eine falsche Wahrheit - Amelie C. Vlahosz - E-Book

eine falsche Wahrheit E-Book

Amelie C. Vlahosz

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Beschreibung

Kennst du das, wenn dir niemand glaubt? Wenn du verzweifelt bist und Angst hast? Wenn dir niemand hilft und stattdessen noch als Lügner bezeichnet wirst? Jackson weiß es auf jeden Fall. Ihm wurde etwas schreckliches angetan. Etwas, das niemand erleben sollte. Er geht zur Polizei und erzählt von seinem schrecklichen Erlebnis, doch niemand glaubt ihm. Eins folgt aufs andere und sein Leben beginnt aus dem Ruder zu laufen. Und dann kommt es zu einer Falschaussage, die ihm noch den letzten Halt wegnimmt ...

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Für alle betroffenen Menschen.

Ich wünsche euch das Beste, für die Zukunft und euer restliches Leben.

Triggerwarnung Dieses Buch behandelt die Themen:

Sexuelle Misshandlung, Depressionen, Selbstmord und Mobbing

Hilfe könnt ihr finden unter: TelefonSeelensorge: 0800 1110111

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Nachwort

Danksagung

Prolog

Es regnet.

Mir ist kalt.

Der fünfte Juni.

Ich werde bald achtzehn.

Und heute wollte er, dass ich mit ihm über meine Zeugnis-Bio-Note sprechen sollte. Aber das tat er nicht ...

Hätte ich denn je ahnen sollen, dass mir mal so etwas passieren würde? Hätte das irgendwer? Und dann noch von solch einem Mann?

Ich versuche zu kotzen, aber es kommt nichts raus. Meine Gedanken drehen sich. Und dann ist da er, mit diesem ekelhaften Grinsen im Gesicht und diesen Worten, die ich immer mit mir tragen werde: „Niemand wird es dir glauben. Niemand.“

1

Ich lief durch den Regen, der kalt meinen Körper hinunterlief. Ich zitterte, aber ich war taub für alles. Heiße Tränen liefen meine Augen hinunter.

Das konnte doch nicht wirklich passiert sein.

Das durfte einfach nicht passiert sein.

Er ließ einen frustrierten und wütenden Schrei aus seiner Kehle entkommen. Das war doch sicher nur ein Traum. Es musste einfach ein Traum gewesen sein. Aber die Schmerzen, die er hatte, sagten ihm etwas anderes.

Dieser Schuft! Dieses Schwein! Dieses Dreckige Schwein! Er sollte auf der Stelle verrecken! Aber qualvoll.

Niemals sollte er auch nur einen Finger bewegen dürfen.

Was ein Heuchler.

Es war bereits dunkel. Nur die Straßenlichter schienen.

Eigentlich sollte er nach solch einem Erlebnis Angst haben. Angst alleine durch einen so dunklen Park zu laufen. Angst durch die darauffolgenden dunklen Straßenwege zu laufen. Die dunklen Häuser um ihn, die Angst es hier vielleicht erneut erleben zu müssen.

Aber ihm war alles egal. Alles. Die Schule, seine Bio Arbeit, seine Mutter - die wohl wütend auf ihn wartete - und auch sein Leben. Es war ihm einfach egal. Ein Auto könnte ihn jetzt einfach überfahren und es würde ihn nicht interessieren. Er würde einfach nur mit diesen leeren Augen in den Himmel gucken und nur hoffen ein letztes Mal die Sterne sehen zu können.

•••

Er kam zu Hause an, öffnete die Tür und betrat den dunklen Flur. Er sah niemanden. Seine Mutter schlief auf dem Sofa. Sie hatte sicher auf ihn gewartet. Nur das Licht vom laufenden Fernseher war noch an.

Er legte eine Decke über seine Mutter, schaltete den Fernseher aus und lief die Treppenstufen hoch, die zu seinem Zimmer führten.

Seine Haare tropften, so wie seine Kleidung, weswegen er seine Heizung anschaltete und sich auf sein Bett warf.

