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FREI FÜR EINE NEUE LIEBE? von BAXTER, CLAIRE Eigentlich wollte Regan nach ihrer Scheidung allein mit ihren Söhnen bleiben. Da lernt sie Chase Mattner kennen. Der charmante Single-Dad einer süßen Tochter zieht sie magisch an. Doch als sie in seinen Armen mehr ersehnt, merkt sie, dass er noch nicht wirklich frei ist … AM ENDE WARTET DAS GLÜCK von MIKELS, JENNIFER Billy, das Adoptivbaby ihres verunglückten Bruders, soll seinem leiblichen Vater Alex Kane zugesprochen werden! Um den liebgewonnenen Kleinen nicht zu verlieren, lässt sich Carly auf eine Zweckehe mit dem Unternehmer ein. Ein kühles Arrangement mit dramatischen Folgen! DU BRINGST DAS LACHEN ZURÜCK von WHITNEY, DIANA Überglücklich findet C.J. ihren ausgebüxten Hund Rags bei Richard Matthews und seiner Tochter Lissa. Aber keiner von ihnen will auf Rags verzichten! Gemeinsam kümmern sie sich um den Hund, verbringen Tage voller Lachen und Freude wie eine kleine Familie … Ob sie wirklich eine werden können?
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Seitenzahl: 610
Claire Baxter, Jennifer Mikels, Diana Whitney
JULIA SAISON BAND 30
IMPRESSUM
JULIA SAISON erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Erste Neuauflage by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg, in der Reihe: JULIA SAISON, Band 30 – 2016
© 2008 by Claire Baxter Originaltitel: „The Single Dad’s Patchwork Family“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Andrea Greul Deutsche Erstausgabe 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BIANCA, Band 1691
© 1995 by Suzanne Kuhlin Originaltitel: „Child of Mine“ erschienen bei: Silhouette Books, New York Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Tatjána Lénárt-Seidnitzer Deutsche Erstausgabe 1997 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BIANCA, Band 1052
© 1998 by Diana Hinz Originaltitel: „One Man’s Promise“ erschienen bei: Silhouette Books, New York Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gina Curtis Deutsche Erstausgabe 2000 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BIANCA, Band 1193
Abbildungen: skynesher / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733705602
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
Regan Jantz schnappte sich ein Champagnerglas vom Tablett des Kellners, der gerade vorüberging, und suchte sich eine ruhige Ecke im Saal. Von hier aus konnte sie ungestört die einheimischen Geschäftsleute und japanischen Gäste beobachten.
„Ziemlich anstrengend, oder?“
Erschrocken drehte sich Regan in die Richtung, aus der die dunkle, angenehme Stimme gekommen war. Deren sympathischer Besitzer blickte Regan lächelnd an. Sie war also nicht die Einzige, die sich hierher verzogen hatte, um sich aus dem Partygetümmel zu befreien.
Während sie souverän zurücklächelte, musterte sie den auffällig großen und schlanken Mann verstohlen. Seine Haltung strahlte Selbstbewusstsein aus, seine Gesichtszüge waren markant, und er trug einen feinen Anzug. „Wie bitte?“
Er beugte sich zu ihr und flüsterte ihr leise zu: „Sie wirken nicht gerade, als würden Sie sich amüsieren.“
„Oh.“ Regan wich einen Schritt zurück. Er mochte ja vielleicht gut aussehen, eine angenehme Stimme und ein umwerfendes Lächeln haben. Trotzdem zog sie es vor, Distanz zu halten. Schließlich kannte sie ihn nicht.
„Ich habe mich leider etwas verspätet. Hoffentlich dauert das Ganze nicht zu lange“, murmelte sie mit einem Blick auf ihre Uhr. Sie wollte unbedingt zu Hause sein, bevor ihre Söhne schliefen. „Obwohl ich natürlich fest davon überzeugt bin, dass dies ein sehr erfolgreicher Abend wird“, fügte sie schnell hinzu und versuchte, möglichst charmant zu klingen. Vielleicht gehörte der attraktive Fremde zu den Organisatoren dieser Veranstaltung, und sie wollte nicht unhöflich sein.
Er nippte an seinem Glas und beobachtete schweigend die Gäste im Saal. Dann fragte er sie: „Glauben Sie, dass die neue Touristenroute eine gute Idee ist?“
„Aber ja, natürlich!“ Ihre Begeisterung war echt.
Anlässlich einer Tourismus-Konferenz hatte das Fremdenverkehrsamt von Port Lincoln zu dieser Cocktailparty eingeladen, um das neueste Projekt vorzustellen. Port Lincoln lag am Südende der südaustralischen Halbinsel Eyre Peninsula. Das gesamte Gebiet sollte in eine attraktive Freizeitlandschaft verwandelt werden, um mehr Touristen anzulocken. Vor allem japanische Urlauber sollten angesprochen werden.
„Ich finde, das ist wirklich eine großartige Idee“, ergänzte sie aufrichtig.
Normalerweise hätte sie die kurze Unterhaltung an diesem Punkt beendet. Doch anders als die meisten hier schien er wirklich Interesse an einem Gespräch über die neuen Pläne zu haben. Also fuhr sie fort: „Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich in das Projekt einsteigen soll.“
„Warum nicht? Was machen Sie beruflich?“
„Ich betreibe eine Thunfischfarm.“ Während sie einen Schluck Champagner nahm, betrachtete sie seine Augen. Sie waren freundlich und braun – nicht so dunkel wie die ihres italienischen Exmannes, die er ihren beiden Jungs vererbt hatte. Dieses Braun war warm und golden. Die Farbe erinnerte sie ein bisschen an den Honig, den ihr Sohn Cory so gerne zum Frühstück aß.
„Wissen Sie, die meisten Touristen finden es sicher neu und faszinierend, eine Seepferdchenfarm zu besuchen“, erklärte sie. „Bei einem Ausflug zu einer Austernzuchtstation dürfen sie Austern knacken und schlürfen, was natürlich etwas Besonderes ist. Aber alles, was sie bei uns zu sehen bekommen, sind, na ja, ein paar Thunfische in Gefangenschaft. Nicht wirklich aufregend, oder?“
„Ich schätze, Sie haben bestimmt eine spannende Geschäftsidee, mit der Sie viele Gäste anlocken.“
Obwohl sie natürlich ihr Bestes geben würde, war sie sich da nicht so sicher. „Und Sie, was führt Sie hierher?“, fragte sie ihn, um das Thema zu wechseln.
„Gute Freunde haben mich gebeten, sie hier zu vertreten. Die beiden bieten in Leo Bay Bootstouren zu den Robbenbänken an. Die Touristen können dort gemeinsam mit den Tieren schwimmen.“
Regan nickte anerkennend. „Dann ist die Route doch genau das Richtige für Ihre Freunde. Hatten sie heute Abend keine Zeit?“
„Ich schulde ihnen noch einen Gefallen“, antwortete er und senkte die Stimme. „Sie mögen Veranstaltungen wie diese nicht besonders.“
„Sie selbst aber schon?“
Kurz verzog er das Gesicht. „Absolut nicht. Deswegen habe ich ja gehofft, eine Leidensgenossin zu treffen, als Sie hier rübergekommen sind.“
„Auf die gesellschaftlichen Verpflichtungen des Jobs könnte ich tatsächlich gut verzichten, um ganz ehrlich zu sein. Aber manchmal geht es eben nicht anders.“
Entschuldigend lächelte er sie an. „Was das betrifft, bin ich leider etwas aus der Übung.“
„Was meinen Sie?“
„Small Talk halten. Mit Erwachsenen.“
Regan betrachtete ihn interessiert. Die feinen Linien um die Augen und den Mund ließen sein Gesicht besonders ausdrucksstark wirken. Seinen Hang zur Nachdenklichkeit konnte sie an den ausgeprägten Falten auf der Stirn ablesen. Eigentlich ungerecht – was das anging, befanden sich Männer klar im Vorteil.
Das Braun seines Haares war heller als das ihres Exmannes Giacomo, und seine lässige Frisur bildete einen reizvollen Kontrast zu seiner förmlichen Garderobe. Regan kam zu dem Schluss, dass er mit Abstand der attraktivste Mann war, den sie seit Langem getroffen hatte. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie ihn wortlos anstarrte.
Verlegen blickte sie zur Seite. „Ähm, eigentlich bin ich heute Abend hier, um mein Japanisch zu verbessern. Deswegen wird es allmählich Zeit, dass ich mich wieder unter die Leute mische.“
„Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen. Ich heiße übrigens Chase.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen. „Chase Mattner.“
Durch den ständigen Umgang mit Geschäftsleuten kannte Regan mittlerweile jeden erdenklichen Händedruck: den kräftig-zupackenden genauso wie den ängstlich-verschwitzten. Der von Chase Mattner fühlte sich allerdings irgendwie … anders an. Klarer und verbindlicher. Sie genoss das leichte Kribbeln, das die Berührung bei ihr auslöste.
Wie albern. Jetzt dachte sie allen Ernstes über die Qualität von Handschlägen nach und fragte sich, ob dieser gut aussehende Mann vergeben war! Nicht, dass es sie überhaupt interessierte.
„Regan Jantz“, entgegnete sie.
„Vielleicht laufen wir uns später noch einmal über den Weg.“
Der Glanz in seinen Augen verriet ihr, dass er vermutlich nichts dagegen einzuwenden hätte.
