Blutzauber - Amelie C. Vlahosz - E-Book

Blutzauber E-Book

Amelie C. Vlahosz

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Beschreibung

Es gibt sie, die Blutzauberer. Mit dem Tod ihrer Großmeisterin, begibt sich Runa auf eine große Reise in der sie viele Freunde findet, aber auch große Verluste erleidet. Zusammen mit ein paar anderen muss sie alle Auserwählten finden, um ein großes Unheil zu verhindern. Wird sie es schaffen?

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Für meine Mutter, die mich neun Monate in ihrem Bauch getragen hat und mich jetzt immer noch erträgt. Ohne sie würde es mich nicht geben, weswegen es ohne sie, auch nicht dieses Buch geben würde.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Epilog

Nachwort

Prolog

„Ich bin eine Blutzauberin“, sagte das kleine Mädchen mit den großen Augen und feurigen leuchtenden Haaren. Ihr Blick war ernst und finster, bei der Reaktion der Älteren. Sie sahen sie an und lachten nur.

Sie und eine Blutzauberin? Unmöglich! Die Blutzauberer wurden gejagt, geschändet und schließlich getötet, weil die Leute sie für zu mächtig erachteten. Ihre Macht sorgte dafür, dass die Menschen zu große Angst vor ihnen hatten. Es gab nur noch eine bekannte Blutzauberin und diese war eine alte Frau, vor der sich alle fürchteten. Sie lebte alleine im Wald und die Menschen erzählten sich Geschichten über sie. Man glaubte außerdem auch, dass die letzte Blutzauberin sicher schon längst tot sei. Sie müsste ja sonst einhundertachtundzwanzig Jahre alt sein (nach bekannten Erzählungen, ob es stimmte, wusste niemand). Und so alt wird keiner! Und mit ihrem Tod, war die letzte Blutzauberin gestorben.

Sie waren das letzte Dorf, in dem die Blutzauberer nicht einfach nur eine Legende waren. Aber bald sollten auch sie die Blutzauberer nur noch für einen Aberglaube halten.

Die Kleine konnte diese Gabe - oder in den Augen der anderen eher ein Fluch - also nicht besitzen. Nicht mal, wenn sie wie eine Blutzauberin aussah. Nicht mal, wenn sie die Einzige im ganzen Dorf war, die wie eine aussah.

Die Kleine konnte ja nicht ahnen, was mit ihr geschehen wäre, hätten die Leute ihr geglaubt. Sie hatte einfach ein großes Glück gehabt, dass ihr niemand glauben wollte, auch, wenn es sie wütend machte. So wütend, wie kleine Kinder eben werden konnten, wenn ihr niemand etwas glauben wollte.

Ihr Gesicht wurde so rot wie ihr feuriger Lockenkopf. Sie hielt das Gelächter nicht länger aus und rannte davon -entweder das oder die Leute hätten eins auf die Mütze bekommen. Das hätte aber nur wieder Ärger gegeben, den sie nicht haben wollte.

Sie lief tief in den Wald, und hätte man geglaubt, dass das alte Weib noch am Leben wäre, hätte man sie da sicher schnell rausholen wollen. So lief die Kleine immer tiefer hinein, bis niemand mehr ihren kleinen, roten Wuschelkopf sehen konnte.

Was niemand ahnte, war, dass sie es nicht mehr daraus schaffen würde. Zumindest nicht bis zu ihrem Achtzehnten Geburtstag …

1

Das Mädchen mit den feurigen Haaren atmete tief durch. Sie musste sich wieder sehr anstrengen. Die alte Frau, die im Wald wohnte und sie ihre Kräuter sammeln und Tinkturen herstellen ließ, gab ihr keine Ruhe.

Es war sehr warm, mitten im Hochsommer und sie hielt die Hitze kaum noch aus. Ihre Haare band sie sich zu einem hohen Zopf, damit sie ihr nicht ganze Zeit im Gesicht klebten.

Sie kniete auf dem dreckigen Boden und stützte ihre schon wunden und verdreckten Hände auf ihren Beinen ab. Mit ihrem Arm strich sie sich den Schweiß aus der Stirn.

Das Mädchen sah sich ihr Werk an und war zufrieden mit dem Ergebnis. Ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Erneut strich das Mädchen den Schweiß mit ihrem Handrücken aus ihrem Gesicht. In einem großen Korb waren viele verschiedene Kräuter - von denen sie alle Namen und Wirkungen kannte - in Bündeln aufeinandergelegt.

Sie stand auf und streckte ihren Rücken durch, ehe sie den Korb nahm und zurück zu der kleinen Hütte in der Mitte des Waldes lief. Andere hätten sich sofort verlaufen, aber sie kannte den Wald sehr gut -in und auswendig mochte man sagen; sie war in dem Wald groß geworden. Aber man musste auch sagen, dass sie sich am Anfang, als sie in den Wald kam, auch ständig verlaufen hatte und nur durch ihr lautes Weinen, die Alte sie immer wieder gefunden hatte.

Es kam ein kleiner Wind auf und sie war froh, dass sie kurz eine Abkühlung bekam. Im Wald hatte sie zwar Schatten und es war nicht so warm wie in der Sonne, genauso war es dort feuchter und kühler, dennoch war es sogar im Wald sehr warm. So wie es jeden Sommer der Fall war.

