Dr. Norden Bestseller 202 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 202 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

0,0

Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Ilona Nicolai! Wenn Dr. Norden zu ihr gerufen wurde, verging ihm das Lachen, mit dem er sich gerade von Dorle Gulden verabschiedet hatte, die sich nur bei ihm dafür hatte bedanken wollen, dass er ihr die Stellung als Säuglingsschwester in der Leitner-Klinik vermittelt hatte. Loni legte den Hörer unwillig auf. »Ich kann doch nichts dafür, Chef«, sagte sie. »Wenn bloß das Kind erst da ist, vielleicht wird sie dann wieder normal.« »War sie jemals normal?«, fragte Dr. Norden. »Aber ich kann es ja Schorsch nicht antun, mich verleugnen zu lassen.« Schorsch, das war Dr. Hans Georg Leitner, in dessen Klinik Ilona Nicolai in Kürze ihr erstes Kind zur Welt bringen wollte. So, wie sie sich während der ganzen Schwangerschaft aufgeführt hatte, würde es wohl auch das einzige Kind bleiben, und dazu fragte sich Dr. Daniel Norden, wie Markus Nicolai diesen Zustand überhaupt ertragen konnte. Loni hatte für diese Ehe eine einzige Erklärung. »Das kommt davon, wenn ein Mann auf so eine Puppe hereinfällt, und für mich steht es fest, dass sie ihn nur mit dem Kind geködert hat.« Loni hatte recht, obgleich sich Markus Nicolai dahingehend nie geäußert hatte. Aber dass seine Nerven arg strapaziert waren, konnte Dr. Norden ihm ansehen, als er nun, kurz nach zwölf Uhr mittags, die Villa Nicolai betrat. »Ich weiß jetzt wirklich nicht mehr, was ich noch tun soll, Dr. Norden«, murmelte er. »Jetzt ist es ja bald überstanden«, sagte Dr. Norden beruhigend, denn dieser Mann tat ihm wirklich leid, wenngleich er sich die Suppe, die er sich mit dieser Ehe eingebrockt

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 135

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dr. Norden Bestseller – 202 –

Das wandelbare Herz

Patricia Vandenberg

Ilona Nicolai! Wenn Dr. Norden zu ihr gerufen wurde, verging ihm das Lachen, mit dem er sich gerade von Dorle Gulden verabschiedet hatte, die sich nur bei ihm dafür hatte bedanken wollen, dass er ihr die Stellung als Säuglingsschwester in der Leitner-Klinik vermittelt hatte.

Loni legte den Hörer unwillig auf. »Ich kann doch nichts dafür, Chef«, sagte sie. »Wenn bloß das Kind erst da ist, vielleicht wird sie dann wieder normal.«

»War sie jemals normal?«, fragte Dr. Norden. »Aber ich kann es ja Schorsch nicht antun, mich verleugnen zu lassen.«

Schorsch, das war Dr. Hans Georg Leitner, in dessen Klinik Ilona Nicolai in Kürze ihr erstes Kind zur Welt bringen wollte. So, wie sie sich während der ganzen Schwangerschaft aufgeführt hatte, würde es wohl auch das einzige Kind bleiben, und dazu fragte sich Dr. Daniel Norden, wie Markus Nicolai diesen Zustand überhaupt ertragen konnte.

Loni hatte für diese Ehe eine einzige Erklärung. »Das kommt davon, wenn ein Mann auf so eine Puppe hereinfällt, und für mich steht es fest, dass sie ihn nur mit dem Kind geködert hat.«

Loni hatte recht, obgleich sich Markus Nicolai dahingehend nie geäußert hatte. Aber dass seine Nerven arg strapaziert waren, konnte Dr. Norden ihm ansehen, als er nun, kurz nach zwölf Uhr mittags, die Villa Nicolai betrat.

»Ich weiß jetzt wirklich nicht mehr, was ich noch tun soll, Dr. Norden«, murmelte er.

»Jetzt ist es ja bald überstanden«, sagte Dr. Norden beruhigend, denn dieser Mann tat ihm wirklich leid, wenngleich er sich die Suppe, die er sich mit dieser Ehe eingebrockt hatte, nun auch auslöffeln musste.

Markus Nicolai war Ende dreißig, als Durchschnittstyp zu bezeichnen, wenn nicht diese ausdrucksvollen Augen gewesen wären. Er war mittelgroß und untersetzt, kein Mann, dem die Frauen nachschauten oder gar nachliefen. Aber er war reich und ein Unternehmer von Format. Für Dr. Norden war es längst klar, dass dies allein ausschlaggebend für die schöne Ilona gewesen war, sich diesen Mann zu angeln, der wohl wie so mancher, dem der Beruf am wichtigsten war, in diese geschickt gestellte Falle getappt war.