Freundlich nickte sie ihm zu und ging. Auf dem Weg zurück ins Geschehen grübelte sie über seine Bemerkung nach, kein besonderes Talent für Gespräche mit Erwachsenen zu haben. Was hatte er bloß damit gemeint? Natürlich, er hatte wahrscheinlich Kinder. Na und? Wieso zerbrach sie sich eigentlich den Kopf darüber? Als sie in der Menge eine Hotelbesitzerin aus der Gegend erkannte, schob sie diese Gedanken schnell beiseite und steuerte zielstrebig auf sie zu.
Chase sah sich nach einem Kellner um, nachdem er Regan eine Weile dabei beobachtet hatte, wie sie sich gewandt von einem Grüppchen zum nächsten bewegte. Früher einmal hätte er alles dafür gegeben, einer Schönheit wie Regan Jantz zu begegnen – mit braunem Haar und blauen Augen, noch dazu gertenschlank und offenbar sehr geistreich.
Doch das war lange vorbei. Seit der Hochzeit mit Larissa hatten ihn andere Frauen nicht mehr interessiert. Und nach allem, was er seither durchgemacht hatte – Larissas Tod, die Verantwortung als alleinerziehender Vater –, hatte er mit dem Kapitel abgeschlossen.
Obwohl er zugeben musste, dass Regan ihm gefiel. Kaum hatte er sein leeres Glas gegen ein neues getauscht, schaute er sich suchend im Saal um. Tatsächlich entdeckte er Regan in einer Sitzecke, vertieft in eine Unterhaltung. Ihre Ausstrahlung und ihre Schönheit wirkten so natürlich. Wahrscheinlich gehörte sie zu den Frauen, die mit den Jahren immer attraktiver wurden.
Als sie sich ihrem Gesprächspartner zuneigte, verdeckte das dichte, dunkle Haar ihr Gesicht. Aber das Bild ihrer hohen Wangenknochen und ihrer intelligenten, leuchtend blauen Augen hatte sich bereits tief in Chase eingeprägt. Ein so klares Blau hatte er nie zuvor gesehen.
Bestimmt gab es einige Frauen, die Kontaktlinsen benutzten, um diese Wirkung zu erzielen. Selbst nach den wenigen Sätzen, die sie gewechselt hatten, wusste er jedoch, dass an Regan alles echt war. Der goldbraune Ton ihres Haares, ihre dichten, langen Wimpern, sogar das zarte Rosé ihrer Lippen. Vom ersten Moment an hatte sie ihn durch ihre ungekünstelte und offene Art eingenommen …
Schluss damit. Er hatte sie nicht anziehend gefunden. Sie hatte lediglich für einen Augenblick seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, mehr nicht. Und auch nur deshalb, weil er sie eventuell anziehend gefunden hätte – wenn alles anders gewesen wäre. In einem anderen Leben.
Außerdem hatte sie ihn an seine gute Freundin Joan erinnert, die ihm viel bedeutete. Dabei fiel ihm ein, dass Joan und ihr Mann Mike der eigentliche Grund dafür waren, dass er heute Abend hier stand. In einem Anzug.
Leise seufzte er und schob die freie Hand in die Hosentasche. Es war hoffnungslos: Er war nicht nur unfähig, Small Talk zu halten. Darüber hinaus war er es nicht mehr gewöhnt, einen Anzug zu tragen.
Andererseits: Warum sollte er das auch tun? Wenn er eines Tages tatsächlich wieder aus beruflichen Gründen ein solches Ding anziehen musste, wäre es längst aus der Mode. Die Vorstellung, ins Geschäftsleben zurückzukehren, solange Phoebe noch klein war, behagte ihm nicht. Schließlich war seine Tochter erst vier Jahre alt. Sie brauchte ihn, und es würde noch einige Zeit dauern, bis das nicht mehr der Fall war.
Es gelang Chase schließlich, seine Augen von Regan abzuwenden. Weil er aber keine Lust auf die üblichen Unterhaltungen mit den anderen Gästen hatte, drehte er sich zum Fenster und sah hinaus. Von dieser Stelle aus hatte man einen großartigen Blick auf das Ufer von Port Lincoln: Von der Spitze des Port Lincoln National Parks aus eröffnete sich das malerische Panorama der Boston Bay mit ihrem spektakulären tiefblauen Wasser. Der Ort war dreimal so groß wie Sydney. Hier kam man jedoch ohne den städtischen Trubel aus, den die fünfzehntausend Einwohner sicherlich auch nicht vermissten.
Von allen Städten Australiens besaß Port Lincoln die höchste Millionärsdichte. Viele der hier ansässigen Thunfischzüchter hatten im Laufe der Zeit ein Vermögen verdient: Sie hatten ihre Ware nach Japan gekauft, weil die Nachfrage nach Sushi und Sashimi dort am größten war. Er fragte sich, ob Regan vielleicht dazugehörte.
Zwar sah sie nicht wie eine typische Millionärin aus. Aber gerade er wusste, dass der erste Eindruck oft täuschte. Seine Eltern waren das beste Beispiel dafür. Von den meisten Menschen wurden sie für Rucksacktouristen gehalten. Kein Wunder: Es war ihnen schon immer zuwider gewesen, ihr Geld zur Schau zu stellen.
Genauso zuwider schien ihnen die Verantwortung für ihren Sohn gewesen zu sein. Chase hätte jede Unterstützung von ihnen haben können – solange es sich dabei um finanzielle Hilfe handelte und er sie ansonsten in Ruhe ließ. Doch ihr Geld hatte er nicht gebraucht, denn davon hatte er immer selbst genug gehabt. Wirklich gebraucht hätte er Trost und elterliches Mitgefühl, als er nach Larissas Tod plötzlich mit Phoebe allein dagestanden hatte. Damals hatten es die beiden allerdings vorgezogen, quer durch Afrika zu reisen. Seitdem hatte er sie nicht mehr gesehen.
Er verscheuchte die schmerzhaften Erinnerungen, die wieder in ihm hochstiegen. Lieber wollte er sich ein Beispiel an Regan nehmen und sich an diesem Abend auf das Wesentliche konzentrieren. Er leerte sein Glas und ging zu den Gästen zurück. Schließlich wollte er Joan und Mike nicht enttäuschen und sie angemessen vertreten.
Als Regan kurz von ihrer Unterhaltung aufblickte, erkannte sie Chase. Er war ebenfalls in ein Gespräch vertieft und stand nicht weit von ihr entfernt. Hatte es ihn unabsichtlich in ihre Nähe verschlagen, oder hatte er dem Zufall nachgeholfen? Wenige Minuten später begannen die offiziellen Ansprachen, und alle Köpfe wandten sich in Richtung Bühne. Überrascht bemerkte sie Chase unmittelbar neben sich. Als Reaktion auf seine Anwesenheit schickten ihre Nervenenden spontan ein Kribbeln durch den ganzen Körper, das Regan am liebsten ignoriert hätte.
„Ich glaube, ich habe heute Abend mit jeder Person in diesem Raum gesprochen“, flüsterte er ihr zu. „Und Sie? Haben Sie auch noch ein bisschen geübt?“
Sie drehte sich zu ihm und sah ihn an. In ihrem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus. Vermutlich war sie hungrig. Zumindest hoffte sie inständig, dass sie nur hungrig war. „Geübt?“
Eigentlich hatte sie es ihm leise zuraunen wollen, doch sie hatte nur ein heiseres Stammeln herausbekommen. Um sich zu beruhigen, holte sie tief Luft – was nicht wirklich half, denn Chase Mattner duftete geradezu betörend …
Dieser Mann brachte sie ganz durcheinander, und das gefiel ihr ganz und gar nicht.
Nun verringerte er den Abstand noch, beugte sich an ihr Ohr und flüsterte ihr zu: „Ihr Japanisch.“
„Ach ja, selbstverständlich“, gab sie mit gedämpfter Stimme zurück.
Lächelnd nickte er ihr zu und konzentrierte sich dann auf den Redner.
Die Atmosphäre um sich herum nahm sie kaum wahr – zu sehr war sie in den Anblick seines klaren Profils mit dem ausgesprochen männlichen Kinn vertieft. Durch die leicht gebräunte Haut wirkte er noch attraktiver.
Auf der Bühne schien der Sprecher gerade einen Scherz zu machen. Als Chase sich daraufhin zu ihr umdrehte, um gemeinsam mit ihr darüber zu lachen, träumte sie. Wie gebannt betrachtete sie seine leuchtenden Augen und seine sympathischen Lachfältchen …
Er stutzte. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“
Sein Gesicht verschwamm vor ihren Augen. Sie wollte nicken, doch plötzlich begann sich der ganze Saal zu drehen, immer schneller – erst in die eine, dann in die andere Richtung. „Mir ist … ein bisschen … schwindelig.“
Einige Minuten später fand Regan sich in der Bar am Tresen wieder, vor sich ein großes Glas Eiswasser. Sie spürte, dass Chase seinen Arm um sie gelegt hatte, aber sie war zu benommen, um zu protestieren. Vermutlich hätte sie das sowieso nicht getan. Und dieser Gedanke verwirrte sie nur noch mehr.
„Na, fühlen Sie sich etwas besser?“
„Mir geht es gut. Ich verstehe gar nicht, wie das passieren konnte.“
„Passiert Ihnen so etwas häufig?“
„Um Himmels willen, nein!“ Sie fiel wirklich nie in Ohnmacht. „Das war das erste Mal.“
„Na ja, es ist schon ziemlich heiß im Saal. Und da drin sind eine Menge Menschen.“
„Ja.“ Der Einzige, an den sie sich erinnerte, stand allerdings gerade neben ihr. Sie nippte an ihrem Glas. Ihr war immer noch ein bisschen schwindelig.