Sie kam nach einer kurzen Weile an dem kleinen Häuschen aus Steinen, Schlamm, Lehm und Stöcken an. Die Alte wartete bereits auf sie und schlich langsam auf sie zu. Wenn sie nicht so alt wäre, wäre sie auf sie zu gerannt und hätte ihr den Korb aus der Hand gerissen, um sofort zu gucken, was und wie viel sie mitgebracht hatte. Aber sie war eine gebrechliche Alte, die schon viel durchgemacht hatte und nur noch erschöpft vom Leben war.

Das Mädchen lief an der Alten vorbei und stellte den Korb auf einem Baumstumpf ab. Die Alte kam sofort und lehnte sich etwas mehr auf ihren Krückstock ab, um besser in den Korb schauen zu können. Sie lehnte sich nach vorne und wollte ein paar der Kräuter rausholen. Das Mädchen wollte ihr etwas Halt geben, doch die Alte machte nur eine verscheuchende Handbewegung und sagte etwas säuerlich: „Ich schaff das schon alleine. Ich bin immerhin erst hundertsiebenundachtzig. Ich bin noch fit.“

Das Mädchen wich zurück und betrachtete die Alte voller Sorge. „Großmeisterin, du solltest dich wirklich nicht so anstrengen. Deine Knochen brechen immer leichter, deine Haare sind schon fast alle ausgefallen. Ich weiß das, auch wenn du sie - die Letzten die du noch hast - unter diesem alten Lumpen versteckst. Deine Haut fällt immer mehr in sich zusammen und du schaffst es kaum noch aus deinem Bett. Lass mich das machen, du hast es mir oft genug gezeigt. Ich weiß, wie das geht.“

Die Alte sah sie empört an, als das Mädchen das sagte. „Na hör Mal, Mäd'l! Ich habe mehr Haare und weniger Falten als die meisten, die sechzig Jahre jünger als ich sind. Genauso bin ich gelenkiger und gesünder im Dasein. Du mit deinen siebzehn Jahren hast da noch kein Mitspracherecht. Also lass mich Mal gucken, wie du deine Arbeit gemacht hast.“

Sie nickte, als sie alles betrachtet hatte und sah zu dem Mädchen rauf, das etwa einen Kopf größer als die Alte war - dabei war sie selber gerade Mal eins sechzig.

„Großmeisterin, du musst nicht immer nachgucken, ich mache meine Arbeit doch immer richtig und gründlich.“

Die Alte sah das Mädchen boshaft an. „Mäd'l, wenn du so denkst, dann bist du aber falsch getroffen. Wenn du nur einen Fehler machst, dann kann das Probleme geben. Also gucke ich immer nach, dann wird es auch keine geben.

Du bist ein einfältiges Mädchen. Ein unerfahrenes, junges Ding. Du weißt nicht viel über die Welt. Du darfst keine Fehler machen.“

Das Mädchen verdrehte ihre Augen. „Das sagst du immer. Aber ich mache ja gar keine Fehler. Was bist du da denn immer so? Du siehst doch ganz genau, dass ich das kann.“

Bevor die Alte noch etwas erwidern konnte, ging das Mädchen ins Haus. Sie zündete sich eine Kerze an, da man durch das kleine verdreckte Fenster nicht viel Lichteinfall hatte.

Ihre Hände taten ihr weh und sie hatte überall Blasen.

Wehleidig strich sie sich langsam über ihre Hände, und da, wo die Blasen lagen, machte sie kreiselnde Bewegungen. Die Blasen schrumpften, bis sie eine weiche, reine Haut zurückließen.

Die Alte kam in dem Moment rein und als sie das sah, wurde sie furchtbar wütend. „Wie oft habe ich dir gesagt, dass du das nicht machen darfst? Niemand darf sehen, wie du das machst!“, schrie sie das Mädchen an, welches sich erschrocken umdrehte.

„Aber Großmeisterin, niemand ist hier. Wer sollte das schon sehen können?“

Das machte die Alte nur noch wütender. „Wenn du das immer machst, dann wird es zur Gewohnheit, Gewohnheiten macht man immer, auch wenn jemand da ist, und dann bekommst du Schwierigkeiten! Das heißt, dass du einen Fehler gemacht hast und Fehler darfst du nun mal nicht machen!“ Die Alte war aufgebracht. „Und jetzt raus mit dir!“

Das Mädchen ging - jetzt ebenfalls wütend, weil sie sich ungerecht behandelt fühlte - stampfend raus. Sie war doch mit der Alten alleine im Wald. Wer sollte sie schon sehen? Und jemals verlassen würde sie ihn sicher auch nicht. Das war ihr alles andere als recht, dass sie deswegen immer so angemotzt wurde.

Was sie nicht wusste, war der wahre Grund, weshalb sie raus sollte. Die Alte fasste sich an ihr Herz und machte große Augen. Sie setzte sich schnell auf den Holzstuhl, welcher direkt neben ihr stand und auf dem Tierfelle lagen. Ihren Arm stützte sie auf dem Tisch davor ab, der am Fenster stand.

Draußen musste wohl Wind wehen, denn ein paar der Äste, die draußen am Haus wuchsen, schlugen gegen das Fenster.

Ein Zeichen.

Die Alte wusste, sie hatte nicht mehr viel Zeit, sie musste dem Mädchen den Rest beibringen. Bevor es noch zu spät dazu war.

Einzelne Tränen stiegen in ihre Augen auf. Sie wusste, wenn sie erstmal tot war, würde sie das Mädchen nicht mehr beschützen können.

