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Überglücklich findet C.J. ihren ausgebüxten Hund Rags bei Richard Matthews und seiner Tochter Lissa. Aber keiner von ihnen will auf Rags verzichten! Gemeinsam kümmern sie sich um den Hund, verbringen Tage voller Lachen und Freude wie eine kleine Familie … Ob sie wirklich eine werden können?
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Seitenzahl: 201
© 2023 für die deutschsprachige Ausgabe by MIRA Taschenbuch in der Verlagsgruppe Harper Collins Deutschland GmbH, Hamburg © 1998 by Diana Hinz Originaltitel: »One Man's Promise« Erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V. / SARL Übersetzung: Regina Curths Covergestaltung von Deborah Kuschel / Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH Coverabbildung von Tom Merton, theevening / Getty Images ISBN E-Book 9783745753684
Cover
Impressum
Inhalt
Du bringst das Lachen zurück
Titel
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
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Contents
Lieber Himmel, er ist es. Das Haar, die Augen, dieses Stolzieren! Ach, wie lang ist es her …
C. J. trat auf die Bremse, dass die Reifen quietschten. Sie warf das Steuerrad herum und vollführte auf der ruhigen Vorortstraße eine Wende um hundertachtzig Grad. Der harte Aufprall des Wagens gegen den Bordstein jagte dem Jogger auf dem Bürgersteig einen Riesenschrecken ein.
Dann brachte sie den Wagen zum Stehen und sprang heraus. Ihr Herz begann wie wild zu schlagen, während sich ihr Blick auf den einen konzentrierte, der in ihrem Leben jahrelang eine so bedeutsame Rolle gespielt hatte.
Er war unverändert, so schön, so prächtig … so wundervoll biestig.
Ein kleines Mädchen redete auf ihn ein, lachte und umarmte ihn mit der gleichen stürmischen Zuneigung, die C. J. ihm einst geschenkt hatte. Wie immer genoss er die Zuwendung, richtete seine dunklen Augen auf seine kleine Spielkameradin, ließ aber gleichzeitig den schwer atmenden Jogger nicht aus den Augen.
Der Mann stützte die Hände auf die Knie, beugte sich vornüber, während er voller Staunen beobachtete, wie C. J. sich den beiden mit offenen Armen näherte und den Namen ihres geliebten Verschollenen rief.
Aufmerksame Ohren stellten sich auf, der behaarte Kopf wandte sich ihr zu, dunkle Augen leuchteten, als er sie erkannte.
„Rags! Komm her, mein Junge. Komm schon.“
Mit fröhlichem Bellen sprintete der wohl dreißig Pfund schwere Hund über den Bürgersteig und sprang in C. J.s. Arme.
Lachend und weinend zugleich umarmte C. J. den warmen, zitternden Körper. Sie hatte Rags bereits als Welpen bekommen und von Herzen geliebt. „Oh, Rags“, brachte sie schließlich hervor, während der Hund sie mit wilden feuchten Küssen attackierte. „Warte … Hör auf! Du dummer Kerl …“
Nach diesem zärtlichen Überfall saß ihr ein dicker Kloß im Hals, und sie brachte nur noch ein Flüstern hervor: „Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen.“
Als der Hund freudig bellte und ihr weiterhin das Make-up vom Gesicht leckte, glaubte C. J., das Herz müsse ihr vor Glück zerspringen.
Doch ihre frohe Wiedervereinigung wurde durch ein kummervolles Geschrei gestört. „Daddy, Daddy!“ Das kleine Mädchen stampfte mit dem Fuß auf. „Die Lady will meinen Hund stehlen. Sie soll ihn in Ruhe lassen. Tu doch was, Daddy!“
Rags reagierte sofort und lief zu dem weinenden Kind, das ihn sofort besitzergreifend am Halsband packte und C. J. mit einem bösen Blick ansah.
C. J. zwang sich zu lächeln und ging vor dem Kind in die Hocke. „Ich heiße C. J.“, stellte sie sich vor. „Eigentlich Cecelia Jane, aber weil das so lang ist, nennen meine Freunde mich C. J.“ Als das Kind sie weiterhin düster anstarrte und schwieg, atmete C. J. tief durch und bemühte sich, Haltung zu bewahren. „Also, jetzt weißt du, wer ich bin. Vielleicht möchtest du mir auch deinen Namen sagen.“
Das dunkelhaarige Mädchen war eine kleine Schönheit von neun oder zehn Jahren. Es presste die Lippen zusammen und hörte nicht auf, C. J. anzufunkeln, als wünschte es ihr den Tod.