„Sie sind doch nicht …“
Sie blickte ihn skeptisch an. „Nicht was?“
„Schwanger?“
„Nein!“
Chase nickte. „Nur so ein Gedanke. Als meine Frau schwanger war, ist sie in den ersten Wochen oft ohnmächtig geworden.“
Langsam atmete sie ein und aus. Also gut, er war gebunden – sie hatte es verstanden. Warum machte ihr seine Bemerkung trotzdem so viel aus?
„Ich bin definitiv nicht schwanger.“
„Sind Sie vielleicht hungrig? Haben Sie da drin nichts von den Häppchen probiert?“
„Nein, ich esse prinzipiell nie etwas auf solchen Veranstaltungen. Es ist mir einfach zu gefährlich, dass mir was zwischen den Zähnen hängen bleiben könnte.“
Er lachte und sah sie amüsiert an. „Sie meinen das ernst, oder?“
Sie nickte. Was redete sie denn da? Erst wurde sie ohnmächtig, und dann plauderte sie viel zu persönliche Details aus. Ihr Verhalten heute Abend ließ wirklich einiges zu wünschen übrig.
„Wann haben Sie heute zuletzt etwas gegessen?“
Kurz überlegte sie. „Beim Frühstück.“
„Und seitdem nichts mehr?“
„Es war ein sehr hektischer Tag. Ich bin einfach nicht dazu gekommen.“ Sie bemerkte seinen prüfenden Blick. Natürlich wusste sie, dass sie sehr schlank war. Doch die Sorge in seinen Augen war völlig unnötig: So mager war sie nun auch wieder nicht.
„Kommen Sie mit mir essen.“ Es klang mehr nach einer Aufforderung als nach einer Einladung.
„Das geht leider nicht. Ich muss gehen. Verflixt.“ Sie starrte auf ihre Armbanduhr und stellte fest, dass es viel später war, als sie angenommen hatte. Dazu kam, dass sie zum ersten Mal vergessen hatte, ihre Kinder anzurufen. Das tat sie normalerweise immer, wenn sie es nicht rechtzeitig nach Hause schaffte, um sie selbst ins Bett zu bringen. Das kam allerdings selten vor.
„Probleme?“
„Ja. Meine Kinder schlafen schon.“
Regan war fest davon überzeugt, dass man Kindern grundsätzlich immer sagen musste, wie sehr man sie liebte und dass man an sie dachte. Aber genau hier lag das Problem: Sie hatte es einfach vergessen.
Bei dem Gedanken daran stieg eine Flut von Schuldgefühlen in ihr auf. Sie wusste aus eigenem Erleben, wie schlimm es für ein Kind war, vergessen zu werden. Niemals hätte sie von sich behauptet, die beste Mutter der Welt zu sein. Aber zumindest diese Erfahrung wollte sie ihren beiden Jungs ersparen, wenn sie schon ohne Vater aufwachsen mussten.
„Ist Ihr Mann denn nicht bei Ihren Kindern?“
Regan zuckte zusammen. „Nein. Meine Mutter passt auf sie auf.“
Fragend blickte er sie an.
„Ich bin geschieden. Meine Mutter lebt bei uns.“ Ihre Gewissensbisse ließen etwas nach. Die beiden waren bei ihrer Großmutter in guten Händen und schliefen inzwischen bestimmt tief und fest.
„Dann haben wir etwas gemeinsam.“ Er lächelte sie an. „Sie und ich sind alleinerziehende Eltern.“
Ihr Herz klopfte. Er war also doch Single.
Aber das konnte ihr gleichgültig sein. Seufzend sah sie Chase an. „Ich habe vergessen, meinen Söhnen rechtzeitig eine gute Nacht zu wünschen“, erklärte sie. „Und es ist das erste Mal, dass mir das passiert.“
„Ich bin mir sicher, sie werden es Ihnen nicht übel nehmen. Kinder besitzen die bemerkenswerte Fähigkeit, zu verzeihen“, erwiderte er verständnisvoll. „Wie alt sind sie?“
„Will ist sieben und Cory fünf Jahre alt.“
„Meine Tochter Phoebe ist fast vier“, entgegnete er lächelnd.
Er hatte bestimmt nicht vergessen, zu Hause anzurufen.
Plötzlich sprang er auf. „Am besten reserviere ich sofort einen Tisch im Restaurant, bevor es dort zu voll wird.“
Regan wollte protestieren, bekam jedoch kein Wort heraus. Stattdessen nickte sie nur und schaute ihm hinterher. Eigentlich sprach nichts mehr dagegen, seine Einladung anzunehmen. Es war ungewöhnlich, aber sie war sogar erleichtert darüber, dass ihr die Entscheidung abgenommen worden war. Normalerweise war sie immer diejenige, die für alles eine Lösung parat haben musste.
Dabei zehrte es manchmal erheblich an ihren Kräften, ihre Angestellten, ihre Kinder und ihre Familie unter einen Hut zu kriegen.
Die behutsame Berührung an ihrer Schulter ließ sie zusammenfahren, so tief in Gedanken war sie.
„Regan?“ Chase beugte sich zu ihr hinüber. „Es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe. Geht es Ihnen wirklich besser?“
„Entschuldigen Sie, ich war nur etwas abwesend.“
Als er ihr daraufhin wieder zulächelte, kam es ihr so vor, als zöge sich ihr Magen plötzlich zusammen. Ganz klar, sie musste großen Hunger haben.
„Sie haben einen freien Tisch für uns.“ Auffordernd deutete er in Richtung des Restaurants und streckte ihr seine Hand entgegen. Was würde er denken, wenn sie sie ergriff? Dass sie es auf einen romantischen Abend abgesehen hatte? Das hatte sie nicht.
Als er ihr Zögern bemerkte, ließ er seinen Arm sinken, trat rücksichtsvoll einen Schritt zurück und machte ihr Platz. Ein Teil von ihr verspürte Erleichterung darüber. Der andere war zugegebenermaßen etwas enttäuscht. Wahrscheinlich dachte er jetzt, dass sie eine von diesen verspannten Frauen war, die keine Ahnung hatten, wie sie sich einem Mann gegenüber verhalten sollten.
Natürlich war das übertrieben. Aber das Letzte, was sie nach dem Desaster mit ihrem Exmann wollte, war, bei diesem attraktiven Mann schwach zu werden. Oder bei irgendeinem anderen Mann.
Kurze Zeit später saßen sie im Restaurant und studierten ihre Speisekarten. Schließlich erschien der Kellner an ihrem Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Beide entschieden sich für den Weißfisch, eine Spezialität der Region, die nicht nur bei Touristen sehr beliebt war. Als Chase dem Kellner die Karten zurückgab, schob er Regan im selben Moment den Brotkorb entgegen.
„Essen Sie etwas. Damit Sie mir nicht noch einmal umkippen.“
Seufzend befolgte sie seinen Rat. „Glauben Sie mir, es war wirklich das erste Mal, dass mir schwindelig geworden ist. Wahrscheinlich hätte ich keinen Champagner auf nüchternen Magen trinken sollen.“
Er nickte. „Das könnte tatsächlich der Grund gewesen sein.“ Dann nahm er sich ebenfalls ein Stück Brot. „Seit wann betreiben Sie die Thunfischfarm?“
„Meine Familie ist schon eine Weile im Geschäft. Mein Vater hat in den späten Achtzigern in die Farm investiert, als die Fangquoten gesenkt worden sind. Als Dad das Fischerboot meines Großvaters erbte, hat er erkannt, dass die Zukunft der Industrie nicht in der Fischerei, sondern in der Zucht liegt.“
„Ein kluger Mann.“
Das war ihr Dad in der Tat gewesen. Regan war sehr stolz auf ihren Vater. Ohne ihn wäre Port Lincoln niemals zu der blühenden Metropole geworden, die sie jetzt war. Der Fischfang war Port Lincolns wichtigster Industriezweig gewesen. Als sich die gesamte Meeres- und Fischereikultur verändert hatte, war der gesamte Ort in eine Krise mit schweren finanziellen Einbrüchen geraten. Ihrem Dad und einigen anderen war es zu verdanken, dass sich Port Lincolns Wirtschaft mit den neuen Zuchtbetrieben wieder erholen konnte.
Regans Thunfischfarm war im Vergleich zu denen in der Stadt klein. Aber ihre Familie hatte seit jeher den Respekt der anderen Geschäftsleute genossen, und Regan wollte, dass das so blieb. Auch deshalb hatte sie nach der Scheidung wieder ihren Mädchennamen angenommen.
„Da er keinen eigenen Sohn hatte, wünschte Dad sich, das Geschäft eines Tages selbst seinen Enkeln übergeben zu können. Aber er starb, kurz nachdem mein zweiter Sohn geboren wurde.“
„Unerwartet?“
„Ja. Er hatte einen Herzinfarkt“, erklärte sie mit leiser Stimme.
„Das tut mir leid.“
„Damals war es natürlich ein großer Schock. Aber mittlerweile bin ich darüber hinweg.“ Trotzdem schnürte sich ihr bei der Erinnerung einen Augenblick lang die Kehle zu.