Der Wind drang durch die offene Tür. Er ließ die getrockneten Kräuter, die an einem Strick hingen - welcher selber an einem Strick hing - wehen und rascheln und die Alte, trotz der Hitze, frösteln. Ihr war klar, dass ihr der Wind damit mitteilen wollte, dass er bald ihre Seele mit davontragen würde.

Sie musste mit dem Mädchen reden, das war in diesem Moment das aller wichtigste.

2

Das Mädchen verstand die Alte einfach nicht. Warum war sie nur immer auf das alles so versessen? Wovor hatte sie solche Angst? Sie waren doch sicher. Die Alte hatte gar keinen Grund, sich so zu verhalten!

Genervt lief sie durch den Wald und trat ein paar Steine und Stöcker weg. Das Mädchen schwang sich über Baumstämme und lief über Äste.

Sie bemerkte, dass es kälter wurde, und wunderte sich, warum. Die Sonne schien immerhin noch weit oben und es wehte kein Wind. Sie sah nach oben in den Himmel und drehte sich im Kreis, Ausschau haltend danach, ob es irgendeinen bestimmten Grund dafür gab. Hinter einem Baum sah sie etwas Schwarzes. Sie versuchte es genauer zu erkennen und kniff ihre Augen dafür leicht zusammen. Es sah aus, wie schwarzer Nebel. Etwas griff um den Baum, hinter dem es sich versteckte. Scheinbar waren es Krallen, zumindest sah es danach aus. Es wurde immer sichtbarer und zwei rote Augen mit einem großen Lächeln kamen zum Vorschein.

Das Mädchen schrie erschrocken und verängstigt auf. Schnell lief es zurück.

Die Alte hatte den Schrei gehört. Die Sorge um das Mädchen wuchs.

Sie waren da.

Sie warteten auf ihren Tod und dann würden sie sich das Mädchen holen.

Die Alte spürte, wie die Kraft sie verließ und musste sich hinlegen. Aber ehe sie das tat, packte sie in einen Stoffbeutel einige Sachen ein. Hoffend, dass das Mädchen es noch rechtzeitig zu ihr schaffen würde, bevor sie starb und sie ohne die Alte dastand.

•••

Draußen war es schon dunkel und das Mädchen kam durch die Tür gerannt. Sie atmete schnell und war erschöpft.

„Großmeisterin. Großmeisterin, ich hatte ganz schreckliche Angst. Draußen, da war etwas. Ich weiß nicht was es war, aber es sah nicht gut aus.“

Das Mädchen stand immer noch in der Tür. Sie sah in die Steinhöhle. Es war keine wirkliche Höhle, Es war ein aus Lehm, Schlamm und Stein gebautes Bett, welches in der Ecke der Hütte gebaut wurde und nur zur Seite eine Öffnung hatte. Es war mit Fellen und Kissen mit Strohfüllung ausgestattet. Da drin lag die Alte.

Das Mädchen zögerte kurz, trat dann aber langsam näher. „Großmeisterin? Großmeisterin, geht es dir gut?“ Sie sah die alte Frau, die ihren Kopf langsam zu dem Mädchen drehte, Fassungslos an. Ihre Augen sahen leer aus. Das Mädchen fing an zu weinen. „Großmeisterin ...“ Es kam nur noch ein kläglicher Laut aus ihrem Hals.

Sie setzte sich auf ihr Holzgestell, welches sie zum Schlafen benutzte und ebenfalls überall Felle hatte. An der Wand von dem Fußende, welches zur Tür gerichtet war, gab es eine Kiste und an der Wand hing ein Brett mit Fläschchen, Bücher und dergleichen drauf. Neben dem Gestell stand der Tisch, für mehr gab es keinen Platz.

„Großmeisterin. Es tut mir leid. Alles. Ich hätte nicht so ungezogen sein dürfen. Das war ein Fehler, das weiß ich jetzt. Ich tu sowas auch nie, nie wieder, versprochen.“ Sie nahm die Hand der Alter und weinte bitterlich über den Verlust, den sie erleiden würde.

Die Alte versuchte nach dem Gesicht des Mädchens zu greifen. Sie strich ihr leicht über die Wange und sagte dann mit brüchiger Stimme: „Mein liebes Mädchen, du bist schon lange bereit gewesen. Jetzt sehe ich es endlich ein. Du warst so klein, als du zu mir kamst. Ich habe dir alles beigebracht, was du auf deinem Weg brauchst. Aber jetzt musst du fliehen. Sie werden kommen und dich holen. Nimm den Beutel auf dem Tisch mit, da ist das Nötigste drinnen. Und jetzt lauf!“ Mit den letzten Worten, kam die Alte ihr nochmal schnell entgegen und packte ihre Hände, was das Mädchen erschreckte, da die Alte eigentlich gar nicht in der Lage dazu sein sollte.

Sie fiel zurück auf ihr Nachtlager und ihre Hand glitt aus denen des Mädchens.

Die Tür, welche das Mädchen eigentlich aus Angst geschlossen hatte, sprang auf und knallte gegen die Wand. Der tosende Wind von draußen kam herein und wirbelte alles auf. Das Mädchen drehte sich erschrocken zu dem Geschehen und als sie sich zurückdrehte, sah sie, dass die Alte tot da lag.

Sie weinte wieder, küsste die Stirn der Alten und dankte ihr, für alles, was sie je für sie getan hatte. Dann stand sie auf, nahm sich den Beutel und rannte raus.

