3,99 €
Obwohl Violet mittlerweile die Einzige in ihrer Clique ist, deren Freund keine Horden an kreischenden Mädchen nach sich zieht, findet sie sich mit ihrem Single-Dasein ziemlich gut ab. Schließlich braucht man nur eine Tafel Schokolade, gute Musik und ein spannendes Buch, um glücklich zu sein. Doch dann taucht unerwartet ein Problem am rosaroten Horizont ihrer Freundinnen auf: Alex' Halbbruder David, der verboten gut aussehende und viel zu begabte Rocksänger. Um den häuslichen Frieden wiederherzustellen, bewirbt sich Violet mit einem heimtückischen Plan als Keyboarderin in seiner Band. Doch dann passiert genau das, womit sie am wenigsten gerechnet hätte: Sie verliebt sich ausgerechnet in David… //Alle Bände der romantischen Bestseller-Reihe: -- Verliebe dich nie als Rockstar (Die Rockstar-Reihe 0) -- Verliebe dich nie in einen Rockstar (Die Rockstar-Reihe 1) -- Blind Date mit einem Rockstar (Die Rockstar-Reihe 2) -- Ein Rockstar kommt selten allein (Die Rockstar-Reihe 3) -- Rockstar weiblich sucht (Die Rockstar-Reihe 4) -- Der Rockstar in meinem Bett (Die Rockstar-Reihe 5) -- Rockstars bleiben nicht zum Frühstück (Die Rockstar-Reihe 6) -- Rockstars küssen besser (Die Rockstar-Reihe 7) -- Rockstars kennen kein Ende (Die Rockstar-Reihe 8) -- Rock'n'Love (Ein Rockstar-Roman) -- Liebe ist wie ein Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Alles begann mit einem Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Die MEGA Rockstars-E-Box: Band 1–8 der Bestseller-Reihe -- ROCKSTARS. Band 1–3 in einer E-Box -- Berührende Rocksong-Romantik im Sammelband (Die Rockstar-Reihe)// Die Rockstar-Reihe ist abgeschlossen. Alle Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden und haben ein abgeschlossenes Ende.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
In diesem E-Book befinden sich eventuell Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Carlsen Verlag GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.
Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2014 Text © Teresa Sporrer, 2014 Redaktion: Katharina Kohlhaas Umschlagbild: photocase.com / © Carol I Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral
»Hast du es verstanden, Violet?«
Meine Freundin Zoey sah mich mit durchdringendem Blick an. Ein Blick, der eigentlich den Aufkleber Achtung! Kann Angstzustände auslösen verdient hätte.
Wie konnte ein Mädchen mit großen braunen Rehaugen nur so bedrohlich aussehen?
Sie hatte sich so weit über den mit Band-Stickern zugeklebten Holztisch gebeugt, dass ich fürchtete, sie würde das Gleichgewicht verlieren.
Zoey hasste es, wenn etwas Unerwartetes passierte. Es sei denn, bei diesem Unerwarteten handelte es sich um die Liebe zu ihrem Freund und Bandkollegen Alex. Obwohl sie selbst bei dieser Sache wie eine Irre rumgetobt hatte.
Was ich aber sicher wusste, war, dass das Auftauchen von Alex’ Halbbruder David und dessen Drohungen sie rasend vor Wut machten. Alles, was sie wollte, war, dass wir vier Freundinnen glücklich waren und jetzt passierte das …
»Du sollst ihn nicht verführen. Du sollst dich nicht direkt an ihm rächen. Finde heraus, was David genau vorhat und wie er es anstellen will! Mehr nicht.«
»Challenge accepted.« Ich nickte, fest entschlossen, meinen Freundinnen und ihren Freunden zu helfen. »Keine Bange, Zoey. Nell hat mir auf sechs DIN-A4-Seiten zusammengefasst, wie, was, wo und warum alles schlecht an ihm ist.«
Seit Nell mit dem weißhaarigen Gitarristen Craig von Zoeys und Alex’ Band Lost In Stereo zusammen war, schrieb sie nur noch selten an ihrem Buch mit dem interessanten Titel Wie man sich jeden Typen angelt – 101 Tipps für eine fehlerlose Verführung. Stattdessen suchte sie sich andere Schaffensgebiete, sie schrieb zum Beispiel Artikel für die Schülerzeitung, Buch- und Filmrezensionen für diverse Internetseiten und seit Neuestem einen Text mit dem Thema Wie man David richtig hasst – 7 Gründe, den Typen auf der Stelle zu töten.
»Ich habe keine Lust, mich auf einen manipulativen Kerl einzulassen, der seinen eigenen Halbbruder im Stich gelassen hat.«
Zoey wusste genau, warum David die Band und seinen Bruder in einer schweren Zeit verlassen hatte, trotzdem schwieg sie wie ein Grab, wenn ich oder jemand anderes sie darauf ansprach. Aber ich vertraute Zoey und Alex, bohrte also nicht weiter nach, auch wenn mich das alles noch stutzig machte.
Sie haben ihre Gründe, sagte mir meine innere Stimme. Lass sie es dir freiwillig sagen. Sie sind deine Freunde. Sie würden dich niemals ins offene Messer laufen lassen.
Und meine innere Stimme lag immer zu neunzig Prozent richtig.
»Du darfst keinen einzigen Augenblick lang vergessen, was David unserer Band und besonders seinem Halbbruder antun wollte und wahrscheinlich wird«, knurrte Simon und schlug mit seiner Hand auf den Tisch.
Mann, waren wir heute wieder theatralisch...
Ich griff schnell nach meiner Piña Colada, bevor der Bassist sie noch umschüttete. Ich hatte Katrina, die Barfrau, anflehen müssen, Cocktails in die Getränkeliste des Clubs aufzunehmen.
Hm, Kokosnuss, Ananas und Alk … Gab es etwas Schöneres? Jetzt bräuchte ich nur noch ein gutes Buch, vielleicht ein Stückchen Kuchen und einen harmlosen David und alles wäre wieder perfekt!
Ich blickte in die Runde, als Simon wieder ansetzte:
»Und -«, begann er, wurde aber rasch von der großen, schlanken Blondine neben ihm unterbrochen.
»Und er hat sich mit Serenas Erzfeindin verbündet!«, vervollständigte Serena den Satz ihres Freundes.
