Happy Smile - Amelie C. Vlahosz - E-Book

Happy Smile E-Book

Amelie C. Vlahosz

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Beschreibung

Irgendwann wurde mir klar, dass es nichts bringt, mich selbst zu verletzen. Ich fand es aber so schön zu sehen, wie eine Wunde entstand und ich ihr dabei zusehen konnte, wie sie heilte. Ich dachte, wenn diese Wunde heilt, diese vielen kleinen Wunden, die ich mir zufüge, dann muss die Wunde in meinem Inneren doch auch irgendwann heilen. Doch so ist es nicht.

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Für meine Arschgesichtigekegelkopffotzkuh, meine Ehefrau, meine Käsekuchenzopfzwillingsschwester, meine Animeschwester oder einfach nur meine beste Freundin, Gini (West Virginia!), mit der ich bereits einiges erlebt habe.

Du hast mir bereits durch so manch missliche Lage geholfen. Und mit dir habe ich auch schon so manchen Unsinn gemacht.

Triggerwarnung

Dieses Buch behandelt die Themen: Mobbing, Selbstverletzung und Selbstmord.

Hilfe könnt ihr finden unter:

TelefonSeelensorge: 0800 1110111

Inhaltsverzeichnis

Prolog: Der Anfang

Tag 0: Mobbing ist cool Aber eigentlich total Scheiße

Tag 1: Wer schlau ist redet nicht Aber die Dummen reden immer

Tag 2: Alle nehmen es sich einfach, leben freudig ihr Leben und müssen nicht leiden Aber bei mir ist es anders

Tag 3: Stärke zeigt man von außen, Aber eigentlich kommt sie von innen

Tag 4: Immer soll man kämpfen, Aber irgendwann hat man einfach keine Kraft mehr dazu

Tag 5: Alles ist ein Blick durch die Rosarotebrille, Aber wenn man sie abnimmt, sieht man wie scheiße alles ist

Tag 6: Ein Witz ist lustig, Aber nur für die, die ihn machen

Tag 7: Die Welt ist schön, Aber nur für die, die nicht leiden

Epilog: Sterben macht Angst, Aber mir macht Leben Angst

Nachwort

Prolog

Der Anfang

Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll.

Mein Leben geht jetzt schon seit sechzehn Jahren und trotzdem weiß ich immer noch nicht, wie man glücklich leben soll. Ich habe es schon so lange versucht.

Vielleicht wusste ich es einmal. Aber jetzt nicht mehr. Dennoch versuche ich es weiter.

Irgendwann werde ich es schaffen.

Oder etwa nicht?

Tag 0

Mobbing ist cool Aber eigentlich total Scheiße

„Hallo, Schrotthaufen“, begrüßen mich ein paar Jungen, aus meiner Klasse.

Ich versuche sie einfach zu ignorieren. So wie eigentlich jeden Tag ...

Immer zu, geben sie mir solche Namen. Es ist schrecklich. Und was soll ich auch schon dagegen tun? Wenn man zu Lehrern deswegen geht, bringt es nichts. Sie führen nur ein "Gespräch" mit den Tätern und das war es auch schon. Konsequenzen gibt es keine und weiter darauf geachtet wird dann auch nicht. Wirklich bringen, tut das also nichts. Und bei solchen Idioten, wie bei denen, wo es in ein Ohr rein und bei dem anderen wieder raus geht, sowieso nicht.

Ich setze mich also auf meinen Platz, wie jeden verdammten Tag aufs Neue.

Die Idioten und ich sind immer die ersten, in der Klasse -und wohl auch allgemein in der Schule, von ein paar Lehrer*innen mal abgesehen.

Super!

Na ja, aber wenigstens habe ich in dieser 23-köpfigen Klasse drei Freunde. Und eine davon, meine Allerbeste. Ständig machen wir zusammen Blödsinn, nur leider kommt sie immer erst fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn, während ich mit diesen Idioten fünfzig Minuten vor Unterrichtsbeginn aushaaren muss.