Erneut liefen ihm die Tränen sein Gesicht hinunter. Wie sollte man sich nur von so was erholen? Sollte er zur Polizei gehen? Da kamen ihn schon wieder diese Worte in den Sinn.

Niemand wird es dir glauben. Niemand.

Er war nur ein Junge, kein Mädchen. Es würde ihm wirklich niemand glauben. Jungen glaubte nun mal niemand -wo Mädchen bei sowas doch schon kaum geglaubt wurde. Ihm als Jungen würde man es da erst recht nicht glauben. Jungen hatten immerhin stark zu sein. Es wäre ja gar nicht möglich, dass einem fast erwachsenen Jungen so etwas angetan werden könnte. Am Ende würde er sicher sogar noch mehr Probleme dadurch bekommen, wenn er es sagen würde. Also würde es ihm niemand glauben, ganz einfach.

Und wenn doch?

Irgendwem sollte er es sagen.

Er war erschöpft. Er war so erschöpft.

Er würde es jemandem erzählen, aber nicht mehr an diesem Tag.

Seine Augen waren angestrengt. Sie fühlten sich trocken an. Seine Augenlieder wurden auch immer schwerer. Bis sie ihm einfach zu fielen und er einschlief.

2

Er wachte in seiner noch feuchten Kleidung auf. Seine Haare waren auch noch nicht getrocknet.

Er zog sich andere Sachen an. Die noch nassen Sachen, die er gerade an hatte warf er in den Müll. Er wollte sie nicht mehr.

Seine Lieblingssachen, waren nun der größte Abscheu für ihn. Wer wusste, ob er sich überhaupt je trauen würde, wieder eine schwarze Jeans und blaues T-Shirt anzuziehen, ohne daran erinnert zu werden. Alleine in die Schule zu gehen würde ihn wohl daran erinnern. Er war schließlich da. Dieser schreckliche Mensch. Nein, kein Mensch. Ein Monster. Ein scheiß Monster.

Er ballte seine Hände zu Fäusten. Er versuchte seine Tränen zu unterdrücken, aber sie drangen trotzdem durch. Er wischte sie schnell weg.

Warum musste es ausgerechnet ihn treffen? Was hatte er denn so Schlimmes getan? Was hatte er falsch gemacht, dass ihm so etwas angetan wurde? Weil er seine Bio Arbeit verhauen hatte? Was sollte das denn bitte für ein dummer Grund sein? War das wirklich so schlimm?

Er schüttelte seinen Kopf und lief runter in das kleine Wohnzimmer. Seine Mutter stand in der Küche. Sie lächelte. Anscheinend störte es sie gar nicht, dass er erst mitten in der Nacht nach Hause gekommen war.

„Hallo, Jackson. Schon wach? Heute ist doch gar keine Schule.“

Er nickte.

Vielleicht störte es sie ja deswegen nicht?

Er musste es ihr jetzt sagen, sonst würde er es niemals tun. Er fing an zu sagen: „Mom, gestern da ...“, sie drehte sich zu ihm um, mit einem Lächeln im Gesicht, doch da hörte er auf zu sprechen.

Wie sollte er ihr das nur sagen? Wie würde sie dann reagieren?

Sie war gerade so glücklich. Sie hatte endlich wieder einen neuen Freund. Sie war glücklich mit ihm. Würde sie immer noch so glücklich sein, wenn er ihr so etwas sagen würde?

Er starrte nur ins Leere. Sie würde unglücklich werden. Schrecklich unglücklich. Er konnte es ihr nicht sagen. Unter gar keinen Umständen. Aber wem sollte er es sonst sagen?

„Ja, was war gestern?“, fragte ihn seine Mutter. Ihr Lächeln war immer noch da.

„Ach nichts“, sagte er. „Nicht so wichtig. War nichts. Vergiss es wieder.“

Ein Stück ihres Lächelns verschwand, hielt sich aber noch. „Oh, na gut.“

Sie stellte ihm ein bestrichenes Brot hin, das er sofort nahm. Er biss rein, aber legte es dann wieder hin. Er hatte eigentlich keinen Hunger. Er bekam so oder so nichts runter.