Er hatte es bald bereuen müssen, auch das ahnte Dr. Norden, der nun an das Bett trat, in dem Ilona auf Spitzen gebettet und in noch kostbarere Spitzen gehüllt, mit leidvoller Miene lag.

»Ich kann mich schon gar nicht mehr bewegen«, stöhnte sie. »Kann man denn nicht etwas tun, dass das Kind schneller kommt? Ich halte das nicht mehr aus.«

Sie redete so oder ähnlich, seit man ihr die Schwangerschaft ansehen konnte. Sie war von so maßloser Eitelkeit besessen, dass sie mit Sicherheit einen Schwangerschaftsabbruch hätte durchführen lassen, wenn sie damit nicht diese wohl inszenierte Heirat aufs Spiel gesetzt hätte.

»Die paar Tage schaffen Sie jetzt schon noch«, sagte Dr. Norden sehr bestimmt. »Es ist doch auch für Sie besser, wenn keine operative Entbindung nötig ist. Es bleibt eine Narbe, und im Bikini würde man sie sehen.«

Er setzte allein auf ihre Eitelkeit, und damit hatte er dann doch immer Erfolg verbuchen können, wenn sie auch jammernd und wehklagend Beschwerden schilderte, die sie gar nicht hatte, denn die Schwangerschaft war ohne Komplikationen verlaufen. Ilona konnte die Ärzte nicht täuschen.

»Sie sollten sich mehr bewegen, wenigstens im Garten herumlaufen und Schwangerschaftsgymnastik machen«, fuhr er fort.

»Für Sie ist das einfach«, sagte sie vorwurfsvoll, »und die Männer machen es sich überhaupt leicht. Vater werden ist ja nicht schwer, aber dann stöhnen sie am meisten.«

Das konnte man nun von Markus Nikolai gewiss nicht sagen, aber es war auch sinnlos, es Ilona vorzuhalten, dass sie es ja war, die nur stöhnte.

Er hatte Frauen kennengelernt, die lange Wochen liegen mussten, weil sie ihr Kind nicht verlieren wollten, die klaglos alles auf sich nahmen, und manche hatten dann doch umsonst gehofft.

Und diese Frau, von Luxus umgeben, die alles bekam, was sie wollte, die sich nur tausend Wehwehchen einredete, würde das Glück, ein Kind zu haben, nicht genießen, auch das war Dr. Norden schon längst klar. Das Kind war ihr Faustpfand, Markus Nicolais Frau zu bleiben. Er wünschte sich ein Kind, und er musste teuer dafür bezahlen.

Am nächsten Tag wurde Daniel Norden nicht zu Ilona gerufen, doch am übernächsten bekam er einen Anruf von seinem Freund Dr. Leitner, dass Markus Nicolai seine Frau in die Klinik gebracht hätte.

»Ich wäre dir dankbar, wenn du dich bereithalten würdest, Daniel«, sagte er. »Sie will einen ganzen Tross von Ärzten um sich haben. Sie hätte so viel gelesen, was alles bei einer Geburt passieren könnte, und sie droht mir massiv, was sie alles unternehmen würde, wenn bei dem Kind etwas nicht stimmt.«

»Sie hat nicht alle Tassen im Schrank«, sagte Daniel drastisch. »Sie will sich nur interessant machen. Ist heute noch mit der Geburt zu rechnen?«

»Leichte Wehen hat sie, aber schon dabei brüllt sie die ganze Klinik zusammen.«

»Du hast mein Mitgefühl, Schorsch. Ich komme, wenn es so weit ist.«

»Sie schreit jetzt schon nach einer eigenen Säuglingsschwester für das Kind.«

»Frag doch mal Dorle Gulden. Sie hat doch eine Kollegin, die gar nicht mehr in einer Klinik arbeiten will.«

»Danke für den Rat«, sagte Schorsch Leitner. »Dorle ist übrigens schwer in Ordnung.«

»Und sie fühlt sich wohl bei euch, das hat sie mir gesagt. Ich denke, wenn sie jemanden empfiehlt, kann man sich darauf auch verlassen.«

Dass Dorle Gulden und ihre Kollegin Angelika Körner ihre Stellungen an einer Klinik gekündigt hatten, hatte einen schwerwiegenden Grund.