Der Wind war stark, doch das konnte sie von nichts abhalten. Sie rannte schneller und spürte die Kälte.

Warum musste das alles nur so plötzlich kommen? Dabei sollte sie doch morgen achtzehn werden. Die Alte hatte ihr dann immer einen Honigkuchen gemacht. Diesen würde sie ab da wohl nie wieder essen können.

Sie strich sich die neu aufkommenden Tränen aus ihrem Gesicht und lief schnell weiter.

Sie fiel über einen Stamm, den sie durch die Dunkelheit nicht sehen konnte, stand aber sofort wieder auf.

Nur ein paar Lichtstrahlen schienen durch die Baumkronen, kamen aber nicht bis nach unten auf den Waldboden an. Der Mond war dem Mädchen wohl gleichgesonnen, denn er versteckte sich hinter Wolken. Alles erschien in dunklen Schatten, die sie verschlingen zu wollen schienen.

Angestrengt atmete sie. All der Schmerz innen und außen. Alles war egal. Das Mädchen durfte nicht stoppen. Sie hatte immer den Gedanken im Kopf, welcher sie nicht stoppen ließ, egal wie anstrengen es auch sein mochte: Was meinte die Großmeisterin mit, sie werden mich holen kommen? Wer sind sie? Und was wollten sie von mir?

3

Das kleine Mädchen ist im Wald verschwunden. Keiner hatte sie seit jenem Tag gesehen, aber in dieser Nacht, sollte etwas passiere, womit niemand gerechnet hätte.

Sie lief außer Atem weiter, wissend, dass wenn sie jetzt stoppen würde, ihrem Untergang geweiht war. Schnell lief sie aus dem Wald raus und sah nach hinten. Die Kreatur folgte ihr in einer unmenschlichen Geschwindigkeit, aber als es aus dem Wald gehen wollte, liefe das Mädchen schnell weiter.

Die Sonne stieg auf und sie hörte einen entsetzlichen Schrei. Ruckartig sah sie nach hinten und sah, wie die Kreatur zurück in den Wald; zurück in die Dunkelheit flüchtete. Das Mädchen bemerkte, wie verängstigt das Wesen war. Also hatte es wohl, logischer Weise, Angst vor Licht. Warum sie auch sofort in den kleinen Lichtschein flüchtete, rein in die Sicherheit.

Sie war die ganze Nacht, ohne Pause, gerannt. Sie hatte keine Kraft mehr übrig. Erschöpft fiel sie zu Boden und das Letzte, was sie sah, bevor sie vor Erschöpfung einschlief, war die Kreatur, die sie schreiend ansah.

Ihre Haare sahen aus wie Feuer im Morgenlicht. Das musste auch der Grund gewesen sein, warum ein Bauernjunge sofort hinrannte und es austreten wollte. Doch dann bemerkte er, dass das, was er für ein Feuer hielt, nur die Haare eines schönen Mädchens waren, das da so Seelen ruhig schlief.

Er sah sie verwundert an, sich fragend, warum dort ein Mädchen lag. Er ging die unterschiedlichsten Ideen durch. Vielleicht eine Ausländerin, eine Waise, die nun alt genug war und deswegen aus dem Heim geworfen wurde, eine Ausreißerin, weil sie misshandelt oder ähnliches wurde, oder eine Zigeunerin, Diebin oder Flüchtige. Oder vielleicht schlimmeres.

Trotz dessen, dass er Angst hatte, dass sie ihn töten könnte, nahm er sie mit, denn schließlich fügte er zu seinen Gedanken hinzu: Sie ist nur ein Mädchen, als ob sie was gegen mich ausrichten könnte.

•••

Sie wurde durch die bereits hochstehende Mittagssonne geweckt. Ihre Augen brannten, weswegen sie sie sofort wieder schloss. Dann hörte sie eine Stimme und sie drehte sich erschrocken zu der Richtung, aus der die Stimme kam.

„Oh, du bist endlich wach. Ich habe dich gefunden, am Waldrand, und habe dich einfach Mal mitgenommen. Du sahst so verlassen aus. War irgendwas Bestimmtes passiert, dass du da so schlafend lagst?“, fing der Junge an sie mit Aussagen und Fragen zu überschütten.

Sie hörte ihm gar nicht richtig zu, stattdessen sah sie sich nur in dem kleinen Zimmer um.

Neben ihr war ein Fenster und dem Bett gegenüber war eine Feuerstelle mit einem kleinen Stuhl und Kessel mit Löffel. An der Wand hing ein Regal mit Schüsseln, Löffeln, Messern, Kräutern, Fläschchen - in verschiedenen Größen und Formen - und ein paar vereinzelte Bücher, Blätter und ein Tintenfläschchen mit einer Feder.

Sie merkte, wie der Junge sie Erwartungsvoll ansah. Er saß auf einem kleinen, hölzernen Hocker. Seine hellen Augen funkelten neugierig.

„Ehm ... Ich weiß nicht so genau ... Ich kann nicht richtig erklären, was passiert ist. Ich weiß nicht mal mehr richtig, was überhaupt passiert ist. Ich weiß nur noch, dass es schrecklich war. Ich ... Ach, keine Ahnung.“

Das Mädchen senkte ihren Kopf und drückte die dünne Decke auf ihren Beinen zusammen. Sie wusste eigentlich alles noch, sie verstand es nur noch nicht. Sie war verwirrt, wusste nicht wohin. Zurück konnte sie nicht. Nie mehr. Ihre Großmeisterin war tot. Sie hätte gewusst was zu tun wäre. Aber nicht sie, nicht dieses unerfahrene Mädchen, das keine Ahnung von der Welt hatte.