Seine Gedanken hingen immer noch an Freitag. Er hatte ganz vergessen, dass heute Samstag war, denn er war einfach noch bei Freitag. An diesem Ort. In diesem verlassenen Raum, in dem niemand seine Schreie hörte.

Seine Mutter hatte gerade wieder ein neues Brot schmieren wollen. Sie wandte ihm ihren Rücken zu und wollte ihm gerade etwas sagen, wobei sie ihren Kopf leicht nach hinten drehte. Aber als sie nach hinten sah, war er bereits verschwunden. Sie wunderte sich noch, warum er sich so seltsam verhalten hatte, bemerkte das angebissene Brot und legte es auf ihren eigenen Teller, bevor sie ihrer Beschäftigung weiter nach ging.

Jackson währenddessen saß auf seinem Bett und starrte die Decke an.

Das war alles echt. Seine Schmerzen, sein Trauma. Seine Angst.

Diese furchtbare Angst.

Es quälte ihn. Die Erinnerungen.

Wie würde er reagieren, wenn er ihn wieder sehen würde, was er ganz bestimmt tat.

Etwas zog sich in ihm zusammen. Er hatte das Gefühl zu kotzen, aber wieder einmal, kam nichts.

Er sollte es jemandem beichten. Aber seiner Mutter konnte er es nicht sagen. Seinen Freunden besser auch nicht. Die einzige Person, die er vertraute, war seine Mutter.

Er überlegte ganze Zeit hin und her, ob er es ihr nun sagen sollte, oder nicht. Also schrieb er alles auf einen Zettel. Alles von Anfang bis Ende. Aber dann nahm er doch ein anderes Blatt.

Er schlich sich runter und legte das Blatt auf den Essenstisch, dann verlies er schnell das Haus. Seine Mutter sah nur, wie er noch die Tür schloss, bevor sie nach ihm rufen konnte. Dann sah sie den Zettel. Sie schaute drauf und las: Mom, ich wurde vergewaltigt.

3

Es war windig, es stürmte ja schon regelrecht. Er hätte sich eine dickere Jacke anziehen sollen; ihm war kalt, aber es störte ihn nicht. Er konnte nur daran denken, wie seine Mutter gerade den Zettel las. Er stellte sich ihre Reaktion vor: traurig, wütend, enttäuscht, verwundert. Alles. Sie hatte sicher gemischte Gefühle. Glaubte sie es überhaupt?

Da waren sie wieder, diese Worte in seinem Kopf: Niemand wird dir glauben. Niemand.

Sie würde es ihm nicht glauben. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Sie würde es als Lüge abtun und ihm eine deftige Ohrfeige verpassen. Das war wohl leider die Wahrheit, aber an seiner Hoffnung konnte er trotzdem nicht loslassen. Wenigstens sie sollte ihm glauben. Sie war seine Mutter. Sie musste es ihm doch glauben, denn wenn sie es nicht tat, dann würde es niemand tun.

Ob er zurück gehen sollte? Sollte er ihr doch lieber noch etwas Zeit geben?

In seiner Tasche klingelte es.

Seine Mutter.

Er überlegte, ob er dran gehen sollte oder ob er doch lieber auflegen sollte. Dann legte er doch lieber auf. Er drückte sie schnell weg.

Erst jetzt verstand er, wieso er es tat. Er weinte und er wollte nicht, dass sie seine zitternde Stimme hörte.

Er sah in den Himmel, der Wind zauste durch sein blondes Haar. Ihm lief eine Träne langsam die Wange runter.

Niemals könnte er diesen Tag vergessen. Diese rauen Hände, den dumpfen Atem, die eisigen Blicke. Er war schockiert, erstarrt, konnte nichts sagen, nur schreien.

Er versuchte alles aus seinem Gedächtnis zu löschen, aber es ging nicht.

•••

Es wurde langsam dunkel, aber er bemerkte es erst nicht. Er bemerkte seinen schmerzenden Hals nicht. Er bemerkte seinen zitternden Körper nicht. Er merkte nicht, wie er vor Kälte nicht vorankam.

•••

Es war bereits dunkel, als er wieder zu Hause ankam.

