Eine falsche Badehose im Haifisch-Becken kann tödlich sein - Wolfgang Pein - E-Book

Eine falsche Badehose im Haifisch-Becken kann tödlich sein E-Book

Wolfgang Pein

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Beschreibung

Wenn die Gier zu groß wird! Ein Verwaltungsrat provoziert das Ende einer Firma. 100 Mitarbeiter stehen auf der Straße. Gewinner und Verlierer scheinen fest zu stehen. Zu früh gefreut? Dieser Kriminal-Roman setzt Maßstäbe an Schuld, Sühne und Vergeltung. Die Herren des Verwaltungsrates stehen auf einer Liste. Und bald schon ist der erste Name gestrichen. Bekommt jeder das, was er verdient? Und wenn ja - das wie wird Sie in höchstes Erstaunen versetzen.

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Seitenzahl: 198

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Die Handlung in diesem Kriminal-Roman ist frei erfunden.

Eine Verwechselung oder Zuordnung mit tatsächlich jetzt oder ehemals existenten Personen ist nicht beabsichtigt, Ähnlichkeiten sind rein zufällig.

Die Orte der Handlung sind fiktiv, die Personen im Roman ebenfalls.

Eine Zuordnung zu einer bestimmten Firma ist völlig unbeabsichtigt und wurde zu keiner Zeit jemals in Erwägung gezogen.

Eine Liste der in diesem Roman

mitwirkenden Personen

befindet sich am Schluss

auf den Seiten → – →.

... ein Büro-Tower in einer großen Stadt

- 10. Etage -

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Inhaltsverzeichnis

23. Dezember 2015 - 19.45 Uhr

23. Dezember 2015 - 20.30 Uhr

23. Dezember 2015 - 20.30 Uhr

23. Dezember 2015 - 20.35 Uhr

23. Dezember 2015 - 20.35 Uhr

23. Dezember 2015 - 20.37 Uhr

23. Dezember 2015 - 20.45 h

23. Dezember 2015 - 22.00 Uhr

23. Dezember 2015 - 23.00 Uhr

24. Dezember 2015 - 10.00 Uhr

24. Dezember 2015 - 11.30 Uhr

24. Dezember 2015 - 12.05 Uhr

24. Dezember 2015 - 14.00 Uhr

24. Dezember 2015 - 16.00 Uhr

24. Dezember 2015 - 19.15 Uhr

25. Dezember 2015 - 9.05 Uhr

25. Dezember 2015 - 11.55 Uhr

25. Dezember 2015 - 12.20 Uhr

25. Dezember 2015 - 16.00 Uhr

25. Dezember 2015 - 19.50 Uhr

26. Dezember 2015 - zu verschiedenen Zeiten

27. Dezember 2015 - 8.30 Uhr

27. Dezember 2015 - 11.00 Uhr

27. Dezember 2015 – Südafrika

28. Dezember 2015 - 10.00 Uhr

30. Dezember 2015 - 11.00 Uhr

30. Dezember 2015 - 14.15 Uhr

30. Dezember 2015 - 20.15 Uhr

30. Dezember 2015 - 20.30 Uhr

30. Dezember 2015 - 23.00 Uhr

31. Dezember 2015 - 9.00 Uhr

5. Januar 2016 - 10.00 Uhr

6. Januar 2016 - 9.10 Uhr

6. Januar 2016 - 11.45 Uhr

... im Bungalow

18. Januar 2016 - 14.30 Uhr

12. Februar 2016 - 18.50 Uhr

12. Februar 2016 - 19.00 Uhr

12. Februar 2016 - 20.20 Uhr

13. Februar 2016 - 7.00 Uhr

16. Februar 2016

23. Februar 2016 - eine Woche später

24. Februar 2016 - 9.00 Uhr

5. März 2016 - 8.00 Uhr

6. März 2016 - Bahamas

7. März 2016

8. März 2016

9. März 2016

10. März 2016 - 11.00 Uhr

11. März 2016

12. März 2016 - Wohnung Herbst

12. März 2016 - am Flughafen

22. März 2016

23. März 2016 - Bungalow Hansson

5. April 2016

7. April 2016 - 03.50 Uhr

... in einem Loft hoch über der Stadt

7. April 2016 - 05.16 Uhr

7. April 15.30 Uhr

7. April 2016 - 16.00 Uhr

7. April 2016

7. April 2016 - 19.00 Uhr

8. April 2016 - 9.00 Uhr

21. April 2016

5. Mai 2017

23. Dezember 2015 - 19.45 Uhr

Die schwere Eichentür des Besprechungsraumes hatte sich geräuschlos geschlossen. Es war eine doppelwandige Tür, die auf der einen Seite mit Kassetten ausgekleidet war, die keinen Laut aus dem Raum entließen. Diese Tür war erst nachträglich dementsprechend ausgestattet worden, nachdem die Firma stetig gewachsen war.