Bevor wir vier Freundinnen uns kennengelernt hatten, hatte diese Jennifer sie aufs Übelste gemobbt. Statt sich allerdings für ihre Vergehen zu entschuldigen, wollte sie nun mit David die Band auseinanderbringen.
Serena schnaubte laut und warf ihre blonden Haare nach hinten. Ein Anzeichen dafür, dass sie tierisch sauer war. »Jennifer! Das wäre genauso, wie wenn er etwas mit Stephanie anfangen würde. Was will man nur von so einer durchtriebenen Schlampe, wie sie es ist?«
»Reg dich nicht so sehr auf, Sera«, sagte Simon zärtlich.
Er strich ihr beruhigend über den nackten Arm. Serena legte ihren Kopf auf Simons Schulter und schloss die Augen. Zwischen den beiden war eine ziemlich heftige Show abgegangen, sie brauchten noch Zeit, um ihre Beziehung wieder richtig aufzubauen. Aber es sah vielversprechend aus. »Er weiß anscheinend alles über unsere Schwächen.«
»Und ihr seid euch sicher, dass er mich nicht kennt?«, gab ich zu bedenken.
Zum ersten Mal mischte sich Alex in das Gespräch ein. Normalerweise sah er richtig heiß aus, aber im Moment hatte er dunkle Ringe unter den Augen, die ihm gar nicht standen.
»Er hat gesagt, dass er es mir, meiner Band und damit auch den zwei Mädchen heimzahlen wird. Damit sind ohne Zweifel Serena und Nell gemeint. Zoey gehört zur Band. Ihr beide, Violet, habt euch noch nie gesehen. Ganz im Gegensatz zu David und euch, Nell und Serena.«
Was ich persönlich sehr schade fand. Ich wollte endlich sehen, ob David genauso heiß wie sein Bruder war!
»Ich bin dafür, dass wir es lassen«, sagte Nell überraschend.
Neben ihrem Freund Craig war sie wohl die Einzige, die die Sache ziemlich locker nahm. Sie knurrte, fauchte, zischte nicht und schlug auch nicht mit ihren Händen gegen etwas. Stattdessen hatte sie sich an Craigs Brust geschmiegt. Craig lächelte verträumt. Von all meinen Freunden waren die beiden am pflegeleichtesten: Sie waren ohne fremde Hilfe zusammengekommen und verhielten sich ziemlich harmonisch. Sie stritten sich nicht andauernd, so wie Zoey und Alex es taten. Sicherlich aber würden zwischen den beiden auch irgendwann mal die Fetzen fliegen.
»Alex soll die Sache mit seinem Bruder alleine klären. Notfalls stecken wir die beiden gemeinsam in ein Zimmer. Hat doch bei Simon und Serena auch funktioniert. Natürlich müssten wir vorher alle scharfen und spitzen Gegenstände entfernen.«
»Mit David kann man nicht mehr sprechen«, meinte Alex betrübt. »Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er es auch durch.« Ein müdes Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit. »Er ist schließlich mein Bruder.«
»Das Wichtigste ist und bleibt, dass du David zwar nahe kommst, aber immer noch genügend Abstand bewahrst. Du bist die einzige Chance, David mit seinen eigenen manipulativen Mitteln zu schlagen.«
Ich konnte Zoeys Gefühle in diesem Moment gut nachvollziehen: Alex war ihr Freund und der einzige Junge, den sie je geliebt hatte, und dieses Ekel von Halbbruder bedrohte die Band. Das stärkste Bindeglied für meine Freundinnen und ihre Freunde.
Es war meine heilige Pflicht, etwas gegen ihn zu unternehmen.
»Kein Problem.«
Ich zog mir die schwarze Sonnenbrille mit den schicken violetten Strasssteinen am Gestell von der Nase herunter, um im spärlich beleuchteten Raum die Person mit der schwarzen Akustik-Gitarre auf der Bühne genauer mustern zu können.
Ganz versunken in seiner eigenen Welt ließ er seine langen schlanken Finger über die Saiten seines Instruments streichen. Seine Augen waren nur einen Spalt weit geöffnet und blickten in Richtung Publikum. Doch ich könnte wetten, dass er weder mich noch die anderen Zuschauer wirklich sah.
Ich vermisste es, mich auch so in der Musik verlieren zu können. Es war schon Jahre her, dass ich gespielt hatte.
»Verdammt«, fluchte ich leise, als David eine kurze Pause einlegte und den Kopf im Nacken kreisen ließ. »Man merkt gleich, dass die beiden miteinander verwandt sind.«
Ich biss mir voller Entzückung auf die Unterlippe.
Ohne Zweifel, neben Alex und Ian, dem Bruder meiner Freundin Zoey, war David einer der heißesten Jungs, die meine Augen je erblicken durften: Strähniges schwarzes Haar fiel ihm in die Stirn, über die Ohren und leicht auf die Schultern. Hallo, ging es noch ein Stückchen heißer? Oh ja, war die klare Antwort. Im Gegensatz zu seinem Bruder war David um einiges muskulöser. Jedes Mal, wenn er mit seinen Fingern über die Gitarrensaiten strich, wölbten sich die Muskeln unter seinem schwarzen T-Shirt. Die vielen Tattoos an seinen Armen tanzten bei jeder Bewegung.
Meine Finger verkrampften sich um den fast vollen weißen Pappbecher.
Warum hatte mich niemand vorgewarnt?
»Nicht sabbern, Violet!«, ermahnte ich mich selbst mit strenger Stimme. »Er ist der Feind.«
Zoey und Alex hatten mir eine Stunde lang eingetrichtert, dass ich mich nicht von Davids heißem Aussehen ablenken lassen durfte. Eigentlich hatten die beiden recht: David wollte Alex’ Band auseinanderreißen und das durfte ich nicht zulassen! Meine Freundinnen waren zum ersten Mal allesamt glücklich vergeben und ich persönlich konnte über die Freundschaft mit kleinen Vorzügen, die ich mit Kyle pflegte, nicht wirklich meckern. Außerdem wäre es kaum auszudenken, was die Gefühle meiner Freundinnen mit meiner Gefühlswelt anstellen würden!
Ich reagierte sensibel auf ihre Schwankungen, auch wenn ich immer versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wenn meine Laune ihretwegen in den Keller sank.
