Ein verführerischer Lord - Stephanie Laurens - E-Book

Ein verführerischer Lord E-Book

Stephanie Laurens

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Beschreibung

Kann dieser Lord seiner Lady endlich seine Gefühle gestehen?

London, 1851: Therese Cynster und Lord Devlin Alverton sind eines der angesehensten Paare der feinen Londoner Gesellschaft. Hinter der perfekten Fassade ist jedoch nicht alles so, wie es scheint. Therese hadert mit sich, da ihre Hochzeit nicht aus Liebe geschah, wie es in der Cynster-Familie Brauch ist – denn ihr Lord scheint ihre Liebe nicht zu erwidern. Doch Devlin hat die ganze Zeit über bewusst seine wahren Gefühle vor Therese zurückgehalten – kann er seiner Lady nun endlich seine Liebe gestehen, ohne dass sich alles zwischen ihnen verändert? Wird sie ihm überhaupt Glauben schenken? Denn wie die meisten Cynster-Frauen ist die eigensinnige Therese sicherlich nicht leicht zu überzeugen …


Für noch mehr »Bridgerton«-Flair lesen Sie auch die anderen Bände der Reihe »Cynster, eine neue Generation« bei Blanvalet!

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Seitenzahl: 580

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Buch

London, 1851: Therese Cynster und Lord Devlin Alverton sind eines der angesehensten Paare der feinen Londoner Gesellschaft. Hinter der perfekten Fassade ist jedoch nicht alles so, wie es scheint. Therese hadert mit sich, da ihre Hochzeit nicht aus Liebe geschah, wie es in der Cynster-Familie Brauch ist – denn ihr Lord scheint ihre Liebe nicht zu erwidern. Doch Devlin hat die ganze Zeit über bewusst seine wahren Gefühle vor Therese zurückgehalten – kann er seiner Lady nun endlich seine Liebe gestehen, ohne dass sich alles zwischen ihnen verändert? Wird sie ihm überhaupt Glauben schenken? Denn wie die meisten Cynster-Frauen ist die eigensinnige Therese sicherlich nicht leicht zu überzeugen …

Autorin

Stephanie Laurens begann mit dem Schreiben, um etwas Farbe in ihren wissenschaftlichen Alltag zu bringen. Ihre Bücher wurden bald so beliebt, dass sie ihr Hobby zum Beruf machte.

Stephanie Laurens gehört zu den meistgelesenen und populärsten Liebesromanautorinnen der Welt und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in einem Vorort von Melbourne, Australien.

Von Stephanie Laurens bereits erschienen (Auswahl)

Eine Liebe in den Highlands · Schottische Versuchung · Verführt von einer Highlanderin · Eine skandalöse Leidenschaft · Ein verheißungsvolles Abenteuer · Wie zähmt man eine Lady · Der irische Gentleman · Ein reizvolles Spiel · Ein verführerischer Lord

Stephanie Laurens

EIN

VERFÜHRERISCHER

LORD

Roman

Deutsch von Wolfgang Thon

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel »The Games Lovers Play« bei Savdek Management.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Dataminings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Copyright der Originalausgabe © 2021

by Savdek Management Proprietary Limited

Published by Arrangement with Savdek Management Pty Ltd

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2024 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Beate De Salve

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de

Umschlagmotiv: Trevillion Images (© ILINA SIMEONOVA; © Lee Avison)

SH · Herstellung: sam·lor

Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss

ISBN 978-3-641-30431-7V001

www.blanvalet.de

Kapitel 1

5. Oktober 1851

Alverton House, Mayfair

Ich muss gehen. Lord Devlin Cader, Siebter Earl of Alverton, ruhte ermattet im Bett seiner Frau, und die Befriedigung lag wie eine warme, von den Nachwirkungen der Sinnesfreuden gesättigte Decke schwer über seinen Gliedern.

Er wollte sich nicht rühren, weder jetzt noch sonst irgendwann. Aber …

Seine Instinkte ließen sich von dem warmen Körper seiner Frau einlullen, die neben ihm ausgestreckt schlief, und insgeheim war er – ganz egoistisch – davon überzeugt, dass nichts dagegensprach, dort zu bleiben, wo er war, und die Dinge einfach ihren Lauf nehmen zu lassen.

Doch obwohl er schlaff und unbeweglich dalag, war sein Verstand bereits zum Leben erwacht, angetrieben von der Erkenntnis, dass es aufgrund seiner gestrigen unklugen und impulsiven Worte durchaus geboten war, die nächsten Schritte zu planen. Rational zu denken, war jedoch so gut wie unmöglich, wenn er neben Therese lag und der Duft ihres Parfüms, der von ihrem Haar und ihrer warmen Haut aufstieg, seine Sinne umhüllte.

Außerdem wäre sie überrascht, wenn sie erwachte und ihn bei Sonnenaufgang immer noch neben sich vorfand. Sie würde ihm Fragen stellen, auf die er keine rechte Antwort wusste.

Wie hätte er sagen oder erklären sollen, dass er in den letzten fünf Jahren an ihr und allen anderen etwas praktiziert hatte, was man als ultimative Täuschung bezeichnen könnte? Dabei hatte er nicht etwa vorgetäuscht, sie zu lieben, sondern vielmehr alle – sie eingeschlossen – glauben machen, dass er sie nicht liebte, obwohl er es tat.

Diese Herausforderung und die Erkenntnis, dass er nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte, brachten ihn dazu, von ihr wegzurücken. Zum Glück schlief sie tief und fest.

Er drehte sich auf den Rücken und starrte zu dem dunklen Baldachin des Himmelbetts hinauf, ohne etwas zu sehen. Die Worte, die sie und er gestern Nachmittag beim Hochzeitsbrunch ihres ältesten Bruders gewechselt hatten, klangen noch deutlich in seinen Ohren nach.

»Ich fühle so sehr mit dem lieben Christopher. Ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, dass er jemals so vernünftig sein würde, eine Lady wie Ellen zu seiner Braut zu erwählen. Dass er die Möglichkeiten, die Aussichten nicht erkennen würde, selbst wenn sie vor ihm stünden und sich ihm aufdrängten, so wie es nun, wie ich vermute, tatsächlich geschehen ist.«

Es waren weniger die Worte als vielmehr ihr selbstgefälliger Tonfall und die tiefe Genugtuung in ihrem darauffolgenden Seufzer, die ihn unerwartet hart getroffen und zu einer unklugen Erwiderung veranlasst hatten: »Vielleicht hat dein lieber Christopher endlich die Augen aufgemacht und ist meinem Beispiel gefolgt.«

Er hatte sich sofort auf die lose Zunge gebissen, aber da war es natürlich schon zu spät.

Sie war verstimmt gewesen und hatte ihn zurechtweisen wollen, indem sie ihn daran erinnerte, dass sie ihn, wie jedermann wusste, zum Altar hatte zerren müssen. Jedenfalls glaubte sie das immer noch.

Er hätte sie beschwichtigen können, indem er ihr lächelnd zustimmte und seinen Fauxpas auf ein unzureichendes Erinnerungsvermögen zurückführte. Das hätte sie erwartet und einen solchen Rückzug nur mit einem hochmütigen Schnauben quittiert. Aber er hatte hinter dem fast spiegelnden Silberblau ihrer bemerkenswerten Augen eine Art von Schmerz erkannt und es sich nicht verkneifen können, darauf zu reagieren.

»Hoppla.«

Es war ein so kleines, unbedeutendes, ja sogar unsinniges Wort. Doch im Kontext seines leicht spöttischen Tonfalls und ihres Charakters war es einer Herausforderung gleichgekommen. Sie würde nachfragen und hartnäckig nachforschen, was er meinte, bis sie alles aufgedeckt und sich davon überzeugt hatte, dass sie ihn wirklich verstand. Ihn und ihre Ehe.

Er war zuversichtlich, dass dieser Köder ihr Interesse unbeirrbar auf ihn lenken und es ihm erlauben würde, sie Schritt für Schritt und mit Bedacht weiter zu führen, bis sie all das aufdeckte, was er verborgen gehalten hatte. Sie würde eher dem vertrauen, was sie selbst herausfand, als ihm, wenn er versuchte, sie davon zu überzeugen.

Jedenfalls hatte er sich das alles so zurechtgelegt, wenn auch erst im Nachhinein.

Als er die gestrigen Ereignisse noch einmal Revue passieren ließ, wurde ihm klar, dass ihre Bemerkung, Christopher habe den Verstand und den Mut aufgebracht, sich zur Liebe zu bekennen, als er sie gefunden hatte, nur der letzte Anstoß gewesen war, der ihn, Devlin, über die Kante des Abgrunds stieß, an dem er bereits wankte. Therese war die Erste ihrer Generation von Cynsters gewesen, die heiratete, und folglich hatten sie beide in den darauffolgenden Jahren eine ganze Reihe von Cynster-Hochzeiten überall im Land besucht. Therese und er gehörten nun zu einer Gruppe von Paaren, die sich regelmäßig bei Familienfeiern wie der Hochzeit von Christopher und Ellen trafen. Als er mit seiner Scharade begann, hatte er nicht geahnt, welche Auswirkungen es auf ihn haben würde, von Paaren umgeben zu sein, die in einer auf offen eingestandener Liebe basierenden Ehe vereint waren, geschweige denn, dass es seine Vorstellung davon ändern würde, was er sich von seiner Ehe mit Therese wünschte.