An dieser Klinik waren nämlich fast gleichzeitig zwei Neugeborene unter mysteriösen Umständen gestorben. Dorle und Angelika hatten zu dieser Zeit dienstfrei gehabt, aber sie hatten manches erfahren, was sie erst nachdenklich stimmte, dann aber auch ihre Initiative anregte, als man Kolleginnen von ihnen für diese Todesfälle verantwortlich machen wollte.

Sie hatten sich mutig eingesetzt und ein Verfahren gegen das Ärzteteam in Gang gebracht.

Obgleich dann ihre Vorwürfe berechtigt waren und ein Arzt und die Anästhesistin vor Gericht kamen, hatten es Dorle und Angelika vorgezogen, diese Klinik zu verlassen, da ihnen der Chefarzt versteckte Vorwürfe machte. Man hänge so etwas nicht an die große Glocke, hatten sie zu hören bekommen. Und Angelika hatte man auch noch zu verstehen gegeben, dass bei ihr wohl Eifersucht im Spiel gewesen sei. Das war dann doch zu viel gewesen, aber Angelika litt mehr unter solcher Unterstellung als Dorle.

Dorle hatte sich schon eingelebt in der Leitner-Klinik. Es war schnell gegangen. Sie fühlte sich pudelwohl, hatte einen Wirkungskreis, der ihr gefiel, einen Chef, den sie voll akzeptieren konnte und überhaupt war die Atmosphäre richtig familiär bei allen unterschiedlichen Charakteren.

Dass Ilona Nicolai Unruhe in die Klinik brachte, wirkte sich nicht nachhaltig aus. Allgemein hoffte man nur inständig, dass das Kind bald zur Welt kommen würde.

Die letzte Phase bahnte sich gegen acht Uhr abends an. Und bei Dr. Norden klingelte das Telefon.

Fee Nordens Kommentar war kurz und leicht sarkastisch. »Hoffentlich bist du vor Mitternacht wieder zurück, Schatz«, sagte sie zu ihrem Mann und drückte ihm noch ein paar mitfühlende Küsse auf die Wangen. »Es wäre wohl besser, dieses Kind würde im Buckingham-Palace geboren.«

»Das wäre der Ilona grad recht gewesen«, sagte Daniel ironisch. »Dazu fühlte sie sich geboren.«

»Ich bin gespannt, was für einen Namen das Kind bekommt«, meinte Fee tiefsinnig.

»Mir tut Nicolai leid«, sagte Daniel.

»Es prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht doch was bessres findet«, sagte Fee.

Sie bekam auch noch einen Kuss. »Der Himmel war mir gnädig, ich habe das Große Los gezogen«, sagte er, und dann fuhr er los.

*

Um 22.35 Uhr brachte Ilona eine Tochter zur Welt. Es war eine unkomplizierte Geburt. Das heißt, sie wäre es gewesen, wenn Ilona nicht gebrüllt hätte, als würde sie am Spieß stecken.

Markus Nicolai war nicht anwesend. Er war nach Hause gefahren. Er hatte tatsächlich nicht damit gerechnet, dass das Kind schon an diesem Tage geboren würde, und er hatte wichtige Entscheidungen zu treffen.

Für ihn hatte dieser Tag eine noch weitaus dramatischere Entwicklung genommen, da Ilona an diesem Morgen einen Brief bekommen hatte, der sie in höchste Erregung zu versetzen schien. Er hatte sich nie darum gekümmert, von wem und was für Post sie bekam, doch an diesem Tag konnte es ihm nicht verborgen bleiben, dass sie Geheimnisse vor ihm hatte.

Sie hatte diesen Brief im Bett gelesen, und als er ihr Zimmer betreten hatte, als sie zu schreien begann, hatte sie noch rasch versucht, den Brief zu verstecken. Er musste irgendwo hineingerutscht sein, denn er fand Ilona am Boden herumkriechend. Sie hatte dann als Erklärung gesagt, dass sie irrsinnige Schmerzen hätte, und daraufhin hatte er sie in die Klinik gefahren, obgleich sie sich seltsamerweise sträubte.

Nachdem Dr. Leitner ihm gesagt hatte, dass kein Anlass zur berechtigten Sorge bestünde, war er heimgefahren. Er hatte den Brief gesucht und gefunden, und da waren ihm die Augen aufgegangen, die er immer noch vor Ahnungen hatte verschließen wollen. Es waren nur wenige Zeilen, die er lesen konnte.