„Sie heißt Lissa Matthews. Normalerweise ist sie nicht so ungezogen.“ Der Jogger war wieder zu Atem gekommen und näherte sich ihnen. Dann wartete er, bis C. J. sich aufgerichtet hatte, bevor er ihr die Hand entgegenstreckte. „Ich entschuldige mich für meine unhöfliche Tochter, Miss …?“
„Moray.“
Seine Hand war warm und fest. Feuchte Haarsträhnen, ebenso dunkel wie die seiner Tochter, klebten an einem Gesicht, dessen Züge durchschnittlich attraktiv, jedoch ungewöhnlich sympathisch waren.
Seine freundlichen Augen wechselten die Farbe zwischen Grau und Grün. „Ich bin Richard Matthews“, sagte der Mann. „Bitte nennen Sie mich Richard.“ Nur zögernd entzog er C. J. die Hand. Er räusperte sich verlegen, verlagerte das Gewicht und rieb sich das kräftige, mit einem Grübchen versehene Kinn. „Darf ich annehmen, dass Sie und der Hund meiner Tochter sich schon länger kennen?“
C. J. nickte. „Rags und ich waren beinahe sechs Jahre zusammen.“ Ihren besten Freund als Besitz eines Fremden zu sehen trieb ihr die Tränen in die Augen. „Er lief vor ein paar Monaten fort, als meine Freundin, die mit mir zusammenwohnt, unseren Umzug in ein anderes Apartment organisierte.“
Richard Matthews schien Verständnis zu haben, war aber offensichtlich besorgt, welche Wirkung C. J.s plötzliches Auftauchen auf seine Tochter haben mochte. Sein Blick aus leicht zusammengekniffenen Augen wirkte nachdenklich. „Wir haben das Tier aus dem Tierheim geholt“, erklärte er. „Also ganz legal.“ Nach einem bangen Blick zu dem in Tränen aufgelösten Kind verschränkte er die Hände vor der Brust. „Außer dem Halsband mit seinem Namen trug er nichts, das zu seiner Identifizierung hätte beitragen können.“
„Ich weiß …“
„Er trug auch keine ordentliche Hundemarke, nach der man den Besitzer hätte ermitteln können.“ Der Mann schob das Kinn vor und warf C. J. einen vorwurfsvollen Blick zu. „Ich finde, das entspricht nicht dem verantwortungsvollen Verhalten eines Hundebesitzers.“
„Sie haben natürlich recht, nur …“ C. J. befeuchtete mit der Zunge ihre Lippen. „Meine Freundin hatte den Anhänger mit der alten Adresse gerade vom Halsband gelöst, um die neue einzugeben, als die Möbelpacker eine Vase oder irgendetwas zerbrachen und sie sich darum kümmern musste. Rags hatte wohl den Duft einer Hundedame aufgenommen und war verschwunden. In der ganzen Nachbarschaft hatte meine Freundin Flugblätter verteilt …“
„Und wo waren Sie, als das alles passierte?“
„Ich war nicht zu Hause. Aber ich habe den Anhänger aufbewahrt und kann ihn Ihnen zeigen, wenn Sie es wünschen.“
Richard winkte ab. „Das ist wohl nicht nötig. Ich glaube Ihnen. Dennoch, was für eine peinliche Situation.“ Er seufzte. „Genauer gesagt handelt es sich hier um einen Konflikt zwischen zwei Eigentümern ein und desselben Hundes. Die Frage stellt sich … was ist zu tun?“
Direkt, geradeaus, auf den Punkt. Das gefiel C. J.
Lissa offensichtlich aber nicht. Sie gab einen Schrei von sich, dass es C. J. kalt über den Rücken lief. „Ragsy ist mein Hund!“, stieß sie hervor. „Er gehört mir, Daddy. Du hast es versprochen.“ Ihr Gesicht lief rot an, während sie keuchend nach Atem rang. „Du kannst nicht …“, sie schnappte nach Luft, „… erlauben, dass sie ihn mir wegnimmt.“ Erneutes Keuchen. „Du darfst nicht …“
Richard kam seiner Tochter zu Hilfe. „Pst, ruhig, Liebes. Niemand nimmt dir deinen Hund weg. Atme tief durch, langsam und ganz ruhig.“ Er kramte in der Tasche seiner Jogginghose und holte einen Inhalationsapparat aus Plastik heraus.