Mehr als alles andere hatte ihm die Betrachtung der aktuellen Cynster-Ehen im Vergleich mit denen der älteren Generation vor Augen geführt, dass er mit Therese auf dieselbe Weise alt werden wollte – in einer offen bekundeten Liebesbeziehung. In einer Ehe, die auch offiziell auf gegenseitiger Liebe beruhte.

Obwohl sich sein Sinneswandel schon vor dem gestrigen Tag vollzogen hatte, hatte er noch nicht endgültig entschieden, wie er Thereses Einschätzung ihrer Ehe korrigieren wollte. Monatelang war er unschlüssig gewesen, doch gestern Nachmittag schließlich hatte sein rücksichtsloses inneres Ich, das immer ungeduldiger wurde, die Gelegenheit ergriffen und seine Zunge geführt. Auf diese Weise war es zu seiner impulsiven Pseudooffenbarung gekommen, die so gar nicht typisch für ihn war.

Tief im Inneren wusste er, dass er ohne triftigen Grund gezögert und so seinem rücksichtslosen Ich die Gelegenheit gegeben hatte, zu seinem eigenen Besten zu handeln. Im Laufe der Jahre war dies in geschäftlichen Angelegenheiten zweimal vorgekommen, und in beiden Fällen hatte sein Gefühl recht behalten. Seine Untätigkeit war auf jeden Fall eine Art von Schwäche. Er wusste, dass er handeln sollte, schob es aber dennoch auf.

Er drehte den Kopf auf dem Kissen, um Therese zu betrachten, ließ seinen Blick auf ihren Zügen ruhen, die sich im Schlaf entspannt hatten.

Er hatte genug angedeutet, um ihre legendäre Wissbegierde zu wecken, sich dann aber auf die Umstände berufen und so ihre Bemühungen vereitelt, auf der Stelle mehr zu erfahren. Sie hatten ihre Kinder dabeigehabt, deshalb hatte sie verkündet, nicht – auch nicht über Nacht – in ihrem Elternhaus, Walkhurst Manor in Kent, bleiben zu wollen. Das Brautpaar hatte beabsichtigt, sich dorthin zurückzuziehen, und das Herrenhaus war nicht sehr groß. Ebenso wie die meisten der anwesenden Cynster-Paare waren sie mit den Kindern in die Stadt zurückgefahren. Wegen der Kinder waren sie auch unter den Ersten gewesen, die aufbrachen. Sie hatten ihre Fahrt unterbrochen, um in Sevenoaks zu speisen, waren später nach London weitergefahren und kurz vor Mitternacht in Alverton House eingetroffen.

Dank der Kinder und des allgegenwärtigen Personals war Therese nicht dazu gekommen, ihn zu seinen – ihrer Meinung nach unerklärlichen – Äußerungen zu befragen, und nachdem sie die Kinder ins Bett gebracht hatten, hatten sie beide sich in ihre jeweiligen Zimmer zurückgezogen. Später hatte er sich zwar, wie er es gewöhnlich tat, zu ihr ins Bett gelegt. Allerdings hatte er dabei mit Nachdruck dafür gesorgt, dass sie von dem Moment an, als er durch die Tür trat, so abgelenkt war, dass sie keine Fragen stellen konnte und später keine Energie und keine Lust mehr dazu hatte.

Er konnte ihre leisen Atemzüge hören, ruhig und stetig, wie es ihrem Charakter entsprach. Kompetent, zuverlässig, unerschütterlich, loyal – all das war sie … und noch viel mehr.

Als er sie auf der ihm gegenüberliegenden Seite des Ballsaals von Lady Hendricks zum ersten Mal gesehen hatte, war ihm sofort aufgegangen, dass sie alles verkörperte, was er sich von einer Ehefrau wünschte, und dieser Eindruck hatte sich bestätigt. Seit er zum ersten Mal in ihre silberblauen Augen geschaut hatte, bestand für ihn kein Zweifel mehr daran, dass sich sein Leben in diesem Moment unwiderruflich und unausweichlich verändert hatte. Er hatte sich ebenso umfassend und rückhaltlos in sie verliebt, wie sie sich, allen Heiligen sei Dank, auch in ihn verliebt hatte.

Er blinzelte in die Dunkelheit. War es vielleicht überheblich von ihm, sich dessen so sicher zu sein? Weil er so erpicht darauf gewesen war, dasselbe Gefühl im Gegenzug nicht ebenfalls eingestehen zu müssen, hatte er sie nie dazu ermutigt, diese Worte auszusprechen, aber …

Auch wenn er nicht mit absoluter Sicherheit wissen konnte, was sie gegenwärtig für ihn empfand, kannte er die Frauen gut genug. Er wusste, dass die Wonnen, die sie für gewöhnlich in diesem Bett teilten, ein Ausdruck des Gefühls waren, das in ihnen beiden lebte. Und diesen Grad der Glückseligkeit hatte er trotz seiner zahlreichen früheren Erfahrungen bisher nur mit ihr erreicht – auch wenn er sie hinters Licht führte und sie nichts davon ahnte.

Jetzt hatte er die Tür zu seinem tiefsten Geheimnis aufgestoßen und sie eingeladen, es zu erforschen. Ursprünglich hatte er seine für gewöhnlich sehr aufmerksame Frau davon abhalten wollen, seine wahren Gefühle zu erkennen, deshalb musste er die weitere Entwicklung mit Bedacht steuern.

Der erste Schritt bei jedem möglichen Plan war es zweifellos, aufzustehen und ihr Bett zu verlassen. Und zwar jetzt, bevor sie aufwachte und ihn dort vorfand.

Um seine Behauptung, dass ihre Ehe für ihn eher eine Pflichterfüllung als eine Liebesbeziehung war, zu untermauern, war er nie an ihrer Seite gewesen, wenn sie aufwachte. Er ließ sie immer schlafen, und soweit sie wusste, verbrachte er den größten Teil der Nacht in seinem eigenen Bett. Da sie tief und fest schlief und er stets dafür sorgte, dass sie ganz weich lag und auf eine angenehme Weise erschöpft war, bevor sie der Schlummer ereilte, ahnte sie nicht, dass er meistens erst von ihrer Seite wich, wenn der Morgen dämmerte.

Die Sonne war zwar noch nicht aufgegangen, aber die Morgendämmerung war nicht mehr fern. Also zwang er sich, dem Prozedere treu zu bleiben, das er entwickelt hatte, und erhob sich aus dem Bett. Sofort vermisste er ihre Wärme. Mit zusammengekniffenen Lippen streifte er den Morgenmantel über, band ihn zu und verließ leise das Zimmer durch die Verbindungstür, die zu seinen Gemächern führte.

In seinem Schlafzimmer angekommen, ging er zum Fenster, zog die schweren Vorhänge zurück und blickte über die Park Lane zu den Bäumen im Park dahinter. An den Ästen der alten Eichen hingen noch die Blätter. Der feine Nebel verdichtete sich allmählich und hüllte die fast skelettartig anmutenden Baumkronen in diffuse Schwaden.

Er sah in die kühle Morgendämmerung hinaus und dachte darüber nach, was ihn dazu gebracht hatte, seine Liebe zu verbergen. Da war zum einen die Ehe seiner Eltern und zum anderen auch die seines besten Freundes. Als er Therese geheiratet hatte, war das aus vernünftigen, unwiderlegbaren und einleuchtenden Gründen geschehen. Und er hatte mit Sicherheit die richtige Entscheidung getroffen.

Er bildete sich ein, schon als kleiner Junge unmittelbar miterlebt zu haben, welche Verletzungen selbst einem charakterstarken Mann zugefügt werden konnten, wenn er sich in eine entschlossene Frau verliebte und den Fehler beging, ihr diese Liebe auch zu gestehen. Seinem jüngeren Ich hatte die Ehe seiner Eltern drastisch vor Augen geführt, was einem Gentleman widerfahren konnte, der so unklug war zuzugeben, dass er eine willensstarke Frau mit einer Führernatur liebte. In seiner Wahrnehmung hatte seine Mutter seinen Vater beherrscht, seine Liebe, Wertschätzung und Unterstützung für selbstverständlich gehalten. Wie häufig hatte sie seinen Stolz und sein Ansehen mit Füßen getreten, indem sie ihn vor ihren Angestellten und ihren Kindern herabsetzte und erniedrigte, doch sein Vater hatte nie protestiert oder seine Mutter zurechtgewiesen. Immer wieder hatte Devlin erlebt, wie er seinen Stolz herunterschluckte und sich ihrem Diktat fügte. Tatenlos hatte er dabei zusehen müssen, wie seine Mutter die väterliche Autorität im Laufe der Jahre immer schlimmer und verletzender untergrub – wenn auch nur im engsten Familienkreis. Nach außen hin hatten sich der frühere Earl und die Countess of Alverton als ein hingebungsvolles Paar präsentiert.

Dann hatte Devlins enger Freund James, Viscount Hemmings, eine – gelinde gesagt – sehr eigenständige Frau geheiratet, nur aus Liebe und ohne einen Hehl daraus zu machen. Obwohl alle darin übereinstimmten, dass James und Veronica maßlos ineinander verliebt waren, hörten die beiden nie auf, aneinander herumzumäkeln. Falls es einer weiteren Lektion über die Gefahren einer Liebesheirat zwischen einem Gentleman wie ihm und einer willensstarken Lady bedurft hätte, so hatten die Hemmings sie ihm geliefert.