„Und danach sind Sie in die Fußstapfen Ihres Vaters getreten?“
„Nein, nicht sofort. Zuerst hat mein Mann die Geschäftsführung übernommen.“ Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, ohne die Gäste an den anderen Tischen wahrzunehmen. „Ich hatte ein Baby und ein Kleinkind und keine Zeit, um ans Arbeiten zu denken. Also habe ich ihn alles machen lassen.“ Sie schnaubte verächtlich. „Das war einer der größten Fehler meines Lebens.“
Sie atmete tief ein. Giacomo – oder Jack, wie er lieber genannt werden wollte – hatte sie auf ganzer Linie enttäuscht. Es war eine harte Zeit für sie gewesen. Umso erstaunter war sie darüber, dass sie hier saß und diesem Fremden einfach ihre Geschichte erzählte.
Warum tat sie das? Vielleicht weil sie glaubte, ihn danach nie wiederzusehen? Als sei er ein Sitznachbar im Flugzeug?
Oder vielleicht weil sie ihm – aus welchen Gründen auch immer – vertraute? Als sei er ein Freund?
So oder so fand sie, dass sie schon viel zu viel von sich preisgegeben hatte.
„Was ist passiert?“, fragte er weiter.
Als sie Chases offenen und aufmunternden Blick auffing, überkam sie seltsamerweise das starke Bedürfnis weiterzureden. Und plötzlich sprudelten die Worte aus ihr heraus.
„Er war ein Blender. Die Verantwortung war einfach zu groß für ihn. Oh, er hat natürlich so getan, als hätte er sein ganzes Leben lang mit der Fischzucht zu tun gehabt. Dabei besaß er keinen Funken Geschäftssinn. Wir haben fast alles verloren.“
„Und dann haben Sie gemerkt, dass Sie selbst eingreifen müssen?“
Sie schreckte zusammen. „Eigentlich ist mir das erst klar geworden, als er mich verlassen hat. Mich, seine beiden Kinder, das Geschäft. Alles.“
Sie nahm einen leichten Anflug von Ärger auf seinem Gesicht wahr, der aber einem Ausdruck tiefen Mitgefühls wich. Die Ellbogen auf dem Tisch, das Kinn in die Hände gestützt, sah er sie schweigend an und wartete geduldig, dass sie weitersprach.
„Das war der Moment, in dem ich mich entschlossen habe, den Betrieb zu übernehmen. Ich hatte keine andere Wahl, denn die Zukunft einer Menge Menschen hing von meiner Entscheidung ab: die meiner Arbeiter und meiner Familie. Ich musste für meine Kinder sorgen. Es war im Grunde genommen völlig irrsinnig, denn ich wusste so gut wie nichts über die Fischzucht. Abgesehen davon, was mein Dad darüber erzählt hat.“ Sie unterstrich ihre Worte mit einer frustrierten Handbewegung.
„Oder besser gesagt, was ich von seinen Erzählungen zufällig mitbekommen habe. Er hatte kein gesteigertes Interesse daran, mir etwas über Unternehmensführung beizubringen. Seiner Meinung nach war das nicht notwendig.“ Wahrscheinlich wäre es ihm sowieso nicht eingefallen, sie zu seiner Nachfolgerin zu machen. Überhaupt hatte er sich nie besonders viele Gedanken um sie gemacht. Diese Erkenntnis wog wie Blei.
Jetzt saß sie hier und erklärte Chase, dass sie keine andere Wahl gehabt hatte. Tatsächlich stimmte das nicht. Niemand hatte sie jemals dazu gezwungen, die gesamte Verantwortung zu übernehmen. Genauso gut hätte sie es auch lassen und sich einen geregelten Job suchen können.
Aber hätte sie wirklich tatenlos dabei zusehen können, wie das Unternehmen ruiniert wurde, das ihre Familie jahrzehntelang aufgebaut hatte? Was hätte sie den Arbeitern sagen sollen? Dass sie ihren Job verlieren würden, weil ihr Mann nicht in der Lage gewesen war, ein Geschäft zu führen?
Nein.
Sie hatte gewusst, dass sie Jacks Fehler wiedergutmachen musste. Außerdem hatte sie ihrem Vater unbedingt beweisen wollen, dass sie es schaffen würde – auch wenn er es selbst nicht mehr miterleben konnte.
Vor allem hatte sie jedoch an die Zukunft ihrer Kinder gedacht. Solange ihr Vater noch gelebt hatte, war die Farm ein blühendes Geschäft gewesen. Genau das sollte sie auch wieder werden. Sie würde den Betrieb an ihre Jungs übergeben, wenn die beiden alt genug dafür wären.
Damals hatte sie keine Ahnung gehabt, wie schwer es werden würde, Geschäft und Familie unter einen Hut zu bekommen. Trotzdem war es ihr irgendwie gelungen.
„Wie lange ist das jetzt her?“ Chase riss sie mit seiner Frage in die Gegenwart zurück.
„Fünf Jahre. Und fast so lange habe ich auch gebraucht, um das Geschäft wieder auf Kurs zu bringen.“
Er nickte. „Und heute läuft es gut?“
„Hoffen wir das Beste … Ja, es sieht ganz gut aus. Ich stehe kurz vor der Vertragsunterzeichnung mit einer japanischen Restaurantkette. Wenn alles klappt, hält mir dieser Auftrag für einige Jahre den Rücken frei.“
Als der Kellner schließlich die Teller brachte und sie auf den Tisch stellte, lehnte Regan sich zurück. Chase war ein guter Zuhörer, aber sie hatte das Gefühl, dass sie genug erzählt hatte.
„Ich muss sagen, ich bin sehr beeindruckt“, sagte er, nachdem der Kellner gegangen war.
Sie winkte ab.
„Nein, wirklich. Was Sie geleistet haben, ist unglaublich.“
Verlegen blickte sie auf ihren Teller und nahm die Gabel in die Hand. „Reden wir nicht länger über mich. Erzählen Sie was über sich. Was tun Sie so?“
„Das heißt also, Sie arbeiten gar nicht?“ Regan schaute auf ihren Teller. Chase entging nicht, dass sie dabei leicht den Kopf schüttelte.
Er nahm einen Schluck Wasser. Da sie nach ihrem kleinen Schwächeanfall an diesem Abend lieber keinen Wein trinken wollte, verzichtete er ebenfalls darauf. Streng genommen hatte sie natürlich recht, was ihre Frage nach seiner Arbeit betraf. Tatsächlich ging er keiner geregelten Beschäftigung nach. Trotzdem war sein Alltag in Leo Bay meilenweit entfernt von dem eines Nichtsnutzes.
Wahrscheinlich glaubte Regan jetzt, er sei einer dieser Typen, die sich auf Kosten der Steuerzahler ein gutes Leben machten.
Der Gedanke war ihm unangenehm.
Als sie nach ihrem Glas griff, beeilte er sich daher hinzuzufügen: „Ich habe eine Auszeit genommen, um für meine Tochter da zu sein.“
Schlagartig hellte sich ihre Miene auf. Sie sieht einfach wundervoll aus, wenn sie lächelt, schoss es ihm durch den Kopf.
„Dann tragen Sie also das alleinige Sorgerecht? Seit wann sind Sie denn geschieden?“
„Ich bin nicht geschieden“, antwortete er mit leiser Stimme. „Meine Frau ist vor dreieinhalb Jahren gestorben.“
Nach einem Augenblick der Stille sagte sie sanft: „Es tut mir leid.“
Stumm nickte er ihr zu. Irgendwie wusste er immer noch nicht genau, wie er mit der Anteilnahme anderer Menschen umgehen sollte.
„Wie ist sie … Oh, bitte entschuldigen Sie, das ist kein gutes Gesprächsthema.“
„Schon in Ordnung“, gab er zurück und schwieg einen Moment, als der Kellner kam und die Gläser auffüllte.
Mittlerweile konnte er über Larissa sprechen. Kurz nach seinem Umzug wäre das noch unmöglich gewesen. Damals wäre ihm allein der Gedanke daran unerträglich gewesen. Doch das Leben in Leo Bay hatte ihm dabei geholfen, seine Trauer allmählich zu überwinden.
Er vermisste sie noch. Schließlich hatten sie für immer zusammenbleiben wollen. Bei ihrer Heirat war er der glücklichste Mann der Welt gewesen. Er hatte das gesamte Paket gewollt: Frau, Kind und Karriere.
Doch das Leben besaß seine eigenen Methoden, um einen Menschen in die Schranken zu weisen.
Umso trauriger war es, dass es Typen wie Regans Ehemann gab, der all das gehabt und es dann achtlos weggeworfen hatte. Chase spürte, wie Ärger in ihm hochstieg. Es wollte ihm nicht in den Kopf, wie ein Mann so etwas tun konnte. Wie konnte ein Vater seine Kinder im Stich lassen?
Sein Alltag war seit Larissas Tod alles andere als einfach. Aber es wäre ihm nicht ein einziges Mal in den Sinn gekommen, Phoebe in die Obhut eines fremden Menschen zu geben.
Eine Auszeit zu nehmen und mit seiner Tochter auf die Eyre Peninsula in ein kleines Strandhäuschen zu ziehen war eine seiner besten Ideen gewesen. Larissas Eltern hatten ihr einst das Häuschen zusammen mit einem kleinen Vermögen vererbt. Das Geld hatte er nicht angerührt. Er würde es Phoebe geben, wenn sie alt genug war.
Larissa hatte den Großteil ihrer Kindheit in dem Strandhäuschen verbracht. Über Chases Entschluss und den Umzug hierher wäre sie glücklich gewesen.