Auch die Decke entsprach dieser Anforderung. Der Fußboden hatte einen sogenannten doppelten Boden. Wichtige interne Dinge, die nicht für jedes Ohr bestimmt waren, konnten jetzt keinesfalls nach außen dringen.

Der beauftragte Architekt hatte vor einigen Jahren die Vorstellung dieses Raumes mit sichtlicher Genugtuung genossen, nachdem er den Umbau abgeschlossen hatte.

Die Firma gab sich alle Mühe, ihre Sitzungen in diesem speziellen Raum geheim zu halten. Regelmäßig hatte die firmeneigene Sicherheitsabteilung den Raum auf Dinge zu testen und zu untersuchen, die zum Abhören benutzt werden konnten. Die entsprechenden Protokolle darüber waren stets zur Zufriedenheit des Auftrag gebenden Verwaltungsrates ausgefallen.

Auch heute hatte die letzte Überprüfung noch kurz vor der jetzt anstehenden Sitzung der Führungsetage stattgefunden, und wie immer war das gewünschte Ergebnis erreicht und entsprechend protokolliert worden. Sämtliche Fenster waren geschlossen, obwohl diese eine Öffnung zuließen - nicht wie Fenster in den modernen Gebäuden, die keinerlei Luftzufuhr außer der Klimaanlage zuließen. Doch wer sollte auch von außen schon die zehnte Etage belauschen?

Der Sicherheitschef, der vielleicht auch schon zu viele Krimis sah, hatte zu bedenken gegeben, dass schließlich heut zu Tage äußerst gute Mikrofone auf dem Markt sind, die Worte lautlos übertragen.

Sogar das Ablesen von den Lippen hatte er zu bedenken gegeben, was einige der bei der Vorstellung des neu gestalteten Raumes zu bemerkenswerten Kopfschütteln gebracht hatte und süffisantem Lächeln. Um keine eigene Verantwortung übernehmen zu müssen, hatte man sich dann doch daraufhin geeinigt, die Fenster mit blickdichten Stoffen zu versehen. Letztendlich war es in den vergangenen Jahren auch oftmals um Summen gegangen, die in den zweistelligen Millionenbereich gingen. Hinzu kam, dass auch die Industrie-Spionage von Jahr zu Jahr vermehrt zu nahm. Und weder Bilanzsummen noch technisches Know-how sollten schließlich nach außen dringen. Somit war man sich sicher, alles getan zu haben, um eine optimale Sicherheit zu gewährleisten – falls es die überhaupt gibt?

Der Sicherheitschef konnte seinen Stolz kaum verbergen, hatte doch auch er all seine Ideen umgesetzt, gegen manche Bedenken. Alles war perfekt für ihn gelaufen, nach menschlichem Ermessen. Sämtliche weiteren Wünsche nach Sicherheit waren ihm erfüllt worden. Sicherheit?

Dieser heutigen Besprechung waren bereits mehrere andere an vielen Tagen der letzten drei Wochen voran gegangen.

Und heute sollten jetzt alle Dinge zum Abschluss gebracht werden. Heute war der entscheidende Tag – für alle Menschen in dieser Firma, und das waren nicht gerade wenige.

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Die altehrwürdige Standuhr im Besprechungsraum hatte schon bereits vor einigen Minuten 20.00 Uhr geschlagen. Bis auf den Chef war der komplette Aufsichtsrat bereits eingetroffen. Eine gewisse Unruhe machte sich breit. Es lag aber nicht daran, dass niemand es wagte, sich schon am Buffet zu bedienen, das aufreizend lecker im selben Raum angerichtet war.

Der Chef hieß Albert Hansson und ließ sich Zeit. Alles war bereits besprochen, aber ganz zufrieden mit der jetzt anstehenden und auch zu erwartenden Entscheidung war er nicht. Für ihn war die Firma nicht nur reines Kapital.