Warum ich so früh zur Schule gehe?

Falls ich noch Hausaufgaben habe, an die ich nicht gedacht habe. Wenn es noch welche gibt, dann mache ich sie noch schnell, ansonsten versuche ich noch ein wenig in der Schule zu schlafen.

Einziges Problem dabei: die Idioten. Besonders der Oberidiot, von dieser Truppe. Bei denen kommt man im Insgesamten nicht zur Ruhe, wo auch immer man sein mag. Sobald die da sind, ist die Ruhe aus und vorbei. Ich wüsste schon gerne, ob überhaupt jemand diese Kerle leiden kann. Die Mütter tun mir jedenfalls leid. Und das nicht gerade wenig.

Ich packe meine Sachen aus, so wie immer, und gucke nach, ob wir zu heute irgendwelche Hausaufgaben haben. Scheinbar nicht.

Glück gehabt.

Dafür schreiben wir eine LK, für die ich ohnehin nicht lernen werde. Wie jedes Mal, werde ich mir vor Unterrichtsbeginn einfach nochmal meine Aufzeichnungen anschauen und das war es dann auch schon mit Lernen.

Ich hole mir für die restliche Zeit ein Buch raus, bis der Unterricht anfängt. Etwas, was für meine Mitschüler zu viel Gehirn beanspruchen würde, von dem sie keines besitzen.

Ihr glaubt jetzt bestimmt, dass ich hier die Böse bin, aber so ist es nicht. Irgendwann kann man halt einfach den ganzen Frust, der sich anstaut, nicht mehr ertragen. Dann muss er einfach frei gelassen werden, egal ob man will oder nicht. Das ist dann einfach nicht mehr in der Entscheidungsmacht, des Opfers. Und das bin ich: ein Opfer.

Ich habe es schon auf alle Arten versucht, dass sie mich in Ruhe lassen; ich habe sie ignoriert, mich verteidigt, drauf angesprungen, war bei unserer Vertrauenslehrerin -weswegen ich da so kritisch gegenüberstehe- ... einfach alles! Aber nie hat es was genutzt. Ich bin mit meinen Nerven blank. Wie oft ich schon darüber nachgedacht habe, es auf anderen Wegen, zu beenden. Listen habe ich mir angefertigt:

Gründe es zu tun/es nicht zu tun

Die einfachsten, die schmerzlosesten und die schönsten Arten, sich umzubringen

Testament

All sowas.

Getan habe ich es nie -was ich ständig bereue. Ich hatte nur immer schon Vorkehrungen getroffen.

Ich stelle mir oft vor, wie es wäre, wenn alles anders kommen würde. Meistens tue ich das im Unterricht. Perfekte Zeit für sowas, ich weiß.

In der Schule lernt und macht man aber eh nichts Lebensnotwendiges. Sie ist nur ein Gefängnis für Geist und Seele. Man wird in ihr erdrückt, niemand unterstützt einen, man muss die perfekte Marionette ohne Sinn und Verstand sein, die alles haargenau auf Zitieren muss. Niemand investiert in uns, obwohl wir immer als die Zukunft und besonders wichtig betitelt werden. Fördern will uns dennoch niemand. Ein System in dem alle gleichgestellt werden und nur die Fehler und nicht die Stärken beachtet werden. Gibt schon einen Grund, warum Depressionen in dieser Umgebung entstehen. Und beachtet wird das dann auch nicht. Man muss eben funktionieren. Warum sollte ich da also meine kostbare Lebenszeit verschwenden, in dem ich meiner Lehrerin beim Reden und Erklären zuhöre?

Ich spüre, wie mir etwas an meinen Kopf geworfen wird, als ich die nächste Seite umblättere. Ich reagiere nicht weiter drauf, außer, dass ich versuche meine regungslose Miene zu waren.

Ich habe keine Lust darauf, diesen Idioten, in ihre dämlichen Gesichter schauen zu müssen. Mir ist ihr dummes Lachen ja bereits zu viel. Und das muss ich mir bereits anhören.