Die Erfahrungen mit der Ehe seiner Eltern und seine Beobachtungen der Verbindung der Hemmings hätten ihn der Institution Ehe gänzlich entsagen lassen. Aber er war damals zum Earl aufgestiegen, und alle Welt hatte von ihm erwartet, dass er heiratete und die Nachfolge sicherte. Wäre er bis zu seinem Tod Junggeselle geblieben, hätte sein sieben Jahre jüngerer Bruder Melrose den Titel geerbt, doch weder Devlin noch Melrose noch irgendjemand sonst hatte das für klug gehalten. Melrose war jetzt neunundzwanzig Jahre alt und machte noch immer keine Anstalten, sich niederzulassen oder irgendetwas ernsthaft in Angriff zu nehmen.

Als Devlin Therese zum ersten Mal in die Augen sah und erkannte, dass sie all das versprach, was er sich von einer Ehefrau wünschte, hatte er sie für sich beansprucht – und das, obwohl sie bereits damals in dem Ruf stand, willensstark bis hin zur Rücksichtslosigkeit zu sein. Zudem verkörperte sie einen Frauentyp, um den er eigentlich einen großen Bogen machen wollte. Obwohl sie die allerletzte Frau gewesen war, der er einen Antrag hätte machen sollen, hatte sie seine Meinung mit einem einzigen, schicksalhaften Blick geändert.

Dennoch verschwieg er ihr weiterhin seine Liebe zu ihr. Tatsächlich hatte er sie bis gestern nie auch nur einen Hauch seiner wahren Wertschätzung spüren lassen.

Er starrte auf den Nebel, der jetzt den Park bedeckte, und verzog das Gesicht. Er hatte sich für so clever gehalten – und war es auch gewesen. Er hatte sich ihre Selbstüberschätzung zunutze gemacht, um ihre Überzeugungen und ihre Interpretation dessen, was sie sah, subtil zu steuern. Sie war von ihrer eigenen Auffassungsgabe und ihren Fähigkeiten, zu verstehen und zu organisieren, so eingenommen, dass es ihr nie in den Sinn gekommen wäre, in ihm ihren Meister gefunden zu haben. Oder zumindest jemanden, der ebenso geschickt und noch heuchlerischer war.

Jetzt stand er vor der Aufgabe, die Glaubenssätze, zu denen er sie ermutigt hatte, zu entwirren und sie zu einem neuen Grundverständnis zu bringen, auf dem ihre Ehe fußen sollte. Und er musste diese Aufgabe unbedingt bewältigen, ohne das Gebäude ins Wanken zu bringen, das auf den aktuellen Überzeugungen aufbaute. Er wollte das, was sie hatten, nicht gefährden: weder die Leichtigkeit des Umgangs miteinander, die sich im Laufe der Jahre entwickelt hatte, noch die ruhige, geordnete, ausgeglichene Lebensweise, die sie beide, ihre Kinder und ihr Haushalt genossen. Dabei war ihm bewusst, dass Letzteres vor allem Thereses Organisationstalent zu verdanken war. Sie verstand es, dafür zu sorgen, dass alles und jeder reibungslos und effizient funktionierte, und erschuf so die ruhige Atmosphäre, für die er in seinem Umfeld vielfach beneidet wurde.

Er wollte ihre bereits bestehende Beziehung zukünftig weder durch impulsives Verhalten noch anderweitig gefährden. Doch wenn er in all den Jahren des erfolgreichen Investierens in neue Branchen etwas gelernt hatte, dann war es, dass es sich manchmal lohnte, Risiken einzugehen.

Er hatte die Ehen ihrer Cousins und Cousinen erlebt und die Vorteile erkannt, die sich aus gegenseitigen Liebesgeständnissen ergaben. Die Freude, das uneingeschränkte Glück, alles miteinander zu teilen, und die Nähe, die so viel eindrucksvoller und fesselnder war – er hatte das alles so verlockend und verführerisch gefunden, dass er schließlich seinen Stolz heruntergeschluckt hatte. Er hatte sich eingestanden, dass er dafür kämpfen und Opfer bringen wollte, wenn es eine Chance gab, diese Art von Ehe für sich und Therese zu erreichen.

Wie viel er opfern musste – wenn überhaupt –, war ihm überhaupt nicht klar, aber mit seinen unklugen Worten von gestern hatte er den ersten unwiderruflichen Schritt zu einem Eheleben unternommen, wie sie es schon in den letzten fünf Jahren hätten führen können. Wenn er doch nur nicht so große Vorbehalte gehabt hätte, ihr seine Liebe zu gestehen!

Mit zusammengekniffenen Augen starrte er in den Nebel, der den ganzen Park verhüllte.

Er hatte Therese nicht umwerben müssen. Stattdessen hatte er sie dazu gebracht, ihn zum Bund der Ehe zu überreden. Nun lag es an ihm, die Veränderung zu meistern, und wenn er bei diesem heiklen Unterfangen Erfolg haben wollte, brauchte er einen Plan – einen sorgfältig durchdachten Schlachtplan, um seine Frau davon zu überzeugen, dass er sie seit fünf Jahren ebenso liebte wie sie ihn.

Der Morgen war schon weit fortgeschritten, als Therese endlich die Augen öffnete. Sie blinzelte, dann drehte sie sich auf den Rücken und stellte fest, dass Devlin wie immer längst gegangen war. Als sie mit einer Hand über das Laken strich, war keine Wärme mehr zu spüren.

Mit einem zufriedenen Seufzer und der Erinnerung an die geteilten Wonnen, die ihr ein Lächeln entlockte, streckte sie die Arme über den Kopf und kuschelte sich dann wieder unter die Decke. Den Blick auf den Betthimmel aus lilafarbener Seide gerichtet, ließ sie die Ereignisse des vergangenen Tages Revue passieren. Ihr Lächeln wurde breiter, als sie sich an Christophers und Ellens strahlendes Glück erinnerte. Es hatte sie sehr gefreut, die beiden so verliebt zu sehen.

Dann fielen ihr Devlins seltsame Bemerkungen wieder ein. Ihr Lächeln verblasste, als sie erneut darüber nachdachte. Am Ende runzelte sie die Stirn.

Auf der Rückreise nach London hatte sie sich diese Bemerkungen unzählige Male durch den Kopf gehen lassen, dennoch hatte sie noch immer keine Ahnung, was er gemeint haben könnte. Sie kannte ihren Mann: Es war nicht seine Art, abstruse Bemerkungen zu machen.

Also, was zum Teufel hat er gemeint?

In ihren Gedanken rekonstruierte sie den Moment, als sie beide am Rande des Ballsaals von Bigfield House gestanden hatten. Gerührt hatte sie beobachtet, wie Christopher und Ellen sich durch die Menge bewegten, und Devlin hatte neben ihr gestanden. Als sie jetzt darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass er fast den ganzen Tag an ihrer Seite geblieben war. Er hatte gehört, wie sie glücklich seufzte und Christopher für seinen gesunden Menschenverstand lobte, weil er erkannt hatte, welches Glück er mit Ellen finden konnte, entsprechend gehandelt und sie geheiratet hatte.

Im Nachhinein betrachtet schien es, als hätte entweder ihr Seufzer oder ihr Kommentar Devlin zu der Bemerkung veranlasst: »Vielleicht hat dein lieber Christopher endlich die Augen aufgemacht und ist meinem Beispiel gefolgt.«

Mit finsterem Blick runzelte sie die Stirn und starrte weiterhin auf die lilafarbene Seide.

Das ergibt immer noch absolut keinen Sinn.

Nachdem sie die Worte noch einmal seziert hatte, zusammen mit seiner Intonation und jedem anderen kleinen Hinweis, den sie in den letzten fünf Jahren zu deuten gelernt hatte, war sie immer noch völlig ratlos.

Blödsinn!

Sie zog die Decke noch fester um sich und runzelte noch stärker die Stirn. Sie war nicht nur einfach verwirrt, sondern auch verwirrt darüber, dass sie verwirrt war – normalerweise hatte sie keinerlei Schwierigkeit damit, Devlins Äußerungen zu deuten.

Noch verwirrender war seine Reaktion gewesen, als sie eine Erklärung von ihm verlangt hatte. Anstatt lachend zuzugeben, dass er vergessen hatte, dass sie es gewesen war, die ihn zum Altar geschleppt hatte, und nicht umgekehrt, hatte er ihren Blick erwidert und mit einem seltsamen Funkeln in seinen grünbraunen Augen auf eine ziemlich seltsame Weise gelächelt.

»Hoppla«, hatte er gesagt – und zwar ganz bewusst.

Therese hörte innerlich den Widerhall dieses einen Wortes, und ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Abrupt schüttelte sie den Kopf und schlug die Decke zurück. Sie entschied sich, die gewiss absichtlich verwirrenden Äußerungen ihres gut aussehenden Mannes in den dunkelsten Winkel ihres Geistes zu verbannen, und sprang fast aus dem Bett.

Die Kälte des Spätherbstmorgens drang durch die feine Seide ihres Nachthemds, und sie nahm ihren Morgenmantel vom Stuhl. Nachdem sie hineingeschlüpft war, eilte sie über den Teppichboden zur Klingelkordel, zog daran und rief Parker, ihre Kammerzofe, mit dem Waschwasser.

Während sie wartete, verknotete Therese den Gürtel des Morgenmantels und ging zum Fenster. Mit beiden Händen griff sie nach den Vorhängen und zog sie weit auf, bis der Blick auf den Rosengarten an der Seite des Hauses frei wurde. Draußen war es neblig. Sie starrte auf das hinaus, was normalerweise ein beruhigender Anblick war, und hörte in ihrem Kopf ein weiteres Mal: »Hoppla.«

Ihre Kinder benutzten das Wort so häufig wie Devlin im Umgang mit ihnen. Er verwandte es nur, um einen Fehler zu bezeichnen, oft einen bewusst begangenen, und sie, wenn sie jemanden scherzhaft auf den Arm genommen hatten.