Er hatte diese bereits von seinem Vater übernommen, der auch – wie er – die Menschen darin gesehen hatte, Menschen, auf die man sich verlassen konnte, bereits viele Jahrzehnte lang verlassen konnte.

Albert Hansson hatte noch das Gespür von Fürsorge im Blut, das Gespür von Verantwortung Menschen gegenüber. Aber er hatte eigentlich auch keine Wahl – nicht nur eigentlich.

Wie gesagt – die Firma hatte schon viele Jahre auf dem Buckel. Mit ihrer durchdachten Führung war sie immer noch gut aufgestellt, auch wenn sie mit der Neuzeit und inzwischen vielen Konkurrenten schwer zu kämpfen hatte. Und diese neuen Märkte, vor allem aus Übersee und dem östlichen Raum, verlangten unverzügliches Handeln, sollte sie nicht ihre Werte verlieren und ihr Marktwert ins bodenlose fallen.

Ein letzter Blick fiel auf die Bilanz der Firma, deren positive Kurve fast eine ganze Wand einnahm. Wie schon so oft kam ihm der Gedanke, dass es in seiner Firma keinen Junior-Chef gab, denn sein Sohn hatte andere Ideen und war zu keiner Zeit in die Firma eingestiegen. „Warum nennen mich einige wohl Senior-Chef?“ lächelte er vor sich hin.

Obwohl - dass sein Sohn gar nichts mit der Firma anfangen konnte, das betrübte ihn schon sehr, da unterschied er sich wohl nicht viel von anderen Vätern. „Vielleicht wäre dann alles anders gekommen und der heutige Tag müsste so nicht enden“, dachte er, und diesen Gedanken hatte er heute nicht das erste Mal. „Aber wer weiß das schon“, fuhr er weiter in seinen Gedanken fort. „Es ist ja nicht auszuschließen, dass sich Sven der Meinung des Aufsichtsrates anschließen würde. Viel Geld auf einen Schlag, das zählt wohl heutzutage bei den meisten – was zählt da schon eine Firma, die alle Erschütterungen der Zeit überstanden hat, die Generationen alt ist, vielleicht zu alt für diese Welt? Eigentlich ist es schade, dass ich nun alles allein abwickeln muss.“

Er schüttelte den Kopf, Wehmut überkam ihn. Dann schaute er noch einmal auf seine Uhr und spürte beinahe körperlich, wie die Zeit auf ihn wartete, die Zeit, den Besprechungsraum zu betreten.

Auf dem Wege dorthin lag das Büro seiner treuen Mitarbeiterin, die sein besonderes Vertrauen besaß. Auf seine Chef-Sekretärin konnte er sich immer verlassen.

Das Vertrauen ging soweit, dass sie sogar ab und zu seine Privatkonten verwaltete, wenn er für längere Zeit im Ausland weilte. Da war sie die erste Wahl, wenn es darum ging, alles zu regeln, was es zu regeln galt.

Seine Vertraute war – er überlegte - nun wohl schon an die 20 Jahre in dieser Position in seiner Firma. Er hatte damals die Auswahl höchstpersönlich vorgenommen, als diese Stelle vakant war. Bewusst hatte er damals kein „junges Luder“ eingestellt. Er brauchte kein Galionspüppchen für den ersten Blick. Er brauchte einen reifen Menschen um sich herum, der bereits wusste, was er wollte, und er hatte diese Entscheidung niemals bereut – bis heute nicht.

Silvia Herbst, Chef-Sekretärin - Vorzimmer Albert Hansson – so stand es an der Tür, vor der er jetzt stand.

„Da – da ist es schon wieder“, dachte er sich. „Schon wieder dieses Wort CHEF.“ Er musste direkt lachen, leise vor sich hin, wie er dachte. Doch ganz so leise konnte es nun auch nicht wieder gewesen sein – denn die Tür, vor der er stand, öffnete sich. Frau Herbst schaute erstaunt hinaus auf den Flur und sah ihren Chef direkt vor sich stehen.