Idioten, bleiben eben Idioten.

Ich höre, wie ihre Stühle rücken.

Ja! Geht! Bitte! Das wäre für alle eine Erlösung!, denke ich mir.

Normalerweise hüpfen sie noch in der Schule umher, also denke ich mir eben, dass sie das jetzt auch vorhaben. Nur habe ich mich da leider geirrt.

„Oh, tut mir leid, Eleniiiii, das ist mir wohl ausversehen, aus meiner Hand gefallen“, lacht sich der Oberidiot kaputt, versucht dabei aber ernst zu bleiben -ein Ding der Unmöglichkeit, bei so Kerlen, wie sie es sind.

Da fragt man sich schon gerne mal, ob sie bei ihrer Geburt nicht ausversehen vom Tisch gefallen sind und dann eine Runde Fußball mit ihren Köpfen gespielt wurde.

Ich achte nicht auf ihn, sondern lese mein Buch in Ruhe weiter, auch wenn ich innerlich nur so am Kochen bin. Aus dem Augenwickel heraus kann ich erkennen, wie er mich beobachtet und dabei nicht darauf achtet, wo er einfasst.

Bitte, irgendwo her, mir egal wo her, aber es soll eine giftige Schlange auftauchen, die ihn beißt. Und sie soll so giftig sein, dass es kein Heilmittel gibt, da man innerhalb einer Minute an einem qualvollen Tod stirbt.

Auch diese Hoffnung - wie viele andere bereits davor - geht nicht in erfüllen. Würde ich doch nur in Australien und nicht in Deutschland zur Schule gehen, da würde es sicher weitaus mehr, als nur ein paar giftige Schlangen geben.

Ohne auch nur daneben zu greifen, nimmt er das zerknüllte Papier. Erneut wirft er und erneut trifft er. IM Gegenzug werfe ich ihm einen finsteren Blick zu.

„Oh, tut mir leid, da ist es mir wieder aus der Hand gefallen.“

Kann der Unterricht nicht endlich beginnen? Länger halte ich das mit denen echt nicht mehr aus.

„Du solltest vielleicht mal gucken lassen, ob mit deinem Gehirn alles richtig funktioniert. Da scheint nämlich etwas ganz und gar nicht richtig zu laufen“, werfe ich ihm meine Worte giftig entgegen. Wenn schon keine echte Schlange da ist, kann wenigstens ich zur Schlange werden.

„Da läuft alles besten. Da brauchst du dir mal keine Sorgen zu machen. Dafür solltest du dir bei dir selber umso mehr Sorgen machen.“

„Wieso?“

„Ups, da ist es mir wohl auch aus der Hand gefallen", sagt einer der anderen Idioten, als ich den nächsten Treffer spüre.

Reflexartig drehe ich mich um, nur um in die Gesichter zwei blöd grinsender Idioten zu gucken -die genuaso wenig Hirnmasse besitze oder der ihr Gehirn zumindest wie das eines Koalas aussieht.

Ich drehe mich wieder normal um, als ich einen erneuten Treffer spüre. Blöd werde ich von der Seite vom Oberidiot angegrinst.

Wann kommt endlich Madlen? Sie ist meine beste Freundin. Und sie hilft mir mich zur Wehr zu setzen. Sie ist unglaublich. Ihr selber wurde schon viel Unrechtes angetan. In ihrer Familie gab es einen schweren Missbrauchsfall. Ihre Mutter war nicht mehr ganz bei Trost, als ihr Mann - Madlens Vater - starb. Und Madlen und ihr Zwillingsbruder hatten darunter zu leiden. Irgendwann hat ihr Bruder es nicht mehr ausgehalten und er hat sich selber umgebracht.

Mittlerweile lebt sie in einem Wohnheim. Sie kämpft sich richtig durch. Obwohl mir klar ist, dass sie selber auch schon oft mit dem Gedanken gespielt hat, sich das Leben zu nehmen, es aber nur wegen ihres Bruders noch nicht getan hat.