Therese verschränkte die Arme unter der Brust.

Und an welcher Stelle dieses kurzen Austauschs hat er einen solchen Fehler begangen oder einen Scherz gemacht?

Wollte er etwa eine Parallele zwischen der Art und Weise suggerieren, wie ihre Ehe und die von Christopher zustande gekommen waren?

Nur dem Gesagten nach zu urteilen, schien das die naheliegende Antwort zu sein. Aber wie oft sie auch wiederholte, wie Devlin die Worte ausgesprochen hatte, sie konnte sich selbst nicht davon überzeugen, dass er das gemeint hatte.

Besonders beunruhigte sie, wie er dieses »Hoppla« geäußert hatte, mit diesem Funkeln in den Augen.

Jedes Wort, das ihm über die Lippen kam, war eindeutig und überlegt gewesen, und er hatte sie die ganze Zeit über aufmerksam beobachtet. Nein, er hatte etwas anderes als das Naheliegende gemeint, und sie war sich zunehmend sicher, dass sein »Hoppla« kein Hinweis darauf war, dass er einen Rückzieher machen oder das, was er gesagt hatte, zurücknehmen wollte.

Dieser nervtötende Mann!

Außerdem klang dieses »Hoppla«, je öfter sie es wiederholte, in ihrem Kopf immer mehr wie eine spöttische Bemerkung. Eine scherzhafte Provokation, die Einladung, sich auf ein Spiel mit ihm einzulassen. Allerdings wusste sie beim besten Willen nicht, was für ein Spiel das sein sollte, und darüber war sie alles andere als glücklich.

Es klopfte an der Tür, und Parker kam herein, gefolgt von einem Dienstmädchen, das einen Porzellankrug mit heißem Wasser schleppte.

Als Parker schließlich in Thereses Richtung blickte, hatte sich deren Stirn wieder geglättet, und sie nickte der Zofe gleichmütig zu.

»Ich werde heute Morgen auf einem Empfang erwartet und heute Nachmittag auf zweien. Mein Tageskleid aus rosa Seide wäre wohl die beste Wahl.«

Sie verbannte das nervtötende »Hoppla« ihres Mannes aus ihren Gedanken und konzentrierte sich darauf, sich auf den Tag vorzubereiten.

Therese betrat den Frühstücksraum und war nicht überrascht, ihn leer vorzufinden.

Portland, der Butler, zog ihr den üblichen Stuhl vor.

»Seine Lordschaft hat vorhin gefrühstückt, Ma’am, und unternimmt gerade einen Ausritt im Park«, murmelte er, als sie sich setzte.

Da sie damit gerechnet hatte, nahm sie ihre Serviette und schüttelte sie auf.

»Danke, Portland.« Sie warf einen Blick auf die üppige Auswahl auf der Anrichte. »Nur Tee und Toast, bitte.« Sie wurde schwach und fügte hinzu: »Und vielleicht etwas von Cooks Erdbeermarmelade.«

»Selbstverständlich, Ma’am.«

Während Portland davoneilte, um ihren Tee zu holen, starrte sie auf Devlins leeren Stuhl. Inzwischen wünschte sie sich, sie hätte an ihrem Vorsatz vom Vorabend festgehalten und ihn sofort befragt, als er ihr Zimmer betreten hatte. Leider war es nicht der richtige Moment gewesen, um ein eheliches Verhör zu beginnen. Abgesehen von allem anderen lenkte ein nackter Devlin sie immer noch maßlos ab, und selbst wenn es ihr gelungen wäre, eine Frage zu stellen, hätte sie sich wahrscheinlich heute nicht mehr an seine Antwort erinnert.

Portland kehrte mit der Teekanne, einem Gestell mit warmem Toast, einer Schale mit weicher Butter sowie einer weiteren mit köstlicher Erdbeermarmelade zurück. Sie bedankte sich lächelnd, schenkte sich eine Tasse Tee ein und bestrich dann eine Scheibe Toast mit Butter und Marmelade.

Während sie die Scheibe an ihre Lippen hob, abbiss und kaute, starrte sie mit leerem Blick über den Tisch und führte sich die Realität ihrer Ehe vor Augen. Obwohl sie von ihrer ersten Begegnung an erkannt hatte, dass Devlin sich zu ihr hingezogen fühlte, hatte sie sich nie der Illusion hingegeben, dass er sie liebte. Sie hatte auch nicht angenommen, dass er im Laufe der Zeit lernen würde, sie zu lieben. Das hatte sie von vornherein für unwahrscheinlich gehalten, und in den letzten fünf Jahren hatte nichts ihre Meinung geändert.

Die Suche nach einem für sie geeigneten Gemahl war sie auf ihre übliche organisierte und methodische Weise angegangen. Von Anfang an hatte sie akzeptiert, dass es für sie als Cynster durchaus möglich, wenn nicht gar sehr wahrscheinlich war, ebenfalls ein Opfer des »Cynster-Fluchs« zu werden. So nannten ihre Brüder und männlichen Cousins den offenbar unausweichlichen Zwang, der dazu führte, dass alle Cynsters aus Liebe heirateten. Seit ihren ersten Ausflügen in die Gesellschaft hatte sie jeden potenziell geeigneten Gentleman, der ihren Weg kreuzte, begutachtet und erwartet, schließlich den richtigen Mann zu finden und sich zu verlieben.

Man ging zwar davon aus, dass der Cynster-Fluch zu einer Heirat aus gegenseitiger Liebe führte, und sie wusste, dass es auch meistens so war, aber soweit sie es verstand, besagten die Worte »Ein/e Cynster heiratet immer aus Liebe« mitnichten, dass diese Liebe erwidert werden würde.

Zunächst war sie unvoreingenommen auf die Suche gegangen, aber als sie mit einundzwanzig Jahren in ihre dritte Saison ging, hatte sie viel über sich selbst gelernt – und darüber, wie die meisten Gentlemen sie sahen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie genug Bemerkungen gehört, und im Laufe der Jahre waren diese Bemerkungen nur noch akzentuierter geworden. Alle schienen sich einig zu sein: Sie war zu kratzbürstig, zu willensstark, zu eigenständig und – was am schlimmsten war – zu dominant. Sie wurde in zu vielen Belangen als »zu …« angesehen, um von durchschnittlichen Gentlemen als begehrenswerte Partnerin betrachtet zu werden. Es war ihr einfach nicht bestimmt, eine pflegeleichte Ehefrau zu sein.

Aber dann hatte sie Devlin getroffen und war von einer Kraft ergriffen worden, die so mächtig war, dass sie nicht eine Minute lang daran gezweifelt hatte, worum es sich dabei handelte. Sie hatte sich innerhalb von einer Minute verliebt, sogar in einem einzigen Augenblick, um die Wahrheit zu sagen, und damit war es geschehen. Und obwohl sie sich nie eingeredet hatte, dass er sie liebte – ganz sicher nicht auf die gleiche manische, unbeherrschte Art und Weise wie sie ihn –, war er in jeder anderen Hinsicht mehr als geeignet gewesen. Von jenem ersten Treffen an hatte sie versucht, ihn davon zu überzeugen, dass sie die perfekte Frau für ihn war.

Es hatte Monate gedauert, ihn zu erobern – sie hatte ihn gejagt, ihm nachgespürt und ihn schließlich bedrängt –, aber schließlich hatte er eingewilligt, sie zu heiraten. Seitdem verstanden sie sich, wie sie es vorausgesagt hatte, sehr gut. Vielleicht liebte er sie nicht, aber er mochte sie und behandelte sie stets mit einer sanften, manchmal leicht amüsierten, aber immer unerschütterlichen Zuneigung, die sie als beruhigend und tröstlich empfand. Mit der Zeit war er für sie zu einem sicheren Hafen im tosenden Meer des Lebens geworden.

So war ihre Ehe zustande gekommen. Warum also hatte Devlin angedeutet, dass Christophers Motivation, Ellen zu heiraten, die gleiche war wie seine eigene, Therese zu ehelichen?

Sie runzelte die Stirn und zerkaute den letzten Rest ihres Toasts.

»Das ergibt keinen Sinn.« Sie blinzelte. »Es sei denn …«

Es sei denn, Devlin verglich Christopher mit sich selbst und bezog sich damit auf eine andere Eigenschaft der Ehe.

»Natürlich!«

In Gedanken spielte Therese noch einmal die Szene beim Hochzeitsfrühstück durch und hörte noch einmal Devlins Worte. Schließlich spürte sie, wie sich die Verärgerung darüber, dass sie nicht wusste, was er gemeint hatte, langsam legte.

»Das ist es!«

Zufrieden nahm sie ihre Teetasse in die Hand, lehnte sich zurück und trank einen Schluck.

Devlin hatte sich auf die unbestreitbaren Vorteile einer Upperclass-Ehe bezogen – eine Gastgeberin zu haben, jemanden, der seinen Haushalt führte, eine Mutter für seine Kinder und so weiter … all die Gründe, die dazu geführt hatten, dass er sie schließlich heiratete. Als verheirateter Gentleman, der nicht durch Liebe motiviert war, hatte er sich natürlich auf diese anderen Annehmlichkeiten bezogen.

Den Blick auf den leeren Stuhl auf der anderen Seite des Tisches gerichtet, nippte sie noch einmal an ihrem Tee und nickte dann zufrieden.