Das Kind stieß das Gerät beiseite und fuhr fort zu keuchen, bis sein Gesicht beinahe purpurrot war und die Besorgnis seines Vaters sich zur panischen Angst steigerte. Erst als Rags winselnd Lissas Arm berührte, akzeptierte sie die Atemhilfe, und die Attacke ging so schnell vorbei, wie sie gekommen war.
Lissa streifte C. J. mit einem triumphierenden Blick, wobei sie nicht einmal versuchte, ihr Grinsen zu verbergen. „Rags liebt mich“, sagte sie. „Er wird niemals fortgehen, weil er weiß, wie krank ich werde, wenn ich traurig bin.“
C. J.s Mut sank. Ein Kind, das zu manipulieren verstand, ein übervorsichtiger Vater … ein dunkles Gespenst aus der Vergangenheit.
Schmerz. Einsamkeit. Traurige Erinnerungen.
Richard steckte das Inhalationsgerät wieder in die Tasche und holte ein kleines Lederportemonnaie hervor. „Vielleicht können wir ja ein faires …“
„Rags, nein! Komm zurück!“ Lissas erschreckter Aufschrei ließ ihn verstummen.
Aber das muntere Tier war schon drei Häuser weiter entfernt in Nachbars Garten auf der Spur einer orangefarbenen gestreiften Katze.
Richard ließ das Portemonnaie sinken. „Himmel, das ist Waldo.“
„Waldo?“
C. J.s Frage ging in dem Geschrei des Kindes unter, das hinter seinem Hund herrannte, ohne die Warnungen seines Vaters zu beachten. „Lissa, bleib stehen! Du wirst dich überanstrengen.“ Plötzlich drehte er sich um und blickte C. J. mit einer so finsteren Miene an, dass C. J. unter anderen Umständen zum Lachen zumute gewesen wäre. „Hätten Sie ihm in sechs Jahren nicht ein paar Manieren beibringen können?“
Als die Katze unter einer niedrigen Veranda verschwand, zwängte sich Rags, wie verrückt bellend, durch die kleine Öffnung. Jaulen und Zischen war zu hören. Dann wieder freudiges Bellen. Plötzlich schoss ein orangenfarbenes Knäuel unter der Veranda hervor. Eine scheckige Masse braunweißen Fells folgte, wich Richards Hand aus und jagte hinter der Katze her.
Das Chaos war perfekt. C. J., die sich nicht von der Stelle gerührt hatte, beobachte mit einer Mischung aus Staunen und Belustigung die Situation. Die kleine Lissa war vollkommen außer sich, während ihr armer Vater offensichtlich nicht weniger aufgeregt war über den Zustand, in dem sich seine Tochter befand.
Dennoch war es eine amüsante Demonstration eines regelrechten Kräftemessens. Rags schien zu gewinnen. C. J. beobachtete zufrieden das komische Chaos, bis die Katze plötzlich auf die Straße zulief, verfolgt von Rags. Instinktiv hob C. J. zwei Finger an die Lippen und stieß einen schrillen Pfiff aus.
Augenblicklich hielt Rags im Laufen inne.
Sie pfiff noch einmal. Das Tier setzte sich auf die Hinterbeine und blickte C. J. erwartungsvoll an. C. J. hob einen Arm, und der Hund legte sich flach auf den Bauch. Dann schnipste sie mit den Fingern, und Rags schlug einen Purzelbaum vorwärts. Sie hob die Hand, und er stand. Sie ließ das Handgelenk emporschnellen, und das Tier vollführte eine tadellose Rolle rückwärts. Danach stand es mit wachsamem Blick, wedelte mit dem Schwanz und erwartete den nächsten Befehl.
Als C. J. eine Hand auf ihre Brust legte, rannte Rags geradewegs auf sie zu. Kurz vor ihr blieb er stehen und wartete. Als sie auf ihre Hüfte klopfte, tapste er um sie herum und setzte sich brav an ihre Seite. Daraufhin lobte ihn C. J. und tätschelte seinen Kopf. „Guter Junge.“
Sie bemühte sich, gelassen zu wirken, während Vater und Tochter völlig verblüfft zurückeilten. Richard und Lissa machten große Augen. Sie starrten Rags an, als hätte sich das Tier in einen regelrechten Helden verwandelt.