Ihm gingen diese Bilder einfach nicht aus dem Kopf. Ihm ging einfach gar nichts aus dem Kopf. Genauso kam nichts Neues rein. Es gab nur diese Bilder und nichts anderes. Für anderes gab es keinen Platz.

Wie konnte jemand einer anderen Person nur so etwas antun?

Es war schrecklich. Sein ganzes Leben würde nur durch diesen einen Tag, wegen dieser einen Person zerstört sein.

Er bemerkte es nicht, aber er weinte wieder. Alles in ihm war wie betäubt. Existierte er überhaupt noch? War er wirklich noch da? War das die Wirklichkeit, die echte, richtige Wirklichkeit?

Er bemerkte seine Mutter erst nicht, wie sie schrie, dass sie sich Sorgen gemacht hatte und wissen wollte, wo er war, aber er weinte nur. Seine innere Leere, die er seit gestern verspürte, das Gefühl nichts wert zu sein ... Es war ein Krampf. Er bekam keinen Ton raus.

Seine Mutter sah es, wie er weinte, wie er zitterte; wie zerstört er war.

„Es tut mir leid“, quetschte er raus. „Es tut mir so leid, Mama.“

Sie umarmte ihn, versuchte ihn zu beruhigen, ihm zu sagen, dass es nicht seine Schuld war, dass alles wieder gut werden würde. Nur, war das wirklich so?

Er glaubte es nicht. Er glaubte, dass sein Leben seit gestern keinen Sinn mehr hatte. Und wenn morgen vorbei war und der Montag wieder los ging, dann würde er den ganzen Schmerz noch einmal spüren. Sein Albtraum würde wieder von vorne los gehen, er würde es nicht aushalten. Er würde aus dem Fenster springen und nicht zurücksehen. Er würde einfach nur befreit sein.

Sein Herz raste bei dem Gedanken. Warum sollte er warten? Warum würde er es nicht jetzt einfach tun?

Nein! Dann hätte dieser Dreckskerl ja gewonnen. Er soll dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

„Wir gehen zur Polizei, okay?“, fragte seine Mutter.

Er nickte.

Die Polizei, ja, die würde ihm sicher helfen.

Seine Mutter holte ihre Sachen. Sie zog sich ihre Jacke über und steckte Handy, Schlüssel und Portmonee in ihre Jackentasche. Sie zog ihren Sohn mit sich, der in der Zeit wieder komplett aufgewärmt wurde. Sie setzten sich in das graue Auto und fuhren los.

In ihrer Umgebung gab es keine Polizeistation, sie mussten erst eine Weile fahren, um in die nächste Stadt zu kommen.

•••

Sie versuchten den richtigen Weg zu finden und bis sie ihr Ziel erreicht hatten, war es bereits in der Nacht. Die Wache hatte trotzdem noch offen, weswegen sie sofort rein gingen, beziehungsweise ging er schon mal vor, weil seine Mutter noch parken musste.

Er öffnete die Tür und sofort sah ein Kopf über den Empfangstresen. Es war ein mittel alter Mann mit schwarzen Haaren und braunen Augen. Er sah ihn fragend an. Bis Jackson vor ihm stand. Dann fragte der Polizist: „Was kann ich für dich tun?“ Er klang nicht besonders freundlich, aber auch nicht böse oder besonders streng. Seine breite Statur ließ ihn aber bedrohlich wirken. Er wackelte kurz seinen Schnäuzer und wartete auf Jacksons Antwort.

„Ich bin hier, weil … Ich möchte eine Vergewaltigung melden“, sagte Jackson und versuchte seine Stimme nicht zittern zu lassen.

Es war wohl besser, wenn er erstmal so anfangen würde.

„Wer denn? Warum ist sie dann nicht selber hier? Angst oder wie?“

„Nein … es geht um mich. Ich … bin das Opfer.“ Jackson war nervös, sein Herz fühlte sich so an, als könnte es jeden Augenblick aus seiner Brust springen. Schweiß lief ihm kalt den Rücken runter und es fühlte sich beinahe für ihn so an, als wäre er ein Wasserfall.