„Guten Abend Herr Hansson! Ich freue mich, dass Sie so spät am Abend noch eine dermaßen gute Laune haben, aber darüber kann ich mich bei Ihnen ja wirklich nie beklagen.“

„Ich musste gerade an etwas Lustiges denken“, sagte der Chef. „Aber glauben Sie mir, liebe Frau Herbst, eigentlich steht mir der Sinn heute Abend nicht nach Spaß. Wie Sie wissen, findet gleich noch eine schwerwiegende Besprechung mit dem gesamten Aufsichtsrat statt. Und ich komme mir so vor, als ob ich gleich in einem Haifischbecken schwimmen soll, und dass, obwohl ich ja wohl der Chef bin.“

Nun musste auch seine Mitarbeiterin schmunzeln. „Sie werden auch diesen Schwimmwettbewerb zum Nachteil der Haie gewinnen. Da bin ich mir sicher, Herr Hansson.“

„Ihr Wort in Gottes Ohr, oder wie sagt man? Drücken Sie mir die Daumen, dass ich die passende Badehose anhabe. Ach ja – noch eines: Es ist schon spät, und die Nacht wird noch lang werden. Sie haben ja alles getan, was sie vorbereiten sollten. Auch hat der Service bereits das Buffet angeliefert und Getränke stehen bereit. Den Rest muss ich jetzt allein abwickeln.

Für heute ist alles getan, schließen Sie ihre Arbeit für heute Abend also ab und gönnen Sie sich den verdienten Feierabend – einen hoffentlich entspannteren Abend als bei mir wünsche ich Ihnen. Ach ja, ich wünsche Ihnen noch recht schöne Feiertage. Wir sehen uns dann ja am Montag nach Weihnachten wieder.“

Es folgte ein Händedruck vom Chef, ein langer Händedruck, der Silvia Herbst irgendwie als „anders als je zuvor“ auffiel. Dazu schien Traurigkeit im Blick des Chefs zu sein, der ja gerade noch einen Scherz gemacht hatte.

Frau Herbst machte sich ziemliche Sorgen, als sie erwiderte: „Danke sehr, Herr Hansson – dann schließe ich mein Büro und gehe. Bis zum Montag also, hoffentlich angenehme Weihnachtstage auch für Sie.“

Albert Hansson nickte nachdenklich und gab ihr noch einmal die Hand, was Frau Herbst nur noch nachdenklicher machte.

Sie konnte nicht wissen, dass die Worte „... muss ich jetzt allein abwickeln“ nicht aus seinem Kopf weichen wollten – „ abwickeln “!

Dann machte sich Hansson auf den Weg in den Konferenzraum, wo man ihn schon sehnlichst erwarten würde, und er stellte sich die einzelnen Gesichter vor, die seiner Entscheidung entgegen fieberten. Und das mit dem Senior-Chef, das würde ja auch bald vorbei sein.

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23. Dezember 2015 - 20.30 Uhr

Diana Herbst hatte ihre Einkäufe erledigt. Sie war darüber mehr als glücklich. Schließlich war es kurz vor Weihnachten, und sie hatte schon die wenigen Geschenke ausgesucht und gekauft, die auf ihrer Liste standen. Sie warf noch einmal einen letzten Blick darauf und musste zugeben - es war eine recht kurze Liste. „Eine Liste hätte ich eigentlich gar nicht gebraucht“, sagte sie zu sich.

Die Größe der Familie hielt sich in Grenzen. Eigentlich bestand diese neben ihr nur noch aus ihrem Bruder und aus ihrer Mutter Silvia. Ihr Vater lag schon lange begraben auf einem kleinen Friedhof, den er sich schon zu Lebzeiten ausgesucht hatte. Rummel um seine Person war ihm schon immer zuwider gewesen. Ein einfaches Kreuz aus Holz zeugte davon, wer in der schlichten Grabeinfassung seine Ruhe gefunden hatte.

Ihr Bruder hielt sich ein paar hundert Kilometer entfernt auf. Eigentlich wusste Diana gar nicht so genau, womit sich dieser beschäftigte, und die Adresse „Wie war die noch?“ - musste er auch ständig umziehen?

„Das muss sich ändern“, dachte sie bei sich, und vielleicht spielte da auch der Gedanke an Weihnachten und die Zeit der Besinnung und des aufeinander Zugehens eine Rolle. Sie selbst hatte keinen weiteren Menschen, der ihr nahe stand. Ein paar Fehlversuche waren zwar da, enttäuscht hatte sie sich aber jedes Mal zurück gezogen. Sie selbst war sich nicht sicher, ob es an ihr oder an einem der Partner gelegen hatte.