»Das erklärt sein ›Hoppla‹.«

Er hatte sich nicht auf einen Irrtum bezogen, den er gemacht hatte, sondern auf den Fehler, den sie gemacht hatte, als sie dachte, sein Kommentar bezöge sich auf Liebe.

Sie ließ sich seine Bemerkungen noch einmal durch den Kopf gehen, studierte sie unter der Prämisse ihrer neuen Erkenntnis und nickte dann entschlossen.

»Das passt.«

Mit dem Gefühl, sich endlich aus einem engen Netz befreit zu haben, stellte sie die Teetasse ab und richtete ihre Gedanken auf den Tag.

Bei der Durchsicht ihres Terminkalenders musste sie zugeben, dass sie als Devlins Ehefrau, was die materiellen und sonstigen Vorteile der Ehe anging, keinen Grund zur Klage hatte – und er hatte auch nie angedeutet, dass er in irgendeiner Weise unzufrieden wäre. Alles in allem verlief ihr Leben genau so, wie sie es sich vorgestellt hatte, und sie hielt die Zügel fest in der Hand.

Außer natürlich bei Devlin selbst. Irgendwie schaffte er es immer, knapp außerhalb ihrer Reichweite zu bleiben. Sie wusste das, und er wusste es auch. Manchmal überraschte sie ein Ausdruck auf seinem Gesicht, der sie glauben ließ, er betrachte ihre Bemühungen, ihn zu dirigieren – natürlich versuchte sie es immer noch –, mit wohlgesonnener Belustigung. Es war, als ob ihre Versuche, ihn zu lenken, ihn seltsam befriedigten, während er zugleich jeden dieser Versuche vereitelte, außer jenen, mit denen er einverstanden war und denen er sich bereitwillig fügte.

Schnaufend setzte sie sich auf. In den letzten fünf Jahren hatte sie gelernt, dass ihr gut aussehender Mann ein eigenes Kaliber war. Sie war zu dem Schluss gekommen, dass sie ihn einfach nicht gut genug verstand, um ihn richtig zu beherrschen. Aber er behandelte sie, ihre Kinder, das Personal und alle ihre Leute immer gut. Was sein allgemeines Verhalten anging, hatte sie also nicht vor, etwas zu ändern.

Stirnrunzelnd beendete sie ihr Frühstück. Wenn er sich doch nur nicht so kryptisch ausgedrückt hätte! Sie hatte viel Zeit und Energie darauf verschwendet, sich über eine Bemerkung den Kopf zu zerbrechen, die sie, wie sie jetzt begriff, eigentlich keinen Augenblick beunruhigt haben sollte.

Aber das lag nun wenigstens hinter ihr. Als Portland ihren Stuhl zurückzog, erhob sie sich, lächelte dankbar und machte sich auf den Weg in den Salon, um die ersten Pflichten des Tages zu erledigen.

Wie so oft gesellte sich Therese zu den Kindern in deren Zimmer, während sie ihr Mittagessen einnahmen. Sie schaffte es nicht jeden Tag, aber die Kleinen freuten sich, wenn sie kam, da sie dann die Aufregungen ihrer morgendlichen Aktivitäten mit ihr teilen konnten, während sie unter der Anleitung ihres Kindermädchens Sprockett versuchten, mit halbwegs akzeptablen Tischmanieren zu speisen.

Therese balancierte die kleine Horatia – benannt nach ihrer Urgroßmutter und von allen nur Horry genannt – auf ihrem Knie und führte sanft die Hand des achtzehn Monate alten Mädchens, das sich hartnäckig abmühte, die Gabel zu beherrschen.

»Mein Reifen war am schnellsten!«, warf sich Spencer, ein kräftiger Vierjähriger, in die Brust.

Rupert, der ein Jahr jünger war als Spencer, lächelte seinen Bruder an.

»Meiner kam gleich dahinter«, erklärte er freundlich.

Therese lächelte ihre Söhne an. Die drei Kinder waren erst vor wenigen Minuten zusammen mit ihren Kindermädchen von einem Ausflug im Park zurückgekehrt. Ihre runden Wangen waren noch rosig von der Kälte, und ihr Haar war durcheinander und vom Wind zerzaust. Die beiden Jungen kamen nach ihrem Vater – haselnussbraune Augen und dunkelbraunes Haar –, während Therese von ihrer Mutter und ihren Tanten hörte, dass Horry eine exakte Kopie von Therese in diesem Alter war, mit noch babyhaften goldblonden Locken, Porzellanwangen und großen blassblauen Augen.

Therese hielt die drei zum Essen an, lauschte ihrem Geplapper und bemühte sich, die Aufmerksamkeit auf ihre Kinder zu richten. Sie durfte nicht zulassen, dass ihre Gedanken abdrifteten und weiter um ihre Schlussfolgerungen Devlins irritierende Bemerkung betreffend kreisten.

Es raubte ihr den Verstand! Sie hatte das Rätsel doch gelöst, warum also konnte sie den ärgerlichen Vorfall nicht einfach vergessen?

Plötzlich sahen die Jungen zur offenen Tür hinüber, und ihre Gesichter leuchteten vor Aufregung. Therese wusste, was – oder vielmehr wer – diesen Blick verursachte. Sie drehte den Kopf und sah, wie Devlin mit einem strahlenden Lächeln, das ihnen allen galt, in den Raum geschlendert kam.

Es war wirklich unfair, aber selbst nach fünf Jahren Ehe zog er noch immer mühelos ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie ließ den Blick über sein Gesicht gleiten – die aristokratischen Züge und die schön geschwungenen Lippen – und dann an seinem großen, schlanken Körper hinunter, um anschließend bei der dezenten Eleganz seines Mantels, seiner Weste und seiner Hose zu verweilen. Sie genoss die raubtierhafte Geschmeidigkeit, die er ausstrahlte.

Er ging hinüber zu dem niedrigen Tisch, an dem sie mit den Kindern und Sprockett saß. Beiläufig nickte er den anderen Kindermädchen zu und zerzauste dann zärtlich das Haar der beiden Jungen, bevor er sich neben sie hockte.

Er grinste Horry an, die auf Thereses Schoß auf und abhüpfte, »Da, da, da!« rief und munter mit ihren pummeligen, klebrigen Händen winkte. Zärtlich strich Devlin mit dem Fingerrücken über die weiche Wange seiner Tochter, bis das kleine Mädchen vor Glück gluckste. Dann wandte er sich an seine Söhne und erkundigte sich, welche Abenteuer sie an diesem Morgen erlebt hatten.

Therese nutzte den Moment, um Horry zu ermutigen, ihr Hühnchen aufzuessen und die letzten Erbsen zu verdrücken.

Nachdem er sich den Bericht seiner Söhne angehört hatte, warf Devlin einen Blick auf Therese und sagte dann zu den Jungen: »Esst jetzt auf. Denn ich wurde ausgeschickt, um eure Mama zu ihrem eigenen Mittagessen zu entführen, und ihr wisst, dass ihr sie glücklich machen könnt, wenn sie eure leer gegessenen Teller sieht, bevor sie geht.«

Die beide Jungen grinsten Therese an und machten sich gehorsam über ihre Hauptgerichte her, bevor sie sich auf den Pudding stürzten.

Therese konzentrierte sich darauf, Horry dabei zu helfen, den zähflüssigen Pudding in ihren kleinen Mund zu löffeln, während sie sich fragte, ob Devlins Worte bedeuteten, dass er mit ihr zu Mittag essen wollte. Sie vermutete es. Er nahm sein Mittagessen nicht oft zu Hause ein, wollte es jedoch heute anscheinend tun.

Sie überlegte, ob sie die Gelegenheit nutzen sollte, um sich ihre Schlussfolgerungen in Bezug auf seine verwirrende Bemerkung und der Gründe für sein »Hoppla« bestätigen zu lassen, aber angesichts ihrer anhaltenden Fixierung auf diese Bemerkung scheute sich etwas in ihr, ihn direkt darauf anzusprechen. Es war, als könnte ihn eine Frage zu diesem Thema auf den Gedanken bringen, dass sie sich erneut über die Grundlage ihrer Ehe Gedanken machte – und darüber, ob sich daran etwas geändert hatte. Aber da sie wusste, dass dem nicht so war, brauchte sie es nicht von ihm zu hören.

Hastig verdrängte sie all diese Gedanken und strahlte Horry an. Die hatte genüsslich den Boden ihrer Puddingschüssel frei gelöffelt und schlug jetzt begeistert mit dem Löffel darauf ein. Therese gurrte, nahm ihr geschickt den Löffel ab und ließ ihn in die Schüssel fallen, dann drückte sie Horry einen Kuss auf die Locken. Als sie den Blick eines der Kindermädchen erhaschte, hob sie Horry hoch und übergab die Kleine, die nun fröhlich quietschte, in deren Obhut.

Während er sich mit seinen Söhnen unterhielt, hatte Devlin Therese genau beobachtet. Er hatte die wechselnden Farbtöne gesehen, die das Silberblau ihrer Augen wie Schatten durchzogen, die über eine spiegelnde Oberfläche liefen. Es verriet, dass sie an andere Dinge dachte, während sie sich mit der Jüngsten beschäftigte. Er hoffte, dass sie über seine gestrige Bemerkung und vor allem über sein »Hoppla« nachdachte.

Über die Köpfe ihrer Söhne hinweg begegnete er ihrem Blick und lächelte. Dann erhob er sich, tätschelte alle kurz und reichte ihr die Hand.