„Na gut. Dann ... Wie heißt du?“ Ihn störte ihre Antwort nicht, auch wenn er es trotzdem gerne gewusst hätte. Dann fragte er einfach nach dem nächsten, was in seinem Kopf rum schwirrte.

Sie sah bei seiner Frage verwirrt zu ihm. „Mein Name?“

„Ja. Wie du heißt. Wie man dich nennt. Dein Name halt. Wie heißt du?“ Er sah sie immer noch Erwartungsvoll an.

Sie schüttelte leicht mit ihrem Kopf, ließ den Jungen dabei aber nicht aus den Augen. „Ich habe keinen Namen.“

Er lachte bei ihrer Antwort kurz auf. „Natürlich hast du einen Namen. Jeder hat einen.“

Sie schüttelte wieder ihren Kopf. „Ich nicht. Die Großmeisterin nannte mich immer nur Mäd'l und ich sie immer nur Großmeisterin. Wir haben uns nie beim Namen genannt. Und an den Namen, wie man mich genannt hatte, als ich noch bei meiner Mutter war, erinnere ich mich nicht. Sie nannte mich immer nur Feuerlöckchen.“

Seine Begeisterung verschwand für einen Moment. Er fand sie aber sofort wieder. „Na gut, dann nenne ich dich einfach Runa.“

Sie zog eine ihrer roten Brauen hoch. „Runa?“

Er nickte. „Ja, Runa. Das heißt so viel wie Geheimnis und du bist für mich ein Geheimnis. Ein ganzschön Großes.“ Er lachte wieder.

Sie überlegte kurz, nickte jedoch dann. „Okay, dann bin ich ab jetzt Runa.“ Sie lächelte leicht.

Er hörte auf zu lachen und sah sie fasziniert an. Sie sah ihn wieder verwirrt an. Nervös schaute sie um sich.

„Was? Was ist?“, fragte sie ihn.

Er schüttelte leicht seinen Kopf, seine Augen immer noch auf ihr Gesicht gerichtet. „Es ist nichts, aber du bist wirklich schön, wenn du lächelst.“ Er stammelte kurz darauf noch: „So natürlich auch, aber mit einem Lächeln bist du umso hübscher.“ Er kratzte sich verlegen an seinem Hinterkopf und sah nach oben, an die Decke, an die er fast mit seinem Kopf stieß durch seinen großen Körper.

Sie lächelte peinlich berührt und ihre Wangen wurden fast so rot, wie ihre leuchtenden Haare.

Er sah zu ihr, als wäre ihm etwas eingefallen. Schnell stand er auf und kam dann mit etwas zurück. Runa erkannte es sofort. Es war ihr Beutel. Er reichte ihn ihr und sie nahm ihn sofort entgegen.

„Das hattest du bei dir. Ich habe nicht reingeguckt, keine Sorge.“

Sie machte sofort den Verschluss auf und sah rein. Ein zusammengelegtes Tuch lag drinnen. Es war eins der gesponnenen der Großmeisterin. Sie holte es raus und faltete es auf ihrem Schoss auseinander. Da drinnen waren viele kleine Küchlein.

Runa fing an zu weinen.

„Was? Was ist denn? Tut dir etwas weh?“, wollte der Junge wissen. Er verstand nicht, was Runa plötzlich zum Weinen hätte bringen können.

Sie schüttelte mit ihrem Kopf und sagte dann leise: „Sie hat dran gedacht.“

Er sah sie weiterhin verwirrt an, wenn nicht sogar noch verwirrter, denn er verstand nicht, was ihre Antwort zu bedeuten hatte. „Was meinst du?“

Runa sah zu ihm. Sie lächelte und weinte. „Die Großmeisterin hat dran gedacht.“ Sie war glücklich. Aber warum weinte sie dann?

„Woran?“

Kann sie nicht normal reden? Sie tut ja schon beinahe so, als würde ich wissen, wovon sie spricht.

„An meinen Geburtstag. Sie hat zu meinem Geburtstag immer Honigkuchen gemacht. Sie hat dran gedacht. Das sind ihre Honigkuchen.“

Sie nahm sich eins und biss hinein. Sie aß es voller Freude und legte die anderen dann wieder zusammen und faltete das Tuch wieder zu. Die Restlichen wollte sie sich aufbewahren.

Runa zog den Beutel an sich und sah erneut rein. Endlich hatte sie die Zeit dazu, bei ihrer Flucht hatte sie die nicht gehabt.

Das Erste was ihr auffiel, war ein in Ledergebundenes Buch. Sie hatten nur welche mit Holzeinband, weil Leder für sie selten war und deswegen nur für Kleidung und Schuhe benutzt wurde. Tiere hatten sie keine und gejagt hatten sie nicht. In ihrem Stamm war es verboten, ein Tier zu töten. Nur wenn sie ein bereits verstorbenes fanden, nahmen sie sich die nützlichen Stücke und verarbeiteten sie.

Sofort holte sie es raus. Dieses Buch hatte Runa noch nie gesehen.

„Das ist Leder“, sagte sie, während sie über den Einband strich.

Er sah auf das Buch.

„Ja und?“

Sie band das Band auf, das ebenfalls aus Leder war. Bei ihr war es sonst immer aus Haaren und gesammelten Federn.