Als er mit Phoebe zum ersten Mal durch die Eingangstür getreten war, hatte ihn bereits das Gefühl durchströmt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Larissa war überall. Er konnte sie spüren. Und das war ein großer Trost.
Das Leben in Leo Bay war natürlich bescheidener und viel einfacher als in der Stadt. Aber genau das hatte ihm geholfen, wieder auf die Beine zu kommen.
Und dann war da Phoebe. Seiner Tochter beim Heranwachsen zuzusehen ließ seine Wunden mit jedem Tag ein bisschen mehr verheilen.
Als Regan jetzt ihre Serviette umständlich zusammenfaltete, riss sie Chase damit in die Gegenwart zurück. „Meine Frau hat Krebs gehabt“, sagte er.
Mitfühlend blickte Regan ihn an.
„Brustkrebs. Sie bekam die Nachricht genau in der Woche, in der wir auch von ihrer Schwangerschaft erfahren haben. Das war das Schlimmste. Um dem Kind nicht zu schaden, hat sie ganz allein beschlossen, auf eine Therapie zu verzichten. Also hat sie die Diagnose erst einmal für sich behalten.“
Inzwischen konnte er nüchtern darüber sprechen. Aber als er damals die Wahrheit herausgefunden hatte, war von einer Minute auf die andere plötzlich alles anders gewesen. Für ihn war es die reinste Hölle gewesen.
„Als ich entdeckt habe, warum es ihr immer schlechter ging, war es bereits zu spät. Der Krebs war schon zu weit fortgeschritten.“ Er starrte auf die Tischdecke.
„Ich kann ihre Entscheidung nachvollziehen“, bemerkte Regan mit sanfter Stimme.
Er sah sie an. „Tatsächlich?“ Er schüttelte den Kopf. „Vielleicht ist das so ein Frauending. Larissa hat immer gesagt, sie sei nur ihrem mütterlichen Instinkt gefolgt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Ehemänner gibt, die hinter einer solchen Entscheidung stehen.“
„Nein, das glaube ich auch nicht. Aber der starke Wunsch, das Kind zu beschützen, setzt bei Müttern sehr früh ein. Schon in der Schwangerschaft.“ Aus ihrer Stimme klang mit einem Mal eine Spur Bitterkeit. „Väter entwickeln diesen Beschützerinstinkt erst nach der Geburt des Kindes, wenn … wenn …“
„Wenn überhaupt“, beendete er für sie den Satz. Er lächelte sie an, als sie ihn entsetzt anstarrte.
„Entschuldigen Sie bitte, ich wollte auf keinen Fall Ihr Verhalten mit dem meines Exmannes vergleichen.“
„Das weiß ich doch.“ Er trank noch einen Schluck Wasser und versuchte sich zu konzentrieren. „Ich finde, sie hätte es mir sagen müssen.“ Er runzelte die Stirn. „Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich liebe meine Tochter Phoebe über alles, und ich würde alles für sie tun. Aber hilflos dabei zusehen zu müssen, wie die Frau, die man liebt, einfach so stirbt … Der Gedanke, dass sie es hätte verhindern können, ist unerträglich.“
Für einen Moment hielt er inne und zuckte dann mit den Schultern. „Sie hat ihren eigenen Tod in Kauf genommen …“ Seine Stimme brach, und er schüttelte den Kopf. Offensichtlich konnte er noch nicht darüber sprechen. „Entschuldigen Sie.“
„Nein, es ist meine Schuld. Ich hätte das Thema gar nicht erst ansprechen dürfen.“ Regan zögerte. „Es tut mir so leid, was Sie durchmachen mussten.“
Die Wärme, die er in ihren klaren blauen Augen las, tröstete ihn. Offenbar spielte sie die kühle Geschäftsfrau nur. Tatsächlich schien sie eine gute Seele und viel Feingefühl zu besitzen.
Beim Essen unterhielten sie sich noch ein wenig über seine Tochter und ihre beiden Söhne. Je länger er mit ihr sprach, desto weniger konnte er ihren Exmann verstehen. In Chases Augen ergab es keinen Sinn, dass ihr Exmann nicht nur seine Kinder, sondern vor allem einen so … bemerkenswerten Menschen wie Regan verlassen hatte. Würde Larissa noch leben, dann hätte er sich niemals von ihr getrennt. Daran bestand für ihn kein Zweifel.
Regan erzählte nun, dass ihre beiden Jungs völlig verrückt nach römischer Geschichte waren. „Ihr Vater stammt aus Rom. Ich befürchte, dass Will sich ein vollkommen falsches Bild von der Stadt macht – er glaubt tatsächlich, dass dort nur Gladiatoren und Menschen in antiken Gewändern herumlaufen. Ich habe ihm zwar versucht zu erklären, dass das nicht ganz stimmt, aber …“
„Ist er dorthin zurückgegangen?“
Sie sah auf. „Jack? Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo er sich aufhält. Ich nehme an, irgendwo in Italien.“
„Haben Sie gar keine Verbindung mehr zu ihm?“
Sie schüttelte den Kopf, während sie ihr Besteck ablegte. „Als er mich verlassen hat, ist er einfach verschwunden. Damals habe ich überall nach ihm gesucht, aber …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich wollte er nicht, dass man ihn findet. Eigentlich sollte ich froh darüber sein. Damit ist mir wenigstens der übliche Sorgerechtsstreit erspart geblieben. Schlimm ist es nur für die Jungs … Ich glaube zwar nicht, dass sie ihn anfangs wirklich vermisst haben. Als er ging, waren sie noch zu klein. Aber als sie später mit Kindern aus heilen Familien gespielt haben, ist ihnen natürlich schnell klar geworden, dass bei uns jemand fehlte.“
Als Regan nach einer kurzen Pause auf die Uhr blickte, erschrak sie. „Himmel, schon so spät! Ich muss unbedingt nach Hause.“
„Sie haben gar nicht aufgegessen.“
„Ich kann nicht mehr, vielen Dank. Auf meinem Schreibtisch wartet Arbeit auf mich. Der Vertrag, den ich eben erwähnt habe – ich muss ihn noch einmal durchgehen.“
Er nickte. „Dann bestelle ich ein Taxi und begleite Sie.“
„Kommt gar nicht infrage. Sie bleiben hier und essen in aller Ruhe zu Ende. Ich bin sowieso mit dem Wagen hier. Es ist auch nicht besonders weit und …“ Sie wirkte etwas fahrig.
Amüsiert schaute er sie an. „Und Sie wollen auf gar keinen Fall, dass ich sehe, wo Sie wohnen?“
Regan zuckte zusammen. „Das hat nichts mit Ihnen zu tun, sondern mit … mir.“ Kaum hatte sie die klischeehaften Worte ausgesprochen, fuhr sie erneut zusammen. „Normalerweise tue ich so etwas nicht“, fügte sie hinzu und zeigte auf ihren halb leeren Teller.
„Was? Essen? Ich dachte, das hätten wir schon längst getan.“
Offenbar versuchte sie, die richtigen Worte zu finden. „Na, das alles hier. Für gewöhnlich bin ich bei meinen Kindern, wenn ich nicht arbeiten muss. Ich habe eigentlich keine Zeit für so etwas.“
„Haben Sie denn keine Freunde?“
Sie zögerte. „Doch, natürlich. Aber wir beide sind nicht befreundet. Und wahrscheinlich laufen wir uns sowieso nie mehr über den Weg.“
Er blickte zur Seite. Mit einem Mal breitete sich große Enttäuschung in ihm aus, obwohl er nicht genau wusste, warum. Nun, heute Abend war er einer Frau begegnet, die ihm auf Anhieb sympathisch gewesen war und die er näher kennenlernen wollte. Natürlich bedauerte er es, dass sie sich schon verabschiedete.
Außerdem war sie sehr attraktiv, doch das war es nicht. Oder zumindest nicht nur. Aus unerklärlichen Gründen fühlte er sich wohl in ihrer Nähe. Er konnte mit ihr reden. Er hatte mit ihr über Larissa gesprochen, und das tat er sonst nur mit sehr wenigen Menschen.
Aber so wie es aussah, wollte sie nichts von ihm wissen.
Er unterdrückte ein Seufzen und blickte sie wieder an, als sie gerade ihre Kreditkarte aus dem Portemonnaie zog.
„Nein, nein“, protestierte er schnell. „Ich wohne hier im Hotel und habe das Essen schon auf meine Rechnung schreiben lassen.“
Sie steckte die Karte wieder zurück. „Danke schön.“
Es beruhigte ihn, dass sie wenigstens etwas gegessen hatte und nicht mehr so blass war. Der rosige Teint stand ihr ausgezeichnet. Das Strahlen ihrer Augen wirkte dadurch noch leuchtender.
Vielleicht hätte sie doch gerne jemanden an ihrer Seite, der ab und zu für sie da ist, schoss es ihm durch den Kopf. Aber er verkniff sich, sie zu fragen. Auf keinen Fall sollte sie sich von ihm bedrängt fühlen.
Wahrscheinlich war die Idee, ihr seine Freundschaft anzubieten, sowieso Unsinn. Regan war schließlich eine starke Frau, die alle beruflichen und familiären Herausforderungen offenbar problemlos meisterte. Und dennoch weckte sie seinen Beschützerinstinkt.
„Ich würde Ihnen wenigstens gerne meine Telefonnummer geben“, erklärte Chase und griff in seine Jackentasche.