Ihre Mutter war eigentlich ihr einziger Halt, ihr Fels in der Brandung, der sie bis jetzt vor dem völligen Absturz bewahrt hatte. Vielleicht hatte sie sich zu sehr an sie geklammert, was einer neuen Partnerschaft nicht immer gut bekommt. „Wenn ich noch einmal etwas Neues anfangen will, sollte ich an diesem Problem arbeiten“, sagte sie sich.

Im nächsten Moment, mit Blick auf die wenigen Päckchen unter ihrem Arm, war der vorherige Gedanke schon wieder verflogen. „Neuanfang, damit kann ich auch im nächsten Jahr beginnen – ist ja nicht mehr lange bis Neujahr“, beruhigte sie ihre aufkommende Unruhe.

So war es immer, wenn Diana sich etwas vornahm. Ihr Durchsetzungsvermögen tendierte vehement abwärts, also blieb eigentlich alles wie es war – bis zum nächsten Anlauf.

Sie schaute auf ihre Uhr, die sie sich erst vor einer Stunde geleistet hatte – sozusagen war es ein Vorschuss auf Weihnachten – ein Selbstgeschenk. In diesem Augenblick fiel ihr auf, dass sie soeben an dem Gebäude vorbei kam, in dem ihre Mutter arbeitete. Das hohe Gebäude, das schon einem Tower gleich kam, überragte alle weiteren in einigem Umkreis. Und sie sah hinauf bis zum zehnten Stock.

Diana hatte sich bei einem letzten Besuch, der schon eine Ewigkeit her war, gemerkt, in welchem Zimmer ihre Mutter ihr Büro hatte. Und während sie noch einmal auf ihre Uhr sah, kam ihr der Gedanke, dass ihre Mutter noch oben sein könnte. Manchmal konnte sie auch sehr lange arbeiten, oftmals bis tief in die Nacht. Ob dies wirklich erforderlich oder eine Flucht war, konnte sich Diana nicht wirklich beantworten. Aber was soll`s - wenn es keinen beruflichen Grund gab, zu Hause wartete ja auch keiner auf sie.

„Auch das sollte ich ändern“, sagte Diana zu sich selbst und bemerkte, dass sie wieder und zum wiederholten Male Selbstgespräche führte. „Auch ein Zeichen, dass etwas nicht so rund läuft, wenn ich mit mir selbst sprechen muss“, kam ihr der Gedanke.

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23. Dezember 2015 - 20.30 Uhr -

Der immer noch über seine Bezeichnung lächelnde „Senior-Chef“ stand vor dem Besprechungsraum. Seine Hand griff zur Türklinke der schweren Eichentür. Mit den Gedanken „ Jetzt habe ich sie lange genug schmoren lassen“, öffnete er sie.

Ruckartig zuckten alle Köpfe des versammelten Aufsichtsrates Richtung Tür, während gleichzeitig im Raum das Gemurmel endete, das von Minute zu Minute des Wartens auf den „Chef“ immer lauter geworden war. Es trat eine regelrechte Stille ein. Kein Atemgeräusch war zu hören, bis ein lautes und in diese Stille hinein unüberhörbares Knurren erklang, obwohl kein Hund im Raum war. „Entschuldigung“, kam es aus dem Mund des Mannes, den jetzt alle weiteren Anwesenden entgeistert ansahen.

„Entschuldigung angenommen“, sagte der „Chef“. „Ich denke, Ihr Magen hält bereits eine Ansprache an das leckere Buffet, das ich dort hinten mit ebenfalls hungrigem Blick erkenne. Aber erst kommt noch ein bisschen Arbeit auf uns zu – vor dem Vergnügen!“

Alle in der versammelten Mannschaft lachten, auch der Magen-Mann schloss sich an. Der Chef setzte sich in den ihm gebührenden Sessel, sein Gesicht wurde jetzt ernst und die Stille hatte den Raum wieder eingeholt.

Albert Hansson sah in die Runde und bemerkte an jedem im Raum die Anspannung. Es lag nun allein an ihm, das einzige Thema des Abends, das heute anlag, anzusprechen und das zu beginnen, worauf alle Anwesenden warteten. Und der Chef sah auch bei wenigstens Zweien im Raum die Anzeichen von Unsicherheit und er wusste auch genau - warum. In dieser Nacht würde sich das Schicksal der Firma entscheiden, und die Unterschriften aller hier im Raum würde die Sache unwiderruflich besiegeln. Aber alle wussten auch, ohne die Chef-Unterschrift würde diese heutige Besprechung nichts wert sein.