Adieu, Ilona, es hat nicht sollen sein. Markus hat mir ein so glänzendes Angebot gemacht, das ich nicht aufs Spiel setzen will. Du wirst schon alles zurechtbiegen. Alles Gute wünscht Dir Peter. Natürlich auch für den Stammhalter!

Für Markus war es purer Hohn, was sein Cousin Peter Nicolai da geschrieben hatte. Ausgerechnet Peter, dem er zu allem verholfen hatte, was er heute war und besaß. Peter, der immer so getan hatte, als wäre Ilona für ihn überhaupt nicht vorhanden.

Alle Zweifel, die Markus schon so lange hegte, wurden zu einem Drama, weil es Peter war, mit dem Ilona ihn betrogen hatte. Markus zweifelte an seinem Verstand. Und vor allem zweifelte er jetzt daran, der Vater des Kindes zu sein, das Ilona zur Welt brachte.

Aber es wurde kein Stammhalter. Um halb elf Uhr rief ihn Dr. Leitner an und sagte ihm, dass er Vater einer Tochter geworden sei.

»Ich werde dann morgen Vormittag kommen«, sagte er tonlos.

Dr. Leitner wandte sich kopfschüttelnd zu Daniel Norden um. »Er kommt morgen Vormittag«, sagte er. »Er hat wohl mit einem Stammhalter gerechnet und ist enttäuscht.«

»War sie nicht auch enttäuscht?«, fragte Daniel.

»Sie nehmen wir doch nicht mehr für voll«, sagte Schorsch. »Sie hat das Kind doch gar nicht angeschaut. Nur ihr Bauch war interessant, und sie hat geheult, dass er immer noch dick war. Wenn ich mehr solche Patientinnen hätte, würde ich den Beruf wechseln.«

»Tröste dich mit dem Gedanken, dass sie bestimmt kein Kind mehr zur Welt bringen wird«, sagte Daniel. »Und ich hoffe zu Gott, dass sie sich einen anderen Hausarzt suchen wird, wenn ich ihr bei passender Gelegenheit mal sage, was ich über sie denke.«

»Sei vorsichtig, solche Frauen sind unberechenbar.«

»Was ich privat sage, kann mir niemand ankreiden.«

»Privat hast du doch nichts mit ihr zu schaffen«, sagte Schorsch.

»Wollte sie sich noch nicht an deine Brust schmiegen?«, fragte Daniel anzüglich.

»Du liebe Güte«, ächzte Schorsch, »dazu bin ich wohl nicht attraktiv genug. Hat sie es etwa bei dir versucht?«

»Sie hat da keine Skrupel, Schorsch, aber ich habe ja Loni als meinen rettenden Engel. Sei nur froh, dass du hier keinen flotten jungen Doktor hast, den sie möglicherweise umgarnen könnte.«

»Bei mir nicht«, sagte Schorsch. »Ist sie wirklich so schlimm? Ich dachte nur, dass sie hysterisch ist. Und Nicolai ist doch ein so seriöser Mann.«

»Zu seriös für sie, aber er hat Geld, und die weniger seriösen haben meistens keins, oder sie kennen diese Sorte Frauen zu gut.«

»Hat Nicolai sich denn nicht auf das Kind gefreut?«, fragte Dr. Leitner.

»Er ist schwer durchschaubar, aber es kann sein, dass ihn die letzten Wochen total entnervt haben. Sie war unausstehlich. Ich habe sogar Zustände gekriegt, wenn ich zu ihr gerufen wurde. Wie die Königin von Saba thronte sie in ihrem Bett.«

»War sie auch so? Für solche Damen habe ich mich nie interessiert«, sagte Schorsch.

»Wir sind ja auch glücklicherweise bestens versorgt. So leid wie mir Nicolai auch tut, es ist seine Angelegenheit. Er hat eine gesunde, sehr niedliche Tochter. Man kann ihm nur wünschen, dass sie ihrer Mutter nicht ähnlich wird.«

Indessen war Ilona bei vollem Bewusstsein und fassungslos, dass ihr Mann nicht herbeigeeilt kam. Ausgerechnet Schwester Dorle bekam zu hören, was sie in ihrem Zorn darüber von sich gab. Sie hatte gleich den negativsten Eindruck von dieser Frau bekommen.

Nein, das ist nichts für Angelika, dachte sie. Das würde sie nicht ertragen. Und das sagte sie am nächsten Morgen auch Dr. Leitner.

Er nickte. »Sie soll sich selbst eine Säuglingsschwester suchen, wenn sie nicht fähig ist, ihr Baby selbst zu versorgen«, sagte er.