C. J. räusperte sich. „Rags …“ Beglückt schaute der Hund zu ihr auf. „Du hast dich schlecht betragen. Entschuldige dich bitte bei Lissa und Mr. Matthews.“
Rags stieß zwei reuige Winsellaute aus und berührte mit einer Pfote sein Maul.
„Braver Junge“, murmelte C. J., bevor sie sich wieder Richard Matthews zuwandte. „Nun, Mr. Matthews, sagten Sie nicht etwas von fehlenden Manieren?“
Richards Gesicht war um einige Nuancen blasser geworden. Jetzt – und wirklich erst in diesem Moment – erlaubte sich C. J. die Freude eines stolzen Lächelns.
„Okay. Wie viel?“
Cecelia Jane Morays Lippen schlossen sich zu einem schmalen Strich. „Rags ist nicht zu verkaufen, Mr. Matthews. Ich dachte, ich hätte mich in diesem Punkt klar geäußert.“
Aus dem Augenwinkel warf Richard einen Blick zu seinem bescheidenen Haus hinüber, wo seine Tochter mit großen, verweinten Augen aus dem Fenster schaute. Sie hatte sich bei der Verfolgung Rags verausgabt und einen weiteren Asthmaanfall erlitten. Danach hatte Richard sie ins Haus geführt und gehofft, die Angelegenheit vernünftig regeln zu können. Nun fühlte er sich von Panik ergriffen und holte das gesamte Bargeld aus dem Portemonnaie, die er der erschrockenen C. J. hinhielt. „Zweihundert. Bar.“
„Mr. Matthews …“
„Wenn Sie mehr wünschen, schreibe ich Ihnen einen Scheck aus.“
C. J. streckte eine Hand aus, zog sie aber zurück und schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr die kurzen blonden Locken ins Gesicht flogen.
Bei näherem Hinschauen stellte Richard fest, dass sie möglicherweise doch nicht so jung war, wie er anfangs vermutet hatte. „Ich weiß, es ist eine schwierige Situation, aber Rags und ich … nun, wir haben eine ganz besondere Beziehung. Verstehen Sie nicht, dass ich ihn nicht aufgeben kann?“
Wunderschöne bernsteinfarbene Augen baten um Verständnis, aber Richard wusste, Lissa rechnete mit seiner Hilfe. „Sie haben ihn bereits aufgegeben, Miss Moray. Nach dem Gesetz gehört Rags jetzt uns.“ Unruhig verlagerte er das Gewicht, ignorierte dabei bewusst C. J.s schmerzvollen Blick und sah erneut zu seinem Kind hinüber, das er mehr liebte als sein Leben. „Meine Tochter ist kein gesundes Kind, und dieser Hund bedeutet ihr alles. Sein Verlust würde ihr das Herz brechen.“
„Ich weiß.“
Richard horchte auf. Der jungen Frau war anzusehen, dass es ihr sehr leidtat, dem Kind wehzutun. Er musterte sie interessiert. Ihre vorgeneigten Schultern fielen ihm auf, die gefurchte Stirn und ihre weichen, verletzlichen Lippen, die noch Spuren restlichen Lippenstifts trugen.
Ihre Kleidung wirkte leger, nichts Ausgefallenes … weißes Shirt mit kurzen Ärmeln, beige Leinenhosen und Turnschuhe, die noch nicht ganz abgetragen waren.
Richards Blick wanderte zu ihrem Mund. Schneeweiße Zähne blitzten hervor, als C. J. mit der Zunge die Lippen befeuchtete. Sie räusperte sich. „Ich kaufe Lissa einen anderen Hund. Einen jungen Hund ganz für sie allein. Ich werde ihr auch beibringen, wie man ihn erzieht …“
„Nein!“ Beim Klang seiner schneidenden Stimme zuckte C. J. zusammen. „Ich danke Ihnen für das äußerst großzügige Angebot“, lenkte er in leiserem Ton ein. „Aber Lissa würde keinen anderen Hund akzeptieren. Sie will Rags.“
„Das ist mir auch klar.“ C. J.s trauriger und zugleich mitfühlender Blick verwirrte Richard. „Und Lissa bekommt immer und unter allen Umständen ihren Willen, nicht wahr?“, fügte sie hinzu.