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23. Dezember 2015 - 20.35 Uhr -

Diana hatte sich entschieden. Wenn sie schon einmal so in der Nähe war, konnte sie auch den Versuch machen, ihre Mutter zu besuchen. Vielleicht hatte diese ja gerade jetzt in diesem Augenblick beschlossen, Feierabend zu machen. Und bevor der Gedanke an das, was sie zu ändern dachte, wieder verfliegen würde – beide könnten eventuell noch etwas Essen gehen, bevor ihr leeres Heim sie beide nach einem langen Tag erwartete.

Es waren jetzt nur ein paar Schritte bis zu der imposanten Eingangstür. Diana drückte den Knopf auf dem Messingschild „Albert Hansson sen.“. Es war schon spät für ein Bürohaus, und der Eingang öffnete sich jetzt nicht mehr automatisch, wenn ein Besucher in die Lichtschranke eintrat. Diana erkannte hinter der Glastür den Portier, der zu ihr hinüber schaute. Er erkannte sie sogleich, auch wenn sie nicht gerade ein häufiger Gast dieses Hauses war. Aber er stellte sofort in seinem Kopf eine Verbindung mit ihr und ihrer Mutter her, die immer noch oben im Büro war - das wusste er.

„Guten Abend junge Frau“, rief der Portier fröhlich, und Diana dachte „Wie schön ist es anzusehen, dass man auch im hohen Alter, das der Portier ohne Zweifel hat, noch so munter sein kann.“

„Guten Abend“, sagte auch sie. „Es freut auch mich, Sie hier zu sehen. Sie sind aber auch schon lange Jahre hier, nicht wahr?“

„Das ist richtig so, aber ich habe nur noch zwei Jahre, die ich sicher hier noch geduldet werde. Dann habe ich die Rente erreicht, und darauf freue ich mich auch schon sehr!“

Diana ging mit nochmaligem freundlichen Gruß zu einem der Aufzüge und nahm den, der sie in die zehnte Etage bringen würde. Der Aufzug kam unverzüglich.

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23. Dezember 2015 - 20.35 Uhr -

Silvia Herbst schloss ihr Büro ab und war im Begriff, den Fahrstuhl zu betreten, der sie in ein ungewisses Weihnachten entlassen würde. Ihr kam der Gedanke, dass sie trotz der späten Stunde noch etwas Vorrat einkaufen und mit nach Hause nehmen sollte. Sie ging zurück und betrat noch einmal ihr Büro, weil sie vor dem Einkauf noch kurz die Firmen-Toilette aufsuchen wollte – konnte ja noch einige Zeit dauern, bis sie dann zu Hause war. Und der Firmen-Toilette traute sie mehr als einer in einem Kaufhaus. Sie zog ihre Jacke wieder aus und legte sie über ihren Bürostuhl. Dann ging sie auf den Flur hinaus. Sie bemerkte das Blinken der roten Lampe über der Tür im Besprechungsraum, die signalisierte, dass ein Eintreten im Augenblick nicht erwünscht ist. Und sie dachte an die Worte ihres Chefs vom Haifischbecken, in dem der mit der hoffentlich richtigen Badehose wohl gerade seine Bahnen zog. Darüber musste sie unweigerlich schmunzeln. Noch immer hatte sie das für sie auffällige Verhalten ihres Chefs in ihren Gedanken. Das war wohl auch der Grund, dass sie das Blinken nicht bemerkte, das anzeigte, dass sie vergessen hatte, ihren Computer aus zu loggen.

Hätte sie darüber nachgedacht, wäre es ihr nicht in den Sinn gekommen, wann ihr dieses schon einmal passiert wäre.

Drei Räume weiter suchte sie den Raum für Ladies auf. Ihr Blick verirrte sich in den Spiegel, und sie meinte, dort heute eine etwas andere Silvia zu sehen – zumindest kam ihr das so vor.