Sie legte ihre Finger in seine, und er erinnerte sich daran, nicht zu fest zuzupacken. Er schloss seine Hand und half ihr auf die Füße, wie es sich für einen Gentleman gehörte. Als sie aufgerichtet war, zog sie ihre Hand zurück, und er musste sie loslassen. Nachdem sie ihre Röcke gerade geschüttelt hatte, verabschiedete sie sich von den Jungen, warf Horry einen Kuss zu und ging dann vor ihm zur offenen Tür.

Er folgte ihr in den Korridor, und Seite an Seite schlenderten sie zur Haupttreppe.

»Portland hat mir versichert, dass die Suppe warm bleibt, aber ich nehme an, er und das Personal warten schon.«

»Ich hatte nicht bemerkt, dass es schon so spät ist. Außerdem hatte ich vergessen, dass ich wegen der Jahreszeit das Mittagessen vorverlegt habe.«

Er schaute sie an und wartete. Als sie keine Anstalten machte, den Moment für eine Befragung zu nutzen, suchte er nach einem unverfänglichen Thema.

»Was planst du für den Rest des Tages?«

Sie erreichten die Treppe und stiegen hinunter.

»Heute Nachmittag muss ich mich auf zwei zwanglosen Veranstaltungen blicken lassen, und danach werde ich wahrscheinlich eine kurze Zeit im Park verbringen – vorausgesetzt, das Wetter hält«, antwortete sie hocherhobenen Hauptes.

»Und heute Abend?«

»Zum Glück geht die Ballsaison zu Ende, aber Lady Walton veranstaltet eine Soirée, zu der sie mich erwartet.«

»Ist sie eine Freundin deiner Mutter?«, spekulierte er.

»Eher eine nahe Bekannte. Aber da Mama in Somersham ist, hat sie vorgeschlagen, ich solle hingehen und sozusagen die Fahne hochhalten.«

»Ich verstehe.« Er erinnerte sich an eine Begegnung mit Lord Walton bei einem Treffen von Eisenbahninvestoren.

Sie erreichten die Eingangshalle, verließen die Treppe und wandten sich dem Esszimmer der Familie zu – ein viel kleinerer, intimerer Raum als der Hauptspeisesaal des Hauses, in dem mühelos fünfzig Personen Platz fanden.

Devlin begleitete Therese zu ihrem Stuhl an dem der Tür näher gelegenen Ende des Sechsertisches und setzte sich dann ans Kopfende. Er hatte kaum Platz genommen, als Portland auch schon mit der Suppenterrine nahte, die er wartend in der Hand gehalten hatte.

Portland war offenbar überzeugt, dass eine Portion für jeden von ihnen ausreichen würde, und machte sich auf, um die Terrine in die Küche zurückzutragen. Somit war nur noch Dennis, der Diener, als Zeuge zugegen.

Devlin blickte auf den Tisch und wartete darauf, dass Therese ihre Gedanken sammelte und mit ihrem Verhör begann. Ihm war bewusst, dass ihre Neugierde grenzenlos war, wenn es um ihn ging.

Sie schwieg so lange, dass er sich zu fragen begann, ob noch etwas anderes nicht stimmte, aber dann sah sie auf und suchte seinen Blick.

»Ich wollte dich schon lange fragen …«

Na endlich! Er blickte sie einladend an.

»… ob du auf der Messe erfolgreich warst.« Sie setzte den Suppenlöffel ab, verschränkte die Finger und sah ihn fragend an. »Sie soll doch bald zu Ende sein, nicht wahr?«

Er blinzelte kurz irritiert, dann erinnerte er sich, dass die sogenannte Weltausstellung, die gerade den Crystal Palace von Joseph Paxton im Hyde Park füllte, in zehn Tagen ihre Pforten schließen sollte.

»Ich habe gehört, dass sie den Palast abbauen und verlegen wollen. Stimmt das?«, hakte sie nach.

Er nickte. »Nach Sydenham. Paxton hat das Bauwerk so konstruiert, dass es leicht auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt werden kann.«

Aber warum diskutierte er mit seiner Frau, die eigentlich auf etwas ganz anderes neugierig sein sollte, über Technik?

Ihr Gesichtsausdruck verriet in keiner Weise, dass sie von persönlicher Neugier überwältigt war.

»Ich wage zu behaupten, dass in den nächsten Tagen im Park viel los sein wird.« Sie neigte den Kopf, als ob sie sich diese Vorhersage durch den Kopf gehen ließ, und schaute dann auf, weil Portland mit einer Platte mit geschnittenem Roastbeef zurückkam. »Ich darf nicht vergessen, Stockton zu erzählen, dass der Palast abgebaut wird. Die Jungs wären bestimmt gern dabei.«

Portland lächelte wohlwollend und hielt Devlin die Platte hin.

Devlin bediente sich sowohl an dem Fleisch als auch an dem Gemüse, das Dennis anschließend anbot. Dann folgte er Thereses Beispiel und widmete sich dem Essen auf seinem Teller. Allerdings fiel es ihm schwer zu verarbeiten, dass seine wissbegierige Frau überhaupt keine Anstalten machte, seiner bewusst provokanten Bemerkungen vom Vortag auf den Grund zu gehen.

Während des Essens lenkte sie das Gespräch durch eine Reihe geschickter Fragen auf verschiedene Aspekte, die mit der Ausstellung zusammenhingen. Er trug seinen Teil zur Konversation bei, fühlte sich aber im weiteren Verlauf des Gesprächs zusehends aus dem Gleichgewicht gebracht.

Er hatte nicht erwartet, dass sie diesen Weg einschlagen würde. Er wusste mit größter Sicherheit, dass sie nicht vergessen haben konnte, was er gesagt hatte. Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass er sie womöglich dazu auffordern musste, es anzusprechen.

Ihre Mahlzeit endete, ohne dass er das geringste Anzeichen dafür bemerkte, dass sie auch nur gegen den Drang ankämpfte, ihn auszufragen. Therese erhob sich, er schloss sich ihr an, und gemeinsam schlenderten sie in Richtung Eingangshalle.

»Ich mache mich besser auf den Weg zu meinen Nachmittagsbesuchen«, sagte sie und lächelte so heiter, als ob sie nichts in der Welt betrübte.

Devlin blieb stehen. Als sie das bemerkte, folgte sie seinem Beispiel, sah ihn an und hob ganz sachte und fragend die Augenbrauen.

Mit größter Anstrengung gelang es ihm, dass sich sein Kiefer nicht verkrampfte. »Ich habe gestern beim Hochzeitsfrühstück auf eine deiner Fragen ziemlich einsilbig geantwortet.«

Sie hob ein wenig das Kinn, doch im schwachen Licht des Korridors konnte er ihren Blick nicht deuten.

»Ach, dein ›Hoppla‹?«

Er nickte, und sein Unbehagen wuchs, als ein knappes, ziemlich strenges Lächeln ihre Lippen umspielte.

»Dachtest du etwa, es hätte mich so irritiert, dass es mich unstillbar neugierig macht?« Sie klang immer noch unbeeindruckt, fast ein wenig amüsiert.

Er hatte plötzlich das Gefühl, sich auf unsicherem Terrain zu befinden. Ein Gefühl, das er keineswegs schätzte. »Zumindest neugierig, ja«, gab er nach einem Moment zu.

Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein entspanntes Lächeln, dem er nicht so recht traute. Sie streckte die Hand aus und tätschelte beruhigend seinen Arm.

»Ich brauche nicht zu rätseln und zu spekulieren, schon gar nicht über unsere Ehe.« Sie sah ihm in die Augen, und in ihrem Blick lag etwas, was wie echte Gewissheit aussah. »Ich weiß genau, was du gemeint hast.«

Er beäugte sie mit wachsender Besorgnis. »Das weißt du?«

Sie nickte. »Offenbar meintest du, dass Christopher bei seiner Heirat mit Ellen von denselben Gründen getrieben wurde, die dich dazu bewogen haben, mich zu heiraten, nämlich um die allgemein anerkannten Vorteile des Ehestandes zu genießen.« Ihre Wimpern verschleierten ihre Augen, und sie zog die Augenbrauen nach oben. »Da wir beide wissen, wie unsere Ehe zustande gekommen ist, waren meine anschließenden Fragen – meine Mutmaßungen – natürlich das, worauf du dich mit deinem ›Hoppla‹ bezogen hast. Ich hatte das, worauf du anspieltest, als die motivierende Kraft missverstanden, die Christopher zur Heirat trieb.«

Fieberhaft suchte Devlin eine Möglichkeit, seinen ersten Schritt zu retten, doch Therese lächelte erneut.

»Keine Sorge.« Sie beugte sich vertraulich vor. »Du hast mich nicht verwirrt – ich habe herausgefunden, was du meintest.« Sie tätschelte erneut seinen Arm und wandte sich dann ab. »Und jetzt muss ich los, sonst komme ich zu spät zu Lady Ketterings Empfang.«

Völlig entgeistert blieb Devlin im Korridor stehen und sah seiner Frau nach, die mit rauschenden Seidenröcken davoneilte.

Devlin schlenderte in sein Arbeitszimmer und schloss vorsichtig die Tür. Nach einem Moment ging er zu dem großen Ledersessel hinter dem Schreibtisch und ließ sich hineinfallen.

Ein wenig verblüfft ließ er Revue passieren, was gerade geschehen war.

»Verdammt!«

Er musste sich seinen Misserfolg eingestehen. Dabei hatte er sich sein Unterfangen als einfachen, wenn auch impulsiven ersten Schritt vorgestellt, der Therese zu der Erkenntnis führen sollte, dass er sie liebte.