»Immer sind die Arschlöcher am heißesten«, seufzte ich betrübt. Egal ob in Filmen, Büchern oder im realen Leben, das Arschloch war meist der Typ mit dem heißesten Körper, dem hinreißendsten Lächeln auf vollen Lippen und den klarsten blauen Augen – oder wie in Davids Fall: grünen Augen. Obwohl ich Typen mit grauen oder braunen Augen auch nicht verschmähen würde.
Ich kramte mein Handy inklusive Headset aus meiner Rocktasche und wählte Zoeys Nummer.
»Ich sehe ihn«, sagte ich meiner besten Freundin. »Warum hast du mir nicht gesagt, wie heiß er ist? Er ist ja der wahrgewordene feuchte Traum! Over and Out.«
Zuerst dachte ich, dass mein Handy rauscht, aber dann erkannte ich, dass es sich bei dem vermeintlichen Störsignal um Zoeys Knurren handelte.
»Reiß dich zusammen!«, zischte Zoey. »Und natürlich ist er heiß! Er ist schließlich Alex’ Halbbruder. Also, was tut er?«
»Er spielt gerade großartig auf seiner Gitarre«, schwärmte ich. Ein erstickter Laut kam über meine Lippen, als er zu singen anfing. »Oh Gott, Zoey, hast du ihn schon mal singen hören? Es ist nicht so, als würden Engel singen, sondern … Braindead.«
Es war einfach unglaublich!
Als ich vor zwei Jahren Alex’ Band entdeckt hatte, war ich der festen Überzeugung gewesen, dass Alex einer der begabtesten Sänger war – aber sein großer Bruder toppte ihn um Längen! Nichts gegen Alex. Sein Charakter war auf jeden Fall besser.
Davids Stimme war so anders als die von Alex. Während die Stimme seines Halbbruders abgerundet und weich klang, war Davids Stimme rauer, dafür aber umso kräftiger und einprägsamer.
»Nein«, erwiderte sie scharf. »Was für einen Song spielt er?«
Ich stöpselte das Headset von meinem Handy für einen Moment heraus und spitzte meine Ohren, um die Lyrics genau zu verstehen. Zu meinem Missfallen spielte er keinen eigenen Song.
I was born one morning in December on the coldest day. Abandoned by my mother and my father I was raised.
My father raised my brother and I with a stubborn heart.
My mother left me her good looks and confident charm.
Was er für Emotionen in diesen Song legte! Ich konnte das auf die Entfernung in jeder Faser meines Körpers spüren.
»The Westerner von Falling In Reverse«, sagte ich ihr. Ähnlich wie Zoey kannte ich ziemlich viele Songs dieser Musik-Sparte. »Diese Stimme!«
Zoey schnaubte am anderen Ende. »Der Song passt ja wie die Faust aufs Auge.«
Wie sollte ich das nun verstehen? Gut, ein paar Zeilen passten ziemlich gut, andere aber gar nicht. Der Song handelte schließlich von Ronnie Radkes Drogen-Vergangenheit und wie er aus seiner Band Escape The Fate rausgeworfen wurde, nachdem er angeblich unschuldig verhaftet worden war.
Das mit der Band erinnerte mich an David. Darum war es kein Wunder, dass er in die entsprechenden Zeilen viel Wut legte.
No, I won’t let you win.
Not this time, my friend.
You know that I’m better in the end.
Meine Freunde hatten mir ohnehin zu wenig über David erzählt: Ich wusste, dass er dreiundzwanzig war, also fünf Jahre älter als ich und drei Jahre älter als Alex, und dass er irgendwelche gesundheitlichen Probleme hatte beziehungsweise gehabt hatte. Oh, und er war der uneheliche Sohn von Alex’ Vater. Beim letzten Punkt hatte Alex so komisch rumgedruckst, dass ich weitere Fragen unterlassen hatte.
Am wichtigsten war ihnen gewesen, dass ich mir in der Aktensammlung in meinem Kopf auf seinen persönlichen Ordner das Etikett großes Arschloch klebte. Der Sticker hing jetzt unter der metergroßen Bemerkung Extrem heiß!.
»Violet!« Der plötzliche Stimmwechsel an meinem Ohr holte mich zurück in die Realität. »Wie geht es ihm?«, flüsterte Alex.
»Er sieht gut aus. Waaahnsinnig gut.« Ich zog das a extra lang. »Er ist ziemlich heiß.«
Er stöhnte. »Wir haben schließlich ähnliche Gene«, meinte der andere Rockstar. »Ich meine, sieht er … nun ja, gesund aus?«
»Alex, du musst wissen, dass ich ihn nicht heiß finden würde, wenn er krank wäre … Obwohl, mit verklebten Haaren und Schweiß im Gesicht …« Ich malte mir das im Geiste aus. An Fantasie und Kreativität mangelte es mir zum Glück nie. »Nee, so ist er heißer.«
Anscheinend beruhigte das Alex.
»Wir machen jetzt eine Konferenzschaltung«, sagte Zoey wieder. »Bevor Serena und Simon sich wieder ausgeschlossen fühlen.«
»Serena grüßt Violet«, meldete sich meine beste Freundin, die immer in der dritten Person von sich sprach, zu Wort. Nein, sie war nicht wirklich psychisch krank, sprich schizophren. Serena war ganz einfach anders – wie wir alle. »Du findest David also heiß? Naja, schlecht sieht er wirklich nicht aus.«
»Serena!« Ich hörte, wie ihr Freund Simon sie in verletztem Tonfall ermahnte.
»Komm schon! Du weißt, dass Serena nur dich liebt!« Ich hörte ein schmatzendes Geräusch. »Kein anderes Mädchen als Serena würde dich nach fünf Jahren wieder zurücknehmen. Die würden sich ein jüngeres Modell suchen.«
»Ich bin nicht mal vier Jahre älter als du!«
Gut, dass meine Freundinnen und ihre Freunde wieder mal ihre Beziehungsprobleme in so einer Situation diskutieren. Nun ja, eigentlich waren es keine richtigen Probleme. Anscheinend machten ihnen solche Neckereien Spaß und machten ihre Beziehung interessant. Wobei sie alle noch in der verträumten Flitterwochen-Phase steckten: Craig und Nell waren erst drei Monate zusammen, Alex und Zoey um die zwei und Serena und Simon verstanden sich erst seit gut drei Wochen wieder.
»Wo sind denn Nell und Craig?«, fragte ich. Nells kindlich-freundliche Stimme am Ohr fehlte mir.