Es kam einfach zu viel zusammen. Irgendwie war die Stimmung in der Firma anders. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, warum das so war, aber es kam ihr nun einmal so vor. Lag es an den bevorstehenden Weihnachtstagen? Diese spezielle Zeit kann schon Menschen verändern, auch wenn danach alles wieder im vorherigen Trott geschieht. Ihre innere Unruhe gestattete ihr einfach keine klaren Gedanken, um die sie sonst alle im Gebäude beneideten.

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23. Dezember 2015 - 20.37 Uhr -

Dianas Aufzug erreichte die zehnte Etage. Sie überlegte noch kurz, ob es richtig ist, ihre Mutter in ihrer Arbeitsstätte ohne Absprache zu überfallen. Doch nur Sekunden später schüttelte sie diese Frage ab, trat aus dem Aufzug und machte sich auf den kurzen Weg zum Büro ihrer Mutter, das sie von einigen wenigen Besuchen in den letzten Jahren her kannte.

Im Büro brannte noch das Licht. Über der Lehne des Drehstuhls hing die Jacke ihrer Mutter. Auf einem Nebentisch stand ihre Handtasche. Das Büro war ansonsten leer. Wo war denn Silvia? War sie noch beim Chef in einer Besprechung? Lohnte es sich, auf sie zu warten, oder gab es wieder eine dieser Nachtsitzungen, von der ihre Mutter beim letzten Treffen gesprochen hatte? Ansonsten redete Silvia nie über ihre Tätigkeit. Diana hatte beim letzten Treffen festgestellt, dass ihre Mutter abgekämpft aussah, was die Tochter gar nicht von ihr gewohnt war. Dadurch war das Gespräch auf die „Nachtsitzungen“ gekommen, und das man diese im fortgeschrittenen Alter doch nicht mehr so weg steckt, wie in jugendlichen Jahren.

Dianas Blick schweifte über die Wände im Büro. Sie konnte keine privaten Bilder entdecken, aber auch sonst - überhaupt nichts Privates gab es dort. Auf dem Schreibtisch stand eine Vase mit einem üppigen Blumenstrauß. „Ist der wohl vom Chef, oder hat Silvia sich diesen selbst gekauft?“ durchfuhr Diana ein Gedanke. Und weiter dachte sie: „Meine Mutter ist eben ein echtes Arbeitstier.“

Diana wollte schon aus dem Zimmer gehen, um auf dem Gang nach ihrer Mutter Ausschau zu halten. Sie war bei ihren Überlegungen zu dem Schluss gekommen, dass ihre Mutter die Toilette aufgesucht haben könnte. Die griffbereite Handtasche und die bereitliegende Jacke sprachen dafür.

Schon halb im Hinausgehen fiel Dianas Blick auf das andere Ende des Schreibtisches. Dort blickte sie aus einem Stapel Papier das Bild eines attraktiven jungen Mannes an. Sie ging um den Drehstuhl herum und nahm das Papier in die Hand. „Nein, das gehört sich doch nicht. Das geht dich nichts an“, sprach ihr Gewissen in ihrem neugierig gewordenen hübschen Kopf. Es fiel ihr aber nicht einmal bewusst auf, dass sie jetzt auch die weiteren Papiere in Augenschein nahm. Weitere Fotos begegneten ihrem Blick.

Nur einen Moment später fiel bei ihr der Groschen und sie nahm zur Kenntnis, dass es sich um Mitarbeiter der Firma handeln musste. „Zwei von denen scheinen interessant zu sein“, sagte sie zu sich selbst. „Vielleicht sollte ich dem mal auf den Grund gehen. Allein war ich lange genug.“

Jetzt hörte Diana ein Geräusch, das vom Flur her kam. Schnell legte sie den Stapel an Papieren zurück auf den Schreibtisch. In ihrer Eile entglitt ihr eines der Blätter, das um den Schreibtisch herum segelte und fast vor der Innenseite der Bürotür liegen blieb. Blitzschnell griff Diana zu – das Geräusch auf dem Flur wurde lauter. Diana steckte das Blatt in ihre Jackentasche. Sie wollte nicht überrascht werden, zu neugierig gewesen zu sein. Das wäre eine sehr peinliche Situation. Schließlich wusste sie in diesem Augenblick ja auch noch gar nicht, ob das Geräusch von ihrer Mutter kam oder eventuell ein anderer Firmenmitarbeiter dieses Büro aufsuchen wollte. „Mein Gott – vielleicht ist es sogar der Chef selbst“, durchzuckte sie ein unangenehmer Gedanke.