„Leder ist zu selten, um es für Bücher zu benutzen.“

Sie bemerkte etwas. Alle seine Bücher hatten auch einen Ledereinband.

„Wovon redest du? Leder ist doch nicht selten. Ja, etwas teuer, aber auch nicht immer. Es wird immer für solche Hefte benutzt.“

Sie schüttelte wieder mit ihrem Kopf. „Nicht bei uns.“

Sie öffnete es und las sofort eine Notiz.

„Was steht da? Ich kann das nicht lesen? Was sind das für seltsame Zeichen? Die kenne ich gar nicht.“ Der Junge hatte sich neben Runa über das Buch gebeugt. Verwundert betrachtete er die Zeichen.

„Nicht? Lernt ihr das nicht?“

Beide sahen sich gegenseitig an. Er wusste erst gar nicht, was er sagen sollte.

„Na, also eigentlich lernen wir überhaupt nichts was mit Lesen und Schreiben zu tun hat. Aber ich kann ein bisschen lesen und schreiben. Ich habe es mir selber beigebracht, nachdem man meinen ältesten Bruder auspeitschen lassen hat, bis er tot war. Er konnte - wie jeder Bauer - nicht lesen und nicht schreiben. Er ist in den Wald zum Holzsammeln gegangen. Ein Schild war da, aber er hatte es nicht weiter beachtet, er konnte ja nicht lesen. Er hätte da nicht reingedurft. Der König hat ein Verbot erlassen, dass man nicht in den Wald durfte oder zumindest ein Goldstück zahlen musste. Man hat ihn erwischt. Er konnte das Geld nicht auftreiben und als Strafe, ließ der König ihn auspeitschen. Das hat er mit Absicht so gemacht. Er weiß genau, dass Bauern nicht lesen können. Da wurde mir erst so richtig bewusst, wie wichtig es doch ist, weil die reichen Leute sich sonst noch mehr als sonst an dir vergreifen. Ich wollte es meiner Schwester dann beibringen, aber sie ist am Fieber gestorben, wie viele andere Kinder auch.“

Sie sah ihn erstaunt an. Derselbe Wald, wie der, aus dem sie vor dem Wesen geflohen war? Immerhin waren überall Wälder. Aber es musste dieser sein.

„Ich komme aus dem Wald.“

Seine Augen wurden größer.

„Hat dich irgendwer gesehen?“

Sie zuckte mit ihren Schultern. „Ich kann mich an nichts erinnern. Nur wie ich zusammengebrochen bin weiß ich noch.“

Er sah aus dem Fenster und lehnte sich dabei über sie. Sie wich dabei etwas zurück. Was, wenn jemand sie gesehen hatte?

„Du musst schnell hier weg. Wenn sie dich finden, dann bringen sie dich um. Oder sie werden dich zu ihrer Sklavin machen. Vielleicht sogar noch weitaus Schlimmeres.“ Er stand schnell auf und sammelte einige Sachen zusammen. „Hier, zieh dir das über.“ Er warf ihr eine Art Tuch zu.

Runa war ein wenig verwundert und hatte ihn die ganze Zeit nicht aus ihren Augen gelassen. Sie fang den Stoff mit beiden Händen auf. Weich lag er zwischen ihren Fingern.

„Was soll ich damit?“, fragte sie.

„Das ist für deinen Kopf. Rote Haare sind sehr selten. Wegen den Blutjagden. Um genau zu sein, gibt es bereits seit sehr langer Zeit keine Rothaarigen mehr. Die letzte Sichtung bei uns, ist sicher schon fünfzig oder mehr Jahre her. Mein Großvater hatte einst von ihnen gesprochen, von den letzten Rothaarigen.“

Sie stand auf. Schnell zog sie sich ihren Umhang um, der am Bett hing und warf den Beutel über ihre Schulter. Das Buch hielt sie immer noch in ihrer Hand.

„Blutjagd?“

Er zog sich seinen Beutel ebenfalls über und trug ihn auf seinem Rücken.

„Noch nie was davon gehört?“

Sie schüttelte ihren Kopf, zog sich daraufhin zögerlich den Stoff auf den Kopf.

„Mal was von Blutzauberern gehört?“

Sie nickte. Natürlich. Sie war ja eine von ihnen.

„Früher gab es so eine Legende, vor etwa hundert Jahren. Menschen mit roten Haaren konnten wohl Blut kontrollieren. Deswegen hat man sie getötet. Sie wurden gejagt. Nur mit Feuer konnte man sie wohl bezwingen. Sie wurden als Hexen angesehen. Aus Angst davor hatte man alle, die rote Haare hatten, verbrannt. Deswegen sind rote Haare auch so selten. Jetzt steht es in Geschichtsbüchern und Kindergeschichten und wird als Legende verbreitet. Die von früher waren ja schon ziemlich dumm an so einen Unsinn zu glauben, wenn du mich fragst.“ Er erzählte ihr alles, auf dem Weg nach draußen. Sein Letzter Satz machte sie wütend.

Er hielt das alles also für Unsinn? Hielt er sie dann nicht auch für Unsinn?

„Das ist kein Unsinn!“, schrie sie förmlich. Sie wurde von ihm beleidigt und fühlte sich auch danach.

Er lachte nur und schloss gerade die Tür zum kleinen Haus, das zwei Räume besaß.