»Hm.«

Obwohl ihm ihre Auslegung seiner Worte nicht in den Sinn gekommen war, konnte er verstehen, wie sie zu ihrer Schlussfolgerung gelangt war. Leider machte die Tatsache, dass sie eine andere Erklärung gesucht und gefunden hatte, statt auch nur zu vermuten, was er wirklich gemeint hatte, nur wenig Hoffnung darauf, dass sie zukünftig für subtile Andeutungen seinerseits empfänglicher sein würde.

Hoppla.

Er hatte einen Fehler begangen, das ließ sich nicht leugnen. Er war davon ausgegangen, dieselbe Methode wie vor fünf Jahren anwenden zu können, als er mit einem faszinierend rätselhaften Hinweis ihre Neugierde angestachelt und sie so dazu gebracht hatte, die Wahrheit herauszufinden. Er wusste, dass sie an seine Liebe glauben würde, wenn sie sie selbst entdeckte. Doch dieser Versuch war eindeutig gescheitert.

Nun wurde ihm zum Verhängnis, dass es ihm gelungen war, sie davon zu überzeugen, dass er sie nicht liebte.

Vor seinem geistigen Auge ließ er die jüngste Szene noch einmal Revue passieren. Irgendetwas daran hatte ihn beunruhigt. Es vergingen einige Minuten, bis er erkannte, was es gewesen war: ihr Tonfall und der Umstand, dass sie ihm nicht richtig in die Augen gesehen hatte, als sie ihm erklärte, was er mit seinen unklugen, impulsiven Worten gemeint hatte.

»Spröde« war das Wort, das ihm dazu als Erstes in den Sinn kam. Dazu kam eine gewisse Dünnhäutigkeit.

Er veränderte seine Sitzposition. Er mochte sich nicht vorstellen, dass er sie auf irgendeine Weise verletzt haben könnte … Er zwang sich, noch einmal hinzusehen, den Moment ein weiteres Mal zu erleben und auf sich wirken zu lassen.

Dann fluchte er leise und schloss die Augen. Er hatte impulsiv agiert und seine Handlungen nicht durchdacht. Schließlich hatte er sie dazu genötigt, über die Grundlagen nachzudenken, die ihrer Meinung nach das Fundament ihrer Ehe bildeten. Er hatte sie gezwungen, sich dem zu stellen, was sie für die Wahrheit hielt, nämlich dass er sie nicht liebte.

Verwundbar. Er hatte ihr das Gefühl gegeben, verletzlich zu sein. Das war es, was hinter der Sprödigkeit steckte, die er an ihr wahrgenommen hatte.

Er wusste alles über die Verletzlichkeit, die durch die Liebe hervorgerufen wurde, wenn man sich von ihr vereinnahmen ließ. Eigentlich war diese durch die Liebe hervorgerufene Verletzlichkeit der Grund, weshalb er sich so lange geweigert hatte, sich seine Liebe zu ihr einzugestehen.

Das Ganze entbehrte nicht einer gewissen Ironie, aber was nützte ihnen das? Was nützte es ihm?

»Offenbar muss ich viel vorsichtiger vorgehen, um keine negativen Gefühle zu wecken«, murmelte er vor sich hin.

Das würde von ihm ein größeres Maß an Finesse und Aufmerksamkeit für Details erfordern als bisher.

Er verbrachte einige Minuten damit, sich die Ungeschicklichkeit vorzuhalten, mit der er diese unbeabsichtigte Reaktion provoziert hatte. Schließlich fiel ihm auf, wie beruhigend es eigentlich für ihn sein sollte, dass sie sich immer noch verletzlich fühlte, weil sie glaubte, er würde sie nicht lieben.

»Wenigstens liebt sie mich noch«, lautete seine Schlussfolgerung. Denn wenn sie es nicht täte, würde sie nicht so empfinden.

Ein positives Ergebnis meines ersten, desaströsen Versuchs, unsere Beziehung neu zu definieren.

Er überlegte erneut. Obwohl ihn die Zerbrechlichkeit, die er unter ihrem gewohnten stählernen Panzer gespürt hatte, bedrückte, da sie aus ihrer Liebe zu ihm resultierte, wollte er diesen Zustand auch nicht ändern. Es war kein Symptom, das er auslöschen wollte, was nicht hieß, dass er es überhaupt vermocht hätte.

Was er jedoch auslöschen wollte, war die Ursache, nämlich ihre tief verwurzelte Überzeugung, dass er sie nicht liebte. Hatte er das erst erreicht, so hoffte er, würde ihre gegenwärtige Vorsicht und Unsicherheit, ihre Liebe zu ihm offen zu zeigen, verschwinden. Und diese furchtbare Verletzlichkeit gleich mit.

Er hatte sich bereits ausgemalt, wie ein Erfolg aussehen würde: Therese, die sich ihrer Liebe zu ihm sicher war und ihre Liebe zu ihm offen zeigte, gestärkt und unterstützt durch das absolute und unanfechtbare Wissen, dass ihre Liebe voll und ganz erwidert wurde, dass er sie ebenso sehr liebte, wie sie ihn liebte. Es würde im Grunde auf eine Ehe im Cynster-Stil hinauslaufen. Das war das Ziel, das er unbedingt erreichen wollte, für sie beide.

Er blickte in sich hinein und fand nichts als unerschütterliche Entschlossenheit.

Er atmete tief durch und nahm eine bequemere Position ein.

»Also, wie gehe ich es an?«

Theoretisch hätte er sich mit ihr zusammensetzen und ihr seine wahren Gefühle für sie offenbaren können. Denn das war es doch, worum es ihm bei seinem missglückten »Hoppla« gegangen war: Er hatte sie dazu bringen wollen, ihn auszufragen und ihm die Wahrheit zu entlocken.

Wenn er einfach versuchte, ihr die Wahrheit zu sagen … würde sie ihm vermutlich nicht glauben. Schlimmer noch, ein solcher Versuch würde sie mit ziemlicher Sicherheit dazu verleiten, ihm zu misstrauen. Zweifellos würde sie sich fragen, was er im Schilde führte, und ihm schauderte bei dem Gedanken, was sie daraus ableiten könnte.

Er mochte sie zwar durch all die Dinge, die er ihr verschwiegen hatte, getäuscht haben, aber er hatte sie nie direkt angelogen, und es war ihm außerordentlich wichtig, das beizubehalten.

Zerstreut nahm er einen Bleistift auf und klopfte müßig mit dem Ende auf seine Schreibunterlage.

»Wenn Worte also kein gangbarer Weg sind …«

Mit zusammengekniffenen Augen dachte er nach und wog alle Möglichkeiten ab. Da er es gewesen war, der ihrer Ehe die jetzige Form gegeben hatte, oblag ihm auch die Pflicht, alles zu tun, was nötig war, um diese Form zu ändern.

»Was immer ich auch tun muss, um ihr die Augen für die Erkenntnis zu öffnen, dass ich sie liebe und immer geliebt habe.«

Die Worte zu hören, half ihm, sich zu konzentrieren. Die etwas belastende Enthüllung, wann er sich in sie verliebt hatte, wollte er auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Der erste wichtige Schritt zur Erreichung seines Ziels war, die Frau, mit der er seit fünf Jahren verheiratet war, davon zu überzeugen, dass er sie jetzt liebte. Hier und heute.

Eingedenk ihres und seines Charakters konnte er sie nur davon überzeugen, dass sie seine Gefühle falsch einschätzte, wenn er sie ihr demonstrierte – ihr zeigte, dass sie real waren. Sie war sehr aufmerksam und scharfsinnig; sie würde glauben, was sie zweifelsfrei sehen konnte.

Er überlegte mehrere Minuten lang, dann klopfte er entschlossen ein letztes Mal mit dem Bleistift auf die Unterlage und ließ ihn dann fallen.

»Taten sprechen immer lauter und wahrhaftiger als Worte.«

Kapitel 2

Kurz nach einundzwanzig Uhr desselben Abends wurde Therese von Lord und Lady Walton begrüßt und begab sich in deren Salon.

Therese hielt inne und musterte rasch die Anwesenden. Lady Walton war dafür bekannt, dass sie zu ihren Veranstaltungen ein breites Spektrum interessanter Menschen einlud. Man wusste nie, wen man in Walton House treffen würde, von gesellschaftlichen Größen bis zu Parlamentariern, von Kritikern und Blaustrümpfen bis zu Geldmagnaten und Industriekapitänen. Heute Abend gab es nur wenige, denen Therese keinen Namen zuordnen konnte. Die Kronleuchter warfen ein sanftes Licht auf glänzende Gesichter und elegante Kleider, ließen Juwelen funkeln und zahllose Perlen dezent schimmern – und das alles vor dem Hintergrund des strengen Schwarz der Abendgarderobe der Gentlemen. Alles in allem fühlte sie sich bei diesem Anblick wohl und sicher, es war ein einladendes Ambiente.

Es war keineswegs ungewöhnlich, dass Ladys ihres Alters und ihres Standes solche Veranstaltungen ohne ihre Ehemänner oder andere Begleiter besuchten. In ihrem Kleid aus fliederfarbener Seide, mit dem hochgesteckten Haar, das ihr Gesicht sanft umrahmte, und mit den Alverton-Diamanten, die an ihrem Hals und an ihren Ohrläppchen funkelten, war sie völlig eins mit der Menge. Mit einem selbstsicheren Lächeln auf den Lippen glitt sie durch die Gäste, um sich zu einer Gruppe anderer junger Ladys zu gesellen, deren Leben dem ihren ähnelte.