Richards Miene wurde starr, als ihm die Wahrheit bewusst wurde. „Meine Tochter ist nicht wie andere Kinder. Sie kann nicht auf blühenden Wiesen herumlaufen, kann nicht Fahrrad fahren oder Softball im Park spielen. Sie verbrachte mehr Zeit im Krankenhaus als in der Schule. Es ist nicht ihre Schuld, dass sie so zart und krank ist. Sie kann auch nichts dafür, dass sie mutterlos aufwachsen muss oder dass ihr die normalen Freuden der Kindheit verwehrt werden.“ Er biss die Zähne zusammen. „Die Antwort lautet ‚nein‘, Miss Moray. Lissa bekommt absolut nicht immer ihren Willen.“
„Ich wollte Sie nicht beleidigen …“
„Wenn Sie jedoch daraus schließen, dass ich versuche, die Verluste auszugleichen und meiner Tochter die wenigen Freuden zu bereiten, die ihr nicht verschlossen sind, so können sie mich schuldig nennen.“
Er steckte die Geldscheine ins Portemonnaie zurück und kreuzte die Arme vor der Brust, wobei er sich mehr über sich selbst ärgerte als über die Frau, deren Beobachtungsgabe genauer war, als er zugeben mochte.
Richard war kein Narr. Er wusste genau, dass Lissa ihre Krankheit nutzte, um ihren Willen durchzusetzen. Seine Tochter konnte schwierig sein, aber dazu hatte sie auch jeden Grund. Ihr Asthma war eine ernste, manchmal sogar lebensbedrohende Krankheit. Das Kind litt körperlich und seelisch unter dem Verlust seiner Mutter. Trotz der Probleme, denen er als alleinerziehender Vater gegenüberstand, liebte Richard sein Kind abgöttisch. Sein ganzes Leben hätte er dafür gegeben, es zu beschützen und glücklich zu machen.
Im Moment hing das Glück von dem Ausgang eines Streits über den Besitz eines sehr besonderen und zweifellos klugen Hundes ab. Ein Streit, aus dem Richard nur als Sieger hervorgehen durfte.
„Es tut mir sehr leid.“ C. J.s Stimme klang heiser. Richard verspürte ein leichtes Prickeln an der Stelle seines Arms, die sie berührte. „Glauben Sie mir, ich weiß, wie sehr Lissa Rags liebt. Aber sie sind erst wenige Wochen zusammen. Mit mir hat Rags sein ganzes Leben verbracht. Ich gebe Ihnen, was immer Sie wünschen, für ihn. Fünfhundert, eintausend – zehntausend. Ich verzichte auf ein Monatsgehalt, verkaufe meinen Wagen.“ Ihre Finger zitterten. „Ich weiß, ich bin eine erwachsene Frau und Ihre Tochter ist noch ein Kind. Ich weiß, Sie halten mich für egoistisch. Vielleicht bin ich es. Aber ich bin auch verzweifelt. Sie verstehen mich nicht. Sie wissen nicht, was Rags für mich bedeutet.“
Mit Schrecken sah Richard, dass ihr Tränen in den Augen standen und über die Wangen rollten.
„Kinder können eine Menge verkraften …“ Ihre Stimme zitterte, während ihr Blick hinüber zum Haus und dem Fenster glitt, hinter dem Lissa ganz offen weinte und den gescheckten Mischling liebkoste, der sie mit wilden Hundeküssen tröstete.