»Wollen wir das genau wissen?« Gute Gegenfrage von Simon. »Die beiden stehen der Sache mit David sowieso sehr kritisch gegenüber, wie ich anfangs auch …«
»Ich werde nicht mit Davids Gefühlen spielen«, beruhigte ich Serenas Freund. Sie hatte Simon vor ein paar Wochen ziemlich übel mitgespielt: Ihr Plan sah vor, dass sich ihr Ex wieder in sie verliebte, damit sie ihm aus Rache das Herz brechen konnte. Aber dann hatte sich meine Freundin glücklicherweise wieder in Simon verknallt und nach langem Hin und Her hatten sie einander vergeben. »Ich werde ein wenig mit ihm flirten und dabei Details aus ihm herauspressen. Außerdem hat David keine Gefühle.«
An den letzten Satz musste ich einfach glauben.
»Ich arbeite jetzt weiter. Nehmt mir die heutige Folge Gossip Girl auf und schaut bitte, ob ich irgendwo schon die neue Folge von Pretty Little Liars sehen kann. Bye«, sagte ich schnell und drückte meine Freundinnen weg.
David war gerade aufgestanden, von der kleinen Bühne gehüpft und lehnte nun an der Bar.
Das einzig Gute an diesem Job war, dass ich wenigstens etwas zu sehen und zu hören bekam und endlich mit David reden konnte. Ich wollte mich nicht beklagen, aber der Sessel war zu hart, das Mineralwasser schmeckte wie Spucke – ich durfte keinen Alkohol trinken, da ich noch mit dem Auto nach Hause fahren musste – und was zum Teufel machten die Hip-Hopper mit ihren ausgebeulten Hosen, billigen Mützen und Ed-Hardy-Jacken hier?
Mir tat David für einen Moment leid. So ein musikalisches Genie wie er sollte sich nicht in so einem billigen Club herumtreiben, in dem Gestalten rumhingen, die Money-Boy und seinen Swag vergötterten.
Das Pulse, also der Club, der für seinen Halbbruder inklusive der Band so etwas wie ein zweites Zuhause war, hatte auch nicht gerade ein höheres Niveau, galt aber wenigstens als Szeneladen. Außerdem hatte Alex dort Kultstatus, sprich, er bekam zwanzig Prozent Rabatt auf Getränke.
Er ist das Letzte, vergiss das nicht! Zoeys warnende Stimme erklang in meinem Kopf. Er ist nicht wie ein Typ aus deinen Liebesbüchern, der sich am Schluss zum Guten wandelt.
Ich verdrehte die Augen. Zoey wusste ganz genau, dass sich Arschlöcher ändern konnten. Wenn man bedachte, wie Alex gewesen war, bevor er mit Zoey zusammen kam …
Du willst doch nicht Alex und David miteinander vergleichen, meldete sich mein Verstand zu Wort.Alex war nur ein kleines Arschloch. Er hat nie jemandem das Herz gebrochen, geschweige denn, dass er versucht hätte, so viele Menschen unglücklich zu machen!
»Ich rede jetzt mit diesem Arsch«, sagte ich zu mir selbst. Ich setzte die Sonnenbrille ab, nahm meine Handtasche und übte meinen verführerischen Blick. Schließlich wollte ich etwas von David – und wenn es nur sein Untergang war.
Mein Bauch verkrampfte sich auf eine unangenehme Weise, als ich im Schneckentempo zu David ging. Ich war gleichermaßen angespannt wie aufgeregt – eine Mischung, die mir heftige Bauchschmerzen verursachte.
Zum Glück war ich da nicht wie meine Freundin Nell. Wenn sie sich zu sehr aufregte, konnte es schon mal passieren, dass sie plötzlich in Ohnmacht fiel. Erst zu Beginn dieses Schuljahres hatte Nell wegen Alex und Zoey einen schönen Bauchklatscher auf den Klassenboden hingelegt, weil unsere werte Freundin Zoey den heißen Rockstar einfach geohrfeigt hatte.
Ich hatte leider keine Ahnung, wie ich mit David überhaupt ein Gespräch anfangen sollte. Ein banales Hi oder Hallo schien mir zu unspektakulär und der Spruch Du bist Gitarrist? Willst du an meinen Saiten zupfen? erschien mir eher peinlich als sympathieerzeugend. Wie machte man einen Rockstar an?
Jemand sollte darüber mal ein Buch schreiben, anstatt ein weiteres Vampirbuch, eine Dystopie oder einen Erotikroman auf den Markt zu schmeißen.
Du sollst auch nicht mit ihm flirten!, schrie Zoeys nervige Stimme in meinem Kopf. Violet, du sollst -
Da ich die eingebildete Stimme meiner besten Freundin nicht mehr hören wollte, schaltete ich mein Gehirn mal kurz auf Durchzug.
Sichtbar gelangweilt hing David immer noch an der kleinen Bar. In einer Hand hielt er einen Plastikbecher mit einer schwarzen Flüssigkeit, neben ihm lag seine Gitarre auf der Theke. Kein einziges Mädchen versuchte, dieses Prachtexemplar zu umgarnen. Sehr ungewöhnlich. Die Mädchen im Pulse umschwärmten die Mitglieder von Alex’ Band immer noch wie Fruchtfliegen faules Obst, obwohl sie alle wussten, dass jedes einzelne Mitglied vergeben war – oder sich, wie in Kyles Fall, in einer etwas anderen Beziehung befand.
»Ich wette, dass dir noch kein Mädchen gesagt hat, dass sie sich wünscht, deine Gitarre zu sein.«
Wegen so eines Spruchs bevorzugte ich es normalerweise zu denken, bevor ich spreche. Kaum hatte ich diese sinnlose Aneinanderreihung von Wörtern über meine Lippen gebracht, schaltete ich mein Gehirn wieder ein. Zu spät.
Die schlanke Gestalt an der Bar blickte zu mir hoch. Aus der Nähe betrachtet war David noch viel heißer: Ein paar dunkle Bartstoppeln zierten sein blasses Gesicht und seine Augen waren nicht nur grün, sie hatten blaue Sprenkel und erinnerten mich an Alex’ Augen.
Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn diese Stoppeln über meine Haut kratzten? Gefolgt von einer Spur von Küssen war das sicher der Himmel auf Erden!
Keine weiteren Fantasien mit David, Violet!, ermahnte mich die Frau Oberin, oh, ich meinte natürlich Zoeys Stimme.