Sie kam gerade noch rechtzeitig, um zu hören, wie Georgiana, Lady Sheldrake, sagte: »Mein Thomas hat gerade das Tauziehen für sich entdeckt. Er läuft umher und zieht an jedem Seil, jeder Schnur, jedem Faden oder jeder Krawatte, die er zu fassen bekommt. Er ist sogar aus dem Kinderzimmer entflohen, um noch mehr Dinge zu finden, an denen er zerren kann. Mein Butler ist verzweifelt. Jedes Mal, wenn er ein Zimmer betritt, muss er feststellen, dass die Gardinenschnüre verschwunden sind.«

»Besser etwas so Harmloses wie Gardinenschnüre«, antwortete Emily, Lady Pritchard. »Ich habe immer noch Albträume von den Monaten, in denen mein Cedric wie besessen an Miedern zerrte und versuchte, in die Dekolletés zu schielen. Sie können sich vorstellen, welche Folgen das hatte, als meine Schwiegermutter ihre Busenfreundinnen mitbrachte, um ihnen ihren ersten Enkel zu präsentieren.«

Die anderen Ladys lachten, was Emily als Kompliment auffasste.

»Ich habe Pritchard gefragt, ob er seinem Sprössling diese schlechte Angewohnheit beigebracht hat, aber er hat es verneint«, fügte sie trocken hinzu.

Alle lachten, und die Unterhaltung plätscherte weiter vor sich hin. Waren es anfangs noch Bemerkungen über ihre Kinder und den Haushalt, verlagerten sich die gemeinsamen Beobachtungen allmählich auf die Mitglieder der höheren Gesellschaft, die noch in London weilten. Man tratschte über politische Ränkespiele und die Frage, ob jemand etwas Neues über den neuesten Skandal gehört hatte, der die Geschäftswelt erschütterte.

Nachdem sie alles erfahren hatte, was ihre engsten Bekannten ihr erzählen konnten, und selbst einige Neuigkeiten beigesteuert hatte, verließ Therese schließlich die Runde und schlängelte sich durch die Gästeschar, um sich einer anderen Gruppe von Bekannten anzuschließen. Neben einer hochgewachsenen Lady mit glänzendem braunem Haar blieb sie stehen und tippte ihr auf den Arm.

Veronica, Viscountess Hemmings, wandte den Kopf. Als sie Therese sah, erhellte sich ihr Gesicht.

»Therese, meine Liebe! Wie schön, dich zu sehen.«

»Ich habe mich schon gefragt, ob ich dich hier antreffen würde«, erwiderte Therese lächelnd, während sie und Veronika einander die Hände reichten.

Der große, gut aussehende Gentleman an Veronicas anderer Seite beugte sich vor, lächelte und verbeugte sich knapp.

»Therese.«

Immer noch lächelnd, erwiderte Therese den Gruß mit einem Nicken. »Mylord.«

James, Viscount Hemmings, war einer von Devlins ältesten Freunden. Und zu Thereses Überraschung – und möglicherweise auch zur Überraschung von James, der mit Veronica Thereses Kindheitsfreundin geheiratet hatte – waren sie, James und Veronica enge Freunde geworden.

James warf einen Blick über die Köpfe hinweg in die Richtung, aus der Therese gekommen war.

»Kein Devlin, nehme ich an?«

»Ich glaube, er ist bei einem Geschäftsessen in der Stadt«, antwortete Therese.

Devlin nahm gelegentlich an gesellschaftlichen Ereignissen teil, meist an ihrer Seite, aber im Großen und Ganzen zog er es vor, ihr die Pflege der gesellschaftlichen Kontakte zu überlassen, was bei Ehepaaren ihres Standes üblich war.

Sie lächelte, als sie die anderen zwei Ladys und drei Gentlemen in ihrem Kreis begrüßte, und schob den hartnäckigen Gedanken beiseite, dass es ihr nichts ausgemacht hätte, wenn Devlin mehr Zeit dafür erübrigt hätte, gesellschaftliche Veranstaltungen zu besuchen. Und dass sie ein wenig eifersüchtig darauf war, dass James nicht von Veronicas Seite zu weichen schien.

James’ ständige Präsenz hatte Nebenwirkungen, derer sich Therese sehr wohl bewusst war. Doch eine Beziehung, die einen vernünftigen Kompromiss zwischen übertriebenen Besitzansprüchen und Distanz fand, wäre ihrer Meinung nach recht schön gewesen.

Bei gesellschaftlichen Ereignissen wünschte sie sich oft Devlin an ihre Seite, um ihre Beobachtungen und Einsichten mit ihm teilen zu können. Es war ein wenig sonderbar, es zuzugeben, aber er war die Person, deren Ansichten am ehesten mit den ihren übereinstimmten.

Solch unproduktive Grübeleien gestattete sie sich jedoch nur selten. So funktionierte ihre Ehe eben nicht.

Mit ihrem offiziellen Lächeln wandte sie sich dem Gentleman zu ihrer Rechten zu, der soeben zu ihrem Kreis gestoßen war.

Sie kannte ihn gar nicht, was ungewöhnlich genug war, um ihre besondere Aufmerksamkeit zu erregen. Er war groß – so groß wie Devlin – und hatte auch eine ähnliche Statur, war schlank und kräftig. Seine Gesichtszüge waren unverkennbar aristokratisch, mit einer klassischen Nase, ausgeprägten Wangenknochen und einem markanten Kinn. Sein welliges hellbraunes Haar war modisch geschnitten, und als sich ihre Blicke kurz begegneten, stellte sie fest, dass seine Augen einen merkwürdigen Bernsteinton hatten.

Gut gekleidet, aristokratisch – Therese hatte das Gefühl, dass sie ihn eigentlich kennen sollte.

Der Blick des Fremden war auf James gerichtet. Er nickte, als James in seine Richtung blickte.

»Hemmings.«

Mit einem schwachen, förmlichen Lächeln auf den Lippen, das Therese absolut nichts verriet, neigte James den Kopf.

»Child.«

Therese blinzelte und blickte erneut zu dem Fremden. Child? Ihre Gedanken überschlugen sich, als sie alles zusammentrug, was sie über die adlige Familie der Herzöge von Ancaster wusste, deren Stammsitz an die Grafschaft Alverton grenzte.

Als wäre er sich ihres Blicks und der Gründe dafür bewusst, warf Child ihr einen leicht amüsierten Blick zu, während er – an Hemmings gewandt – weiterredete.

»Vielleicht, alter Junge, erweisen Sie mir die Ehre und stellen mich vor?«

»Natürlich.« Ohne eine Miene zu verziehen, nannte James die Namen der Personen in ihrem kleinen Kreis. Er begann mit Therese und Veronica und fuhr fort, bis er schließlich Child erreichte. »Erlauben Sie mir, Ihnen Lord Grayson Child vorzustellen.«

In Thereses Kopf läuteten verschiedene Glocken.

Child nickte den Gentlemen zu und verbeugte sich halb vor Veronica und den beiden anderen Ladys. Dann richtete er seinen ganzen Charme auf Therese und verbeugte sich mit etwas mehr Ehrerbietung vor ihr.

»Countess.«

Therese lächelte huldvoll und reichte ihm die Hand.

»Ich kenne Ihre Eltern«, sagte sie, als er danach griff und sich erneut verbeugte.

Child richtete sich ein wenig schneller auf, als es die Eleganz geboten hätte.

Bevor er sich eine Antwort zurechtlegen konnte, zog sie die Brauen hoch.

»Darf ich annehmen, dass der verlorene Sohn zurückgekehrt ist?«

Veronica spitzte die Ohren, ebenso James. Der Rest ihrer kleinen Gruppe hatte sich bereits einem anderen Thema gewidmet.

Child setzte ein leichtes, selbstironisches Lächeln auf.

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Bezeichnung ›verlorener Sohn‹ verdiene. Ich habe lediglich grünere Gefilde aufgesucht und bin nach ein paar Jahren in Amerika zu der Erkenntnis gelangt, dass es an der Zeit ist, zurückzukehren.« Er sah sich um. »Ich muss sagen, dass ich trotz meiner langen Abwesenheit mit Erleichterung feststelle, dass ich mich in diesen Kreisen immer noch sehr wohlfühle.«

Therese erwiderte sein Lächeln. »Wie beruhigend für Sie. Ich muss zugeben, dass ich ziemlich neugierig bin zu erfahren, was Sie zu Ihrer Abreise veranlasst hat. Wenn ich mich recht entsinne, ist das mehr als nur ›ein paar Jahre‹ her.«

Nachdem sie nun ganz sicher war, um welchen Child es sich hier handelte, war sie neugierig geworden. Grayson Child war Devlins engster Jugendfreund gewesen. Als adlige Nachbarn im gleichen Alter waren sie zusammen aufgewachsen, hatten zusammen Eton besucht und waren dann nach Oxford gegangen. Dort waren sie jedoch auf unterschiedlichen Colleges gewesen und hatten sich, so wie sie es gehört hatte, auseinandergelebt. James und Cedric Marshall, jetzt Devlins engste Freunde, waren ebenfalls in Eton gewesen und hatten gemeinsam mit Devlin das Balliol College besucht.

»Nun«, räumte Child ein, »ich glaube, es waren …« Seine Augenbrauen hoben sich, als ob er nachdächte, dann wirkte er leicht überrascht. »Es ist neun Jahre her.«