*

Markus Nicolai kam am nächsten Vormittag in die Klinik. Er sprach zuerst mit Dr. Leitner und erfuhr von ihm, dass die Geburt ohne Komplikationen verlaufen sei.

Dann betrachtete er das Baby, das Dorle in den Arm genommen hatte. Er betrachtete es kritisch, als suche er nach Ähnlichkeiten. Dorle war bestürzt, weil er keinerlei Freude zeigte. Auf sie machte dieser Mann einen sympathischen und zuverlässigen Eindruck, aber sie gestand sich auch ein, dass er zu Ilona keineswegs zu passen schien.

Ilona hatte sich einige Gedanken gemacht, nachdem sie ausgeschlafen hatte. Freilich hatte sie erwartet, dass ihr Mann sie mit Blumen und einem kostbaren Geschenk überraschen würde, aber er blieb zwei Schritte entfernt von ihrem Bett stehen.

»Nun hast du es ja überstanden«, sagte er heiser. »Ich bringe dir übrigens diesen Brief, der dich gestern so erregt hat.«

Sie starrte ihn an. Ihre Lippen bewegten sich, aber sie brachte kein Wort darüber.

»Ich werde Peter mitteilen, dass es kein Stammhalter ist«, fuhr Markus tonlos fort. »Immerhin wäre es sehr peinlich gewesen, wenn Martha diesen Brief beim Aufräumen gefunden hätte.«

Sie schnappte nach Luft: »Wie kannst du so reden, Markus«?, stieß sie hervor. »Du hast das missverstanden. Ich war auch empört und wollte dir das erklären. Du musst es richtig verstehen. Ich habe ihm einen Korb gegeben.«

»Verstrick dich nicht noch weiter in Lügen«, sagte er. »Ich werde feststellen lassen, ob ich überhaupt der Vater des Kindes bin.«

»Das wagst du zu sagen?«, kreischte sie. »Willst du mich umbringen?«

»Das bestimmt nicht. So töricht wäre ich denn doch nicht, mein Leben noch mehr zu verderben. Ich werde die Scheidung einreichen.«

Ihre Augen waren ganz eng. »Und mit welcher Begründung?«, fragte sie, den Brief zerreißend.

»Das war nur eine Ablichtung«, sagte er gelassen. »Und wenn ich Peter in die Wüste schicke, wird er schon plaudern. Du hast mich unterschätzt, Ilona. Deine Launen habe ich ertragen, aber der Krug ist übergelaufen. Und jetzt hast du viel Zeit zum Nachdenken. Niemand wird dich stören. Ich werde dich nicht besuchen, und wenn du hier herumschreist, werden die Ärzte entscheiden müssen, ob du in einer Nervenklinik nicht besser aufgehoben wärest. Das Spiel ist aus. Du hast es zu weit getrieben. Kümmere dich jetzt um deine Figur, um dein Gesicht. Dafür zahle ich noch.«

»Markus, ich bitte dich, bedenke doch, dass du auch deinen Ruf aufs Spiel setzt«, sagte Ilona zitternd.

»Mein Ruf interessiert mich nicht. Ich steige aus. Meinetwegen soll alles draufgehen, was ich bisher erreicht habe. Glück hat es mir nicht gebracht. Aber so will ich nicht mehr leben. Meine Selbstachtung will ich nicht auch noch verlieren. Du hast es geschafft, mich innerhalb eines Jahres kaputt zu machen. Aber es war ja meine Schuld, dass ich auf dein Getue hereingefallen bin.«

»Du musst mich anhören, Markus. Ich kann doch nichts dafür, dass mir die Männer nachlaufen. Ich habe sie doch nie animiert.«

»Nie?«, höhnte er. »Mich auch nicht? Ich sehe es jetzt nur anders. Peter mag wohl schneller durchschaut haben, worauf es dir ankommt. Er hatte ja genügend Erfahrung mit Frauen. Mir kannst du jetzt nichts mehr vormachen.«

»Aber es war nichts zwischen mir und Peter«, sagte sie schluchzend. »Wenn du schon dein Kind nicht anerkennen willst, glaube mir doch wenigstens das.«

Er blieb an der Tür stehen. In seinem Gesicht arbeitete es. »Gut, ich werde Peter ein Angebot machen. Er kann dich haben, wenn er dich noch haben will, und dafür werde ich nochmals bezahlen. Aber nur unter der Voraussetzung, dass du gegen die Scheidung keinen Einspruch erhebst. Das ist mein letztes Wort.«

Und dann ging er.