Plötzlich neugierig geworden, stellte er sich in aufrechter Haltung vor mich hin. Er war mehr als einen Kopf größer als ich. Was mich nicht wunderte. Ich war knapp einsfünfundsechzig und musste manchmal im Supermarkt Lebensmittel mit der Handtasche vom Regal schubsen, weil ich nicht dran kam.
»Nein«, sagte er knapp. Er ließ seine grünen Augen einmal ausschweifend über meinen Körper wandern.
Ich will jetzt auf keinen Fall wie eine selbstverliebte Egomanin klingen, aber ich finde mich selbst nicht gerade hässlich. Und viele Jungs sind derselben Meinung.
Hoffentlich gefiel David das, was er gerade sehr gut sehen konnte.
Wenn mein Äußeres ihn ansprach, dann würde es mir bestimmt viel leichter fallen, sein Vertrauen zu erschleichen. Die Chancen standen eigentlich recht gut. Alex stand auf außergewöhnliche Mädchen, wie Zoey eins war. Meine beste Freundin hatte mit ihrem schwarzen Pony und ihren braunen Rehaugen Alex von Anfang an angezogen.
Mit meinen leicht gewellten, dunkelvioletten Haaren, grünen Augen und zwei anderen nicht minder kleinen Vorzügen war ich bezüglich meiner Chancen bei David recht optimistisch.
Außerdem hatte ich mich bei Minustemperaturen in ein hautenges violettes Kleid gezwängt, um meine Vorzüge noch mehr zu betonen. Ich trug keine Strumpfhose, nur hohe schwarze Stiefel.
»Ich bin Violet«, sagte ich.
Ich streckte ihm nicht die Hand entgegen oder fing mit dem Küsschen-Getue an. David schien mir nicht der Typ für so etwas zu sein. Mit einem strahlenden Lächeln lehnte ich mich an die schwarze Theke.
»Ich bin wirklich beeindruckt von deinen Gitarrenkünsten«, schwärmte ich wie ein Fangirl. »Und erst von deiner Stim-«
»Ist das dein richtiger Name?« David wandte sich von mir ab und starrte die zahlreichen Alkoholflaschen im Regal hinter der Bar an.
»Was?«, fragte ich verwirrt.
Er stöhnte laut. »Soll ich dir wirklich abkaufen, dass du Violet heißt? Violette Haare sind gleich Violet. Wie kindisch muss man sein, um sich einen Fake-Namen zuzulegen?«
Verlegen wickelte ich mir eine violette Strähne um den Finger. »Samantha«, murmelte ich leise und ging davon aus, dass David es nicht hören würde. »Mein richtiger Name ist Samantha.«
Mein eigener Name fühlte sich fremd und eigenartig auf meiner Zunge und hörte sich ungewohnt in meinen Ohren an. Seit ich vor einigen Jahren angefangen hatte, mir die Haare immer wieder violett nachzufärben, hatten die Leute aufgehört, mich bei meinem alten Namen zu nennen. Die Lehrer nannten mich bei meinem Nachnamen Egger. Selbst meine Freundinnen, die mich noch als Samantha kannten, riefen mich Violet.
»Geht doch«, meinte David.
Verglichen mit Alex war David so wortkarg wie ein Malbuch im Gegensatz zu einem Lexikon. Sein kleiner Halbbruder redete manchmal unaufhörlich: Er redete mit Zoey oder mit uns, telefonierte mit seinen Freunden, sang leise neue Songs vor sich hin und wenn er wirklich mitteilungsbedürftig war, dann äußerte er sich mit einer Videobotschaft auf der Band-Homepage.
Was David anging: Wenn man leise war, konnte man die Grillen im Club zirpen hören – wörtlich gemeint.
Ich hatte mir keine anderen Phrasen zurechtgelegt, weil ich nicht geahnt hatte, dass David so gar keine Smalltalk-Granate war und nicht einmal ein klein wenig auf mein knappes Outfit anspringen würde.
»Gott, bist du langweilig«, rutschte mir raus.
In meinem Terminplaner stand, dass mich David heute um meine Telefonnummer anbetteln würde – vielleicht sogar auf den Knien? Stattdessen war er völlig unbeeindruckt von mir. Er warf meinen ganzen Terminplan durcheinander!
Er hatte anscheinend Ohren wie eine Fledermaus, denn er blickte mich mit stummer Wut in den grünen Augen an. »Warum nervst du mich dann noch länger, Samantha?«
Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu kapieren, dass er mit Samantha mich meinte.
Ach, ich bin Zoeys beste Freundin. Von der soll ich dir übrigens einmal kräftig in den Arsch treten, dachte ich sarkastisch. Der Teil in mir, der Zoey ähnelte, wollte ihm wirklich mit meinen neu gekauften Stiefeln in den Arsch treten. Und noch jeweils einmal für Alex, Kyle, Nell und Craig, Serena und Simon.
»Ich kenne hier keinen.« Während ich an der Bar lehnte, übte ich schon einmal, David mit perfektem Schwung im perfekten Winkel einen Tritt in seinen knackigen Arsch zu geben. »Ich komme nicht aus der Gegend.«
Ich musste für dich extra eine Dreiviertelstunde zu diesem beschissenen Club fahren, beklagte ich mich stumm.
Ich fragte mich, ob ich das Benzin für mein Auto irgendwo als Pendler bei der Steuer abschreiben konnte. Meine Mutter jammerte ohnehin schon die ganze Zeit rum, dass mein Spritverbrauch gigantisch sei, während mein Stiefvater – ups, ich meine das Stiefding – dauernd ergänzte, dass ich ein verwöhntes Gör sei. Dass er seiner eigenen Tochter am Monatsanfang zweihundert Euro für Klamotten und anderes zusteckte, vergaß er anscheinend nur allzu gern.
Anscheinend hatte ich Davids Neugier ein wenig geweckt. »Woher kommst du denn?«
»Lass uns doch nicht über so etwas Unwichtiges reden!« Hätte ich ihm die Wahrheit gesagt, nämlich, dass ich in Salzburg lebte, ein ganzes Stück weit weg von diesem Kaff in Oberösterreich, hätte David mich etwas wegen seines Bruders fragen können und das wollte ich nicht. Es ging jetzt nur um David und mich. »Was hast du morg-«
Schon wieder unterbrach mich David mit seiner rauen Stimme. »Ich habe keine Lust, mit dir zu flirten.« Er stöhnte leise. »Wir können das Ganze überspringen und gleich miteinander ins Bett steigen.«
Endlich hatte ich eine Ähnlichkeit zu Alex gefunden! Obwohl ich nicht sehr glücklich darüber war, dass er auch zu der Sorte Jungs gehörte, die dich am nächsten Tag am liebsten mit dem Bett aus dem Zimmer werfen wollten.