Endlich wandte sie den Blick ab und schüttelte den Kopf. „Himmel, ich kann nicht glauben, dass ich gerade im Begriff bin, das Herz eines Kindes zu brechen, um mir Schmerz zu ersparen.“ Sie wischte sich über das Gesicht, stemmte eine Hand in die Hüfte und senkte die Augen. „Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Es gibt keine Entschuldigung für mein Verhalten.“
Bevor Richard antworten konnte, kam Lissa laut schluchzend aus der Haustür geschossen. „Nein, Daddy, nein! Ragsy ist mein Hund! Lass nicht zu, dass sie ihn mitnimmt! Bitte …“, sie rang wieder nach Atem, „… sie darf …“, Lissa keuchte, „… ihn nicht …“
Als Richard den Inhalationsapparat hervorholen wollte, legte C. J. ihm beruhigend die Hand auf den Arm und ging vor dem weinenden Kind wieder in die Hocke. „Ich nehme dir deinen Hund nicht weg“, sagte sie ruhig. „Aber es gibt noch einiges, was du über Rags wissen solltest. Wenn du ihn so sehr liebst, wie ich glaube, wirst du dich jetzt beruhigen, damit du in der Lage bist, zuzuhören und zu erfahren, wie du am besten für ihn sorgen kannst.“
Zu Richards Erstaunen hörte das Keuchen auf. Das Kind begann ruhiger zu atmen, während es C. J. skeptisch anblickte. „Ich sorge gut für Rags.“
„Das glaube ich dir gern. Aber wusstest du zum Beispiel, dass Rags Bananen liebt?“ Die Augen des Mädchens wurden groß. „Wenn er jedoch mehr als zwei Bissen davon nimmt, wird er richtig krank. Du musst also aufpassen und keine Bananen herumliegen lassen. Er mag auch Äpfel, doch auch davon darf er nur geringe Mengen fressen. Du musst darauf achten, ihm nur Belohnungen zu geben, die er verträgt. Sein Magen ist sehr empfindlich. Außerdem gibt es bestimmtes Hundefutter, das er nicht frisst.“
Die Miene des Mädchens hellte sich auf. „Daddy musste drei verschiedene Sorten kaufen, ehe er eine Marke fand, die Rags mag.“
„Siehst du? Eines seiner Geheimnisse hast du bereits durchschaut.“
Lissa nickte. „Ist er allergisch wie ich?“
„Auf gewisse Fliegenbisse reagiert er allergisch. Aber das kann man in den Griff bekommen. Es gibt eine bestimmte Medizin, die ihm hilft. Ich werde …“ Sie hielt inne und biss sich auf die Lippe. Schließlich brachte sie ein kleines Lächeln zustande. „Ich werde sie dir bringen.“
Das Kind blickte zu ihr mit schräg geneigtem Kopf hoch. „Wirklich?“
„Ja. Ich bringe dir auch all seine Krankenberichte und sein Lieblingsspielzeug. Aber du musst versprechen aufzupassen, besonders, wenn er Skateboard fährt. Manchmal achtet er nämlich nicht auf die …“
„Skateboard?“, fiel Richard ihr ins Wort.
C. J. sah ihn mit einem Lächeln an, das sein Herz seltsam erwärmte. „Rags ist ein richtiger Sportler. Er springt auch Seil und surft …“
Lissas Augen wurden vor Bewunderung immer größer. „Rags kennt eine Menge Tricks, nicht wahr?“
„Ja.“ C. J.s Stimme war nur noch ein Flüstern. Ihre Mundwinkel zitterten, als sie mit einem Lächeln hinzufügte: „Aber er kann auch ein kleiner Schlingel sein. Er denkt sich oftmals Dinge aus, die wirklich gefährlich sind. Du musst lernen, ihn zu beschützen. Und du musst ihn dazu erziehen, dir zu gehorchen. Ich kann es dir beibringen, wenn du willst.“
Ein großzügiges Angebot. Einen Moment dachte Richard, Lissa würde es tatsächlich annehmen. Aber dann kniff das Kind misstrauisch die Augen zusammen.
„Das kann ich ganz allein.“ Lissa marschierte zur Haustür. Dort hielt sie mit triumphierendem Blick inne. „Ragsy ist mein Hund. Er braucht dich nicht mehr.“
„Lissa!“ Richard zuckte zusammen, als das Kind die Haustür zuwarf. Dann blickte er die erschrockene Frau an, die sich gerade erhob. „Es tut mir leid.“
C. J. zuckte die Schultern. „Ist schon okay. Dies ist eine schwierige Situation für Lissa.“ C. J. fuhr sich mit der Hand durch die Locken, atmete tief durch und kramte eine Geschäftskarte aus ihrer Hosentasche hervor. „Ich bringe Ihnen Rags Sachen. Wenn Sie noch Fragen oder Probleme haben, erreichen Sie mich unter dieser Nummer.“
Geistesabwesend warf er einen Blick auf die Karte, dann schnell noch einen zweiten. „Das Jazz Tanz Studio?“
„Wenn ich nicht dort bin, verbindet Sie diese Nummer mit meinem Pieper.“
Sie befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge und blinzelte, ehe sie weitersprach. „Bitte grüßen Sie Lissa. Sagen Sie ihr, ich sei froh, dass Rags ein so gutes Heim gefunden hat.“
„Miss Moray …“
Aber sie überquerte bereits den Bürgersteig und setzte sich in ihren Wagen. Einen Moment später fuhr sie die Straße hinunter. Richard schaute dem Wagen erleichtert nach. Doch ein Rest von leichtem Unbehagen blieb in ihm zurück.