Ich wünschte, ich könnte auch so tapfer, wie sie sein. Aber eigentlich müsste ich das ja nicht mal, wenn diese Kerle nicht so scheiße wären. Warum sie das machen, wundert mich schon.

Weil Mobbing cool ist, auch wenn es eigentlich total scheiße ist.

Stimmt schon. Bei denen ist ja auch nicht mehr im Kopf, als scheiße.

Bevor mir auch nur der letzte Geduldsfaden reist, kommen ein paar der sogenannten Buskinder. Da hören sie endlich auf, mir Beachtung zu schenken, und fangen sofort ein Gespräch mit den dazugekommenen Leuten an.

Ich lehne mich erleichtert an meinen Stuhl zurück und lese gelassen mein Buch weiter. Kurz darauf, kommt auch schon meine Beste.

„Hallo, du verrücktes Huhn! Na, wie geht es dir? Gut durchs Wochenende gekommen?“

Freudig richte ich mich auf und lege mein Buch zur Seite. Ich strahle ihr freudig entgegen.

Mein Lichtpunkt im Leben sind definitiv meine Freunde und Haustiere.

„HEY! Ja, das Übliche.“

„Du brauchst nicht so schreien! Ist bei dir irgendwas kaputt?“

Sofort sinkt meine Laune wieder, sobald ich die Stimme von diesem Idioten, und die dazugehörigen Worte, wahrnehme.

„Und du hast mal wieder zu viel Benzin geschnüffelt, dass deine Sinne so überreagieren müssen“, kontert Madlen mit gelassener Stimme, aber tödlichem Blick. Bei ihr reagieren sie nicht so, wie sonst bei mir; sie drehen sich einfach mit angesäuerter Miene weg.

Madlen geht noch nicht so lange an unsere Schule, dennoch waren wir vom ersten Blickkontakt an, ein Herz und eine Seele. Wir haben sofort den Schmerz der jeweils anderen spüren und sehen können. Eine Gabe, zu der nur die wenigsten Menschen im Stande sind. Wir konnten uns vom ersten Augenblick an austauschen. Für uns beide fiel damit auch eine unendlich wirkende Last von unseren Rücken.

Langsam dreht sich Madlen wieder zu mir um. Ob sie an ihr eigenes Leben gerade denkt, welches sie zuvor hatte und sie immer noch plagt? Sie selber litt unter Mobbing. Sie war froh, da durch zu sein, aber wenn sie sieht, wie ich behandelt werde, kommt es ihr automatisch vor, als wäre sie selber betroffen. Irgendwie ist sie es ja sogar. Sie hängt zwischen den Fronten. Sie machte sich selber zu einer Art Schutzmauer und damit automatisch selber, zu einer Zielscheibe. Nur geht niemand gegen sie. Alle haben Respekt vor ihr. Aber mich können sie auf den Tod nicht ausstehen.

„Mach dir mal um die keine Gedanken. Bei denen läuft selber was nicht richtig. Die sind nur neidisch, weil du so intelligent bist.“

Warum alle glauben, dass nur weil man viel liest, automatisch bedeutet muss, dass man intelligent sein muss, war mir schon immer ein Rätsel. Nur weil man gebildet dadurch aussieht – und auch die historischen Hintergründe auslässt -, heißt es noch lange nicht, dass man das auch ist.

Jeder Idiot kann studieren und den höchsten aller Abschlüsse machen, das muss aber nicht heißen, dass derjenige intelligent ist.

Wir sind nicht mehr im Mittelalter.

„Meinst du?“ Ich sehe nicht aus, als würde ich es ihr glauben - und sie sieht auch nicht sehr glaubwürdig aus-, daher frage ich zur Bestätigung nochmal nach.

„Na klar, ich meine, guck dir die Kerle mal an. Die sind doch so blöd, dass die nicht mal wissen, wie man ein Buch richtig benutzt, oder was ein Buch überhaupt ist.“

Wir sehen uns die Jungs an, wie sie versuchen Radiergummis in ihre Nasen zu stecken. Ich muss meine Lippe und die Augenbraue auf derselben Seite hochziehen. Das geschieht immer, wenn ich etwas Unglaubwürdiges sehe -etwas wie sowas eben.