Aber Alex hatte sich immerhin geändert.
Zum Glück war es mir ziemlich egal, dass David dem früheren Alex glich. Es wäre sicher ein Erlebnis der besonderen Art gewesen, mit ihm zu schlafen. Da die Sache mit Kyle eine offene Beziehung war, hätte es deswegen auch keine Probleme gegeben, aber ich hatte mir vor Jahren geschworen, dass mir ein Junge nie wichtiger als meine Freundinnen werden durfte. Sex mit Alex’ Halbbruder zu haben wäre Hochverrat!
»Ach David«, raunte ich ihm zu. Um über meine Unsicherheit wegen des sicher nett gemeinten Vorschlags hinwegzutäuschen, erklärte ich mit rauer, sprich verführerischer Stimme: »Ich würde nichts lieber tun …« – aber ich habe eine ansteckende Geschlechtskrankheit. Ich war mal ein Kerl. Ich trage einen Keuschheitsring. Wo der ist? Der liegt zu Hause neben meiner Nonnenkutte.
»Aber …« Sanft strich ich über die Saiten von Davids schwarzer Gitarre und klimperte mit den Wimpern. Wenn ich David eine Abfuhr verpasste, fand er mich vielleicht endlich heiß! »Leider …«
»Plink!«, machte die Gitarre.
»Oh.« Ich starrte die gerissene Saite, die sich wie eine Locke ringelte, an. »Kann man das kleben?«
»Raus.« Ich war überrascht, wie beherrscht Davids Stimme klang. »Verschwinde von hier!«
»Äh, dann bis irgendwann mal, David.«
Plötzlich wollte ich nur noch schreiend aus dem Club rennen. Ich spürte, dass ich gerade etwas zerstört hatte, das sehr wichtig für David war. Auch wenn man eine Saite sicher irgendwie auswechseln konnte.
Gitarren hatten schon immer etwas gegen mich gehabt, wahrscheinlich, weil ich eigentlich eine Pianistin war und meine Finger für bequeme Tasten und nicht für nervige Fäden geschaffen waren.
Schnellen Schrittes verließ ich den Club – nächste Woche würde ich wiederkommen.
Irgendetwas stimmte mit Alex’ Halbbruder ganz und gar nicht. Er hatte kein Interesse an mir – an mir!
Zähneknirschend musste ich mir eingestehen, dass ich mir die Sache einfacher vorgestellt hatte. Ich war davon ausgegangen, dass ein wenig Wimperngeklimper hier und ein wenig Flirten da mich innerhalb von zwei Wochen zu Davids Vertrauter machen würde.
»So ist diese Sache eben noch interessanter!«, stellte ich fest.
Nach meiner überstürzten Flucht aus dem Club meldete sich erneut ein unangenehmes, nagendes Bauchgefühl: Hunger.
Ich blickte auf die Digitalanzeige meines Autoradios. Es war erst kurz vor zwölf Uhr – noch eine Stunde, bis mein Liebling unter den Fast-Food-Restaurants schloss.
Meine Laune besserte sich sofort, als ich bei McDonald’s an der Kasse stand und meine Bestellung wie ein Gedicht auswendig herunterleierte. Der pickelige Typ, der wegen der Nachtschicht ziemlich mitgenommen und müde aus der Wäsche schaute, starrte mich an. Anscheinend erwartete er, dass jeden Moment ein paar Leute hinter meinem Rücken erscheinen würden, für die ich all das Zeug mitbestellte.
Doch das Tablett voller fetthaltiger Sachen war für mich. Für mich alleine.
Mein Körper ist offenbar der Meinung, ein schwarzes Loch zu sein. Ich kann unglaublich viel essen, ohne dabei wirklich zuzunehmen. Meine Ärztin redet von guter Fettverbrennung und meine beste Freundin Serena von einer heiligen Gabe. Sie steht jedes Mal am Rande eines Nervenzusammenbruchs, wenn sie lustlos in ihrem Salat herumstochert, während ich bereits meinen zweiten Burger neben den Pommes verdrücke. Viel zu oft darf ich mir Schwangerschaftswitze seitens meiner Freundinnen anhören, aber ich konnte eben schon immer unglaublich viel essen.
Erst als sich vor mir zahlreiche Leckereien wie Pommes, eine Apfeltasche, Burger und als Nachspeise ein Vanilleeis mit Smarties und Schokosauce auftürmten, fühlte ich mich wieder wohl in meiner Haut.
David hatte mich zwar nicht angeschrien, wie ein Irrer getobt oder anderswie aggressiv darauf reagiert, dass ich sein Heiligtum berührt und ein wenig ramponiert hatte, aber ich konnte fühlen, dass ich ihn damit verletzt hatte. So, wie ich es immer fühlen konnte.
Manchmal regte es mich echt auf, dass ich diese Empathie-Fähigkeiten hatte. Vielleicht hörte sich das jetzt total cool an, aber ich hasste diese Begabung. Es war nicht so wie in der alten Fernsehserie Charmed. Ich wusste immer, wie andere sich fühlen, und wenn es ihnen mies ging, ging es mir auch mies.
Meine drei besten Freundinnen haben es so viel besser erwischt! Nell war eine ausgesprochen gute Schreiberin und nahm in unserer Gruppe den Platz des Sonnenscheins ein. Sie war immer gut drauf und hatte stets ein offenes Ohr und Tipps für jede von uns. Serena konnte wahnsinnig gut zeichnen und war mit ihrer Verrücktheit eine, die uns immer aufheitern konnte. Und vor Kurzem hatte Zoey herausgefunden, dass sie singen konnte, und war die Sängerin von Alex’ Band geworden. Außerdem war sie äußerst intelligent und so etwas wie die Anführerin unserer Clique.
Und ich? Was war mit mir?
Hallo, mein Name ist Violet. Ich konnte einmal ziemlich gut Klavier spielen und fungiere jetzt nur noch als allesverschlingende Gefühlsantenne.