„Du hast ihn dort gelassen?“ Im günstigsten Falle konnte man Bobbi Macafee eine bemerkenswerte Frau nennen. Sie war groß gewachsen mit breiten Schultern und einer dichten schwarzen Haarmähne. Wenn Bobbi etwas gegen den Strich ging, wurde ihr Gesicht tomatenrot.
In diesem Moment stand Bobbi hoch aufgerichtet, beinahe einschüchternd vor C. J., als hätte diese gerade gestanden, ein Kind vor der Tür des Waisenhauses abgelegt zu haben. „Wie konntest du so etwas tun? Ich meine, Rags gehört zur Familie. Genauso gut hättest du dein eigenes Kind aufgeben können.“
„Ich hatte keine Wahl“, verteidigte sich C. J. und angelte sich das handtellergroße Gerät zum Messen des Zuckerspiegels vom Küchenbord herunter. Sie stach sich in den Finger, gab einen Blutstropfen auf einen Teststreifen, den sie dann in einen Schlitz des Apparats schob. „Die Kleine liebt Rags. Sein Verlust würde sie todunglücklich machen.“
„Und was ist mit dir? Zählen deine Gefühle nicht?“
„Ich bin eine erwachsene Frau, sie ein krankes, einsames kleines Mädchen, das Liebe braucht.“ C. J. prüfte die digitale Anzeige ihres Blutzuckerspiegels und stellte das Gerät an seinen Platz zurück. Sie gab eine genau abgemessene Menge Orangensaft in ein Glas und bereitete sich ein Putensandwich für ihren Lunch zu.
Bobbi ging wütend auf und ab und schalt über die Ungerechtigkeiten der Welt. C. J. ignorierte sie einfach. Bobbi war für sie vor allem eine geliebte Freundin. Schon seit dem College waren sie wie Schwestern vertraut miteinander, und C. J. verstand, dass das Gefühl, für Rags Fortlaufen verantwortlich zu sein, schwer auf den Schultern ihrer Mitbewohnerin lastete.
Nicht, dass C. J. sie tadeln würde. Mit einem Haushalt umzuziehen war nicht leicht. Wenn überhaupt jemand für Rags Verlust verantwortlich war, so war sie, C. J., es selbst. Sie hätte während des Umzugs anwesend sein müssen, um ihr kostbares Haustier zu beschützen.
„Du solltest Anzeige erstatten“, meinte Bobbi und nickte so heftig, dass ihr die Brille über die Nase rutschte. „Ich kenne einen Anwalt …“
„Nein.“
„Aber der Landkreis hat nicht achtgegeben. Nachdem Rags fortgelaufen war, habe ich immerhin zwei Wochen lang sechs Mal am Tag im Tierheim angerufen. Jedes Mal versicherten sie mir, sie hätten kein Tier meiner Beschreibung aufgenommen. Sie haben gelogen und deinen Hund einfach fortgegeben. Jemand muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden.“
C. J. holte tief Luft. „Kein Anwalt, keine Anzeige. Es ist vorbei. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Rags ist glücklich, er wird geliebt und gut versorgt. Können wir das Thema nicht fallen lassen? Es ist – so schmerzlich.“
Bobbi schaute C. J. unglücklich an. „Oh, Liebes.“ Sie trat einen Schritt auf C. J. zu, hielt aber inne, als diese eine Hand hob, um anzudeuten, dass sie okay war. Selbstverständlich traf das nicht zu, und Bobbi wusste das. Doch sie respektierte C. J.s Bitte.
Frustriert seufzte sie auf und richtete ihre Brille. „Aber ich muss jetzt gehen. Ich erhielt einen Auftrag für ein Interview von der Zeitschrift. Es handelt sich um einen Jockey, der seine beste Zeit bereits hinter sich hat und eine Renngesellschaft beschuldigt, ihn seines Alters wegen zu diskriminieren.“
An der Haustür hielt Bobbi noch einmal inne, schulterte ihre Kamera und blickte ihre Freundin mit unverhohlener Sorge an. „Bist du okay, C. J.? Ich könnte diese Angelegenheit auch verschieben …“
„Mir geht es gut. Geh nur und erledige deinen Job.“ Sie zwang sich zu einem munteren Lächeln und hob das Saftglas zum Gruß. „Schlag sie tot, Tiger.“