auf die Umstände an. Man muß ja leben.«

»Für dich muß ja wohl ein Mann erst gebacken werden«, sagte er neckend.