Ich schob mir eine Pommes nach der anderen in den Mund, während ich gedankenverloren mein Handy anblickte.
Manchmal ging es mir ziemlich auf den Keks, dass ich so überemotional auf manche Sachen reagierte. Zugegeben, ab und zu war es ganz lustig. Besonders dann, wenn meine Freundinnen sich verliebten und ich es eigentlich vor ihnen kapierte. Und bei David … Bei David spürte ich eigentlich nur Kälte, sonst nichts. Ob er früher auch schon so gewesen war? Oder war er damals wie sein Bruder? Ein schiefes Grinsen, so eines wie es Alex hatte, sähe bestimmt auch verdammt gut in Davids Gesicht aus!
Ein lautes Geräusch ließ mich aus meiner Photoshop-Fantasie Alex’ Grinsen ausschneiden, in Davids Gesicht einfügen – und hochschrecken.
Mein Handy vibrierte lautstark. Ich würgte meine Pommes herunter, weil das Anruferbild einen recht attraktiven Typen mit dunklen Haaren und ebenso dunklen Augen zeigte.
»Kyle.« Ich wurde feuerrot im Gesicht. Ob er wohl gespürt hatte, dass sich meine Gedanken dauernd um David drehten? »Äh, hi. Was gibt’s denn?«
Schuldgefühle waren ziemlich lästig. Besonders, weil ich sie grundlos wegen Kyle verspürte. Wir beide waren schließlich nicht zusammen.
»Wie ist David denn so?«
Normalerweise kann ich erst, wenn ich mich in der Nähe einer Person befinde, ein wenig erspüren, wie sie sich fühlt, aber bei Kyle musste ich nur seine Stimme hören, um zu wissen, dass er vor Eifersucht brodelte.
»Ein Arsch«, sagte ich. »Ein riesengroßes, gefühlskaltes Arschloch.«
»Wirst du weitermachen?« Ein wenig Hoffnung keimte in Kyles Stimme auf. Natürlich war er wie Simon, Craig und Nell gegen die Aktion gewesen. »Du weißt nicht, zu was David fähig ist, und ich will nicht, dass er dir so nahe ist.«
Mein Herz verkrampfte sich schuldbewusst bei seinen Worten. Kyle war in mich verliebt. Das war so klar wie Wodka. Nur schaffte ich es nicht, mein Herz dazu zu bringen, etwas Ähnliches für ihn zu empfinden.
»Sag es mir doch einfach«, forderte ich Kyle auf. Ich tauchte meinen Burger in die süß-saure Soße. »Wenn ich mich nicht täusche, warst du schon so gut wie immer ein Mitglied der Band. Du kennst David. Was hat er getan, dass Alex ihn so sehr hasst? Oder war es Alex, der Fehler gemacht hat?«
»Es war einzig und allein Davids Schuld«, knurrte er.
Das konnte ich ihm irgendwie nicht ganz glauben. Niemand ist jemals an etwas ganz schuld.
Sicher gab es einen Grund, der David dazu gebracht hatte, seinem Bruder jetzt nur noch das Schlechteste zu wünschen. Was konnte das Ganze nur für eine Ursache haben?
Während Kyle mir das Gleiche wie Alex und Zoey erzählte – bla bla bla, er ist ein Arsch, bla bla bla, gesundheitliche Probleme, bla bla bla, schlecht für die Band -, schweifte mein Blick zur Tür.
Und ich glaubte meinen Augen nicht!
»Akku leer«, sagte ich schnell zu Kyle, um ihn wegdrücken zu können. David hatte gerade den Fast-Food-Laden betreten, aber nicht allein.
Eine schlanke Brünette hatte sich tatsächlich bei ihm eingehakt. Das Einzige, was mich an der Situation beruhigte, war, dass David ihr keinen einzigen Blick zuwarf. Er ignorierte sie anscheinend genauso sehr wie mich. Ich vermutete, dass man David sogar auf den Rücken klettern könnte und er trotzdem so tun würde, als würde man nicht existieren.
Als sich die beiden zur Kasse drehten, nutzte ich die Chance und verzog mich mit meinem Essen unter den Tisch. Dort würde mich David nicht sofort sehen.
Lächelnd musste ich feststellen, dass er sich nicht weniger als ich bestellt hatte, während sein Anhängsel nur an einem Trinkbecher nuckelte.
David und seine Begleitung, die mit ziemlicher Sicherheit Serenas Erzfeindin Jennifer war, gingen an meinem Tisch vorbei, wodurch ich ein paar Gesprächsfetzen, hauptsächlich von Jennifer, aufschnappen konnte.
»... warum denn nicht?«, fragte sie ihn spitz.
»Weil er mein Halbbruder ist«, entgegnete David ruhig.
Ich robbte über den fettigen Boden zur Seite, um sie besser sehen zu können.
»Ich verstehe dich nicht, David. Zuerst willst du …«
Der Rest wurde durch den Lärm einiger Mädchen übertönt, die sich gerade lautstark begrüßten.
Ich musste mich damit zufrieden geben, David und seine Komplizin aus meinem Versteck heraus zu beobachten.
Völlig unerwartet krabbelte eine fremde Person zu mir unter den Tisch.
Das Mädchen lächelte mich freundlich an. »Andere Länder, andere Sitten, huh?«
Überrascht blinzelte ich ein paar Mal.
Ich kannte das Mädchen nicht. Sie war ungefähr in meinem Alter, aber sie kam definitiv nicht von hier. Ihr Akzent ließ mich vermuten, dass sie Amerikanerin oder Engländerin war oder irgendwo anders her kam, wo man Englisch sprach.
War Stalken jetzt auch nicht mehr erlaubt?
»Äh, ja.« Ich nickte. »Obwohl das eigentlich keine Sitte ist. Ich stalke jemanden aus persönlichen Gründen.«
Ehrlichkeit, dein Name war Violet.
»Nice«, kicherte sie. »Auch wenn das Stalken ziemlich die Klamotten ruiniert.«
Seufzend strich sie sich über ihre staubige schwarze Strumpfhose.
Ich musterte sie ein wenig genauer: Sie hatte schwarze Haare, wobei ein Teil der Stirnfransen und ein paar andere Strähnen blau gefärbt waren. Ein silbernes Nasenpiercing hob sich scharf von ihrer blassen Haut ab. Komisch, plötzlich kam sie mir bekannt vor. Diese blauen Augen und die passenden Strähnen hatte ich schon einmal irgendwo gesehen. Ich entspannte mich ein wenig. Ihr freundliches Lächeln wirkte nicht aufgesetzt, sondern freundschaftlich.