„Nein“, antwortete Regan und schüttelte den Kopf. „Glauben Sie mir, ich habe überhaupt keine Zeit für Verabredungen. Das hier ist eine absolute Ausnahme.“
Er zog eine Visitenkarte aus einem kleinen Etui und hielt sie ihr beharrlich entgegen. „Ich gehe auch nicht oft aus. Trotzdem wäre es mir lieb, dass Sie meine Mobilnummer haben. Nur für den Fall.“
„Welchen Fall?“
Er zuckte mit den Schultern. „Für den Fall, dass Sie mal mit jemandem reden wollen. Für den Fall, dass Sie einen Freund brauchen.“
Besonders originell war das nicht, aber ihm fiel nichts Besseres ein. Er wollte Regan nicht einfach so ziehen lassen.
Sie nahm die Karte und überflog, was darauf stand. „Sie sind Anwalt?“, fragte sie erstaunt. „Das haben Sie vorhin gar nicht erwähnt.“
„Weil ich zurzeit nicht praktiziere. Ignorieren Sie einfach alle Angaben auf der Karte. Wichtig ist nur meine Handynummer.“
Höflich nickte sie und steckte die Karte in ihre Tasche. „Vielen Dank.“
Er bezweifelte, dass sie ihn anrufen würde. Ohne ihn überhaupt noch einmal anzusehen, hatte sie die Karte eingesteckt. Vermutlich würde seine Telefonnummer im Papierkorb landen.
Und wenn schon. Er hatte Regan gerade erst getroffen – es konnte ihm egal sein, ob sie ihn nett fand oder nicht.
Als sie Anstalten machte aufzustehen, erhob er sich ebenfalls.
Ihr Abschiedsgruß klang förmlich. „Warten Sie nicht auf meinen Anruf. Genießen Sie den Rest der Mahlzeit. Und … es hat mich wirklich sehr gefreut, Sie kennenzulernen.“
Obwohl sie den letzten Satz ganz leise sagte, verstand Chase jedes Wort – sogar die Bedeutung zwischen den Zeilen. Sein Optimismus kehrte zurück.
„Ich bin wirklich froh, Sie getroffen zu haben, Regan.“ Er streckte die Hand aus, die sie zögernd nahm und schüttelte. „Und denken Sie daran mich anzurufen, wenn Sie etwas brauchen“, fügte er hinzu und hielt ihre Hand eine Sekunde länger fest, als es notwendig gewesen wäre.
Ohne etwas zu erwidern, sah Regan ihn direkt an. Dann löste sie sich von ihm und ging.
Seit der Präsentation der Touristenroute war genau eine Woche vergangen. Regan blickte vom Bildschirm ihres Computers auf und massierte sich die Schläfen. Versonnen betrachtete sie ihre beiden Söhne, die ein paar Meter von ihr entfernt saßen und ein Bild malten. Lange würden die beiden sicher nicht mehr so still sitzen. Dafür besaßen sie viel zu viel überschüssige Energie.
Regan versuchte, so viel wie möglich von zu Hause aus zu arbeiten, um nah bei Will und Cory zu sein. Damit das funktionierte, hatte sie mit den Jungs eine Abmachung getroffen. Die Jungs hatten ihr versprochen, sich ruhig zu verhalten, solange sie am Computer saß. Dafür durften sie dann so laut toben und spielen, wie sie wollten, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig war.
Wenn Regan ins Büro musste, passte ihre Mutter normalerweise auf die Kinder auf. Auch heute wäre eigentlich so ein Tag gewesen. Aber da es Regans Großvater plötzlich sehr schlecht ging, wollte ihre Mutter für eine Weile zu ihm ziehen, um nach dem Rechten zu sehen. Bisher hatte er immer selbst für sich sorgen können, zumindest was seine körperliche Verfassung anging. Finanziell hingegen war er auf Regan angewiesen, die ihm selbstverständlich unter die Arme griff.
Trotzdem hätte sie es lieber gesehen, wenn Pop stattdessen in ihre Nähe gezogen wäre. Er lebte ganz allein in einer kleinen Stadt weiter oben an der Küste. Für ihre Mutter bedeutete das, dass sie jedes Mal eine weite Strecke in Kauf nehmen musste, wenn sie zu ihm fuhr. Regan hatte Angst, dass es ihr irgendwann zu viel werden könnte.
Solange Regans Mutter bei ihrem Großvater war, musste sie sich jedenfalls um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Ihre zweite Stütze, Regans beste Freundin Anna, war zurzeit in England auf den historischen Spuren ihrer Familie unterwegs. Regan vermisste Anna. Und ihre Jungs vermissten Annas Kinder. Sie waren dicke Freunde, und wenn Regan Hilfe brauchte, war Anna jederzeit für sie da.
Sie seufzte.
„Bist du fertig, Mum?“
„Nein, Will. Ein paar Minuten noch.“
Als die Jungs sich ungeduldig ansahen, meldete sich sofort ihr schlechtes Gewissen. Sie wusste, dass sie den beiden viel zumutete. Außerdem konnte sie sich trotzdem kaum auf die Arbeit konzentrieren. Schließlich musste sie überlegen, wen von ihren Bekannten sie in der nächsten Woche als Babysitter anheuern könnte. Aber ihr fiel niemand ein, der infrage kam. Der Kontakt zu ihren alten Schulfreundinnen bestand zwar noch, war aber inzwischen zu flüchtig.
Andere Leute, die sie aus der Zeit mit Jack kannte, waren verheiratet. Nach ihrer Scheidung waren die Treffen mit ihnen seltener geworden. So allein unter Paaren hatte sie sich immer häufiger fehl am Platze gefühlt.
Für den Fall, dass Sie einen Freund brauchen …
Chase Mattner. Seine Visitenkarte lag direkt vor ihr auf dem Schreibtisch. Etwas hatte sie davon abgehalten, sie einfach wegzuwerfen. Vielleicht der Gedanke, ihn eines Tages doch anzurufen.
Konnte sie das denn wirklich tun?
Sie würde natürlich nur mit ihm reden.
Es war verblüffend leicht gewesen, ein offenes Gespräch mit ihm zu führen. Darüber hatte sie fast vergessen, dass sie ihm gerade erst begegnet war. Fast. Allerdings traf sie auch nicht jeden Tag so einen Mann.
Sie nahm seine Visitenkarte und besah sie sich genauer. Ganz oben stand dort der Name einer angesehenen Anwaltskanzlei. Darunter fand sie den von Chase und las zum ersten Mal genauer.
Partner?
Er war Kanzleipartner gewesen? Wie hatte er den Wechsel vom Topanwalt zum Vollzeitvater geschafft? Und hinzu kam noch der Umzug aus der Stadt nach Leo Bay, wo es nicht viel mehr gab als ein paar Strandhäuschen. Leo Bay als Kleinstadt zu bezeichnen wäre übertrieben gewesen.
Auch wenn er nicht unbedingt gezwungen war zu arbeiten, verstand sie nicht, warum er es nicht wollte.
Mit einer entschlossenen Handbewegung beförderte sie die Karte dorthin zurück, wo sie seit einer Woche gelegen hatte.
Was dachte sie sich nur dabei?
Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. Wahrscheinlich täte es ihr gut, mit ihm zu reden. Und ihn wiederzusehen.
Was würde er bloß von ihr denken, wenn sie sich plötzlich meldete?
Eine leise Stimme in ihr sagte, dass er es unter Umständen gar nicht so schlimm finden würde.
Erneut griff sie nach der Visitenkarte. Sie könnte ihn natürlich anrufen, um sich noch einmal für das Essen zu bedanken. Das wäre ein guter Grund.
Und für seine Hilfe, als sie ohnmächtig geworden war. Wäre er nicht in der Nähe gewesen, wäre sie womöglich mitten im Festsaal vor allen Gästen höchst unelegant zusammengesackt. Allein die Vorstellung davon war ihr sehr peinlich.
Zögernd tippte sie mit der Visitenkarte gegen ihr Kinn, und vor lauter Unentschlossenheit wurde ihr ganz flau.
Sie würde es tun.
Sofort schien ihr Magen auf die Größe eines Tischtennisballs zusammenzuschrumpfen. Noch nie war sie vor einem einfachen Telefonanruf so nervös gewesen.
Als sie zum Hörer griff, fiel ihr Blick auf ihre beiden Söhne. Sie überlegte kurz, denn sie wollte lieber ungestört mit Chase sprechen.
„Jungs, ich muss mal für eine Minute ins andere Zimmer. Nichts anfassen, okay?“
Nachdem die beiden ihr zugenickt hatten, ging sie ins Esszimmer hinüber und wählte seine Nummer.
„Chase Mattner.“
Sie schloss die Augen. Bis vor einer Sekunde hatte sie nicht gedacht, dass sie diese Stimme ein weiteres Mal hören würde. Sie war wie gelähmt. In ihrem Innern erschien wieder die Szene, wie er sie angesprochen und dabei so verständnisvoll angesehen hatte.
„Hallo?“, hörte sie ihn neugierig fragen.
„Hier ist Regan Jantz“, sagte sie schnell, damit er nicht auflegte.
„Regan?“
Oh, er erinnerte sich nicht. Sie hätte ihn nicht …
„Wow, das ist toll, dass Sie anrufen“, unterbrach er ihre Gedanken.