„Wirklich intelligent sehen sie ja nun wirklich nicht aus“, sage ich und beobachte sie weiter.

„Wie die Menschheit so weit gekommen ist und dann dennoch so etwas rauskommen kann, wundert mich schon ganz schön.“

„Mich auch.“

Wir werfen ihnen ein paar letzte verstörte Blicke zu und wenden uns wieder einander zu.

Kerle sind wirklich einfach nur unfassbar. Tun immer so, als wären sie etwas Besseres, doch sind dabei so dumm. Irgendwas läuft da ganz und gar verkehrt. Klar gibt es auch ein paar eingebildete Zicken, die so drauf sind. Aber bemerken tu ich dieses Verhalten nun mal eher bei Kerlen - dabei kenne ich nicht mal so viele, wobei auch kennen überspitzt ausgedrückt ist.

Ein wahres Trauerspiel.

„Hast du schon für die LK gelernt?“, fragt mich Madlen (dabei kennt sie die Antwort doch (sicher) schon längst, wie immer, wenn sich mich sowas fragt) und schlägt somit ein neues frustrierendes Thema an.

Ich stöhne nur genervt.

„Also hast du wiedermal nicht gelernt?“ Eigentlich ist es eher eine Feststellung, als eine Frage.

„Könnte man so sagen“, gebe ich ihr eine kleinlaute Antwort, kann mir dabei jedoch nicht ein kleines verlegendes Grinsen verkneifen. Außerdem spiele ich dabei mit diesen Unterlagendingern rum, die unter den Tischen festgeschraubt sind. Ich stecke öfter meine Finger in diese vorderen Lücken. Irgendwie hat das was Beruhigendes an sich.

„Und damit meist du dann wohl: Ja, 100-prozentig! Und wie ich mich freuen würde, wenn ich bei dir abschreiben könnte, meine über alles geliebte Lebensretterin, die du bist!“

„Ja, so könnte man es auch ausdrücken. Aber das wäre ja schon viel zu überheblich oder übertrieben ausgedrückt.“

„Und dennoch ist es die Wahrheit.“

Ich nicke nur zustimmend. Dagegen kann ich wirklich nichts sagen, also belasse ich es mit dem Nicken einfach dabei. Sie würde mir einfach ihre Arbeit während der LK hinhalten und ich würde unauffällig abschreiben, so wie sonst auch immer.

Ich bin weder stolz noch nicht stolz darauf. Ich bin einfach zufrieden, wie es ist und fertig ist es. Und selbst wenn ich nicht bei ihr abschreiben würde, dann würde ich dennoch auf wenigstens eine Drei kommen.

Ich packe meinen Block aus, der bereits so vollgeschrieben und überfüllt ist, dass ich eigentlich einen Neuen bräuchte. Aber ich bin zu faul und auch zu vergesslich, um mir einen Neuen zu besorgen. Er ist eh mein Hefter für alle Fächer, immer wenn ich mir vornehme alles zu sortieren, denk ich eh wieder nicht dran oder denke mir, dass ich es auch später machen kann. Ich suche nach einem leeren Blatt und finde wie erwartet keins. Madlen merkt es natürlich sofort und gibt mir eins.

„Aber das war das letzte Mal“, fügt sie noch hinzu, wissend, dass es sowieso nicht das letzte Mal ist, da sie das immer sagt. Wenn sie mal nicht da sein sollte, versuche ich immer so klein wie möglich, auf freie Stellen zu schreiben.