»Ich bin übrigens Natalie«, sagte sie und streckte mir die Hand hin. »And you?«
»Sama- « Ich schüttelte den Kopf. »Du kannst mich Violet nennen. Du kommst nicht aus Österreich, oder?«, fragte ich.
»No. Ich bin Amerikanerin.« Natalie lächelte immer noch. »Aber meine Mom kommt aus Vienna.«
»Das hier ist aber nicht Wien«, klärte ich sie auf. »Wir sind in …« Was war noch mal der englische Name von Oberösterreich? Was hieß ober noch mal auf Englisch? »Wir sind nicht einmal in der Nähe von Wien.«
Da ich Ablenkung von David brauchte, ließ ich mich auf ein Gespräch mit der weitgereisten Fremden ein.
»Egal«, meinte sie schulterzuckend. »Ich wollte nur nach Austria. Wen beobachtest du eigentlich?«, wollte sie wissen. »Ex-Lover?«
»Siehst du den Typen da?«
Ich deutete auf die Sexyness in Person, die sich gerade Kopfhörer in die Ohren steckte und die keifende Jennifer ignorierte.
»Huh! Er ist hot! Dein Freund? Ex?«
»Ich habe seine Gitarre angefasst und dabei ist eine Saite gerissen.« Ich stöhnte. »Die Gitarre ist so etwas wie Davids Heiligtum und ihm viel wichtiger als jede Person auf der Welt, vermute ich.« Ich redete eindeutig zu viel mit Natalie. Sie kannte ja nicht einmal unsere Vorgeschichte. »Na ja, ich glaube, er hasst mich jetzt.«
»Wart ihr einmal ein Paar?«, fragte sie mich.
Ich stieß ein komisches Geräusch aus – etwas wie ein Kichern, nur viel hysterischer. »Wie kommst du auf so etwas?«
»Du weißt viel über ihn«, meinte sie achselzuckend.
»Ist so etwas wie mein Job«, entgegnete ich.
Es überraschte mich nicht, dass sie mir die Sache nicht abkaufte.
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Ich glaube, ich muss los.« Sie stöhnte laut. »Busy, you know? War nett, mit dir zu stalken.
Vielleicht sehen wir uns wieder einmal unter einem Tisch? See you.«
»Äh ja, tschüss.«
Komischer Tag, mit noch komischeren Leuten!
Ich saß noch ungefähr zwanzig Minuten alleine unter dem Tisch und verputzte in der Zwischenzeit mein Essen.
David verließ nur kurz nach Jennifer das Restaurant. Ich dachte, er würde mich nicht sehen, denn er ging schnurstracks an meinem Tisch vorbei. Aber bevor er den Laden verließ, neigte er den Kopf in meine Richtung. Für einen Moment bohrten sich seine grünen Augen in meine, dann verließ er den Laden.
Schlagartig wich mir das ganze Blut aus dem Gesicht. Hatte er die ganze Zeit gewusst, dass ich hier war und ihn beobachtete?
Und noch viel wichtiger war die Frage: Hatte ich mich getäuscht oder hatte ich da den Anflug eines Lächelns in Davids Gesicht gesehen?
»Und, bist du schon total in David verknallt?«
»Was?«
Serenas wahrscheinlich sarkastisch gemeinte Frage brachte mich so aus dem Konzept, dass ich meine Füllfeder ein wenig zu hart auf das Blatt drückte. Blaue Tintenflecke spritzten herum und landeten sogar auf dem Boden.
»Kann man den Aufsatz auch so abgeben?«, seufzte ich und starrte den großen blauen Tintenfleck böse an. Leider würde er dadurch auch nicht verschwinden.
»Soll Serena das jetzt als gutes oder als schlechtes Anzeichen verstehen?«
Serena zog ihren Stuhl zurück und ließ sich seufzend fallen. Sie war die Einzige von uns, die auf wirklich knallige Farben stand, weshalb mir auch ihr knallgelbes Top beinahe Tränen in die Augen trieb. Sie war so oder so mit ihren Eins-fünfundsiebzig schwer zu übersehen.
»Als gar kein Anzeichen«, sagte ich gelassen. Ich knüllte den Aufsatz zusammen, nahm mir ein neues Blatt Papier und fing noch einmal von vorne an, die Vor- und Nachteile von Online-Shopping auf zwei Seiten zusammenzufassen. Ich hatte immerhin noch knappe fünfzehn Minuten Zeit.
Serena zuckte mit den Schultern. Dann verzogen sich ihre dunkelrosa Lippen zu einem breiten Lächeln. »Aber er ist heiß, oder?«
Ich versuchte, auf die Frage möglichst normal zu reagieren. »Noch viel heißer als sein kleiner Bruder!«, schwärmte ich. In meinen Augen waren sicher rosarote Herzchen zu sehen. »Alex ist auch heiß, aber David wirkt so viel männlicher. Er hat so sexy Bartstoppeln, und sein Blick! Er verkörpert wirklich einen Rockstar und -«
Normal reagieren? Das war ja wirklich in die Hose gegangen.
»Zusammengefasst ist David ein Meisterstück der Schöpfung.« Serena schnaubte leise. »Gegen Simon kommt er trotzdem nicht an.«
Seit meine Freundinnen vergeben waren, war natürlich immer ihr jeweiliger Freund der heißeste Junge der ganzen Welt und so weiter und so fort.
»Aber er ist leider wirklich ein Arsch«, warf ich seufzend ein. Mein Seufzer klang ein wenig zu traurig. »Ich glaube, dass man bei einem Schneemann ein wärmeres Gefühl bekommt als bei David, wenn man ihn umarmt.«
Kurz darauf trudelten auch schon Nell, Zoey und Alex in den Klassenraum und stürzten sich natürlich gleich auf mich.
Bald würde ich beantragen, dass wir Mathematik, beziehungsweise durch die Vertretungsstunde heute Englisch, in der ersten Stunde am Montagmorgen in Krisentreff für Gestörte umbenennen. Seit das Schicksal mit Zoeys Ohrfeigen-Attacke auf Alex ihren Lauf genommen hatte, besprachen wir Montag vor der ersten Stunde immer den neuesten Stand in Sachen Liebesdingen.