„Warum bist du da denn so beleidigt? Hier, sieh nur. In der Region hat kein Bauer einen Schlüssel - und so hat glaube ich auch kein Bauer einen Schlüssel - und alle - außer die Reichen - haben eigentlich auch nur ein Zimmer, mein Vater hat aber sehr viel gekonnt. Er war recht gebildet im Gegensatz zu allen anderen. Deswegen hat man ihn ermordet.“

Warum erzählte er ihr das alles?

„Hört sich an, als wäre er eine tolle Person gewesen.“

Er lächelte. „Ja, das war er.“

Sie sah böse zu ihm. „Aber das mit den Blutzauberern ist kein Unsinn!“

Der Junge war erstaunt. Warum behaarte sie so sehr darauf? Wozu interessierte sie das so? Es war doch nun mal so. Oder etwa nicht?

„Jaja, aber warum stört dich das so sehr?“

„Vielleicht verstehst du das nicht, aber-“

Er hielt seine Hand vor sie und unterbrach damit ihre Erklärung, ehe sie überhaupt richtig beginnen konnte.

„Shh. Hörst du das?“ Er sah sich beunruhigt um.

„Nein. Sollte ich?“ Sie war zu aufgebracht gewesen, über seine Reaktion, um auf das zu achten, was um sie rum geschah. Dabei war ihr Gehör eigentlich um einiges besser, als das eines Nichtzauberers.

Er nahm schnell ihre Hand.

„Da! Lauf!“

Runa folgte seinem Blick. Sie sah Männer auf Pferden zu ihnen reiten.

„Sie sind wegen dir hier. Wir müssen schnell weg.“

Er rannte los und zog sie dabei mit sich. Automatisch rannte sie mit. Ihr Kopf drehte sich noch einmal nach hinten. Die Kerle kamen immer näher.

Sie konnte ihre Rufe hören.

Sie bekam Angst.

Sie war unsicher.

Ihre Angst wurde immer größer. Was würde passieren, wenn sie gefangen werden würde? Würden sie sie töten?

„Was sollen wir tun ...?“ Er lachte kurz, bei ihrer Frage. Sie kannte ja immer noch nicht seinen Namen. „...Linhart.“ Er hörte sofort auf zu lächeln und wurde wieder ernst. „Wir müssen irgendwie vor ihnen in den Wald kommen. Da können sie uns nicht so leicht fangen. Besonders durch ihre Pferde. Die kommen da nicht so einfach durch, wenn wir im Zickzack laufen.“

Sie konnten hören, wie die Pferde näherkamen. Die Reiter waren nicht mehr weit entfernt. Runa hörte einen Schrei. Sie sah in den Himmel, wo der Schrei herkam.

Im Himmel waren ein Falke und ein Rotkehlchen zu sehen. Das Rotkehlchen versuchte in den Wald zu fliehen und war nur noch ein paar Meter von diesem entfernt, genau wie sie. Der größere Vogel packte den Kleineren, welcher einen entsetzlichen Schrei von sich ließ.

Sie erschrak, denn plötzlich packte sie was am Kragen. Runa wurde nach oben gezogen, in einer Geschwindigkeit, wo sie nicht mal reagieren konnte. Ihre Hand wurde aus Linharts gerissen und sie schrie nun genauso entsetzlich, wie es das Rotkehlchen vor nur ein paar Sekunden getan hatte. Runa schrie nach Linhart und versuchte sich loszueisen, aber da wurde sie auch schon Bäuchlings auf das Pferd vor den großen Mann geworfen.

Linhart rief nach ihr, genauso schockiert, wie sie es war. Aber nun konnte sie auch nichts mehr gegen den Mann tun, der sie immer wieder nach unten drückte, wenn sie versuchte hoch zu kommen. Linhart rief verzweifelt nach ihr, wurde aber fast selber gefangen.

Er rief ihr zu: „Ich werde kommen und dich befreien! Versprochen! Warte so lange bitte auf mich!“ Schnell rannte er in den Wald und verschwand.

Sie starrte ihm nur hinterher, hoffend, dass er sie nicht im Stich lassen und sein Versprechen halten würde.

„Sollen wir ihn suchen?“, fragte einer der drei Reiter.

„Nein. Er wird von selbst kommen, das hat er doch selber gesagt. Wir sind außerdem nicht hinter ihm her, sondern hinter ihr“, sagte der Reiter, vor dem Runa saß.

Er zog ihr das Stoffstück vom Kopf und entblößte ihre feurigen Haare. Direkt sah er erstarrt zu ihr, wie die anderen.

Rote, feurig rote Haare. Wie ein Feuer. Keiner von ihnen hatte je rote Haare gesehen. Außer in Bilderbüchern, die sie allerdings alle nur für Märchen gehalten hatten. Die roten Haare hatten sie bis dahin auch nur für eine Legende gehalten.

Der Reiter fing an zu grinsen. Er stank nach Schweiß und Zwiebeln. Runa hätte am liebsten gekotzt. Sie kannte eigentlich keine Männer, aber sie wusste sofort, dass er einer war, mit dem sie lieber nichts zu tun haben würde.

Er fand die Haare wundervoll und dachte sich, dass er damit sicher gutes Geld machen könnte. Seine eigenen Haare waren nur dunkle, braune die fast schwarz aussahen.

Er würde das Mädchen dem König überreichen müssen, als einer seiner treusten Ergebenen. Jetzt durfte nur niemand anderes das Mädchen sehen.

Er schnitt eine Strähne ihrer Haare ab und Steckte sie in ein kleines Beutelchen, das an seinem Gürtel befestigt war.