Es läutet zum Unterricht und ich schiebe den Rest meiner Sachen beiseite. Alle setzen sich auf ihre Plätze, aber niemand wird ruhiger. Die ersten platzieren schon ihre Spicker, ein paar andere beten zu Gott und wiederum andere holen ihre Aufzeichnungen raus und fächern sie sich so zu, als ob sie dadurch auf irgendeine Weise das Wissen in ihre Köpfe bekommen könnten. Mit hochgezogener Augenbraue und schüttelndem Kopf, gucke ich ihnen dabei ungläubig zu, ehe ich mich wieder umdrehe. Die Tür des Klassenzimmers ist offen und die letzten Leute kommen reingestürmt, ehe auch unser Lehrer mit angezogenen Schritten ins Klassenzimmer kommt. Seine Tasche in der rechten und seinen dicken Ordner in der linken Hand, so wie immer. Er beachtet niemanden. Die Tür lässt er einfach offen. Der Nächste zur Tür schloss sie mit einem kurzen Knall. Er stellt seine Sachen ab, ebenfalls wie bei der Tür, dass ein kurzer Knall entsteht. Alle werden still und sehen ihn erwartungsvoll an. Er richtet kurz seine Brille, bevor er uns freundlich, aber mit ernstem Gesicht grüßt.

„Na dann hoffe ich doch mal, dass ihr alle schön gelernt habt.“ Er guckt durch die Reihen, als würde er versuchen ein Opfer zu finden, das es vergessen oder einfach nicht getan hat.

Ich rege keine Miene; desinteressiert gucke ich nach vorne, während ich meinen Kopf seitlich auf meiner Hand abstütze.

„Aber natürlich doch!“, ruft jemand aus den hinteren Reihen, als niemand mehr das Gestarre von ihm ertragen kann. Er gibt sich geschlagen und sucht einen Stapel mit Blättern aus seinem Ordner. „Wenn das so ist, dann kann es ja sofort losgehen.“

Ein genervtes Stöhnen geht durch die Reihen, wovon sich unser Lehrer allerdings nicht beirren lässt. Sofort teilt er jedem ein Blatt aus, geht wieder vor zur Tafel und erklärt uns dann die Aufgaben. Zum Schluss setzt er sich hin und wir beginnen zu schreiben.

Erst fülle ich meine eigenen Angaben aus, dann fange ich unauffällig an, bei Madlen abzuschreiben. Da unser Lehrer ein paar andere Sachen bearbeitet, merkt er es gar nicht, da bräuchte ich nicht mal unauffällig abschreiben. Wenn ich mich direkt über ihre Arbeit beugen würde, dann würde er es wahrscheinlich nicht mal merken. Zumindest würde er nicht merken, wenn da nicht dieser eine Idiot wäre, bei dem ich am liebsten nichts anderes tun würde, als meine ganzen Innereien einfach auszukotzen.

„Herr Baumann! Eleni schreibt ab.“

Sofort guckt er zu mir, doch ich gucke nur von meinem Blatt auf.

„Hä? Was?“, frage ich und sehe abwechselnd zu unserem Lehrer und diesem Trottel. Er sieht mich ernst an. Lag da Erwartung in seinen Augen? „Elenie, stimmt das?“

„Nein! Warum sollte ich?

Und wenn er das so sagt, hört sich es wohl eher so an, als würde er abschreiben, wenn er schon nicht auf sein eigenes Blatt guckt. Dann hätte er nämlich auch Zeit dazu oder er will mir einfach nur eine schlechte Note reinwürgen, weil er mich nicht leiden kann!“

„Das stimmt doch gar nicht!“, behauptet er empört, doch ich weiß es besser.

„Ach ja? Und warum behauptest du dann sowas?“, will ich von ihm wissen.

Und die begründete und glaubhafteste Antwort folgt auch sogleich. „Weil es wahr ist!?“

Ich kann nur meine Augen verdrehen.

Herr Baumann steht seufzend auf. „Alle legen ihre Stifte weg. Ich sammel alles ein und die Arbeit - eine andere - wird später nachgeschrieben. Da ich nichts gesehen habe, will ich jetzt niemandem von euch eine schlechte Note geben.

Ich gehe mal schnell ein paar Blätter kopieren. Wir machen die Stunde über etwas anderes.