Plötzlich löste sich ihre Nervosität in Luft auf. „Wirklich?“
„Ja, wirklich. Damit habe ich gar nicht gerechnet.“
„Nein, ich auch nicht.“ Als sie spürte, dass ihre Stimme kippte, räusperte sie sich. „Eigentlich wollte ich mich noch einmal bei Ihnen bedanken.“
„Wofür?“
„Für die nette Einladung zum Essen.“
„War mir ein großes Vergnügen, Regan.“
„Und dafür, dass Sie mich gerettet haben, als ich kurz vor einem Ohnmachtsanfall stand. Nicht auszudenken, wie ich mich blamiert hätte, wenn Sie nicht gewesen wären.“
„Na, dann machen Sie sich darüber keine Sorgen. Es ist ja nichts passiert, und keiner hat etwas gemerkt. Ich freue mich, wenn ich Ihnen helfen konnte.“
„Danke. Und …“ Sie zögerte einen Moment und spürte, wie sich ihr Magen wieder zusammenzog. „Falls ich etwas für Sie tun kann …“
Es entstand eine kurze Pause.
„Ich meine, wenn ich Ihnen behilflich sein kann …“, setzte sie erneut an.
„Ja, können Sie … Backen Sie?“
„Backen?“
„Ja, Kuchen, Kekse, Gebäck.“
„Schon. Es ist nur … ähm … eine Weile her. Warum?“
„Phoebe hat heute Geburtstag, und sie hat sich einen rosafarbenen Kuchen von mir gewünscht. Ich habe keine Ahnung, wie sie plötzlich auf diese Idee gekommen ist. Aber wenn das ihr größter Wunsch ist, soll sie ihn haben. Nun ja, ich dachte, ich würde das irgendwie hinkriegen.“
„Sie haben versucht, einen Kuchen zu backen?“
„Ja. Vielleicht können Sie mir ja sagen, was ich falsch gemacht habe. Allmählich rennt mir die Zeit davon.“
Regan sah es vor sich. Chase in der Küche. Mit einer Schürze. Um sich herum die fehlgeschlagenen Ergebnisse seiner mangelnden Backkünste. Sie konnte nicht anders und prustete laut los.
„Ich sehe selbstverständlich darüber hinweg, dass Sie sich gerade über mich lustig machen“, sagte er und musste dabei selbst ein Lachen unterdrücken. „Glauben Sie mir, ich bin wirklich verzweifelt. Dieses merkwürdige Ding in meiner Küche sieht zum Heulen aus.“
„Sicher. Tut mir leid.“ Sie räusperte sich. „Was ist denn schiefgegangen?“
„Der Kuchen ist irgendwie viel zu flach und steinhart. Sieht eher aus wie eine Pizza.“
Regan versuchte, ernst zu bleiben. „Haben Sie nach Rezept gebacken?“
„Klar, ich habe mir extra ein Kochbuch von meiner guten Freundin Joan ausgeliehen. Sie passt gerade auf Phoebe auf, damit ich in Ruhe alles vorbereiten kann.“
Regan konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal für Will oder Cory einen Geburtstagskuchen selbst gemacht hatte. In dem Moment fiel es ihr wieder ein: Zu Wills erstem Geburtstag hatte sie das getan. Der Kindergeburtstag, an dem Jack noch da gewesen war. Bevor ihr Leben sich verändert hatte. Seitdem kaufte sie die Kuchen jedes Jahr in der Bäckerei. Sie fragte sich, ob ihre Jungs darüber enttäuscht waren. Ach was, sie hatten den Unterschied bestimmt nicht bemerkt. Trotzdem nahm Regan sich fest vor, in diesem Jahr für beide Jungs wieder selbst zu backen.
„Und nun ist alles aus irgendeinem Grund misslungen. Sie verstehen also mein Problem“, fuhr er fort.
„Keine Zutaten vergessen?“
„Ganz bestimmt nicht.“
„Haben Sie den Backofen zwischendurch geöffnet?“
„Ja. Darf man das etwa nicht?“
„Hm, das könnte der Grund gewesen sein.“
Er seufzte verzweifelt. „Könnten Sie nicht einfach vorbeikommen und mir helfen?“
Seine Bitte löste eine Gefühlslawine aus Mitgefühl und Angst in ihr aus. Ihn anzurufen war eine Sache, ihn zu besuchen eine andere. Aber dann musste sie an Phoebe denken: In diesem Moment freute sich die Kleine wahrscheinlich auf nichts mehr als auf einen rosafarbenen Kuchen. Und ihr fielen all die Kuchen ein, die sie sich selbst als kleines Mädchen gewünscht, aber nie bekommen hatte.
Sie stand kurz davor zuzusagen, als ihr Zweifel kamen. Konnte sie nach der ganzen Zeit überhaupt noch backen? Was, wenn alles danebenging?
„Ich weiß nicht“, entgegnete sie schließlich zögerlich.
„Ist schon gut, Regan. Entschuldigen Sie, wenn ich zu viel von Ihnen verlangt habe.“ Er seufzte. „Also, was glauben Sie, was sollte ich tun?“
Nach einer kurzen Pause hörte sie sich selbst antworten, und sie konnte kaum glauben, dass die Worte aus ihrem eigenen Mund kamen. „Ich könnte einen einfachen Kuchen besorgen und damit vorbeikommen. Dann können wir ihn gemeinsam für Phoebe dekorieren. Es wäre zwar ein bisschen gemogelt, aber die Hauptsache ist doch, dass Phoebe sich freut.“
„Großartig. Und es macht Ihnen auch ganz bestimmt nichts aus?“
Aus dem Nebenzimmer vernahm sie ein Lachen. „Oh, es gibt ein kleines Problem, Chase. Ich müsste meine beiden Söhne mitbringen.“
„Das nennen Sie ein Problem? Sie sollten mal meinen Kuchen sehen. Nein, wirklich, das ist absolut in Ordnung. Ihre Söhne sind uns herzlich willkommen.“
Regan atmete tief ein. Gleich würde sie tatsächlich einen Geburtstagskuchen für ein fremdes kleines Mädchen verzieren. Mit einem Mann, den sie so gut wie gar nicht kannte.
Sie musste über sich selbst den Kopf schütteln. „Haben Sie Kerzen?“
„Ich … äh … also, sie hat keine Kerzen erwähnt. Daher dachte ich, dass ich auch keine bräuchte.“
Sie lachte. „Aber Phoebe muss doch die Kerzen auspusten. Das wird toll für sie.“
Hatte sie das gerade gesagt? Was wusste sie schon über kleine Mädchen?
Es war lange her, dass sie selbst eins gewesen war. Sie war fast dreißig.
„Dann bringe ich welche mit“, fügte sie hinzu. Bevor sie auflegte, ließ sie sich noch den Weg erklären.
Auf dem Weg zurück ins Arbeitszimmer rief sie ihren Söhnen zu: „Jungs, wir müssen mal kurz wegfahren.“
Als Antwort erhielt sie ein gelangweiltes Stöhnen.
„Kommt schon, das macht sicher Spaß“, ermunterte sie die beiden, während sie eine Hand auf Wills Schulter legte und gleichzeitig über Corys dunkles Haar strich. „Wir fahren nach Leo Bay. Es wird euch gefallen.“
„Was gibt’s denn da?“, fragte Will.
„Hm, nicht viel.“
„Und warum soll es uns dann da gefallen?“
„Weil …“ Regan überlegte. „Weil wir dort einen netten Nachmittag miteinander verbringen werden. Sobald ich alles erledigt habe, gehen wir an den Strand.“
Will sah sie prüfend an. „Dürfen wir auch ins Meer? Surfen?“
„Klar.“
„Cool“, antwortete er und rutschte vom Stuhl herunter. „Los, Cory, lass uns die Bretter holen.“
Zunächst brachte Regan die beiden auf ihr Zimmer, damit sie sich umzogen. Auf dem Rückweg fiel ihr Blick in das Zimmer ihrer Mutter, die gerade eine Reisetasche packte.
Regan gesellte sich zu ihr. „Na, alles fertig zur Abreise?“
Ihre Mutter seufzte. „Ja, ich werde dieses Mal übrigens ein bisschen länger bleiben. Ich hoffe, ich kann ihn überreden, zum Arzt zu gehen.“
Regan nickte. „Armer Pop. Er versteht einfach nicht, dass die Ärzte ihm helfen und nicht schaden wollen.“
„Ich weiß. Aber wir müssen endlich herausfinden, was mit ihm los ist.“ Regans Mutter zog den Reißverschluss der Reisetasche zu.
„Gib ihm einen dicken Kuss von mir. Und pass auf dich auf.“
Ihre Mutter nickte. Anschließend packte Regan ein paar Sachen für den Strand zusammen: Sonnenbrille, Handtücher und Badehosen für Will und Cory. Natürlich würde sie ihre Mum vermissen – wenn die Beziehung zwischen ihnen auch nicht besonders eng war. Ihre Mutter liebte sie und vor allem die Jungs, das wusste sie. Doch Regan hatte schon sehr früh lernen müssen, dass ihre Eltern in erster Linie für das Geschäft lebten. Natürlich war sie sehr stolz auf deren Erfolg.
Dennoch überkam sie manchmal das Gefühl, etwas Wesentliches in ihrer Kindheit vermisst zu haben. Gleichzeitig war ihr durchaus klar, dass es Kinder gab, die auf sehr viel mehr verzichten mussten. Dabei dachte sie an Phoebe, deren Mutter gestorben war, damit sie leben konnte …
Nachdem sie in ein leichtes Sommerkleid geschlüpft war, setzte sie die Jungs in den Wagen und verstaute all die anderen Dinge sicher im Kofferraum.