Sie mussten nur noch zum König und er würden für das Mädchen eine gute Belohnung bekommen. Hätte dieses alte Weib nicht dem König davon berichtet, dass jemand aus dem Wald am Morgen kam, dann wäre es nie dazu gekommen. Nur ihr Gerede über diese Blutzauberer hatte ihn gestört. Er kannte die Legenden und Sagen dazu, aber das war alles nicht echt.

„Reiten wir zum König, das Mädchen wird uns sicher eine Menge Geld bringen“, sagte er lachend.

Ihr Herz setzte kurz aus. Dann ritten sie los.

4

Es war tief im Wald. Die Nacht war klar und die Sterne leuchteten hell.

Eine alte Frau, mit zu Zöpfen geflochtenen Haaren, die bis über den Boden reichten, saß, wie jeden Tag und jede Nacht, auf ihrem Stuhl, der aus Zweigen und Stöcken geflochten wurde. Sie war nun fast zweihundert Jahre alt. Ihre einst so feurigen Haare waren nur noch weiß mit vereinzelten noch etwas farbigen Haaren. Ihre Augen waren geschlossen. Sie konnte ohnehin schon seit zwanzig Jahren nichts mehr sehen. Sprechen fiel ihr schwer und sie war schon sehr gebrechlich.

Eine Sternschnuppe flog über sie hinweg.

Zwei Jungen und ein Mädchen kamen zu ihr gerannt. Alle drei hatten feurige Haare, so wie sie einst. „Weise Frau! Weise Frau! Habt ihr das gesehen? Die Sternschnuppe war ganz rot, als wäre sie aus purem Feuer!“, kamen die drei an.

Die Frau hob zitternd und langsam ihre Hand, der Zeigefinger nach oben ausgerichtet. „Eine Zauberin ist gefallen.“

Alle sahen nach oben.

„Sie hat uns etwas hinterlassen“, sagte die Alte mit zittriger Stimme.

„Was denn?“, wollte das Mädchen wissen. Mit ihren siebzehn Jahren war sie noch sehr unerfahren.

„Ein Mädchen.“

Die drei sahen sie nichts ahnend an.

„Was bedeutet das?“, wollte der Älteste der drei wissen.

„Sucht sie. Sie ist wichtig. Ein sehr mächtiges Mädchen ist sie. Sie hat das feurigste Haar. Ihre Augen eine Mischung aus den Farben. Ihr müsst sie finden, bevor sie es tun.“ Die drei wollten wissen, wen sie meinte, aber sie sagte nichts weiter. Sie sollten darauf von ihr auch keine Antwort mehr erwarten.

Sie packten also ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg, um das Mädchen zu finden.

5

„Ich habe sie im Stich gelassen. Das ist alles meine Schuld. Was habe ich nur getan?“ Linhart machte sich die ganze Zeit Gedanken und Vorwürfe. Wie sollte er sie da nur rausbekommen? Sie hatte von all dem hier ja gar keine Ahnung! Ein Mädchen aus dem Wald. Sie ist einfach aus dem Nichts aufgetaucht.

Er lief hin und her. Ein wütender und verzweifelter Schrei kam aus seiner Kehle.

Er trat gegen einen Baum, verletzte sich dabei aber nur selber, hüpfte rum und hielt sich dabei seinen Fuß vor Schmerz. „Ahhhch. So eine Scheiße!“

Linhart hat das Mädchen wirklich liebgewonnen. Er kannte sie zwar noch nicht sehr lange, fand sie aber trotzdem wirklich toll. Es lag nicht nur an ihren Haaren, sie war auch so anders als die Mädchen aus dem Dorf. Sie hatte so etwas beruhigendes und Anziehendes an sich.

„Verdammter Mist! Wie soll ich sie da bloß rausholen?“ Er setzte sich auf einen umgefallenen Baum und legte seinen Kopf in seine Hände. „Wie nur ...?“

Linhart sah sofort erschrocken auf, weil er ein Geräusch gehört hatte. Nicht nur eins, es waren mehrere. Und bevor er auch nur einen Finger rühren konnte, wurde ihm auch schon ein Messer unter seinen Hals gehalten.

Erschrocken sah er zu den zwei Gestalten vor sich und versuchte die dritte hinter sich zu erkennen. Er wagte es nicht seinen Kopf nach hinten zu drehen, aus Angst, die Person hinter ihm würde ihm den Hals aufschneiden, sobald er das täte.

„Wer seid ihr?“ Ihm fielen die roten Haare auf, die jeder von ihnen hatte, er vermutete, dass die Person hinter ihm auch so rote Haare hatte. So viele Rothaarige hatte er noch nie auf einmal gesehen. Vor Runa hatte er eigentlich noch nie jemanden mit roten Haaren gesehen.

„Wie Runa ...“, flüsterte er, aber sie verstanden ihn trotzdem.

Blutzauberer hatten intensivere Sinne. Sie konnten aus 100 Meter Entfernung eine Maus sehen oder eine Fliege hören, so wie eine Frucht riechen. Sie spürten alles feiner. Ihre Instinkte waren auch geschärfter. Deswegen hatten sie ihn schon von weitem gesehen.

„Wovon sprichst du? Wer soll das sein?“, fragte einer der Jungen. Er hatte helle, strahlend blaue Augen.

Linhart zögerte. Er mochte diesen Jungen nicht. Aber vielleicht gehörte Runa zu ihnen -auch, wenn sie nur von einer alten Frau etwas gesagt hatte.