Aber ein wenig bin ich schon von euch enttäuscht. Dazu noch in eurem Alter ... ich hätte wirklich besseres von euch erwartet.“

Er verlässt den Klassenraum und sofort fangen alle zu tuscheln an.

„Na toll. Ich hatte von wem die Arbeit bekommen, jetzt darf ich mir neue Spicker schreiben.“

„Und ich darf mir neue Sachen in meinen Kopf quetschen.“

Sofort werde ich von allen Seiten böse angesehen, als wäre das alles jetzt meine Schuld.

Ich tu so, als würde ich es nicht bemerken, doch irgendwann reichen mir ihre Blicke, die sich anfühlen, als würden sie in meine Haut gebrannt werden.

Ich drehe mich so schnell um, dass ich einen kurzen Moment denke, dass ich umkippen würde, doch ich halte mich krampfhaft an meiner Stuhllehne fest, dass es niemandem auffällt und nur meine Wut zu erkennen ist. „Was guckt ihr alle mich da so vorwurfsvoll an?“, schießt es wutentbrannt aus meinem Mund.

„Da fragst du auch noch?“, kommentiert jemand spöttisch, ein Mädchen, das groß ist und etwas breiter - und so ganz nebenbei eine ganz falsche Schlange.

„Ja, denn ich wüsste nicht, was ich falschgemacht habe!“

„Du hast dich erwischen lassen.“

„Euer scheiß Ernst? Er hat mich verpetzt! Ihr müsstet eigentlich auf ihn sauer sein!“

"Sind wir aber nicht! Unser Zorn gilt dir. Und gegen ihn haben wir nichts, nur gegen dich. Und dann hättest du besser nicht abgucken dürfen.“

„Das ist ja mal sowas von mies! So eine scheiß Doppelmoral.“

„Wo soll das denn eine Doppelmoral sein?“

„Stimmt ja, ihr habt ja gar keine Moral!“

„Du kleine Schlampe hast hier mal gar nichts zu melden!“

Madlen sieht aus, als würde sie etwas sagen wollen, doch scheint sie nicht zu wissen, was sie sagen soll. Also will ich an ihrer Stelle weitersprechen. Nur komme ich nur dazu meinen Mund weit zu öffnen und kurz durchzuatmen, da kommt bereits Herr Baumann rein.

„Was ist denn hier los?“, fragt er empört, doch wir geben nur ein Gegrummel von uns. Damit gibt er sich mit einem Zucken im Gesicht zufrieden, wobei man es nun nicht so als richtig zufrieden bezeichnen kann.

Der restliche Schultag sah bis jetzt nicht viel besser aus. An möglichst allen Stellen wurde ich von meinen Mitschülern und Mitschülerinnen geschnitten oder beleidigt. Ein Dasein, das ich eigentlich jeden Tag durchzumachen habe.

Aber was soll ich schon dagegen machen? Genutzt hat mir bis jetzt ja doch nichts.

Manchmal frage ich mich, ob es vielleicht besser wäre, wenn ich einfach sterben würde.

„Hast du gar keinen Hunger?“, fragt mich Madlen und reist mich damit auch automatisch aus meinen Gedanken.

„Doch, ich war nur ein wenig in Gedanken versunken.“ Ich bringe ein kurzes Lächeln über meine Lippen, aber das war es auch schon, ehe ich einen Bissen von meinem Toast nehme.

Normalerweise bringe ich nichts mit in die Schule. Es ist selten Essen im Haus und die Zeit habe ich eigentlich auch nicht dazu mir etwas für die Schule zu machen. Dafür esse ich Mittag in der Schule und nehme mir so viel, wie die Zeit erlaubt.

„Komm, wir haben nur noch zwei Stunden, die halten wir auch noch aus.“

Ich sehe in Madlens warmen Augen. „Hast recht, aber ausgerechnet an einem Montag acht ganze Stunden haben zu müssen finde ich schon etwas hart.“

Wir grinsen uns an. Wenigstens wir beide können uns einander immer halt geben.

Die Pause geht schnell um -meiner Meinung nach viel zu schnell.