Schnell besorgte sie noch einen Kuchen, Kerzen und Zuckerguss. Dann ging die Fahrt nach Leo Bay los.
Regan konnte sich kaum an Leo Bay erinnern. Ihr Vater hatte nie Zeit für einen Familienurlaub gehabt, und ihre Mutter hatte sich grundsätzlich geweigert, ohne ihn Ferien zu machen.
Während sich die Jungs auf der Rückbank des Wagens vergnügten, versuchte Regan, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Unentwegt musste sie an Chase denken.
Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie auf dem Weg zu einer Verabredung war.
Wobei dies natürlich keine echte war. Schließlich leistete sie lediglich erste Hilfe. Sie warf einen Blick auf den Kuchen, der neben ihr auf dem Beifahrersitz lag. Sie würde ein kleines Mädchen vor einer großen Enttäuschung bewahren und einem Freund einen Gefallen tun. Kein großes Problem also. Außerdem könnte sie wieder fahren, falls es unangenehm würde. Was hatte sie zu verlieren?
Als ein paar vereinzelte Häuser am Straßenrand erschienen, fuhr sie etwas langsamer.
„Sind wir schon da, Mum?“
„Fast.“
Am Ende der Straße tauchte vor ihren Augen die Bucht auf. Regan bremste sanft ab, um den Blick auf den weißen Sand und das türkisblaue Meer zu genießen. Es war grandios. Eine Dünenlandschaft fasste links und rechts das Wasser ein und bildete den perfekten Rahmen für diese Idylle.
Der Beschreibung von Chase folgend, bog Regan rechts ab. An der staubigen Straße, die hinter den Dünen entlang führte, waren wenige Häuser aufgereiht. Das von Chase war das vierte und letzte. Es war auf Holzpfosten gebaut und stand direkt am Meer.
Sie stellte den Motor ab und stieg aus, den Blick auf das himmelblaue Holzhäuschen gerichtet. Es sah genauso aus, wie er es beschrieben hatte. Ein freundliches kleines Ferienhäuschen, von dessen Außenwand wegen der salzhaltigen Luft allmählich die Farbe abblätterte. An der Veranda lehnte eine Angelrute, und die Treppenstufen waren mit feinen Sandspuren bedeckt.
Plötzlich breitete sich Nervosität in ihr aus. Im Stillen versuchte sie sich zu beruhigen. Sie sollte das Ganze nicht größer machen als das, was es war – ein Besuch unter Freunden.
Nachdem die Jungs aus dem Wagen geklettert waren, drückte Regan Will die Strandtasche in die Hand und klemmte Cory die beiden Surfboards unter die Arme. Dann nahm sie den Kuchen vom Vordersitz. Gerade als sie die Wagentür zuschlug, öffnete sich die Eingangstür des Häuschens, und Chase trat auf die Veranda.
Der Mann, der ihr jetzt entgegenkam, sah ganz anders aus als der, den sie auf der Cocktailparty kennengelernt hatte. Er war barfuß, trug Shorts und ein einfaches T-Shirt. Insgeheim fragte sie sich, ob sie ihn so überhaupt wahrgenommen hätte.
Doch als er sie anlächelte, war es wieder da – dieses Kribbeln …
Wieso sollte seine Kleidung wichtig sein? Er war es, der diese Reaktion in ihrem Körper hervorrief.
Seit ihrer Scheidung hatte sie keinen Mann mehr auf diese Art angesehen.
Und dabei sollte es auch bleiben. Bei Blicken und Gesprächen. Sie erinnerte sich an den Abend ihrer ersten Begegnung und musste daran denken, wie leicht es ihr gefallen war, mit ihm zu reden. Über Dinge, über die sie sonst nie so leichtfertig mit anderen Menschen sprechen würde.
Nachdem Jack sie verlassen hatte, war sie überzeugt gewesen, dass sie nie wieder einem Mann vertrauen könnte.
Kein Mann sollte sie jemals wieder so verletzen, wie ihr Exmann es getan hatte. Lieber wollte sie ihre Gefühle unter Verschluss halten.
Chase lief die Treppe hinunter. „Regan, wie schön, Sie wiederzusehen.“ Er beugte sich vor und gab ihr zur Begrüßung einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
Ihr stockte der Atem. Sie musste sich beherrschen, um nicht die Stelle auf ihrer Wange anzufassen, die seine Lippen berührt hatten.
Ein freundschaftlicher Kuss, mehr nicht. Daran war nichts ungewöhnlich.
„Ist das der Kuchen?“, fragte er und zeigte auf die Schachtel in ihrer Hand.
„Oh ja.“
„Toll. Sie sind meine Rettung. Soll ich Ihnen den Karton abnehmen?“
„Hm … Könnten Sie vielleicht lieber Cory helfen?“ Mit dem Kopf deutete sie in Richtung ihres jüngsten Sohnes. Cory hatte mit den beiden Surfbrettern zu kämpfen, die größer waren als er. „Ich habe den Jungs versprochen, später mit ihnen an den Strand zu gehen.“
Chase beugte sich zu Cory hinunter. „Hi, Kumpel. Ich bin Chase. Kann ich dir vielleicht helfen?“
Cory nickte stumm.
„Ich habe auch so eins.“
Aufmerksam beobachtete Cory ihn, als Chase sich wieder aufrichtete und sich ein Brett schnappte.
„Hier sind die besten Wellen für Surfer“, fügte Chase hinzu.
„Echt?“
„Klar.“
„Cory kann das noch nicht so gut“, schaltete Will sich ein. „Mum hat versucht, es ihm beizubringen, aber er ist immer runtergefallen.“
„Kein Problem. Das kriegen wir hin. Soll ich die Tasche tragen, Will?“
Will war überrascht, dass der fremde Mann seinen Namen kannte. Als Chase die Tasche nahm, blickte der Junge seine Mutter fragend an. Regan lächelte ermutigend zurück.
„Okay, aber zuerst müssen wir uns um den Kuchen kümmern“, sagte sie zu ihren Söhnen, die hinter Chase die Treppe hinaufstiegen. „Es wird also noch ein bisschen dauern, bevor wir zum Strand gehen.“ Innen wehte ihr angenehm kühle Luft entgegen. „Sie haben eine Klimaanlage?“
„Ja“, antwortete Chase, lehnte die Surfbretter an die Wand und lief hinüber in die kleine offene Küche. „Das Einzige, was ich am Haus verändert habe. Und die elektrischen Leitungen, die ich aus Sicherheitsgründen neu verlegen musste. Sonst ist alles genauso wie zu der Zeit, als Larissa noch lebte.“
Regan nickte und betrachtete die Einrichtung, einem bunten Mix aus verschiedenen Sofas, vollen Bücherregalen und unzähligen Beistelltischen. Dieser hier unterschied sich in jeder Hinsicht von ihrem eigenen durchorganisierten Haushalt.
Sie stellte den Kuchen auf die Küchenbank und wusch sich in der Spüle die Hände.
„Hört mal, ihr zwei“, rief sie ihren Jungs über die Schulter zu. „Seid schön still und spielt ein bisschen mit den Sachen, die ihr mitgebracht habt. Inzwischen kümmern wir uns hier um den Kuchen. Wir beeilen uns.“
Chase beobachtete die beiden, wie sie brav zum Sofa gingen und ihre Spielsachen aus der Tasche kramten. „Sie können auch draußen spielen“, schlug er vor.
Schweigend schüttelte sie das Wasser von ihren Händen ab.
„Der Garten hinterm Haus ist absolut sicher.“
Regan nicke zaghaft. „Meinetwegen.“
„Sagt mal, Jungs, könntet ihr mir einen Gefallen tun?“
Will und Cory sahen ihn an. „Was denn?“, fragte Will zögernd.
„Es wäre toll, wenn ihr für mich etwas aufbauen würdet. Kommt mal mit.“
Als die beiden mit Chase durch die hintere Glastür in den Garten traten, schaute Regan ihnen leise seufzend hinterher. Außer Pop, der selten da war, hatten ihre Söhne kaum eine männliche Bezugsperson. Vielleicht wäre es gut, wenn sie ab und zu ein bisschen Zeit mit Chase verbringen würden.
Dann konzentrierte sie sich wieder auf den eigentlichen Grund ihres Besuches und durchsuchte den Küchenschrank nach Schüsseln und Kochlöffeln. Als sie alles beisammen hatte, begann sie, den Zuckerguss anzurühren.
Einige Minuten später erschien Chase neben ihr. „Tut mir leid, dass ich Sie hiermit alleine gelassen habe.“
„Gar kein Problem. Was machen die Jungs?“
„Ich habe ihnen den Auftrag gegeben, ein kleines Haus für Phoebe zu bauen.“
Verdutzt blickte sie ihn an. „Wie kommen Sie darauf, dass sie ein Haus bauen können? Es sind kleine Jungs.“
Er lächelte. „Eben. Alle Jungs wissen, wie das geht. Das liegt jedem Mann in den Genen.“
„Ist das nicht gefährlich?“
„Wenn überhaupt, dann steckt am Ende höchstens der ein oder andere Splitter im Finger.“
Sie widmete sich wieder der Schüssel mit dem Zuckerguss, den sie mit einem Holzlöffel cremig rührte. „Entschuldigen Sie, wenn ich so ängstlich reagiere.“ Ihre Söhne waren eben ihr Ein und Alles.